“SM-I²-LE”

“LSD seems to suspend the imprinted and conditioned brain circuits that normally control perception/emotion/thought, allowing a flood – an ocean – of new information to break through” – meinte Robert Anton Wilson, und das ist eine etwas zurückhaltendere Erläuterung  der LSD-Erfahrung als Timothy Learys vollmundige Aussage:  “Zweifellos ist LSD das mächtigste Aphrodisiakum, das der Mensch je entdeckt hat.” Das ist, wie das meiste was Leary sagte, vielleicht richtig, aber es als Harvard Professor zu sagen, und dann auch noch  in einem Playboy-Interview, hatte Folgen. Der Stoff wurde verboten, und Leary – wegen eines Joints, der bei seiner Tochter gefunden wurde – zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. RAW besuchte ihn dort und war erstaunt über die andauernde Fröhlichkeit mit der sein Freund den Knast ertrug. In dieser Zeit schrieben sie zusammen das Buch “Neuropolitics – The Sociobiology Of Human Metamorphosis”, ein Buch voller optimistischer Vorstellungen und Visionen über eine sich dank technischer Entwicklung und Erweiterung des Bewußtseins entwickelnde Menschheit, inkl. der Gründung von Kolonien im Weltraum und Lebensverlängerung auf der Erde. Tim Leary nannte es das  “SM-I²-LE”-Prinzip(Space Migration, Intelligence Increase, Life Extension), was andeutet, dass es so ganz ernst nicht gemeint war – aber im Großen und Ganzen eben doch. RAWs Tochter Christina erzählt in dem  Interview, das BoingBoing zur Robert Anton Wilson Week mit ihr geführt hat, dass sie sich in ihrer Familie Anfang der 70er durchaus darauf einstellten, die Auswanderung ins All und die Lebensverlängerung noch zu erleben.

Dieser Optimismus, das Zuvertrauen in technische Machbarkeit und die Hoffnung, die (von LSD offenbarten) Potentiale des menschlichen Gehirns ausschöpfen und nutzen zu können, durchzieht das Werk RAWs und Learys, ist in seiner Mischung aus Spiritualität und High Tech auf eine typische Weise kalifornisch und erschien unseren,  mit teutonischer Denkschwere belasteten Köpfen, manchmal ein bißchen naiv. Als ich Tim Leary Mitte der 80er fragte, wieso er jetzt weniger von Bewußtseinserweiterung, sondern nur noch von Netzwerken  und Computern redete, wo doch  “Computer nicht  intelligenter sind als Kartoffeln” antwortete er: “Oh, ich mag Kartoffeln.”  Um von ihnen dann flugs bei den acht Schaltkreisen unserer Gehirne, der “human biocomputers”, zu landen, deren Modell er zusammen mit RAW beschrieben hatte und die deutlich machten, dass wir auch als “höhere” geistige Wesen die Kartoffelhaftigkeit der unteren Amöben,- Säugetier, -Primatenschaltkreise nicht so einfach abschalten können. Dennoch sei es wichtig, das Recht auf einen persönlichen Computer in die Charta der Menschenrechte aufzunehmen. Das war 1984, und wenn wir mehr als ein Vierteljahrhundert später den ausgezeichneten Vortrag des Boing-Boing-Bloggers Cory Doctorow auf der letzten CCC-Konferenz  hören – The Coming War on General Computation – wird deutlich, dass diesen Denken keinesfalls “naiv”war, sondern nur seiner Zeit ziemlich voraus…

1 Comment

  1. Danke für den Artikel; leider funktioniert der letzte Linke (The Coming War on General Computation) nicht, wie er sollte — Is this war here already, in the end?

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