Frank Schirrmacher R.I.P

“De mortuis nihil nisi bonum” ist mir als ehemaliger “Lateiner” noch ein Begriff – und Nachtreten am Grab gehört sich schon gar nicht. Als ehemaliger Meßdiener bin ich aber auch gegen zuviel Weihrauch allergisch – und der wehte mir aus den Morgenzeitungen in den Nachrufen auf den plötzlich verstorbenen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher doch äußerst penetrant entgegen. Dass die FAZ – wenn ich eine deutsche Zeitung auf einer einsamen Off-Line-Insel abonnieren dürfte – das Blatt meiner Wahl wäre, verdankt sich zwar Frank Schirrmacher und dem Feuilleton deutlich mehr als den anderen Herausgebern, dem wohlfeilen Lob und Hudel  heute aber würde ich dann doch ein bescheidenes “Nun macht mal halblang” hinzufügen. Für mich gehörte Schirrmacher eher in die Abteilung: “Riecht jeden Trend sobald er vorbei ist.” Dass er dankenswerter Weise vor ein paar Jahren dem “Chaos Computer Club” und seinen Anliegen die Spalten der Zeitung öffnete war insofern auch keine visionäre Meisterleistung – mehr als 30 Jahre, nachdem der CCC zufällig am Plenumstisch der taz gegründet worden war. Dass Wissenschaft für den Kulturteil einer Zeitung spannender sein kann als das immer gleiche Kunst-Geschwalle und Opern-Geschwurbel, ist richtig, doch war der Hype, den Schirrmacher um Künstliche Intelligenz, Genomforschung, Virtuelle Realität etc. veranstaltete, eher einem verspäteten Import statt vorauschauender Originalität geschuldet. Wie auch  seine Bücher über Egoisten, die Methusalem-Gesellschaft  und  die Datenkraken – letzlich sehr konventionelle und häufig fehlerhafte Werke, die nur Beachtung fanden, weil sie ex cathedra von einem FAZ-Herausgeber stammten. Aber anders als mit Konventionalität wird man so etwas ja auch nicht – da war mir Frank Schirrmacher zum ersten Mal 1988 aufgefallen. Als Jungeredakteur und bevor er den Literaturchef Reich-Ranicki beerbte mokierte er sich mit dicker Hose über das Nobelpreiskomittee, das einen Schriftsteller ehrte, den er nicht kannte – und schrieb da schon “großväterlicher als Tolstois Bart je rauschte.”

Und doch: ein Verlust. Denn verglichen mit den Blindfüchsen, die ansonsten im deutschen Feuilleton,- und Leitartikelwesen ihr Unwesen treiben, war ein Einäugiger wie Frank Schirrmacher schon ein kleiner König. Und einer, dem auf seinem Weg vom großväterlichen Milchbubi zum mitdenkenden Intellektuellen noch Einiges zuzutrauen gewesen wäre, denn die Richtung stimmte. Möge er in Frieden ruhen….

11 Comments

  1. Das ist mir zu selbstverliebt vergangenheitsverhaftet. Ist ja klasse, dass Ihr in der TAZ schon vor über 30 Jahren den Chaos Computer Clubs aus der Taufe gehoben habt. Aber muss das hierher, um Schirrmacher “in die Abteilung: “Riecht jeden Trend sobald er vorbei ist.” bugsieren zu können ? Lieber hätte ich was dazu gelesen, was er heute Constanze Kurz regelmäßig in der FAZ schreiben läßt http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/aus-dem-maschinenraum/ . Wen interessiert sein damaliges dummes Urteil über Naghib Mahfuz ? Interessiert hätte mich, warum Du ihn immerhin zum Schluss einen “mitdenkenden Intellektuellen” nennst, dem “noch Einiges zuzutrauen gewesen wäre, denn die Richtung stimmte”.

  2. Tja, womöglich war er am Ende doch Amazon zu sehr auf die Nerven gegangen und es wurde ihm das Kontaktgift Rizin verabreicht, das zum Herzinfarkt führt.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Ricin#Vergiftungsfolgen

    Dass der Buchhandlungs-Killer Amazon heute nur noch weniger als 10 % seines Umsatzes mit Schwarten macht und das aber mit nicht nachlassender Penetranz, war eine der letzten interessanten Meldungen aus dem Hause Schirrmacher & Nachf.
    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/was-will-amazon-hinter-der-mauer-des-schweigens-12968818.html

    Der Krieg gegen die Reform, bzw. Deformierung der Rechtschreibung gehört wohl auch zu seinen Verdiensten. Dass er damit scheiterte, zeigt mir nur, wie mächtig seine Gegner waren. Das waren nicht etwa der olle Dudenverlag, der seine Belegschaft eh schon “gesundschrumpfen” musste, sondern ganz andere Monster, die auf dem Gebirgsmassiv Bilderberg und noch höher zu suchen sind.

    In einer der letzten Ausgaben von der Politsatire-Reihe “Neues aus der Anstalt” haben sie wieder ein Tafel-Diagramm gezeigt, wie sehr unsere kriegsdienstleistenden Leitartikler mit den diversen Nato-Instituten versippt sind:
    http://www.youtube.com/watch?v=5_c2-Yg5spU

    Da sind auch seine lieben Kollegen aus dem Herausgebergremium dabei, daher war es mir immer wieder ein Rätsel, wie gut sich dieser Widerborst da oben halten konnte. Sein unangemeldeter Uberfallsbesuch bei Günter Grass, der gerade beim Jäten war, und dessen genüßliche Hinrichtung als SSler danach, das wird seinen lieben Kollegen wohl sehr gefallen haben. Überhaupt war Schirri ein ziemlich widerlicher 68er-Fresser, schon wieder vergessen und verdrängt? Oder Tilman Jensens Vatermord an Walter Jens ganzseitig im FAZ-Feuilleton?

    Trotz diesen erheblichen Einschränkungen war die FAZ immer wieder mal für eine positive Überraschung gut, das dürfte jetzt vorbei sein. Mission accomplished.

  3. Erst ein Hubschrauber und jetzt das…

    49 Tote! Rebellen schießen Militärflugzeug ab Waren das Putins Raketenwerfer?

    Macht zusammen 64 Tote. Wer jetzt noch der Kiewer Regierung das Odessa-Massaker aufs Brit schmiert, der muss denselben Vorwurf an die russichen Separatisten richten.

    USA: Russland lieferte Panzer und Raketenwerfer an die Separatisten +++ Kiews früherer Verteidigungsminister: „Das ist Putins Krieg gegen die Ukraine“

    14.06.2014 – 06:32 Uhr

    In der Ost-Ukraine eskaliert erneut die Gewalt: Prorussische Separatisten schossen bei Lugansk ein Transportflugzeug ab. Nach Angaben eines Militärsprechers wurden 49 Angehörige der Regierungstruppen getötet.

    „Gegen 1.10 Uhr wurde am 14. Juni 2014 ein Militärtransportflugzeug vom Typ Il-76 bei der Landung in Lugansk mit Raketenschüssen zum Absturz gebracht“, hieß es in einer offziellen Mitteilung aus Kiew.

    Die Separatisten äußerten sich zurückhaltend. „Wir wollen das erst einmal weder bestätigen noch dementieren”, sagte ein Sprecher der Aufständischen der Agentur Itar-Tass in Lugansk.

    Ex-Verteidigungsminister Anatoli Grizenko zufolge befanden sich an Bord 40 Fallschirmjäger einer Luftlandebrigade aus Dnjepropetrowsk sowie 9 Mann Besatzung. Das Flugzeug sei in etwa 700 Metern Höhe von Geschossen aus dem Raketenwerfer „Igla” (Nadel) getroffen worden.

    Grizenko warf Kremlchef Wladimir Putin vor, die militanten Gruppen in der Ostukraine weiter aufzustacheln. „Dies ist kein Konflikt zwischen Bürgern, sondern ein Krieg Putins gegen die Ukraine”, sagte er.

    Das Verteidigungsministerium in Kiew sprach den Angehörigen der Opfer seine Anteilnahme für den „tragischen und nicht wieder gutzumachenden Verlust” aus.

    Laut dem Ministerium transportierte das Flugzeug Truppen, die Soldaten vor Ort ablösen sollten. Zudem habe sich Ausrüstung an Bord befunden. Die IL-76 ist ein schweres Transportflugzeug mit vier Düsentriebwerken, das laut Hersteller knapp 150 Soldaten, aber auch schwere Ausrüstung wie Panzer oder Geschütze transportieren kann.

    Nach Einschätzung der USA hat Russland erst in den vergangenen Tagen die Separatisten mit Gerät unterstützt. „Wir gehen davon aus, dass die Separatisten schwere Waffen und Militärgerät von Russland erworben haben. Dazu zählten russische Panzer und Raketenwerfer”, sagte eine Sprecherin des amerikanischen Außenamts.

    Videos im Internet zeigten, dass Panzer im Südwesten Russlands aufgebrochen seien und sich durch etliche Städte in der Ostukraine bewegt hätten.

    Die Regierung in Kiew wirft Russland schon länger vor, die Aufständischen heimlich zu unterstützen und Waffen über die Grenze zu schmuggeln.

    Die Separatisten lehnen den prowestlichen Kurs der ukrainischen Regierung ab und streben eine Eingliederung in die Russische Föderation nach dem Vorbild der Krim-Halbinsel an. In Lugansk haben sie eine „Volksrepublik Lugansk“ ausgerufen.

    Mindestens 270 Menschen starben nach Angaben des ukrainischen Gesundheitsministeriums bisher bei Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Separatisten.

    Der ukrainische Milliardär und Gouverneur der Region Dnepropetrowsk, Igor Kolomojski, schlug unterdessen vor, die Grenze zu Russland auf der kompletten Länge von 1920 Kilometern mit einem Elektrozaun abzusichern. Die mit Stacheldraht verstärkte Absperrung sei nötig, um die Ukraine vor Eindringlingen aus dem Nachbarland zu schützen, „das eine aggressive Politik gegenüber der Ukraine verfolgt”, sagte sein Stellvertreter Gennadi Korban örtlichen Nachrichtenagenturen.

  4. OT: Interessante BILD-Meldung…

    Hacker-Angriff in vier Ländern?
    13 Flugzeuge spurlos vom Radar verschwunden

    14.06.2014 – 14:59 Uhr

    Berlin – Mysteriöser Zwischenfall im Luftraum: Plötzlich verschwinden 13 Flugzeuge von den Radarschirmen. In vier Ländern. Für 25 Minuten. Ein hinterhältiger Hacker-Angriff?

    Wie jetzt bekannt wurde, verschwanden zehn Maschinen am 5. Juni und drei weitere am 10. Juni von der Bildfläche, berichtet der „Telegraph“.

    Betroffen: die Luftverkehrkontrollzentren in Süd-Deutschland, Österreich, der Slowakei und Tschechien. Fluglotsen hatten für 25 Minuten keine Informationen über Position, Höhe, Geschwindigkeit und Flugrichtung der Maschinen! Die einzige Möglichkeit zur Kommunikation: das Funkgerät.

    In der österreichischen Zeitung „Die Presse“ spricht ein ranghoher Beamter einer Sicherheitsbehörde sogar von „der größten Beinahe-Katastrophe der zivilen Luftfahrt in Mitteleuropa“!

    Was war die Ursache für das mysteriöse Verschwinden?

    Nach verschiedenen Medienberichten gingen Experten zunächst davon aus, dass eine Nato-Übung Auslöser für die Panne sein könnte. Grund: In Ungarn wurde zu dem Zeitpunkt die elektronische Kriegsführung erprobt. Allerdings bestreitet das Hauptquartier der Nato, an dem Tag Manöver durchgeführt zu haben.

    Dann wurde spekuliert, dass Hacker die Transponder der Maschinen manipuliert haben könnten.

    Die österreichische Fluggesellschaft Austro Control habe aber inzwischen die eigenen Computersysteme der Bodenstationen überprüft. Die Techniker würden einen Hackerangriff als Ursache ausschließen. Weil die ebenfalls betroffenen Leitstellen in Deutschland, Tschechien und der Slowakei andere Software verwenden würden, sei ein konzentrierter Cyber-Angriff eher unwahrscheinlich.

    Eurocontrol, eine Organisation zur Luftverkehrskontrolle in Europa, habe eine Untersuchung zu den beiden Fälle begonnen.

  5. Solange Schland Besatzungszone ist, hat jeder Herausgeber einer Zeitung als Ziegelträger der Militärregierung zu gelten. Dies gilt um so mehr, wenn die Zeitung bundesweit verbreitet und anerkannt ist. Da kann man sehr gut von leben und hat eine besonders hohe Lebenserwartung, wie das Beispiel der ehem. Zeit-Herausgeberin und vermeintlichen Widerstandskämpferin Dönhoff zeigt oder das ihrer engen Freunde Sir Henry und Helm. Schmidt. Auch Marcel RR von der FAZ hatte einen langen, friedlichen und relativ sorgenfreien Lebensabend. Wenn nun ein Mann wir Schirrmacher lange vor den Methusalems abnippelt, dann sollte sich ein investigativer Journalist gern die Frage stellen: was sein abruptes Verscheiden bewirkt haben könnte? Was waren seine letzten Texte? Was seine nächsten Projekte? Und wer wird beim Lesen seiner Todesanzeige erleichtert gewesen sein? Oder wie der Lateiner immer sagt: Cui bono, nicht wahr, Herr Bröckers?

  6. @Hermjo am 14.6., 21.21 Uhr:

    Das haben wir eindeutig den Verschwörungstheoretikern des 11. September zu verdanken. Erst durch diese wurden ja die NATO-Oberindianer darauf aufmerksam gemacht, dass man an den Transpondern fliegender Maschinen auch mal ferngesteuert herumspielen könnte 🙂

  7. @Hellmuth, 14.6., 12.33 Uhr:

    Ist Ihnen in letzter Zeit öfter mal schwindlig? Das könnte daran liegen,
    dass jemand fleißig mit Falschen Flaggen vor Ihrer Nase herumwedelt.
    Dagegen hilft aber keine Medizin, auch kein Glauben, sondern nur WISSEN.
    Also – wie der Russe sagt: Abwarten und Tee trinken.
    Was der Prorusse trinkt, bedarf erst noch der Klärung, aber eins steht schon jetzt fest: er ist bedeutend gefährlicher als der normale Russe…!
    :-7

  8. Ich finde die Frage, warum der einflussreiche Schirmmacher so plötzlich ins Grass beißen musste, auch nicht ganz unberechtigt. Was ich von Ihm zuletzt gehört habe war ziemlich massive Kritik zur NSA-Kiste.
    Der konservative Ökonom , Prof. Max Otte hat kürzlich folgendes über Schirmmacher geschrieben:

    Noch vor wenigen Wochen hatte ich Schirrmacher in seinen Büro in Frankfurt besucht. Meine Mitarbeiterin hatte unendlich oft in seinem Büro angerufen. Mehrere Telefontermine und auch Besuchstermine platzten. Als ich dann in Schirrmachers Büro saß, erlebte ich einen springlebendigen, hoch interessierten Mann. Ich sollte etwas über den Finanzkapitalismus und die Überwachungsgesellschaft schreiben, “gerne eine ganze Seite”.

    Eigentlich wollte ich Schirrmacher nur einmal kennenlernen. Ich fühlte mich geehrt. Ich war mit der FAZ aufgewachsen. Bei meinem Vater, einem engagierten CDU-Kommunalpolitiker, lagen immer die beiden Lokalzeitungen und die FAZ.

    Am 19.05.14 erschien dann mein Artikel, gekürzt auf eine halbe Seite.

    Ich weiss nicht, warum Schirrmacher so früh von uns gehen musste. Er war ein hoch intelligenter, lebhafter Mensch mit dem Sinn für Probleme und Verwerfungen. Viele Probleme hat er angedacht, skizziert. Aber er konnte oder wollte auch nicht die letzten Konsequenzen aussprechen. Vielleicht war er sich dessen als exponierter Kopf eines Mainstream-Mediums bewusst. Vielleicht nicht. Vielleicht hat dieser Widerspruch ihn zerrieben. Wir werden es nie erfahren.

    Meinen Vater hat es mit 55 Jahren aus dem Leben gerissen. Auch er war anscheinend kerngesund. Auch er hatte zum Schluss seines Lebens Aufgaben, die für sein preußisches Verantwortungsbewusstsein vielleicht zu viel waren.

  9. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich um Mord handelt. Dass das so einfach möglich ist und NIEMAND die genauen Todesumstände untersucht, macht unser Land zu weniger als einer Bananenrepublik.

  10. Toller Kommentar im SpOn-Forum, wo aktuelle Themen — anders als hier — profund debattiert werden…

    “Wenn Jakob Augstein Gauck Hurra-Patriotismus in wilhelminischer Tradition unterstellt, dann hat er ihn nicht verstanden oder, was wahrscheinlicher ist, nicht verstehen wollen. Militäreinsätze lassen sich nicht immer vermeiden um Grundwerte der Zivilisation zu retten. Die Befreiung diese Landes vom Nationalsozialismus ist ein Paradebeispiel dafür. Daß ausgerechnet die Linkspartei sich als Hort des Pazifismus geriert, kann man eher als Treppenwitz der Geschichte verstehen, aber das nennt man wohl Dialektik.”

  11. @Ekki am 19.06.2014 um 17:37 Uhr

    Die “Grundwerte der Zivilisation” sind halt so. Meine z.B. sind voller Tank, volle Regale, volle Garage.
    Da gehts mir doch meilenweit am Anus vorbei, ob z.B. die “Rebellen” von Amis Gnaden von Syrien nach Irak umziehen und dort als ISIS weiter schlachten.
    Und was die Linkspartei, also die Neo-Sozialdemokraten, betrifft, die haben ja einen guten Mann in der Atlantikbrücke. Der wird seinen Einfluss schon geltend machen, um die Amis davon zu überzeugen, nie nie wieder Grundwertekriege zu führen.

Leave a Reply to Ekki Cancel reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *