Warum “Dieselgate” keine Anti-VW-Verschwörung ist

VW

Dass die realen Emissionen von Dieselmotoren nicht dem entsprechen, was im Prüfmodus an Stickoxiden gemessen wird, ist keineswegs eine Neuigkeit. Zuletzt  hielt eine Studie des International Council on Clean Transportation im Oktober 2014 fest, dass der tatsächliche Stickoxid-Ausstoss aktueller Diesel-Fahrzeuge sieben Mal höher liegt als die “Euro 6” Norm vorschreibt.  Und das nicht nur  bei VW-Motoren. Noch beschwören BMW, Mercedes und andere Hersteller zwar, dass die keine Tricks angewendet haben, um ihre Diesel bei der Zertifizierung durch die Zulassungsbehörden “clean” erscheinen zu lassen – besonders glaubhaft scheint das aber nicht.

Bei VW soll die Motorsteuerungs-Software, die den Prüftstand erkennt und den Stickoxid-Output reduziert, schon seit 2005 eingebaut sein und  weil das wahrlich kein programmiertechnisches Hexenwerk  darstellt, ist davon auszugehen, dass die Kokurrenz nicht seit 10 Jahren schläft und derlei kleine (Betrugs-)Helferlein ebenfalls eingebaut hat. Und auch davon, dass Ministerien und Zulassungsbehörden nicht erst seit einer Woche davon wissen, dass in Sachen Verbrauch und Abgas geschummelt und geschönt wird was das Zeug hält,  und die Vollgas-Lobby  – die dunkle Seite der Macht – bisher mächtig genug ist, damit durchzukommen.

Für die von diversen Konspirationisten vorgebrachte Mutmassung, dass die fiesen Amis Deutschland abstrafen wollen und deshalb VW an den Pranger stellen, gibt es keinerlei Indizien – sehr viel wahrscheinlicher ist, dass es sich um branchenüblichen, markenübergreifenden Betrug, also um organisierte Kriminalität,  handelt, und der VW-Konzern als zweitgrößter Hersteller der Welt eben nun als erster erwischt worden ist.   Auch wenn der sog. “Motor-Journalismus” notorisch korrupt ist,  sollte man schon sehr bald damit rechnen, dass auch die Abgasreinigung anderer Hersteller genauer unter die Lupe genommen wird und ähnliche Hintertüren offenbart.

Überraschend wäre das nicht, denn wer kann schon zulassen, dass die Dieselmotoren der Mitbewerber um ein Vielfaches “sauberer” sind als die eigenen. Sehr überraschend dagegen wäre, wenn VW technisch derart hinterherhinkte, dass sie auf faule Tricks angewiesen wären, während die Konkurrenz  – die ja ebenfalls die von Bosch stammenden Katalysatoren oder vergleichbare Technik einsetzt – die Abgastests ohne Manipulation locker besteht.

Also: Dieselgate ist keine Verschwörung gegen VW und Deutschland – auch Hyundai und Kia wurden von der US-Umweltbehörde schon beim Schummeln erwischt – sondern hoffentlich der Anfang vom Ende des systematischen Betrugs der Auto-Industrie, dem die Verbraucher seit Jahrzehnten ausgesetzt sind:  durch völlig realitätsferne, desinformierende Verbrauchs, -und Emissions-Angaben.  Dass sich der Ex-VW-Boss Winterkorn stets für das TTIP-Abkommen inkl. privater Schiedsgerichte ausgesprochen hat, macht da absolut Sinn: er hätte dann dort gegen die strengen kalifornischen Abgasregelungen vorgehen können, die geschäftsschädigend für  den Umsatz mit Diesel-Autos sind.

7 Comments

  1. diese Abgasaffäre der Autohersteller ist perfekt analog zu der Doppingaffäre der Tour der France “Sportler”. Alle tun das schon seit langem und nur gelegentlich wird einer medienwirksam “bestrafft”. Neue Autos werden auch absichtlich so geplannt obsolescent gebaut, daß sie nach dem Ablauf der Garantie vermehrt teure Reparaturen erfordern. Nicht mal eine kaputte Glühlampe kann man heute selbst austauschen. Das gilt für alle Hersteller wohlgemerkt und zwar weltweit.

  2. Für einen Wirtschaftskrieg gegen D fehlt tatsächlich die Motivation, schließlich folgt Mutti ganz brav allen Weisungen aus Washington und es wäre unlogisch, einen dermaßen unterwürfigen Vasallen zu schwächen oder zu strafen.

    Es ist jedoch kein Einzelfall. Einige Großkonzerne stehen derzeit vor US-Gerichten:
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/deutsche-bank-anklage-wegen-steuerhinterziehung-in-usa-a-1007317.html http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/iran-sanktionen-verletzt-commerzbank-muss-bis-zu-800-millionen-dollar-zahlen/10178786.html

    Betrug und Kriminalität sind die Daseinsweise dieser habgierorientierten Wirtschaftsform. Die USA haben dabei aber den entscheidenden Vorteil eines allwissenden Horch- und Schnüffeldienstes. Nachdem dieser in den letzten Jahren der US-Regierung wg. der Snowden-Enthüllungen viel Ärger eingebrockt hatte, scheint er nun seine Daseinsberechtigung nachweisen zu müssen, indem das Wissen über die Betrügereien der anderen in baren Nutzen für die schwächelnde Supermacht umgemünzt wird.

    Es geht zweitens aber auch darum, der Welt zu zeigen, dass die US-Justiz defacto globale Zuständigkeit beansprucht. Auch die Ermittlungen gegen die FIFA und Blatter zählen dazu.

    Die dümmlichen Betrügereien aller anderen und das Wissen der NSA bilden zwei Seiten einer Medaille. Und diese befindet sich in Händen der US-Regierung.

  3. Wieso soll denn jetzt auf einmal “Dieselgate” keine Anti-VW-Verschwörung sein?

    “VW droht eine Strafe von 18 Milliarden Dollar”
    http://www.nzz.ch/wirtschaft/unternehmen/vw-droht-in-den-usa-eine-strafe-von-18-milliarden-dollar-1.18615738

    Das wird VW ruinieren. Und zwar gründlich.
    Wie brutal und absurd die Strafgier der US-Behörden in diesem Falle ist, ersieht man an dem lächerlichen Bußgeld von 900 Mio. $, das General Motors wegen den 174 Toten aufgrund defekter Zündschlösser zahlen musste. Das Urteil ist noch nicht einmal 2 Wochen alt.

    “Buße für Zündschloss-Skandal. GM kommt günstiger weg als Toyota”
    http://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/strafe-wegen-zuendschloessern-gm-kommt-guenstiger-weg-als-toyota-a-1053367.html
    Volkswagen “Cheating” Fine Is 20 Times Higher Than GM’s For ‘Killing 174 People’
    http://www.zerohedge.com/news/2015-09-21/bailout-world-volkswagen-cheating-fine-20-times-higher-gms-killing-174-people

    Die angeblich unabhängige US-Umweltbehörde EPA hat beispielsweise bisher noch keinen Finger gerührt, um etwa Halliburton wegen Verseuchung des Grundwassers mit giftigen Chemikalien (“Fracking”) zu verklagen.

    VW wird dazu gezwungen werden, die Strafe in US-Dollar zu zahlen. Der Wirtschaftsanalytiker Jim Willie meint, dass diese Strafaktion, die eher einem Verkrüppelungsversuch gleicht, eine Drohung gegenüber allen anderen Konzernen sein soll, die sich vom US-Dollar als Zahlungsmittel abwenden wollen, wie das jetzt immer mehr im internationalen Öl- und Gashandel üblich wird.
    Stick at the Dollar and we can still be friends.
    https://youtu.be/l5FlNjTtprE
    http://www.goldenjackass.com/main5.html

  4. @Oli: Es wurde ja gemunkelt, daß die Aufdeckung der Schummelei die “Strafe” für die Eröffnung des VW-Motorenwerkes in Russland sein soll. Muß nicht sein, kann aber. Auf jeden Fall ist es ein Riesendisaster für VW. Mal sehen, was sich bei anderen Marken so herausstellt – und ob.

  5. @Blaubeere, ja, das China-Engagement von VW wird auch nicht gern gesehen in Armyland. VW ist ja mittlerweile zum weltgrößten Autoproduzenten geworden, da wollten die Herrschaften der Wall Street mal wieder ein Exempel an den Krauts statuieren. Überhaupt ist die deutsche Industrie stinksauer auf Merkels Sanktionskurs gegen Russland. Dieser Blödsinn schadet nur ihnen selbst und die Amis feixen sich eins. Aber mit einer Pistole an der Schläfe ist es eben vorbei mit der Unabhängigkeit. Das Bush-Nazi-Lager in Armyland ist allerdings auf dem absteigenden Ast: der Nuklear-Deal mit dem Iran, die Bereitschaft von Kerry, dem Pentagon und neuerdings auch von Obama zur Unterstützung von Russland in Syrien sind dafür unübersehbare Anzeichen. Ich habe zudem das deutliche Gefühl, dass eher die Federal Reserve bankrott gehen wird ehe es im nächsten Jahr zum Urteilsspruch im Falle EPA vs. VW kommt. Dann werden die Karten ganz neu gemischt.

  6. Ich stimme dem Kommentar von Oli Gulliver oben zu.

    Die Anlass und Strafzahlungen anderer Autokonzerne, der Zeitpunkt der Veröffentlichung, die Dynamik der Medienwelle deuten zumindest darauf hin, dass die Gelegenheit genutzt wurde…

    Selbst Leute wie Prof. Hans-Werner Sinn vom Wirtschaftsforschungsinstitut in München, weisen auf Doppelmoral hin:

    “In den USA würden die Behörden nichts gegen die “Stickoxid-Schleuderei der eigenen Trucks” haben, allerdings hätten sie seit Jahrzehnten versucht “die kleinen und effizienten Dieselmotoren für Pkw durch immer weiter verschärfte Stickoxid-Grenzen vom Markt fernzuhalten, weil man selbst die Technologie nicht beherrschte””

    http://www.companize.com/nachrichten/6169/VW-Abgasaffare-Kritik-ohne-Ma-szlig-Steckt-mehr-dahinter

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