“Wir sind die Guten” als Taschenbuch

wsdg-coverIm Piper-Verlag erscheint  jetzt die Taschenbuchausgabe von “Wir sind die Guten” “, für die wir ein aktuelles  Vorwort geschrieben haben. Daraus hier ein Auszug:

“Dass wir uns im Herbst 2014 mit dem Untertitel dieses Buchs der Fraktion der „Putinversteher“ zuordneten, war nicht einer besonderen Sympathie für den russischen Präsidenten geschuldet, sondern geschah als ironische und provokative Antwort auf die propagandistische Diskreditierung dieses Begriffs. Ähnlich wie einst beim Erstarken der Frauenbewegung mit mackerhafter Attitüde als „Frauenversteher“ abgekanzelt wurde, wer die feministischen Argumente akzeptierte, so wurde im Zuge des Ukraine-Konflikts als „Putin-“ oder „Russland-Versteher“ abgemeiert, wer die Argumente und Ansichten der russischen Seite ernst nahm. Dieser dumpfen Einseitigkeit entgegen zu wirken, von der wir auch große Teile der etablierten Medien erfasst sahen, war der Anlass für dieses Buch. Und unser Outing als „Putinversteher“ die Antwort auf die Reduzierung dieses Konflikts auf den Kampf gegen einen gefährlichen, aggressiven, skrupellosen Mann – Wladimir Putin – und einen gegen dieses personifizierte Böse kämpfenden Westen, der nur hehre Ziele verfolgt. Gegen diese des-informierende, anti-aufklärerische Vereinfachung richtete sich unser Buch – mit Informationen und Hintergrundanalysen, die uns für eine objektive sachliche Beurteilung unverzichtbar schienen, von der allgemeinen Berichterstattung aber ignoriert oder ausgespart wurden. Dass diese Leerstelle tatsächlich existierte – auch wenn sich die etablierten Medien von ARD und ZDF abwärts bis heute keiner Schuld bewusst sind – bescherte „Wir sind die Guten“ den unerwarteten Erfolg von 20 Wochen in der Bestsellerliste und 10 Auflagen innerhalb eines Jahres. Und dies, obwohl sich diese etablierten Medien mit den Thesen und Analysen des Buchs kaum auseinandersetzten – wie es Stefan Niggemeier, Medienjournalist der FAZ, beklagte:

„Es stellt viele unbequeme Fragen, an die Rolle der Amerikaner und des Westens im Ukraine-Konflikt – vor allem aber auch an die Medien, die diese Rolle so wenig hinterfragen. (…) es hinterlässt umso mehr das Gefühl, dass es hier eine Leerstelle gibt in der Berichterstattung der etablierten Medien. Und dieses Gefühl wird dadurch verstärkt, dass es in eben jenen Medien keine große Auseinandersetzung gibt über das Buch. Dass es nicht als Anlass gesehen wird, sich mit den Fragen, die es aufwirft, auseinanderzusetzen – und sei es, sie nüchtern und klar zu beantworten und der Analyse zu widersprechen.”

Dass der Widerspruch gegen unsere Analysen entweder ausblieb, oder sehr oft unsachlich (am tollsten trieb es Reinhold Veser in der FAZ: “Volksverhetzung”! ) und unklar ausfiel – auf der Website zum Buch ( www.putinversteher.info ) haben wir viele Rezensionen dokumentiert und kommentiert – könnte als Beleg dafür betrachtet werden, dass unsere Argumente eben nicht so einfach zu widerlegen und damit vom Tisch zu wischen sind.”

(…)

Ein Beispiel dafür sind die vielfältigen – und eben auch viele Menschen empörenden – Unterstellungen und Auslassungen in der Berichterstattung rund um den Abschuss von Flug MH17 im Juli 2014 über der Ostukraine. Im vorliegenden Buch gibt es dazu ein eigenes Kapitel, das zwar schon zehn Tage nach dem Ereignis verfasst wurde (Redaktionsschluss des Buches war damals Ende Juli 2014), dem aber bis heute (Ende Oktober 2015) nur wenig hinzuzufügen ist. Denn auch mit der ungewöhnlich späten Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes der holländischen Ermittler, geschlagene 15 Monate nach der Tat, ist ja alles andere als klar, wer denn nun die Verantwortung für diesen Massenmord trägt.
Zwar scheinen sich inzwischen alle Parteien, auch die Russen, einig darüber zu sein, dass eine BUK-Rakete das Passagierflugzeug zerfetzte, und streiten nun »bloß« noch darüber, von wo und wem (!) diese gestartet wurde. Doch selbst diese Minimalübereinkunft steht im Verdacht, Ergebnis eines politischen Deals hinter den Kulissen zu sein, also alles andere als die vollständige Wahrheit. So fällt auf, dass der nur wenige Tage nach der Tat von Russland präsentierte Einwand, man habe den Radarbeleg für ein Kampfflugzeug in unmittelbarer Nähe von MH17 kurz vor dessen Abschuss, seither mit keiner Silbe mehr erwähnt wird, auch nicht von Moskau. Dabei wurde diese Information nicht nur, versehen mit präzisen Angaben zu Ort und Typ dieses Kampfjets, vom russischen Militär öffentlich präsentiert. Auch eine Reihe von Augenzeugen hatten ein solches Jagdflugzeug in der Nähe von MH17 ausmachen können, selbst wenn ein Bericht der BBC, in dem einige dieser Zeugen zu Wort kamen7, umgehend durch die Chefredaktion wieder von der Webseite des Senders gelöscht wurde (angeblich hätte der Beitrag »den journalistischen Standards der BBC nicht vollständig genügt«, so ein leitender Redakteur dazu auf Anfrage.)
Die These, dass beim Abschuss ein anderes Flugzeug im Spiel gewesen sein könnte, wird zwar auch im amtlichen holländischen Untersuchungsbericht erwähnt, allerdings gleich wieder verworfen. Die sehr spezielle Begründung dafür: Keine der von einem Kampfjet abzufeuernden Raketen, welche »in der Region verwendet« werden, enthalte im Sprengkopf diejenigen schmetterlingsförmigen Geschossteile, welche man in den Trümmern von MH17 gefunden habe. Der Sprengkopf einer Buk-Rakete bestehe aber genau aus solchen Teilen. Nun wurden jedoch nach amtlichen Angaben nicht mehr als vier solcher ein bis zwei Zentimeter großen Teile gefunden, die dazu auch noch, den im Bericht abgedruckten Fotos zufolge, alles andere als eine einheitliche Form aufweisen. Zudem ist unklar, wieso bei einem Angriff aus der Luft nur eine üblicherweise »in der Region verwendete« Rakete zum Einsatz gekommen sein könnte. Der Bericht unterstellt dennoch eine absolute Gewissheit in dieser Frage und erinnert daran, dass ja laut den Radarbildern auch überhaupt kein anderes Flugzeug in der Nähe gewesen sei. Wer also solle geschossen haben? Doch was ist mit den von Russland ursprünglich im Juli 2014 präsentierten Radardaten? Und was ist mit den Augenzeugen?
Dass bei den Ermittlungen womöglich nicht alles mit rechten Dingen zuging, würde schon deshalb nicht überraschen, weil es beim Fall MH17 weniger um ein Flugzeugunglück geht, als vielmehr um Weltpolitik zwischen zwei Großmächten. Die Hauptakteure sind und bleiben die USA und Russland mit ihren jeweiligen lokalen Schützlingen. Der im Herbst 2015 vorgestellte Untersuchungsbericht enthält eine gesichtswahrende Lösung für beide Parteien. Amerika kann sagen: »Seht her, eine BUK, wir haben´s ja immer gewusst!« Russland hingegen darauf verweisen, dass die Schuldfrage weiter offen sei. Das ist anscheinend eine akzeptable Lösung für beide Mächte, vor allem mit Blick auf die weiteren globalen Konfliktherde wie Iran oder Syrien, wo man zwar auch gegeneinander arbeitet, zugleich aber in Teilen aufeinander angewiesen ist.
(…)
Für die Medien war nach Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes im Oktober 2015 trotzdem wieder alles klar: »Die Spur führt zu Putins Schergen« (Bild), »So zweifelhaft sind die Argumente Russlands« (Spiegel), »Rakete mit russischer Spur« (Neue Zürcher Zeitung) usw. Alles beim Alten also. Der schon gewohnte monotone Gleichklang ergoss sich auch diesmal auf allen Kanälen.
Dass die Ukraine derweil immer mehr ins Chaos abrutscht, regiert von einem Milliardär, der (entgegen seinem Wahlversprechen) parallel seine privaten Firmen weiterleitet, wird kaum mehr öffentlich zur Kenntnis genommen. Und die entscheidende Rolle der USA beim Machtwechsel in Kiew 2014 zu beleuchten, bleibt bis auf weiteres wohl zukünftigen Historikern vorbehalten. Für deutsche Leitmedien scheint dieses Thema Tabu zu sein. Kleine Puzzlesteine kommen dennoch nach und nach ans Licht. So wurde kürzlich bekannt, dass US-Vizepräsident Joe Biden bereits zwei Monate vor dem Staatsstreich Präsident Janukowitsch in einem nächtlichen Telefonat mit »Strafen« gedroht habe, sollte dieser die teils militanten Demonstranten nicht gewähren lassen. Dies berichtet der ehemalige ukrainische Ministerpräsident Asarow in seinem im Herbst 2015 auf Deutsch erschienenen Aufzeichnungen und kommentierte:
»Mit dieser massiven Intervention Bidens war klar geworden, wer auf dem Maidan inzwischen tatsächlich das Sagen hatte. Die Amerikaner errichteten gewiss nicht selbst die Barrikaden aus Autoreifen. Sie brachten auch nicht die Waffen auf den Platz (…). Die Amerikaner forcierten jedoch erkennbar die konfrontative Entwicklung, sie wollten endlich die Rendite für ihre langfristigen Aufwendungen einfahren.«
Diese Rendite kann jetzt besichtigt werden: ein neuer »failed state« mitten in Europa, gegeneinander aufgehetzte Ukrainer, sowie eine absichtliche Zerstörung der Beziehungen zwischen Russland und der EU. Es ist letztlich die gleiche destruktive Strategie, die auch schon den Irak, Libyen und Syrien entstaatlicht und verwüstet hat – und die Millionen von Flüchtlingen in Bewegung setzt. Bleibt zu hoffen, dass das naive »Gut-Böse«-Schema, mit welchem all diese politischen Eskalationen regelmäßig medial begleitet werden, endlich einer sachlicheren und rationalen Betrachtung weicht.

Mathias Bröckers, Paul Schreyer: Wir sind die Guten – Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren, Piper Verlag, 224 Seiten, ISBN: 978-3-492-30800-7,  € 9,99

4 Comments

  1. Für den Leser ein exzellentes Preis-Leistungs-Schnäppchen, der Erwerb des Taschenbuchs !

  2. Dass es “Leerstelle[n] gibt in der Berichterstattung der etablierten Medien” bildet inzwischen ein dankbares Geschäftsmodell für immer mehr Autoren, egal aus welchem Spektrum. Diese Gelegenheit ergibt sich aus dem Versuch der Elite, politisch Unerwünschtes vom Mainstream fernzuhalten.

    Denn die Menschen sind nicht so dumm, wie es die Manipulateure gerne wünschen. Da es alternative Informationsquellen sowie die eigene Lebensrealität gibt, lassen sich Fakten und ungeliebte Meinungen nicht ewig wegfiltern.

    Da die Masse der Journalisten und Schreiberlinge in guter deutscher Tradition feige, karrieregeil und obrigkeitshörig ist, kann der mutige und unangepasste Autor, der es wagt, öffentlich ein Korrektiv zur “amtlich zugelassenen Meinung” zu vertreten, zwangsläufig seinen Schnitt machen, denn er bedient eine gigantische Marktlücke.

    Folgerichtig sind viele dieser gegen den Strom geschriebenen Werke Bestseller – selbst dann, wenn es mal abseitig wird. So groß ist der Hunger der Menschen wenigstens nach einer “Zweitmeinung” – vom versprochenen Pluralismus wollen wir gar nicht erst reden.

    Man muss kein Hellseher sein: Je angestrengter der Mainstream die Lücke zwischen Realität und öffentlicher Verlautbarung verteidigt, desto mehr Autoren werden erkennen, wie einfach sich mit dem bloßen Abweichen von der amtlichen Einheitsmeinung Geld verdienen lässt. Man muss im Zweifel aber bereit sein, den Seitenwechsel zu wagen: nicht mehr Teil des Establishments sondern an der Seite der einfachen Menschen.

  3. Tatsächlich hat die russische Seite nie “zugestimmt”, daß eine BUK-Rakete die Ursache für den Absturz von MH17 wäre. Das stellt auch Marcel van den Berg auf seiner Webseite im Artikel “Russian Federation never confirmed MH17 was shot down by BUK missile” fest:

    http://www.whathappenedtoflightmh17.com/russian-federation-never-confirmed-mh17-was-shot-down-by-buk-missile/

    Die Russen begnügen sich damit, gelegentlich auf offensichtliche Fehler im Untersuchungsbericht hinzuweisen – hier z.B. in einem Schreiben der russische Luftfahrtbehörde Rosaviacia an den Vorsitzenden des niederländischen Sicherheitsrates, Tjibbe Joustra:

    http://de.sputniknews.com/panorama/20160114/307093910/russland-rosaviazija-mh17-endbericht.html

    Peter Haisenko hatte vor einiger Zeit auf den TWA-Flug 800 hingewiesen, der am 17. Juli 1996 mutmaßlich von einer amerikanischen Boden-Luft-Rakete vor Long Island abgeschossen wurde – dafür spricht eine große Anzahl von Augenzeugen (laut Haisenko “etwa 700 Augenzeugen”), die einen aufsteigenden Lichtschweif gesehen haben:

    http://www.anderweltonline.com/wissenschaft-und-technik/luftfahrt-2015/mh-17-und-kal-007-gleiche-taktik-vorsaetzliche-luegen/

    Und das ist ja gerade bei MH17 einer der Knackpunkte – eine sehr auffällige Boden-Luft-Rakete wird an einem schönen Sommertag in einer dicht besiedelten Gegend gestartet und es gibt keine Augenzeugen, wo es hunderte geben müßte?

  4. @Stefan: “Denn die Menschen sind nicht so dumm, wie es die Manipulateure gerne wünschen.”
    .
    Ich fürchte, da haben Sie Unrecht. Wieviele Millionen sehen denn täglich mehrere Stunden fern? Und zwar welchen Müll?
    Welche sind immer noch die am meisten verkauften Tageszeitungen?
    Und wenn ich mit dem Bus fahre, mit der U-Bahn, wenn ich an der Supermarktkasse beobachte…
    …wenn ich die Reklame sehe, wenn ich die allgegenwertige Amerikanisierung sehe (und lese und höre) …all das hat Auswirkungen auf den Umfang der Dummmheit von, leider: zig Millionen Deutschen.
    Die paar Leutchen, die sich informieren, die sich überhaupt die Zeit dafür nehmen (weniger TV tät’s) sind eine Minderheit. Sonst würden “die Medien” ja ganz anders sein.

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