In die Tür und Exit (2)

der-fall-ken-jebsen-coverWie kommt es, dass einer der eigentlich Musikexperte und Rock’n Roll-Journalist ist, mit KenFM die erfolgreichste nutzer-finanzierte Plattform für politischen Journalismus im deutschen Internet macht ? Heute ein weiterer Vorabdruck aus meinem neuen Buch über die Reizfigur, das Phänomen, den Pionier Ken Jebsen (Teil 1 hier)

Zum einen beherrscht Ken Jebsen nach 25 Jahren Radio- und Fernseharbeit schlicht sein Handwerk, nicht nur als Reporter, sondern auch auf der technischen Seite, weshalb KenFM in jeder Hinsicht professionell sendet. Nicht im Klicki-Bunti-Stil von YouTube-Fastfood, sondern eher an die geistreichen Gespräche von Alexander Kluge erinnernd, oder auch wie sie einst Günter Gaus führte. Zum anderen sind es natürlich die Gäste, die Ken Jebsen einlädt und bei denen es sich oft um solche handelt, die aus dem öffentlich-rechtlichen Diskurs und den Großmedien ausgeschieden sind. Nicht weil sie nichts zu sagen hätten, sondern weil das, was sie sagen, unerwünscht ist und die herrschenden Politik- und Geschäftsinteressen stört. Ob Kritik an Waffenexporten oder Plädoyers für die Abrüstung, Kritik an den imperialen Kriegen der USA oder an der Konfrontation mit Russland oder am herrschenden Geldsystem oder an der Auste- ritätspolitik von IWF und Banken. Es sind Themen, die von der »Lückenpresse« gerne ausgespart werden, und Köpfe, die dort nicht zu Wort kommen, die das Programm bei KenFM füllen und zu Quotenrennern werden.
Der Falschbehauptung, er sei wegen Antisemitismus vom rbb entlassen worden, die von zahlreichen Medien ungeprüft wiedergegeben wurde, ist Ken Jebsen mittlerweile mit mehr als zwei Dutzend erfolgreichen Abmahnungen und Gegendarstellungen entgegengetreten. Doch diffamierender Dreck, einmal geworfen, bleibt gerne hängen, auch wenn die Weste wieder sauber sein sollte, zumal wenn er in den Echokammern der sozialen Medien weiter herumspukt. Nachdem Ken Jebsen dann als Privatmann auf einigen Friedensdemonstrationen, etwa den Montagsmahnwachen, gesprochen hatte, die im Zuge des eskalierenden Ukrainekonflikts stattfanden, wurde er von einigen Medien und in einer merkwürdigen Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung zum Anführer einer Querfront stilisiert, in der Linksextreme und Rechtsextreme eine Koalition bilden würden.

Zur Last gelegt wurde ihm hier, dass er mit dem Herausgeber des Compact-Magazins Jürgen Elsässer verbunden sei. Der ehemalige Redakteur explizit linker Zeitungen wie Junge Welt, Konkret oder Neues Deutschland, der vor nicht allzu langer Zeit scharf nach rechts abgebogen ist und jetzt mit Fremdenfeindlichkeit, Islamhetze und Deutschtümelei die Kreise von Pegida und AfD bedient, hatte noch zuvor Ken Jebsen nach seinem Rauswurf 2012 angerufen und zu einer Veranstaltung seines gerade gegründeten Magazins eingeladen. Er wollte ihn zu der Intrige zu Wort kommen lassen, die zu diesem Rauswurf geführt hatte. Ein Angebot, das Jebsen nicht abschlagen konnte, denn kaum ein anderer Journalist hatte ihn dazu befragt. Als ihm Elsässer dann anbot, die Bühne seiner Compact-Veranstaltungen für Interviews zu nutzen, nahm er das ebenfalls an und interviewte ihn selbst auf KenFM zum Jugoslawienkrieg und zur NATO-Politik, Themen, zu de- nen Elsässer vor seinem Schwenk ins Deutsch-Nationalistische kenntnisreiche Bücher geschrieben hatte. Als jedoch Compact begann, eine deutsch-nationale Familienpolitik zu propagieren und dumpf rassistischen Wichtigtuern wie Akif Pirinçci Raum gab, zog Jebsen mit etlichen anderen ehemaligen Autoren mit einem offenen Brief die Reißleine und trennte sich von der fleischgewordenen Ein-Mann-Querfront Jürgen Elsässer.

Und doch ist Ken Jebsen in linken und linksliberalen Kreisen nach wie vor schlecht beleumundet. »Er ist eben an der rechten Flanke offen«, wie es eine Kollegin ausdrückte. Ähnliches habe ich in Kollegenkreisen öfter gehört, wobei dann auf Nachfrage aber nichts kam außer Gerüchten: Kontaktschuld mit Elsässer, Teilnahme an »Mahnwachen«, bei denen auch Ufologen auftraten, sowie die Diffamierung »antisemitisch«. Inhaltliches, Kritik am Programm von KenFM, konkrete Aussagen oder Beispiele für »rechtes« Gedankengut konnte mir keiner nennen. Was kein Wunder ist, denn wenn man das Archiv von KenFM durchforstet, ist davon absolut nichts zu finden. Im Gegenteil.

Mindestens zwei Tabus aber hat Ken Jebsen verletzt, deren Übertretung automatisch zum Ausschluss aus den Kreisen des sich seriös nennenden Qualitätsjournalismus führt. Er hat, noch zu seiner Zeit beim rbb, massive Zweifel an der offiziellen Geschichte der 9/11-Anschläge geäußert. Sollte dies ein Journalist nicht immer tun? Zweifeln an offiziellen Verlautbarungen? Und er hat auf KenFM nach den Bombardements in Gaza die rechts- extreme Politik der israelischen Regierung als »zionistischen Rassismus« scharf kritisiert. Beides ist in Deutschland verboten und wird von den Inquisitoren des politischen Diskurses mit Verbannung in die Schmuddelecke des Verschwörungswahns bestraft. Wer also wie Ken Jebsen der Nicht-Aufklärung des 9/11-Massenmords zum zehnten Jahrestag eine vierstündige Sendung widmet und mit seinem persönlichen Kommentar »Happy Birthday, Terrorlüge!« auch noch das schärfste Radiostück zum Thema liefert, das je über den deutschen Äther lief, muss sich nicht wundern. Auch wenn er doch eigentlich nur seinen Job als Journalist und Reporter macht und als Kommentator eine pointierte Meinung äußert. Doch weder Fakten noch Meinungen sind in der Tabuzone 9/11, der Mutter des »War on Terror«, erlaubt. Da duldet die neue Inquisition, ganz wie die alte, keine Abweichler oder Zweifler.

Fortsetzung folgt

“Der Fall Ken Jebsen oder Wie Journalismus im Netz seine Unabhängigkeit zurückgewinnen kann” (256 S., 18,00 Euro) ist ab sofort im Buchhandel und direkt beim Verlag erhältlich.

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