“Gib deinem Nachbarn ein menschliches Gesicht!”

Walter Bröckers, 1932, Torwart der DJK Rheinland

Mein Vater, Jahrgang 1922, wurde mit 18 Jahren zur Marine eingezogen. Er war auf einem Minensuchboot im Schwarzen Meer stationiert, das 1944 von britischen Bombern getroffen wurde und nicht weit von der Küste entfernt sank. Sie hatten noch ein SOS abgegeben, doch die Deutschen  schickten keine Rettungsschiffe mehr hinaus weil die Alliierten die Lufthoheit erobert hatten und auf alles feuerten was sich auf dem Wasser bewegte. Mit zehn weiteren Kameraden hatte sich mein Vater auf schwimmende Reste des Schiffs gerettet, fast einen ganzen Tag harrten sie so aus, bis ihm und einem Freund dämmerte: “Die lassen uns hier absaufen” und sie den Versuch wagten, zur Küste zu schwimmen. Sie schafften es, doch dann weigerte sich die Kommandatur, ein Rettungsboot für ihre noch im Wasser treibenden Kameraden zu entsenden, die alle ums Leben kamen. Diese Erfahrung, das Trauma eines Überlebenden, hat meinen Vater endgültig zum Kriegsgegner gemacht und als ich mich mit 17 entschloss, den Kriegsdienst zu verweigern, unterstützte er mich – anders als viele andere Väter dieses “Stalingrad-Jahrgangs”, denen die Bundeswehr gerade recht erschien, um ihren langhaarigen, renitenten Söhnen “Zucht und Ordnung” beizubringen. Er hingegen hatte offensichtlich etwas gelernt aus diesem Krieg und gab diese Erfahrung an mich weiter.

Wegen dieser Geschichte will ich schon lange einmal auf die Krim reisen. Schließlich wäre ich gar nicht auf der Welt, wenn Walter Bröckers dort nicht um sein (und mein) Leben geschwommen wäre. Bisher habe ich diese Reise nicht unternommen – aber jetzt war Ken Jebsen einige Tage auf der Krim unterwegs und was er dort auf einem Soldatenfriedhof sagt, können ich (und mein 1993 verstorbener Vater) nur unterschreiben: “Gib deinem Nachbarn ein menschliches Gesicht!”

6 Comments

  1. …. eigentlich müssten noch viel mehr aus den Folgen des WK II gelernt haben. Andererseits muss man sehen, wie die Eliten schon 1950 mit der Remilitarisierung beginnen und mit nackter Propaganda, wie weiland bei den Nazis, die Angst vor dem Bolschewismus schüren.
    1956 dann der Beginn der Bundeswehr mit ausschließlich Wehrmachts-Nazi-Offizieren und -Unteroffizieren …. breiter Widerstand hat das nicht versichert, denn die CDU-Mehrheit hat sich durchgesetzt. Die Parallelen zu heute sind frappierend, denn wieder ist der Russe das Feindbild … und die Hetze gegen dieses im WK II von den NS-Deutschen so geschundene Land wird immer schlimmer.

  2. “Wegen dieser Geschichte will ich schon lange einmal auf die Krim reisen. Schließlich wäre ich gar nicht auf der Welt, wenn Walter Bröckers dort nicht um sein (und mein) Leben geschwommen wäre.”
    Genau so ist es.
    Es ist auch schön, dass ihr Vater sie bei der Kriegsdienst-Verweigerung unterstützt hat.
    Er hat was gelernt aus diesem unsäglichen Krieg.

    Unsere heutigen Politik-Marionetten sind auf Karriere Kurs getrimmt. Ethik ist für die ein Fremdwort.
    Wenn ich mir nur diese trottelige Bundespressekonferenz ansehe, da wird rumgeeiert, dass einem schlecht wird.
    Thilo Jung haut immer schön rein. Stellt genau die richtigen Fragen.
    Die Medien spielen das Spiel mit und wir müssen das auch noch bezahlen.

    Wie bereitet man die Bevölkerung auf einen Krieg vor? Das ist doch die Frage, die sich stellt. Wie funktionierte die Propaganda damals? Ähnlichkeiten erkenne ich heute.
    Nun gibt es das Problem des Internets für die Herrschenden. In Windeseile verbreiten sich Meldungen und werden zunehmend von den Bürgern genutzt. Die Propaganda bröckelt.

    Die Worte von Ken Jebsen kann ich nur unterschreiben.
    Eine weitere Möglichkeit, dem Nachbarn ein menschliches Gesicht zu geben, schildert Rainer Rotfuß für die Friedensfahrt dieses Jahr.
    Friedensfahrt 2017: Dr. Rainer Rotfuß über die Pläne der diesjährigen Druschba-Fahrt
    https://deutsch.rt.com/international/49899-friedensfahrt-2017-dr-rainer-rotfuss/

  3. Wolfgang Effenberger hat excellente Kenntnisse über die Hintergründe der Geschichte, die auch unsere Kriege betreffen.
    Hier ist er im Interview mit Michael Vogt. Sehr zu empfehlen.
    Wolfgang Effenberger: Die Welt im Zangengriff der Milliardäre? Trump versus Soros. – Teil 1

  4. mir gefällt sehr WIE sie schreiben. – und auch für welche inhalte sie sich mit dem schreiben engagieren. oft erscheint mir eine (kalte-kriegs) ideologie/propaganda – gerade in deutschland – wie eine unendlich und gefährliche seuche, die nie ernsthaft bekämpft wird, sondern wie eine gepflegte unkultur befördert wird …

    sie sind davon nicht befallen – ich hoffe, dass viele und immer mehr menschen dies spüren und verstehen können und ihren gesunden verstand als verteidungswürdigen wert erkennen und behaupten.

    ken jebsen leistet ebenfalls eine hochgeschätze arbeit dafür – obwohl er sich für meinen geschmack zu oft wiederholt und sein bürgerliches erscheinungsbild mit schlips und anzug bei mir assoziationen erweckt, welches mich an marktwirtschaftliches und streng konservatives denken/auftreten erinnert und bei mir nicht ausräumen kann, dass er seine “zielgruppe mensch” als label installiert hat – zu der ich nicht gehöre bzw. gehören will. jedoch kann dies AUCH seine unsicherheit sein, um sich nicht angreifbar zu machen. doch leider sind seine mittel (in der alten “konservativ-seriösen” form) von gestern >>> wo doch inhalt und form zusammengehören …

    er kann von ihnen noch viel lernen:-)))

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