Eine Analyse des Arte-Beitrags mit Bildauschnitten hier:
http://www.arbeiterfotografie.com/galerie/kein-krieg/hintergrund/index-rezension-7.html
Besprechung der Frankfurter Rundschau, 13.04.03
Pranger mit Mätzchen
Unseriöses Arte-Feature über
unseriöse Verschwörungstheorien
"Der 11. September fand nicht
statt", Arte 20.45 Uhr.
VON MICHAEL RIDDER
Wenn überraschende Ereignisse dem Lauf der Geschichte eine neue Richtung
geben, wittern Menschen gern Komplotte und zweifeln an der offiziellen
Version. Nicht anders verhält es sich beim 11. September. Seit geraumer Zeit
stehen Bücher auf den Bestsellerlisten, die US-Regierung und CIA eine
Beteiligung am Anschlag unterstellen.
Im Arte-Feature Der 11. September fand nicht statt kanzeln Antoine
Vitkine und Barbara Necek die Verfasser der Konspirations-Schmöker als
Scharlatane ab, die um hoher Verkaufszahlen willen jede journalistische Ethik
sausen lassen. Etwa Thierry Meyssan, der in seinem Buch Der inszenierte
Terrorismus mit Fotos nachweisen will, dass kein Flugzeug aufs Pentagon
stürzte, sondern eine vom US-Militär abgefeuerte Rakete. Oder Andreas von
Bülow, ehemals SPD-Bundesforschungsminister, der in Die CIA und der 11.
September behauptet, die Twin Towers seien durch Sprengladungen im Innern
zerstört worden.
Es ist legitim, Spekulationen dieser Art als gefährlich oder paranoid
darzustellen. Ob man das in überheblichem Tonfall und mit formalen Mätzchen
machen sollte, ist aber fraglich - eine Szene etwa zeigt drei Buchautoren
nebeneinander in Split-Screen, wie sie in Endlosschleife immer dasselbe reden.
Ärgerlich aber wird der Film, als er den Grund für den angeblich großen Erfolg
der Verschwörungstheorien zum 11. September aufdecken will: "Den Europäern
geben sie Gelegenheit, ihre antiamerikanischen und antisemitischen Gefühle
auszuleben, und der arabischen Welt nehmen sie die Schuldgefühle", so der
Off-Kommentar.
Die Mühe, für ihre These wenigstens den Ansatz einer schlüssigen Begründung zu
bieten, machen sich die Autoren nicht. Stattdessen holen sie Henryk M. Broder
vor die Kamera, der markige Sätze spricht wie: "Dieses
Anti-Amerika-Ressentiment ist einfach die Grundlage des deutschen
Selbstverständnisses inzwischen geworden." Oder: "Die Deutschen werden es den
Amerikanern nicht verzeihen, dass sie sie vom Faschismus befreit haben."
Kein Wort darüber, dass es in allen Zeiten Verschwörungstheorien gegeben hat.
Kein Gedanke daran, dass die Menschen zutiefst verunsichert sind, weil der
US-Präsident die Welt in der Frage der Massenvernichtungswaffen im Irak
bewusst täuschte. Wenn die Bücher eines Thierry Meyssan gekauft werden, kann
das viele Ursachen haben - die Arte-Autoren aber verkaufen Broders Meinung als
letzte Wahrheit. Damit verhalten sie sich ebenso unseriös wie die, die sie an
den Pranger stellen.