Alles unter Kontrolle ?

Robert Anton Wilson  im Gespräch mit Mathias Bröckers. Über das Wachstum von Verschwörungen,  Ängste vor  einer geheimen Weltregierung und das Ende der Kontrolle

Angefangen  mit Ihrem  Roman "Illuminatus" in den 70er Jahren bis zu "Alles unter Kontrolle" Ende  der 90er haben Sie sich neben vielem anderem immer wieder mit Verschwörungstheorien beschäftigt. Woher kommt dieses Interesse, was waren Ihre ersten Erfahrungen mit Verschwörungen ?

Meine ersten Erfahrungen machte ich in der Anti-Vietnamkriegs-Bewegung der 60er Jahre, mittlerweile ist der Fall dokumentiert. Das FBI hatte ein  CoIntelPro - Counter-Intelligence-Program - gestartet, dessen Ziel es war, die Friedensgruppen nicht nur zu unterwandern, sondern sie dies auch wissen zu lassen.  Das sollte dazu führen, daß sich die Leute gegenseitig verdächtigen, weil jeder jeden für einen Regierungsagenten hält. Das ist alles festgehalten in einem Regierungs-Memo über die Untersuchungen dieser Sache in den 70er Jahren. Und tatsächlich machte die einsetzende Paranoia es damals auch ziemlich unmöglich, daß wir in der Friedensbewegung weiter konstruktiv zusammarbeiten konnten. Mit dieser Methode ging die Regierung auch gegen die Black Panthers und andere radikale Gruppen vor - und gegen Ende der 60er hatte ich mich dann mehr oder weniger an den Gedanken gewöhnt, daß nahezu jeder, mit dem ich einmal politisch zusammengearbeitet hatte, ein Regierungsagent war. Anstatt nun paranoid zu werden fand ich das eher  ziemlich komisch. John Adams, einer meiner Lieblinge unter den politischen Philosophen, meinte einmal: "Bei wirklich tiefer Betrachtung der menschlichen Geschichte bleibt  nur Weinen oder Lachen - und ich lache lieber." So halte ich es auch.  Die Geschichte der Menschheit ist so fürchterlich, wer das ernst nimmt, muß verrückt werden - deshalb versuche ich, am Lachen zu bleiben.

Hat allein das Streuen des Gerüchts  über die Verschwörung gegen die Friedensgruppen damals ausgereicht, ihre Aktivitäten zu lähmen ?

Der wichtigste Beitrag daneben war wohl die Tatsache, daß die Regierung die großen Schallplattenfirmen überredete, nicht mehr in den Medien der Counter-Kultur zu inserieren. Diese Plattenanzeigen waren die Haupteinnahmequellen der alternativen Presse und als diese ausblieben, gingen die meisten Zeitungen ein - und wir waren wieder auf den einen monolithischen Informationskanal der herrschenden Kreise angewiesen, der uns glauben machen wollte, daß alles mit rechten Dingen zuging.  Doch heute gibt es das Internet und die Informationskanäle sind wieder offen. Jede Art von Verschwörung, ob von Menschen, Tieren oder Bergen hat eine gewisse Lebenszeit, keine währt ewig, und das ist, was die meisten Verschwörungs-Spinner vergessen. Sie denken, daß  Verschwörungen lange, ewig dauern, ich denke dagegen, sie sind in der Regel nur von kurzer Dauer. Die bestdokumentierte Verschwörung die wir kennen, die der P-2-Loge in Italien, war zum Beispiel nur zehn Jahre lang erfolgreich, Mitte der 80er Jahre waren ihre Führer entweder tot oder im Gefängnis oder untergetaucht. Dennoch können diejenigen, die behaupten, P-2 sei bis heute aktiv, recht haben - nur hat diese Verschwörung dann längst nicht mehr den Einfluß, den sie in den 70er Jahren hatte. Ich denke, es gibt keine Verschwörungen, die sich über hunderte oder gar tausende von Jahren erstrecken, abgesehen davon, daß sie einen guten Stoff für melodramatische Romane abgeben, von denen ich einige geschrieben habe.

Als Sie vor 25 Jahren für den Roman "Illuminatus" recherchierten und in die Geschichte der wichtigsten aller Verschwörungen eintauchten...

... Du kommst niemals damit zu Ende. Eine Zeitlang dachte ich wirklich, ich hätte alle wichtigen Verschwörungen beisammen, aber dann beschwerte sich jemand, daß die Bilderberger ja gar nicht vorkommen.  Von denen hatte ich damals noch nicht allzuviel gehört. Doch bei diesem neuen Buch jetzt wird es mir nicht anders ergehen - denn es gibt Tausende und Abertausende. Der menschliche Geist ist einfallsreich und kreativ, besonders wenn er sich Sorgen macht...

Sehen Sie in Sachen Konspiration eine Veränderung zwischen der Lage vor einem Vierteljahrhundert und heute...

Ich denke, mittlerweile sind Verschwörungstheorien durchaus ein Thema des mainstreams, zumindest in den USA. Als Robert Shea und ich damals "Illuminatus" schrieben, war das noch eine eher entlegene, schräge Sache. Mittlerweile, wir müssen uns nur den Erfolg von  "Akte X" und ähnlichen Filmen ansehen, scheint jeder an Verschwörungen zu glauben - und weil die meisten nicht gerade in kritischem Denken geschult sind, sind die verrücktesten Theorien die populärsten.

Im zweiten nachchristlichen Jahrhundert war es der Anti-Christ, im Mittelalter war es Satan, heute sind es Außerirdische oder die Trenchcoat-Mafia - zieht sich durch die Verschwörungen, denen durch die gesamte Geschichte der Menschheit das Böse zugeschrieben wird, ein gemeinsamer Faden, haben sie dieselbe Struktur ?

Natürlich erfahren auch Verschwörungen ihre updates,  Mythen werden modernisiert - aber die Grundthemen bleiben dieselben. Gerade habe ich zum Beispiel ein Buch über "Abductions" gelesen, über Leute, die glauben, von Außerirdischen entführt und sexuell belästigt worden zu sein - und diese Berichte haben genau dieselbe Struktur, wie wir sie in der mittelalterlichen Literatur finden, in den Geschichten von Incubi und  Succubi, zwei Dämonen, die Männer und Frauen belästigten. Ich weiß nicht mehr, wer für wen zuständig war - aber diese mittelalterlichen Dämonen sind nichts anderes als unsere heutigen E.T.'s, sie behandeln ihre Opfer genauso und auch ihr sexueller Appetit scheint ähnlich gelagert. Und die meisten Botschaften, die wir von den Entführungsopfern und Kontaktpersonen erhalten, entsprechen dem apokalyptischen Standard, den wir aus religiösen, hysterischen Endzeitprophezeiungen kennen: Die Welt wird untergehen! Bekanntlich ist ja keines der Endzeit-Szenarien jemals eingetreten, die Trefferquote der Vorhersagen liegt bei 0,00 Prozent, aber niemand gibt die Hoffnung auf, alle diese Leute hoffen, das ihr Endzeit-Szenario doch noch eintrifft. Vor ein paar Tagen bekam ich eine email mit über hundert biblischen Prophezeiungen, die alle darauf hinauslaufen, daß die Welt am 11. September 1999, also in zwei Tagen, untergeht.

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Könnte man dann die Tatsache, daß Verschwörungsdenken in den letzten Jahrzehnten mehr in den mainstream gerückt ist, so interpretieren, daß die Bevölkerung auf eine  globalisieriende, immer komplexer werdende Welt, die immer schwerer zu begreifen ist, mit immer gröberen Abstraktionen und  Verallgemeinerungen reagiert ?

Das ist ja überhaupt  einer der Grundzüge des Verschwörungsdenkens: daß die Leute nach Erklärungen für Dinge suchen, die sie nicht verstehen. "John hat mich geschlagen", "Hans war auf dem Schulhof böse zu mir" .. das ist die Art von  eindeutigen Erklärungen, die Kinder verstehen. Und viele Erwachsene behalten diesen kindischen Geist, - und damit auch den Hang, immer nach möglichst simplen Erklärungen zu suchen, jemandem, den sie für irgendein Übel verantwortlich machen können.  Und das macht Verschwörungstheorien für diese Geister so attraktiv. Um eine etwas objektivere Erklärung dafür zu finden, warum die Dinge nicht so richtig laufen, braucht man vielleicht ein gewisses technisches, politisches, sozialwissenschaftliches Verständnis, aber über das verfügen die Leute normalerweise nicht - sie suchen einen Schuldigen.  In dem Film "The Rising Sun" spielt Sean Connery einen amerikanischen Agenten, der durch seinen langen Aufenthalt in Japan schon so denkt wie die Japaner, und zu einem Kollegen sagt: "Wenn ein Problem auftaucht, suchen wir in Amerika immer sofort nach einem Schuldigen, in Japan sucht man sofort nach der Lösung - und hat das Problem schon lange gelöst während wir noch die Schuld von einer Abteilung zur anderen schieben."

Verglichen damit ist die Methode, die die jüdischen Stämme vor einigen tausend Jahren erfanden ziemlich unbürokratisch: einmal im Jahr wurden in einer Zeremonie alle Sünden auf einen Sündenbock übertragen und dieser dann in die Wüste geschickt....

Sir James Frazer hat  in "The Golden Bow" gezeigt, daß ähnliche  Sündenbock-Methoden bei vielen Stämmen in der ganzen Welt Anwendung fanden... ich erinnere mich an einen Stammeskult mexikanischer Indianer, die einmal im Jahr einen Bär fingen, der dann eingesperrt wurde, und jeder mußte zu dem Bären gehen und ihm seine Sünden gestehen. Wenn der Bär dann alle Missetaten gehört hatte wurde er getötet - abgesehen von diesem Schluß hat die katholische Kirche das später als Sakrament der Beichte eingeführt. Wo wir gerade bei den Sünden sind, muß man sich ja fragen, ob Verschwörung wirklich eine Sünde, ein Verbrechen ist, oder nicht viel eher - so hat es unlängst ein Staatsanwalt bei einer Bewußtseins-Konferenz ausgedrückt - "die normale Fortsetzung völlig normaler Geschäfts- und Wirtschafts-Praktiken mit ganz normalen Absichten."  Jeder im Business verschwört sich gegen die Konkurrenz, jeder versucht mehr zu wissen als die Konkurrenz, was zur üblichen Industriespionage führt, und jeder versucht die rivalisierenden Firmen in die Irre zu führen und zu täuschen. Das gilt noch verstärkt für die internationale Beziehungen und die konkurrierenden Geheimdienste, die sich darin überbieten, Desinformation zu produzieren, Lügen, die fast wie die Wahrheit aussehen und vielleicht einiges von ihr enthalten, aber eben doch Lügen sind, um andere zu täuschen. Deshalb bleibt denen, die bei den Geheimdiensten beschäftigt sind, letztlich nichts anderes als paranoid zu werden - und im Business sieht es kaum anders aus.  Gerade hat sich das Europäische Parlament darüber beschwert, daß der amerikanische Geheimdienst NSA europäische Unternehmen ausspioniert. So etwas geschieht dauernd - lügen und spionieren ist tägliches Geschäft in Wirtschaft und Politik,  insofern ist das Verschwörerische dem Kapitalismus eingeboren. Nichts daß er von der Spitze, von  einer supergeheimen Gruppe regiert würde, wie einige Verschwörungstheorien glauben,  sondern im Prinzip verhält sich jedes einzelne Individuum als Verschwörer, wie beim Poker.

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Dann ist also tatsächlich bald "Alles unter Kontrolle" und die Welt wird tatsächlich von einer Handvoll Finanz-Magnaten regiert?

Einerseits haben die traditionellen Machtgruppen in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren mehr Geld gemacht als jemals zuvor und sie werden reicher und reicher und reicher - auf diesem Level sind sie erfolgreicher denn je. Aber auf einem sehr grundsätzlichen Level glaube ich verlieren sie gleichzeitig die Kontrolle, denn die Welt ist so kompliziert geworden, daß eine kleine Gruppe  gar nicht genug davon verstehen kann, um sie zu kontrollieren.
Das wird deutlich, wenn du dir Politiker anschaust: gerade erschienen zum Beispiel verschiedene Editorials in einigen Computermagazinen über die neuesten Gesetze, die von Politikern in Sachen Computer erlassen wurden: sie entsprechen der technischen Situation wie sie vor 15 Jahre herrschte. Politiker sind damit beschäftigt ihre Popularität aufrecht zu erhalten und Wahlen zu gewinnen, sie verstehen nichts von den Gesetzen, die sie da erlassen, und haben keine Zeit, sich damit zu beschäftigen. Sie verlieren den Kontakt mit der Realität. Und auch die Mega-Konzerne und Banken, denen die Politiker ja gehören, verlieren den Kontakt, weil das Internet etwas völlig Neuartiges in der Geschichte ist. Ich glaube es ist die revolutionärste Entwicklung, der dramatischste Schritt, seit das Leben einstmals vom Wasser auf das Land gewandert ist. Internet bedeutet die Abwesenheit von Kontrolle über das ganze System als einzige Möglichkeit das System aufrechtzuerhalten. Keine kleine Truppe von Verschwören kann jemals das Netz kontrollieren. Der einzige Weg das Netz als Ganzes aufrecht zu erhalten ist die Dezentralisierung der Kontrolle. Es läßt sich nie 100-prozentig verhindern, daß sich jemand die Mühe macht, die Web-Seite der CIA in "Central Stupidity Agency" umzuwandeln - nur um zu zeigen, daß traditionelle Kontrolle, wie sie die CIA betreibt, nicht mehr funktioniert. Ich denke, das Internet zwingt zur Dezentralisierung und deshalb  sehe ich die Welt im 21. Jahrhundert  eher auf ein anarchistisches als auf ein faschistisches System zusteuern. Ich meine nicht  total anarchistisches Chaos, aber eher in diese Richtung, als zu einem Faschismus der Kontrolle und der strikten Hierarchien. Die Leute überall auf der Welt lassen sich Computer und Internet  so wenig verbieten wie Satelliten-Schüsseln und Kühlschränke. Es läßt sich nicht verhindern, daß dann, wie es unlängst in der Zeitung stand, auch in ganz Saudi-Arabien die "Satanischen Verse" von Salman Rushdie über das Internet verfügbar werden.

Verschaffen die unglaublichen Informations-Fluten, die das Internet bereitstellt dem Individuum wirklich mehr Macht, oder erschlagen sie es nicht eher ? Ein wirrer Berg von Information ist so schlecht wie gar keine Information...

Ganz allgemein ist Macht eine Funktion von Kommunikation, je größer die Kommunikations-Freiheit desto größere Macht kommt dem Individuum zu. Und die Leute beginnen das Internet zunehmend in diesem Sinn zu benutzen - zum Beispiel indem sie Geschäfte in ihrer eigenen Währung machen, die nur in ihrer Internet-Community Geltung hat. Regierungen und Banken versuchen das natürlich zu verbieten und sind hochgradig alarmiert über diese alternativen Währungen, aber sie können sie letztlich nicht unterbinden. Bei uns, und ich denke auch in Deutschland, wird Geld von der Bundesbank ausgegeben,  die Zinsen kassiert für jeden Dollar den sie ausgibt. Und sie fürchtet natürlich den Wettbewerb einer alternativen, elektronischen Währung im Internet, doch die wird sich nicht verhindern lassen. Auch die Finanzämter sind schwerst beunruhigt, denn sie können  verschlüsselte Transaktionen nicht besteuern...ich sehe viele Regierungs-Organisationen und Kontroll-Behörden in Zukunft kollabieren, wegen ihrer Unfähigkeit mit der Internet-Revolution umzugehen. Und das ist der Grund, warum ich eigentlich sehr optimistisch bin. Die weltweite Vernetzung läßt nicht länger zu, daß Kontrolle an einem Punkt zentralisiert wird, sie wird mehr und mehr dezentralisiert, letztlich bis hinunter zu jedem einzelnen.
 

Einige Paragraphen in Ihrem Buch sind der "Verschwörung des Geldes" gewidmet. Glauben Sie, daß diese Macht jetzt im Prinzip gebrochen werden kann, indem wir uns, wenn wir zum Beispiel  über das Internet Geschäfte machen, auf die Währungseinheit "Wilson" einigen und dafür Produkte oder Dienstleistungen austauschen ? Wenn wir keine Banken mehr brauchen, um Geld auszugeben und in Verkehr zu bringen,  wären auch die Konzepte eines zinslosen Geldes, wie sie der Ökonom und kurzzeitge Wirtschaftsminister der Münchner Räterepublik Silvio Gesell vor 80 Jahren entwickelt hat,  mit einem Schlag wieder hoch aktuell.
 

Sie sind ungefähr die fünfte Person in meinem Leben, die den Namen Gesell überhaupt kennt. Seine Konzepte waren brillant, doch sie werden heute durch die Möglichkeiten des Internet noch überholt. Geld ist reine Information im  mathematischen Sinne, was heute kaum jemand realisiert. Das ist eigentlich komisch, denn wir haben ja schon vor langer Zeit die Gold-und Münzwährung in wertlose Papierfetzen eingetauscht. Ihren Wert haben sie nur durch den Aufdruck und solange die Bank, die ihn abgestempelt hat, nicht zusammenbricht. Geld ist schon mehr und mehr abstrakt geworden - und immer mehr Leuten wird es in Zukunft hochgradig lächerlich vorkommen, endlose, endlose Zinsen dafür zu zahlen, daß Geld in die Zirkulation gebracht wird. Sie können ihr eigenes Geld zirkulieren lassen und sie können sich über das Internet zunehmend selbst repräsentieren. Unser jetzigen Repräsentanten, die Politiker, gib es doch eigentlich nur, weil nicht jeder dauernd seine Farm oder Arbeitsstelle verlassen konnte, um in der Hauptstadt über die Gesetze zu diskutieren und abzustimmen. Deshalb gibt  es diese Repräsentanten, die aber wie gesagt   meistenteils damit beschäftigt sind, Spenden für ihre Wiederwahl zu sammeln. Das Internet macht diese Art von Repräsentation überflüssig. Ebenso wie die Banken überflüssig werden, wenn wir unser eigenes Geld schaffen. Ich glaube, das ist eine der brisantesten Ideen der Welt und ich bin froh, hier noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen zu können.

Gesells Theorien, die sich ja auch schon in der Praxis bewährt hatten, wurden in den 40er Jahren in den Vereinigten Staaten aufgegriffen, als der Ökonom Irving Fisher "Stamp-Money" mit einem negativen Zins empfahl...

Er kam damals immerhin schon bis zu einem Senats- Komittee mit dieser Sache, aber weiter nicht.  Durch das Internet erhalten diese alten Ideen jetzt eine neue, noch brisantere Dimension. Es ist ja sehr interessant sich mal anzuschauen, wie die Banken überhaupt zu ihrem Monopol im Währungs-und Geldgeschäft gekommen sind. Den meisten Verschwörungstheorien zufolge strebten die Banken planvoll nach der Weltherrschaft, wahrscheinlich war es aber eher so, daß sich die einzelnen Regierungen so an das ständige Gelddrucken gewöhnt hatten, daß sie einander bei ihren Währungen aufs tiefste mißtrauten und deshalb die Banken dazwischenschalteten. So kamen sie zu ihrem Monopol. Mit dem Internet wird das jetzt im Prinzip hinfällig und deshalb versuchen sie, das mit Gesetzen unter Kontrolle zu bekommen, aber das wird nicht funktionierten. So wie es nicht funktioniert was "meine" kalifornische Repräsentantin, Diane Feinstein, unlängst als Gesetz vorgeschlagen wollte: daß man die Drogen-Information im Internet zensieren soll. Jede Barriere, die du aufrichtest, wird vom Web drei Tage später umschifft und deshalb haben Regierungen, Banken und alle Machtgruppen so eine Angst vor dem Internet. Wer erfahren will, wie man Amphetamine herstellt, und das Rezept nicht von dem Internet-Server in San Jose bekommt, holt  es sich eben in Kanada, Oslo oder Frankfurt. Die einzige Möglichkeit, den freien Fluß von Informationen im Netz zu verhindern wäre eine Welt-Regierung und die Leute, die das Internet gern kontrollieren möchten, hegen auch große Bedenken gegen eine solche Welt-Regierung. Deshalb glaube ich nicht, daß die Macht zukünftig sich hin zu einer Welt-Regierung von einigen wenigen entwickelt, ich denke eher sie wird eher ins Internet de- volvieren.

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Robert Anton Wilson ist berüchtigt dafür, daß er den Dingen immer einige Jahre voraus ist. Wenn das Thema Verschwörung, das Du schon vor 30 Jahren entdeckt hast, heute ein Gegenstand des mainstream ist, was sind dann die Ideen und Fakten, die Dich aktuell beschäftigen, und welche Aussichten haben wir für die Zukunft ?

Ich fühle mich, auf fast  schon blasphemische Weise, fröhlich. Ich glaube, das Internet unterscheidet sich von allen vorherigen Technologien insofern, als es tatsächlich das "globale Dorf" manifestiert, das McLuhan in den 60er Jahren voraussah. Wir brauchen  keine "Weltregierung", die viele Leute fürchten, weil alle Regierungen schon viel zu machtvoll geworden sind und weil jede Art von zentralisierter Macht die Leute korrumpiert, die an ihr teilhaben. Aber das Internet bietet eine Alternative - eine weltweite Gemeinschaft mit dezentralisierter Kontrolle und wachsenden Fähigkeiten, Entscheidungen zu treffen. Politiker sind obsolet: im nächsten Jahrtausend werden wir uns selbst repräsentieren.

Das Gespräch wurde im September 1999 in Capitola, Kalifornien, geführt.
 

Copyright: Eichborn-Verlag 2000, Erschienen in:

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Das Lexikon der Verschwörungstheorien
 

Robert Anton Wilson ist einer der wenigen zeitgenössischen Autoren und Denker, der mich mit jedem seiner Bücher begeistert hat. Neben dem grandiosen Verschwörungsschmöker "Illuminatus" empfehle ich vor allem  "Cosmic Trigger",  "Schröderingers Katze" und "Der neue Prometheus".
 

 
 
 
 

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