Mathias Bröckers: Das sogenannte Übernatürliche, Eicborn Verlag 1998, Auszug aus dem  1. Kapitel

Die Intelligenz der Erde
Über einen lebenden Planeten in einem selbstorganisierten Universum

Wir sind die Erde. Wir sind der Rhythmus von Tag und Nacht, wir sind die Bewegung der Erde um sich selbst und um die Sonne. Wir sind auch das Gewicht der Erde - wäre sie nur etwas schwerer und die Gravitation stärker, hätte alles eine andere Gestalt, auch unsere Körper. Wir sind die Geschwindigkeit der Erde. Mit über 100.000 Kilometern pro Stunde rast sie um die Sonne, mit Überschallgeschwindigkeit dreht sie sich dabei um sich selbst- und die ganze Galaxie bewegt sich mit  dem unglaublichen Tempo von 500 Kilometern pro Sekunde durchs Weltall. Ein kosmisches Karusell - und uns flattert dabei nicht einmal ein Haar. Denn wir sitzen nicht auf ihm - wir sind dieses Karusell.
Wir sind auch die Geschichte der Erde, die Geschichte der Mineralstoffe, des Wassers und des Sonnenlichts. Und die aus ihnen hervorgehende Geschichte des Lebens. Des Chaos, aus dem die Ursuppe  - plötzlich - in eine neue Ordnung sprang. Und den fortpflanzungsfähigen Einzeller gebar. Wir sind die ganze Evolution, von der Bakterie bis zum Blauwal,  und die Milliarden Neuronen unseres Gehirns stellen vielleicht nichts anderes dar als eine hoch organisierte, symbiotische Kolonie von Mikroben. Wir sind auch die Pflanzen, ohne die wir gar nicht sein könnten: sie vollbringen das dauernde Wunder und verwandeln Licht in Leben.
Wir sind die Erde - so sehr, daß wir sie erst verlassen mußten, um ein Gespür dafür zu bekommen: die Erde lebt.

Ende der 60er Jahre wurde der britische Mediziner, Klimaforscher und Erfinder James Lovelock von der Weltraumagentur NASA aufgefordert, Methoden für die Entdeckung von Leben auf dem Mars zu erkunden. Dazu mußte er den Blick zuerst einem Planeten zuwenden, auf dem es zweifelsfrei Leben gab - der Erde.  Schon die Gaszusammensetzung der Erdatmosphäre war erstaunlich, etwa die gleichzeitige Anwesenheit von Sauerstoff und Methan, die unter normalen Umständen aufeinander reagieren wie Fuchs und Hase und eigentlich in Kohlendioxid und Wasser zerfallen müßten. Um den ständigen Methangehalt aufrechtzuerhalten, so Lovelocks Berechnungen, müßten jährlich eine Milliarde Tonnen Methan in die Atmosphäre gelangen. Auch Kohlendioxid, so fand er bei der weiteren Untersuchung heraus, ist zehnmal mehr vorhanden als es nach den chemischen Erwartungswerten der Fall sein dürfte - ähnlich ist es bei Schwefel, Methylchlorid und anderen Atmosphären-Bestandteilen. Trotz dieses Ungleichgewichtss aber blieb  die explosive Gasmischung der Atmosphäre stabil. Das konnte kein Zufall sein, genausowenig wie die Salzkonzentration der Ozeane,  die konstant bleibt, obwohl ihnen jedes Jahr Millionen von Tonnen Salz zugeführt werden. Oder die  Temperatur der Erde: In den vier Milliarden Jahren, seit organisches Leben auf dem Planeten erschien, ist die Temperatur der Sonne um mehr als 30 Prozent gestiegen. Auf der frühen Erde hätten danach die mittlere Temperatur eigentlich unterhalb des Gefrierpunkts liegen müssen - Fossilien jedoch zeigen, daß dies nicht der Fall war. Für Lovelock ließ das alles nur eine Erklärung zu: Um diese dauerhaften Nichtgleichgewichtszustände aufrechtzuerhalten, muß die Atmosphäre der Erde  von Beginn an und ununterbrochen gesteuert worden sein - durch einen bewußten,  lebendigen Prozeß.
Die Erdoberfläche besteht zu drei Vierteln aus Wasser. Daß dieser Planet „Erde“ und nicht „Ozean“ genannt wurde, hat vermutlich nur mit der Unkenntnis seiner Festlandbewohner zu tun: als die Menschen den Namen „Erde“ prägten, wußten sie weder von den gewaltigen  Meeren, noch, daß es sich dabei, zusammen mit einigen Inseln, im Ganzen um einen Planeten handelt. Und so nannten sie den Garten, der sie  hervorgebracht hatte und der sie umgab  einfach „Mutter Erde“.

Einige Jahrhunderte lang hat eine gebildete Minderheit im Abendland geglaubt, unser Planet sei eine tote Steinkugel, die nach mechanischen Gesetzen durch`s All wirbelt. Auf ihrer Oberfläche war ein Automatismus in Gang gekommen, der aus einem organischen Schimmel immer komplexere Formen des Lebens enstehen ließ, aus dem sich dann irgendwann erkennende Wesen - die Menschen - entwickelten. Nach dieser, bis heute weit verbreiteten Auffassung, hätten unsere Vorfahren  die Natur nicht so sehen können, wie sie ist - als ein scheinbar unbelebtes, auf kein Ziel gerichtetes physikalisches System - weil sie eben ihre Hoffnungen und Ängste auf sie projizierten: Sie statteten die unbelebten Teile des Kosmos mit den Eigenschaften von Lebewesen aus, beseelten die Materie und sprachen nicht nur den Menschen, sondern auch Pflanzen und Tieren, Steinen und Flüssen einen Geist zu. Und sie versuchten, mit diesem Geist durch Rituale, Ekstasen  und Gebete in Kontakt  zu kommen. Rationale Erkenntnisse und  wissenschaftlicher Fortschritt sagen uns, daß sich die physikalischen Abläufe der Natur nicht mit Zaubersprüchen beeinflussen lassen - sie folgen, von einem Zufallsgenerator in Gang gesetzt, den unpersönlichen, ewigen Gesetzen eines Uhrwerks.

In jüngster Zeit allerdings ist diese Uhrmachersicht des Universums in`s Wanken geraten - je tiefer die Naturwissenschaftler zu den kleinsten Bausteinen vorstießen, desto heftiger wurden sie auf die Komplexität des Ganzen zurückgeworfen. Die Quantenphysiker entdeckten unter der scheinbaren Einfachheit der Atome eine vibrierende Landschaft von Wechselwirkungen: die Vorgänge in der beobachteten subatomaren Mikro-Welt waren untrennbar mit der Makro-Welt des Beobachters verbunden. Diese Erkenntnis riß die Wissenschaftler aus einer lange gehegten Illusion: dem Glauben,  Natur als eine separierte Außenwelt „objektiv“ erforschen zu können. Die Bahn eines Teilchens, die Frequenz einer Welle, entsteht erst dadurch, daß ein Beobachter nach ihr Ausschau hält - woher aber „weiß“ das Quantensystem, nach was gerade Ausschau gehalten wird? Für dieses Rätsel hat die Physik bis heute keine Antwort gefunden - und wenig spricht dafür, daß eine einfache Lösung, gar eine „Weltformel“,  auf der Suche nach noch kleineren Teilchen - den Quarks, Hadronen oder Superstrings - jemals gefunden wird. Die Fragen der mysteriösen Kommunikation der Quanten, davon sind immer mehr Wissenschaftler überzeugt, lösen sich nicht im Blick auf die Einzel-Teile, sondern nur im Blick auf das Ganze.

Die merkwürdige Verbundenheit des Universums auf der subatomaren Ebene wurde lange Zeit leutselig vom Tisch gewischt: als sogenanntes „Beobachterproblem“ sollte sie nur für den Mikro-Kosmos gelten, während auf der Makroebene unseres Alltags weiterhin alles in bester mechanischer Bauklötzchen-Ordnung sei. Die jüngsten Erkenntnisse in zahlreichen Wissenschaftsbereichen - von der Biochemie über die Plasma - Forschung bis zur Wetterkunde - deuten allerdings darauf hin, daß  auch  ganz alltägliche Naturprozesse sich nicht aus der Aktivität ihrer Einzelteile, sondern nur durch die aktive Kommunikation des Ganzen erklären lassen.

Wir sind die Erde. Wir sind der Rhythmus von Tag und Nacht, wir sind die Bewegung der Erde um sich selbst und um die Sonne. Wir sind auch das Gewicht der Erde - wäre sie nur etwas schwerer und die Gravitation stärker, hätte alles eine andere Gestalt, auch unsere Körper
 

(....) Auszug  aus dem  ersten Kapitel

Copyright: Eichborn-Verlag, 1998
 

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Mathias Bröckers: Das sogenannte Übernatürliche
Die Intelligenz der Erde - Aufbruch zu einem neuen Naturverständnis
298 Seiten, 39,80 DM