Der brennende Busch

Mathias Bröckers, Berliner Zeitung 11.2.03

Auf einer Tournee durch Amerika besucht Präsident George W. Bush eine Schule und erklärt dort seine Regierungspolitik. Danach bittet er die Kinder, Fragen zu stellen. Der kleine Bob ergreift das Wort. "Herr Präsident, ich habe drei Fragen: 1. Wie haben Sie, obwohl Sie bei der Stimmenauszählung verloren haben, die Wahl trotzdem gewonnen? 2. Warum wollen Sie den Irak ohne Grund angreifen? 3. Denken Sie nicht, dass die Bombe auf Hiroshima der größte terroristische Anschlag aller Zeiten war?" In diesem Moment läutet die Pausenklingel, und alle Schüler laufen aus dem Klassenzimmer. Als sie zurückkommen, lädt Präsident Bush erneut ein, Fragen zu stellen, und diesmal ergreift Joey das Wort: "Herr Präsident, ich habe fünf Fragen: 1. Wie haben Sie, obwohl Sie bei der Stimmenauszählung verloren haben, die Wahl trotzdem gewonnen? 2. Warum wollen Sie den Irak ohne Grund angreifen? 3. Denken Sie nicht, dass die Bombe auf Hiroshima der größte terroristische Anschlag aller Zeiten war? 4. Warum hat die Pausenklingel heute 20 Minuten früher geklingelt? 5. Wo ist Bob?"

Als mir dieser Witz aus den Weiten des World Wide Web zugesandt wurde, hielt ich ihn für eine aktuelle amerikanische Produktion - um dann von einem Kundigen aus Sachsen zu erfahren, dass dieses Witzmuster auch schon in der ehemaligen DDR existierte. Das passt, denn mit der neuen "Homeland Security" hat George W. Bush eine Überwachungsbehörde geschaffen, gegen die die einstige Stasi fast wie ein Waisenknabe aussieht. Man kann also voraussagen, dass Witze wie dieser in den USA künftig Konjunktur haben werden - und zunehmend auch geflüstert werden, denn schon sitzt dort der erste unbotmäßige Witzeerzähler im Gefängnis. Der Exzentriker Richard "Israel" Humphreys, der sich Prophet nennt, hatte im März 2001 in einer Bar in Sioux Falls, South Dakota, einen Witz erzählt, dessen Pointe lautete: "Gott wird aus einem brennenden Busch sprechen." Der Barkeeper, der den "burning Bush" aufgeschnappt hatte, alarmierte die Polizei, die schnell zur Stelle war, denn am nächsten Tag sollte Präsident Bush die Stadt besuchen. Humphreys wurde verhaftet und - kein Witz! - am 6. Dezember 2002 wegen "Bedrohung von Leib und Leben des Präsidenten" zu 37 Monaten Gefängnis verurteilt.

Ich wollte zu dieser aberwitzigen Verurteilung gerne die zugehörige CNN-Meldung zitieren, doch die ist aus dem Internet-Archiv des Senders schon wieder verschwunden - passt ja auch nicht so richtig zur Operation "Enduring Freedom", gibt aber schon mal einen Geschmack, wie wir uns die andauernde Freiheit künftig vorzustellen haben. Neben der neuen Megabehörde für Heimatsicherheit - mit fest angestellten 180 000 Heisi-Agenten - hat Präsident Bush auch noch ein "Information Awareness Office" gegründet, das seine Aufmerksamkeit den in Internet und E-Mails kursierenden Informationen widmen soll. Da es seine Arbeit erst aufgenommen hat, ist das Netz allerdings noch nicht ganz unter Kontrolle. Zumindest werden schon wieder Witze über den Aberwitz der Verurteilung eines Witzbolds gemacht - und der Betreiber der Website   wurde bis dato noch nicht verhaftet:

"Ein Moslem, ein Baptist und ein Katholik gehen in eine Bar. Der Katholik sagt: ,Ich hab gehört, Präsident Bush hält hier heute eine Rede, bin gespannt, ob er einen Übersetzer benutzt.‘ Der Baptist: ,Ja, um ihn ins Englische zu übersetzen.‘ Nach ein paar mehr Drinks meint er: ,Ich frage mich, ob sie ihn auf einer großen Leinwand zeigen, man nennt ihn den Big Picture Präsidenten.‘ Der Katholik antwortet: ,Das bezweifle ich, sein Big Picture passt auf einen Stecknadelkopf.‘ Der Baptist, nach einem weiteren Drink: ,Man sollte ihm die Nadel in den Hintern stechen!‘ Der Katholik: ,Wenn man ihm Chili-Pfeffer hinten reinsteckt, quiekt er noch lauter.‘ Der Baptist: ,Ja, Chili-Pfeffer. Erzähl vom Brennenden Bush!‘ Da tritt ein FBI-Agent hinzu und verhaftet die beiden wegen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit des Präsidenten. Der Barkeeper zum Moslem: ,Wow! Kannst du das glauben?‘ Der Moslem: ,Das ist nichts. John Pointdexter wurde verurteilt, weil er den Kongress belogen, die Justiz behindert und behördliche Beweise für die kriminelle Verschwörung eines Waffengeschäfts mit dem Iran vernichtet hatte - und Bush ernannte ihn zum Direktor des Information Awareness Office.‘"