In der Zeit beklagt Jochen Bittner die “ostdeutsche Sympathie für Putin”. Mein Ko-Autor Paul Schreyer fühlte sich als Ostdeutscher angesprochen und hat dem Autor auf einige Thesen dieses Artikel geantwortet:
“Ja, absolut, zu Demokratie und Freiheitlichkeit gehört es, die eigene Position immer und immer wieder zu prüfen, am besten entlang der jeweils stärksten Argumente der Gegenseite. Aber zu dieser Prüfung gehört am Ende eben auch, nicht jede Relativierung mitzumachen – etwa die von Grundrechten, demokratischen Verfassungen oder völkerrechtlichen Garantien.”
Stimmt. Und wer ist es eigentlich genau, der die Grundrechte und die Verfassungen und das Völkerrecht relativiert? Vielleicht diejenigen, die genau dieses Recht immer wieder brechen?
“Warum gehört die Sympathie gerade ehemaliger DDR-Bürger nicht viel deutlicher den Maidan-Demonstranten, die tatsächlich für etwas sehr Ähnliches gekämpft haben, für das auch die 89er auf die Straße gegangen sind: Den Sturz eines selbstverliebten, egoistischen, korrupten Regimes, das ein Land ausplünderte?”
Vielleicht weil sie sehen, dass versteckt im Schutze der legitimen Demonstranten des Maidan noch ganz andere Interessen agieren – siehe “Fuck the EU”-Victoria Nuland.
“Warum entschuldigen sie die Völkerrechtsbrüche Putins mit der Tatsache, dass auch die Vereinigten Staaten das Völkerrecht verletzten?”
Andersrum: Wie kann jemand, der das Völkerrecht gewohnheitsmäßig bricht, sich zum Ankläger von Rechtsbrüchen anderer aufschwingen?
“Warum bringt sie die Medien-Steuerung und die Propaganda des Kreml, die ganz nach Kalter-Kriegs-Mustern abläuft, nicht auf die Palme?”
Ganz einfach: First things first. Hier in Deutschland haben wir mittlerweile selbst leider immer mehr unter ganz ähnlicher Propaganda zu leiden – für deren Wahrnehmung Sie aber ganz offenbar partiell blind sind. Es erscheint mir originell, die Pressefreiheit und die Einhaltung des Völkerrechts stets zuerst im Ausland einzufordern und die eigenen Verfehlungen dabei mit Gleichmut zu ignorieren. Sehr überzeugend ist das auf Dauer aber nicht.
“Wie wütend wären sie gewesen, wenn Gorbatschow die Montagsdemonstranten 1989 als ‘Faschisten’ verunglimpft hätte?”
Sehr wütend. Fußnote: Es waren im Herbst 1989 allerdings keine Faschisten auf Leipzigs Straßen unterwegs. Oder habe ich da was verpasst?
“Wo bleibt die Solidarität mit denen, die heute auf diese Weise diffamiert werden?”
Solidarität mit Neonazis? “Diffamiert”? Ich komme gerade nicht mit. Wollen Sie die Rolle des Rechten Sektors beim gewaltsamen Machtwechsel, insbesondere im Februar, tatsächlich leugnen? Das wäre dann allerdings interessant.
“Auch Russland ist ans Völkerrecht gebunden. Und das verbietet den Raub von Territorium aus fremden Staaten. Und das ist keine willkürliche Norm, sondern die Jahrhunderte alte Lehre aus einem 30-jährigen Krieg, in dem Europa sich einmal fast gegenseitig aufgefressen hätte.”
Stimmt.
Ach so ja, Moment, wo waren jetzt nochmal Ihre kritischen Kommentare zum Bruch des Völkerrechts 1999 in Jugoslawien, 2001 in Afghanisten, 2003 im Irak, 2011 in Libyen etc.? Und Ihr empörter Kommentar zum Bruch der ukrainischen Verfassung im Februar 2014? Entschuldigung, ich habe diese Texte von Ihnen gerade nicht zur Hand. Ich muss sie verlegt haben.”
Anmerkung MB: Diese Beiträge sind auch mir verborgen geblieben. Dass aber Jochen Bittner als Propagandist für mehr militärische “Verantwortung” Deutschlands und Stichwortgeber für Joachim Gauck aktiv war, wurde im Zuge seiner Klage gegen das ZDF-Kabarett “Die Anstalt” einem breiten Publikum bekannt.