Drogenkrieg im Straßenverkehr

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Im Nachtschatten-Verlag ist jetzt das Buch “Cannabis und Füherschein” von Theo Pütz erschienen, das sich mit der herrschenden (Un-)Rechtspraxis in Deutschland auseinandersetzt, das nach der strafrechtlichen Liberalisierung in Sachen Cannabis nun den “Krieg gegen Drogen” mit verwaltungsrechtlichen Maßnahmen weiter führt. Unter anderem mit einem Grenzwert zur Fahruntauglichkeit, der in keiner Weise wahrnehmbar ist und ein 10-faches unter dem liegt, der in den USA – dem Mutterland der Cannabis-Prohibiton – als verkehrsgefährdend gilt. Ich habe zu diesem Buch einem Vorwort beigesteuert:

“Stellen Sie sich vor, Sie werden in Ihrem Auto durch die Polizei angehalten, die gerade eine Routinekontrolle der Verkehrssicherheit von Kraftfahrzeugen durchführt: Ihre Papiere sind in Ordnung, auch an Ihrem Wagen gibt es keinerlei Mängel, doch als sie überprüfen, ob ein Warndreieck vorhanden ist, sehen die Beamten im Kofferraum den Kasten Bier, den Sie gerade im Getränkemarkt geholt haben. Und einige Wochen später erhalten Sie ein Einschreiben von der Führerscheinstelle, in dem Ihnen mitgeteilt wird, dass wegen Verdachts auf Alkoholkonsum Zweifel an Ihrer Fahreignung bestehen; Sie werden aufgefordert, innerhalb einer gesetzten Frist mit einem Gutachten nachzuweisen, dass Sie auch weiterhin zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sind – ansonsten müsse Ihnen der Führerschein entzogen werden. Wegen eines Kastens Bier im Kofferraum? Absurd! Doch genau so wird in Deutschland tagtäglich dutzendfach verfahren, wenn es sich statt der Bierkiste um ein Tütchen mit Cannabis handelt.
Dass Sie bei der Routinekontrolle der Polizei unauffällig und nüchtern waren, dass sich Auto und Papiere in ordnungsgemäßem Zustand befanden und kein Verkehrsverstoß vorlag, hilft Ihnen genausowenig wie die Tatsache, dass der Besitz einer geringen Menge Cannabis kein Strafverfahren nach sich zieht. Denn nach einem solchen Fund werden Sie in der Regel aufgefordert, sich einem Drogentest zu unterziehen, und dann hilft Ihnen auch nicht mehr, dass Ihr letzter Cannabiskonsum schon einige Tage oder Wochen zurückliegt, denn die Abbaustoffe des Cannabis-Wirkstoffs THC sind mehrere Wochen nachweisbar. Mit einem solchen Nachweis gelten Sie als gelegentlicher Cannabiskonsument und begründen damit Zweifel an Ihrer Fahreignung; fand der letzte Cannabiskonsum am Vorabend der Kontrolle statt, kann es noch ärger kommen, denn es besteht die Möglichkeit, dass der aktive THC-Gehalt im Blutserum noch mehr als ein Nanogramm pro Milliliter (1 ng /ml) beträgt. Auch wenn dieser Wert weit unter einer spürbaren Wirkung liegt, gilt Ihre Fahrt mit dem Auto damit als «Drogenfahrt» und zieht ein Bußgeld und ein Fahrverbot nach sich – sowie die Auflage eines medizinischen Gutachtens, das Sie nur nach einem längeren Abstinenznachweis erfolgreich absolvieren können.
Seit Mitte der Neunzigerjahre der Besitz kleiner Mengen Cannabis durch das «Haschisch-Urteil» des Bundesverfassungsgerichts entkriminalisiert wurde, ist diese schwer nachvollziehbare Rechtspraxis in Deutschland gang und gäbe – und mit juristischen Mitteln kaum anfechtbar. Denn anders als im Strafrecht  ist im Verwaltungsrecht, welches die Erteilung der Fahrerlaubnis regelt, die Beweislast umgekehrt: Nicht das Gericht muss Ihre Schuld nachweisen, sondern Sie sind verpflichtet, der Behörde Ihre Unschuld zu beweisen. Gibt der bereits beschriebene nüchterne und verkehrsgerechte Transport eines Kastens Bier in Ihrem Auto Anlass, den Fahrer als potenziellen Alkoholiker und Gefahr für die Verkehrssicherheit einzustufen? Selbstverständlich nicht – doch wenn es sich um ein Gramm Cannabis handelt, ist das der Fall. Diese Ungleichbehandlung und das daraus entstehende Unrecht ist der Grund für dieses Buch.
Der Autor Theo Pütz berät seit vielen Jahren nicht nur Betroffene, die in die Mühlen der Behörden geraten sind, er gilt auch als der Experte zum Thema Drogen und Führerschein. Sein Buch ist deshalb nicht nur ein unverzichtbarer Ratgeber für diejenigen, denen aufgrund eines Cannabisfunds oder -nachweises der Entzug des Führerscheins droht, sondern es liefert mit seiner Analyse der rechtlichen und toxikologischen Zusammenhänge erstmals auch einen fundierten Überblick zur herrschenden (Un-)Rechtspraxis in Sachen Cannabis und Führerschein. Deshalb ist dieses Buch nicht nur für Juristen, Behörden und Fachkräfte im Drogen- und Suchtbereich, sondern vor allem auch für politische Entscheidungsträger von höchster Relevanz. Denn nur die Politik kann für die dringend notwendigen Änderungen sorgen, die hier geboten sind: die Schaffung eines realistischen Gefahrengrenzwerts für die Verkehrsteilnahme und eine bundesweit einheitliche Auslegung der gesetzlichen Vorschriften zur Fahreignung analog zum Alkohol.
In der Schweiz geht man davon aus, dass selbst Fahrer von Bussen und Bahnen mit bis zu 3 ng /ml THC im Blutserum ihrer Arbeit verantwortungsvoll nachgehen können; in den USA, dem Mutterland der Cannabis-Prohibition und des irrsinnigen «War On Drugs», gilt selbst ein Grenzwert (10 ng /ml), der zehn Mal höher liegt als in Deutschland (1ng/ml), nicht als Gefahr für die Verkehrssicherheit. Die (Un-)Rechtspraxis in Deutschland, mit Hilfe des Fahrerlaubnis- und Verwaltungsrechts den «Krieg gegen Drogen» zu führen, muss beendet werden. Die Politik und die Rechtssprechung sind gefordert. Wer die Informationen in diesem Buch zur Kenntnis genommen hat, wird nicht mehr umhin können, diese Forderung zu unterstützen.”

Theo Pütz: Cannabis und Führerschein
176 Seiten, Format A5, Broschur
ISBN: 978-3-03788-279-5
CHF 29.80, EUR 23.00

3 Comments

  1. der Unterschied liegt darin, daß Cannabis immer noch illegal ist und Bier nicht. Wenn es mal andersum wird und auf den Straßen nicht nur Lieferwagen der Getränkehändler rumfahren, sondern auch die der Cannabishändler, dann wird man nicht mehr verdächtig erscheinen, wenn man auch in seinem eigenen Auto Cannabis mitführt. Bis es soweit ist, ist eine Kiste Bier erlaubt und eine Tüte Cannabis nicht. Man kann sich darüber aufregen, aber zuerst muß Cannabis legalisiert werden. Alles andere ergibt sich dann von selbst. Ich fürchte aber, eher wird der Alkohol verboten.

  2. Der Grenzwert für abgebautes THC (CBN) liegt in Deutschland bei 70ng/ml Blut um als Dauerkonsument zu gelten. Ein Führerschein darf eigentlich erst abgenommen werden, wenn dieser Wert überschritten wird. Gelegenheitskonsumenten sollten eigentlich ihren Führerschein behalten dürfen. Eigentlich.
    Das Zynische an der Führerscheinabgabepraxis ist, daß dieser meist erst Monate nach dem Vergehen eingezogen wird und somit zwischenzeitlich offensichtlich keine Gefahr bestanden hat. Das ist kein Krieg gegen Drogen – das ist ein Krieg gegen Menschen.

    @StefanMiller: Wenn in Deutschland ein Alkoholverbot (oder massive Einschränkung) kommen würde, sehe ich CSU-Politiker schon auf brennenden Barrikaden um ihr Recht auf Weißbierkonsum zu verteidigen. Ohne Alkohol wäre in Deutschland schon Morgen Revolution, da dann endlich Millionen auf die Strasse gehen würden, wenn sich deren blauer Nebel im Kopf verzieht.

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