Interview des Krit-Journals, 19.09.2001
 

                             Über die Mitverantwortung der USA

                              Mathias Bröckers über seine aktuelle Telepolis-Reihe "The
                              WTC Conspiracy" und die jüngsten Polemiken von Henryk
                              M. Broder.

                              KriT: In der Artikelreihe "The WTC Conspiracy" (siehe
                              unten) lenken Sie den Blick auf Hintergründe, Argumente und
                              Zusammenhänge, die den Anschlag in das Licht einer
                              Verschwörung von Rechtsextremen aus Industrie, Politik und
                              Geheimdiensten stellt. Wie heißt die Kernthese und was sind
                              Ihre wichtigsten Argumente?

                              Mathias Bröckers: Im Unterschied zum mainstream der
                              Medien habe ich gerade keine Verschwörungstheorie,
                              sondern versuche, mit meinen Anmerkungen die
                              Wahrnehmung des Falls realistisch und offen zu halten.
                              Deshalb die Hinweise auf historische Verschwörungsbeispiele
                              - wie z.B. Kennedy oder Pearl Harbor und die
                              Ungereimtheiten in Sachen Saddam & Golfkrieg - und die
                              traditionelle "Hurensohn"-Strategie der US-Außenpolitik.

                              Auch Hitler gehört dazu, wobei mir an einer
                              Geschichtsverdrehung, gar an einer Entschuldung des
                              deutschen Faschismus in keiner Weise gelegen ist , auch nicht
                              an plattem Anti-Amerikanismus. Doch wenn man sich die
                              Zusammenhänge von DuPont, StandardOil und der IG
                              Farben - dem wichtigsten Industrieunternehmen Hitlers, u.a.
                              Bauherr von Auschwitz (Kohleabbau zwecks Nutzung des
                              DuPont-Patents zur Benzinherstellung) - anschauen, dann
                              wird sehr wohl deutlich, dass ohne diese massiven
                              Investments ein Aufrüstung Deutschlands in den 30er Jahren
                              nicht möglich gewesen wäre. Das gesamte Vermögen der
                              Bush-Familie wurde von einem US-Gericht 1942 deswegen
                              beschlagnahmt, DuPont wurde u.a. verurteilt, weil er ein
                              Schwarzes Korps nach Vorbild der SS in den USA
                              finanzierte, Henry Fords Bild hing in Hitlers Arbeitszimmer,
                              nach einem Finanzkontrakt von Goebbels & Hearst 1934
                              schaltete der "Readers Digest" auf nazi-freundliche
                              Berichterstattung um usw. usw. Wenn man diese
                              Hintergründe betrachtet - das erwähnte Buch von Seldon
                              enthält noch mehr haarsträubende Fakten über die Aktivitäten
                              von Top-US-Industriellen - dann wird m.E. ziemlich deutlich,
                              dass es sich auch bei Hitler um einen außenpolitischen
                              "Hurensohn" der USA handelte, installiert und mit vielen
                              Milliarden gepusht, gegen die "sozialistischen" Tendenzen der
                              Weimarer Republik, und dann - wie Saddam und Bin Laden
                              - aus dem Ruder gelaufen...

                              Natürlich sind deshalb nicht die USA für den Nazi-Terror
                              verantwortlich zu machen, aber eine Mitverantwortung
                              scheint mir hier genauso deutlich wie bei Saddam Hussein
                              und Bin Laden - ohne die ökonomische Aufrüstung wären
                              diese "Monster" nie zu der Bedrohung geworden, die sie
                              heute sind. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, wollte ich
                              mit meinen Anmerkungen ausdrücken.

                              KriT: Welche Quellen benutzen Sie?

                              Mathias Bröckers: Alle mir zugänglichen. Als Herausgeber
                              des Lexikons der Verschwörungstheorien von Robert Anton
                              Wilson (Eichborn-Verlag, 2000) habe ich mich intensiv mit
                              dem Thema Konspiration beschäftigt und in einem längeren
                              Essay dazu einige meta-theoretische Überlegungen zur
                              Konspirologie angestellt.

                              KriT: Wie ist die Resonanz auf "The WTC Conspiracy"?

                              Mathias Bröckers: Von Begeisterung und Zustimmung bis
                              zu völligem Entsetzen, wobei die positive Resonanz
                              überwiegt, weil die Leute schon dankbar sind, dass
                              überhaupt noch jemand einen anderen Blick auf die Dinge
                              wagt.

                              KriT: Nehmen wir utopischerweise an, die deutsche
                              Regierung würde Ihre Texte ernstnehmen. Welche politischen
                              Konsequenzen wären für Europa und Deutschland nötig?

                              Mathias Bröckers: Dem amerikanischen Patienten klar zu
                              machen, dass er sein "Geschwür" jetzt zwar in einer großen
                              Operation entfernen kann, dies aber nur neue terroristische
                              Metastatsen produziert, dass Heilung also nur möglich ist,
                              wenn der Patient seine Lebensweise ändert.

                              KriT: Viele Menschen im Netz sind in Sorge und haben
                              Angst, das erlebe ich jetzt täglich. Müssen wir eine Eskalation
                              der Gewalt, einen neuen Weltkrieg befürchten?

                              Mathias Bröckers: Wir müssen das befürchten, wenn die
                              Gleichschaltung der Medien weiterhin die simplizistische
                              Verschwörungstheorie - böse Mullahs gegen gute Zivilisation
                              - aufrechterhält. Es geht nicht darum, Verständnis für so einen
                              perversen Anschlag aufzubringen, sondern seine Gründe und
                              Ursachen nüchtern zu analysieren

                              KriT: H.M. Broder sieht einen Kampf der Kulturen und wirft
                              uns pauschal Hass gegen die Amerikaner vor. Wie
                              interpretieren Sie das? Ist das Demagogie, berechnete
                              Polemik, Rechtfertigung eines Krieges gegen die arabische
                              Welt mit allen Mitteln? Verantwortungslos?

                              Mathias Bröckers: Schon im Golfkrieg hat sich Broder,
                              einst strammer Anti-Zionist und Linker, als Jubelteutone
                              aufgeplustert und jeden Zweifel an der Operation
                              Wüstensturm als anti-semitisch und anti-zivilisatorisch
                              abgemeiert. Jetzt spricht er schon wieder Denkverbote aus
                              und bezeichnet jeden, der nicht auf seiner Linie ist als "krank"
                              - ein klassicher intellektueller Stahlhelmträger, der eher in der
                              Tradition ein Goebbels steht, als in der eines kritischen,
                              aufgeklärten Kosmopolitismus.

                              KriT: H.M. Broder wünscht Ihnen auf seiner Website, dass
                              Sie als Fettfleck an einer Hochhauswand enden. Was macht
                              ihn so agressiv gegen Sie und wie gehen Sie persönlich damit
                              um?

                              Mathias Bröckers: Ich habe mich in einer mail gegen die
                              Unterstellung, dass ich einen Fettfleck hinterlassen würde,
                              verwahrt. Anders als bei dem kleinen Fettsack Broder bliebe
                              nämlich bei mir (178 cm, 63 kg) kaum etwas hängen.
                              Ansonsten habe ich Verständnis für seine Wut geäußert: dass
                              es dummerweise nicht Arafat, sondern seine Kumpels von
                              CIA waren, die Milliarden in Bin Ladens Laden gesteckt
                              haben, bringt Broders Argumentation natürlich höllisch ins
                              Schleudern. Da muß jeder, der in dies Richtung auch nur
                              fragt, als pathologsich abgestempelt und mundtot gemacht
                              werden. Aber den Gefallen werde ich ihm nicht tun.

                              KriT: Woher nehmen sie den Mut, so unmissverständlich
                              gegen den Mainstream der Meinungen und den
                              Opportunismus einer journalistischen Elite anzuschreiben?

                              Mathias Bröckers: Ich habe mich schon vor 20 Jahren
                              gegen eine Karriere in den mainstream Medien entschieden
                              und lieber die taz mit aufgebaut, wo ich von 1980-1990 das
                              Feuilleton geleitet habe. Insofern finde ich es auch jetzt nicht
                              besonders mutig, gegen den Strich zu denken, sondern
                              eigentlich selbstverständlich. Bedauerlich ist nur, dass das
                              Gros der schreibenden und sendenden Kollegen sich so
                              unumwunden und hemmunslos gleichschalten läßt. Um der
                              Wahrheit willen darf sich niemand zu schade sein, auch in der
                              Jauchegrube zu suchen. Ich bin in Sachen WTC da nur als
                              erster runtergeklettert, es werden aber noch viele folgen, da
                              bin ich mir ziemlich sicher.

                              KriT: Vielen Dank für das Interview