Über die Mitverantwortung der USA
Mathias Bröckers über seine aktuelle Telepolis-Reihe "The
WTC Conspiracy" und die jüngsten Polemiken von Henryk
M. Broder.
KriT: In der Artikelreihe "The WTC Conspiracy" (siehe
unten) lenken Sie den Blick auf Hintergründe, Argumente und
Zusammenhänge, die den Anschlag in das Licht einer
Verschwörung von Rechtsextremen aus Industrie, Politik und
Geheimdiensten stellt. Wie heißt die Kernthese und was sind
Ihre wichtigsten Argumente?
Mathias Bröckers: Im Unterschied zum mainstream der
Medien habe ich gerade keine Verschwörungstheorie,
sondern versuche, mit meinen Anmerkungen die
Wahrnehmung des Falls realistisch und offen zu halten.
Deshalb die Hinweise auf historische Verschwörungsbeispiele
- wie z.B. Kennedy oder Pearl Harbor und die
Ungereimtheiten in Sachen Saddam & Golfkrieg - und die
traditionelle "Hurensohn"-Strategie der US-Außenpolitik.
Auch Hitler gehört dazu, wobei mir an einer
Geschichtsverdrehung, gar an einer Entschuldung des
deutschen Faschismus in keiner Weise gelegen ist , auch nicht
an plattem Anti-Amerikanismus. Doch wenn man sich die
Zusammenhänge von DuPont, StandardOil und der IG
Farben - dem wichtigsten Industrieunternehmen Hitlers, u.a.
Bauherr von Auschwitz (Kohleabbau zwecks Nutzung des
DuPont-Patents zur Benzinherstellung) - anschauen, dann
wird sehr wohl deutlich, dass ohne diese massiven
Investments ein Aufrüstung Deutschlands in den 30er Jahren
nicht möglich gewesen wäre. Das gesamte Vermögen der
Bush-Familie wurde von einem US-Gericht 1942 deswegen
beschlagnahmt, DuPont wurde u.a. verurteilt, weil er ein
Schwarzes Korps nach Vorbild der SS in den USA
finanzierte, Henry Fords Bild hing in Hitlers Arbeitszimmer,
nach einem Finanzkontrakt von Goebbels & Hearst 1934
schaltete der "Readers Digest" auf nazi-freundliche
Berichterstattung um usw. usw. Wenn man diese
Hintergründe betrachtet - das erwähnte Buch von Seldon
enthält noch mehr haarsträubende Fakten über die Aktivitäten
von Top-US-Industriellen - dann wird m.E. ziemlich deutlich,
dass es sich auch bei Hitler um einen außenpolitischen
"Hurensohn" der USA handelte, installiert und mit vielen
Milliarden gepusht, gegen die "sozialistischen" Tendenzen der
Weimarer Republik, und dann - wie Saddam und Bin Laden
- aus dem Ruder gelaufen...
Natürlich sind deshalb nicht die USA für den Nazi-Terror
verantwortlich zu machen, aber eine Mitverantwortung
scheint mir hier genauso deutlich wie bei Saddam Hussein
und Bin Laden - ohne die ökonomische Aufrüstung wären
diese "Monster" nie zu der Bedrohung geworden, die sie
heute sind. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, wollte ich
mit meinen Anmerkungen ausdrücken.
KriT: Welche Quellen benutzen Sie?
Mathias Bröckers: Alle mir zugänglichen. Als Herausgeber
des Lexikons der Verschwörungstheorien von Robert Anton
Wilson (Eichborn-Verlag, 2000) habe ich mich intensiv mit
dem Thema Konspiration beschäftigt und in einem längeren
Essay dazu einige meta-theoretische Überlegungen zur
Konspirologie angestellt.
KriT: Wie ist die Resonanz auf "The WTC Conspiracy"?
Mathias Bröckers: Von Begeisterung und Zustimmung bis
zu völligem Entsetzen, wobei die positive Resonanz
überwiegt, weil die Leute schon dankbar sind, dass
überhaupt noch jemand einen anderen Blick auf die Dinge
wagt.
KriT: Nehmen wir utopischerweise an, die deutsche
Regierung würde Ihre Texte ernstnehmen. Welche politischen
Konsequenzen wären für Europa und Deutschland nötig?
Mathias Bröckers: Dem amerikanischen Patienten klar zu
machen, dass er sein "Geschwür" jetzt zwar in einer großen
Operation entfernen kann, dies aber nur neue terroristische
Metastatsen produziert, dass Heilung also nur möglich ist,
wenn der Patient seine Lebensweise ändert.
KriT: Viele Menschen im Netz sind in Sorge und haben
Angst, das erlebe ich jetzt täglich. Müssen wir eine Eskalation
der Gewalt, einen neuen Weltkrieg befürchten?
Mathias Bröckers: Wir müssen das befürchten, wenn die
Gleichschaltung der Medien weiterhin die simplizistische
Verschwörungstheorie - böse Mullahs gegen gute Zivilisation
- aufrechterhält. Es geht nicht darum, Verständnis für so
einen
perversen Anschlag aufzubringen, sondern seine Gründe und
Ursachen nüchtern zu analysieren
KriT: H.M. Broder sieht einen Kampf der Kulturen und wirft
uns pauschal Hass gegen die Amerikaner vor. Wie
interpretieren Sie das? Ist das Demagogie, berechnete
Polemik, Rechtfertigung eines Krieges gegen die arabische
Welt mit allen Mitteln? Verantwortungslos?
Mathias Bröckers: Schon im Golfkrieg hat sich Broder,
einst strammer Anti-Zionist und Linker, als Jubelteutone
aufgeplustert und jeden Zweifel an der Operation
Wüstensturm als anti-semitisch und anti-zivilisatorisch
abgemeiert. Jetzt spricht er schon wieder Denkverbote aus
und bezeichnet jeden, der nicht auf seiner Linie ist als "krank"
- ein klassicher intellektueller Stahlhelmträger, der eher in der
Tradition ein Goebbels steht, als in der eines kritischen,
aufgeklärten Kosmopolitismus.
KriT: H.M. Broder wünscht Ihnen auf seiner Website, dass
Sie als Fettfleck an einer Hochhauswand enden. Was macht
ihn so agressiv gegen Sie und wie gehen Sie persönlich damit
um?
Mathias Bröckers: Ich habe mich in einer mail gegen die
Unterstellung, dass ich einen Fettfleck hinterlassen würde,
verwahrt. Anders als bei dem kleinen Fettsack Broder bliebe
nämlich bei mir (178 cm, 63 kg) kaum etwas hängen.
Ansonsten habe ich Verständnis für seine Wut geäußert:
dass
es dummerweise nicht Arafat, sondern seine Kumpels von
CIA waren, die Milliarden in Bin Ladens Laden gesteckt
haben, bringt Broders Argumentation natürlich höllisch ins
Schleudern. Da muß jeder, der in dies Richtung auch nur
fragt, als pathologsich abgestempelt und mundtot gemacht
werden. Aber den Gefallen werde ich ihm nicht tun.
KriT: Woher nehmen sie den Mut, so unmissverständlich
gegen den Mainstream der Meinungen und den
Opportunismus einer journalistischen Elite anzuschreiben?
Mathias Bröckers: Ich habe mich schon vor 20 Jahren
gegen eine Karriere in den mainstream Medien entschieden
und lieber die taz mit aufgebaut, wo ich von 1980-1990 das
Feuilleton geleitet habe. Insofern finde ich es auch jetzt nicht
besonders mutig, gegen den Strich zu denken, sondern
eigentlich selbstverständlich. Bedauerlich ist nur, dass das
Gros der schreibenden und sendenden Kollegen sich so
unumwunden und hemmunslos gleichschalten läßt. Um der
Wahrheit willen darf sich niemand zu schade sein, auch in der
Jauchegrube zu suchen. Ich bin in Sachen WTC da nur als
erster runtergeklettert, es werden aber noch viele folgen, da
bin ich mir ziemlich sicher.
KriT: Vielen Dank für das Interview