Kruzifix! Bayern wieder mit Balkensepp

„Kruzifix! Bayern ohne Balkensepp“ hatte die taz am 11. August 1995 getitelt, als ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergangen war, nach dem ein Kreuz in Schulzimmern staatlicher Schulen gegen die im Grundgesetz festgelegte Trennung von Staat und Kirche verstößt. Ein Elternpaar hatte gegen die dekorative Indoktrination bayerischer Klassenzimmer geklagt und Recht bekommen. Die Aufregung war damals groß – Mitglieder der bayerischen Regierung riefen auf, das Urteil des höchsten Gerichts einfach zu ignorieren und die taz fing sich einige Strafanzeigen ein, die freilich von den Gerichten abschlägig beschieden wurden. Auf Antrag der Deutschen Bischofskonferenz sprach der Presserat der Zeitung aber eine „Missbilligung“ aus und befand, dass „Balkensepp“ ebenso wie die gut bayerische Bezeichnung „Lattengustl“, die in dem zugehörigen Artikel verwendet wurde, die Gefühle von Christen verletzten könne. Da das Selbstkontrollorgan der Printmedien aber keine juristische Instanz ist, blieb die Schlagzeile ohne strafrechtliche Folgen. Wie auch schon einige Jahre zuvor ein metallenes Kruzifix, das die „Titanic“ mit der Überschrift: „Ich war eine Dose“ versehen hatte. Auch den Absturz einer „polnischen Flugente“, wie ihn der Kolumnist Wiglaf Droste zum Tod des viel gereisten Papsts Karol Woijtyla meldete, waren wie Balkensepp und Lattengustl nicht justiziabel – weil nicht in der Lage „den öffentlichen Frieden zu stören.“ Nur dann greift der Paragraph 166 des Strafgesetzbuchs, der die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionen und Kirchen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe ahndet.

Es reicht also nicht, wenn sich Frömmler jedweder Provenienz einfach nur beleidigt fühlen: schärfste Satire, grobe Witze und  Verächtlichmachung sind auch weiterhin erlaubt. Zu derart geschärften Waffen zu greifen gebietet jetzt der Kruzifix-Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten Söder, der par ordre de mufti verfügt hat, alle Behörden des Landes mit einem Balkensepp auszustatten: „Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes im Freistaat ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland anzubringen.“ heißt es in der Verordnung, die am 1. Juni in Kraft tritt.

Ob künftig auch der FC Bayern in der Kabine ein Kreuz aufhängen und bei Auswärtsspielen ein selbiges mitzuführen hat, war von Söders Büro noch nicht in Erfahrung zu bringen. Wenn dies aber der Fall ist – nach dem absehbaren Ausscheiden aus der Champions-League ist alles möglich! – wird der Söder Markus den Lattengustl sicher persönlich aufhängen, wie er es in seiner Staatskanzlei im Blitzlichtgewitter der Fotografen schon höchst selbst getan hat. “Das Kreuz ist das grundlegende Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländischer Prägung”, so Söder, und dass künftig keine Kfz-Zulassungsstelle, kein städtisches Hallenbad und schon gar keine Ausländerbehörde ohne einen Balkensepp im Eingangsbereich davon kommt, dafür würde sich der Erlöser der Bajuwaren und Retter der abendländischen Identität notfalls selber kreuzigen lassen. Was aber leider nicht zu befürchten ist, denn dass das Verfassungsgericht die Zwangs-Kruzifizierung wieder in die Tonne treten wird wo sie hingehört, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Auch als Podcast auf KenFM

2 Comments

  1. “Und wenn Du denkst es geht nicht blöder, kommt von irgendwo ein Söder!”
    “Blöd, blöder, Söder!” Urban Priol

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