Ich werde in den nächsten Tagen eine kleine Reise machen um mal nach dem Rechten zu sehen, in Russland, wo ich mich im Rahmen der “citizen diplomacy” auch bei möglichst vielen Russen für die rassistische Hetze und den Hass entschuldigen werde, der ihnen aus dem Westen derzeit so massiv entgegenschlägt. Weniger von Seiten der Bevölkerung, als von den Medien, die die Politiker vor sich hertreiben und ein sehr einseitiges Bild der “Militäroperation” in der Ukraine zeigen. Dass Deutschland zuerst nur Helme und jetzt den alten Flak-Panzer Gepard liefern will – ein kompliziertes Gerät auf dem man ein Jahr Training braucht, um irgendwas zu treffen – werde ich als kleinen Bonus-Punkt dafür anführen, dass Olaf Scholz bei diesem Krieg nur nolens volens mitmacht. Auch wenn es unverzeihlich ist, dass er acht Jahre Bombardement des Donbass und 13.000 Tote als “lächerlich” bezeichnet hat. Auf die Frage, wie die deutsche Außenministerin eigentlich “Russland ruinieren” will, werde ich darauf verweisen, dass unsere Völkerballexpertin neu im Amt ist und sich als Young Leader was Rohstoffe und Geographie betrifft noch ein wenig einarbeiten muss. Auf die Frage, warum sich die EU mit ihrem Ölembargo selbst ins Knie schießt, fällt mir allerdings nichts mehr ein. Außer dem Hinweis, dass man dann wahrscheinlich auf “Lettisch Blend” (nur zu 49,99 % russisch) zurückgreifen wird, wie jetzt schon die USA.
Nur recht vorsichtig werde ich Begriffe wie “Völkerrechtsbruch” und “Angriffskrieg” verwenden, auch wenn sie auf die russische “Special Military Operation” durchaus zutreffen, doch weil ich mich bzw. den Westen im Gegenzug für Dutzende von illegalen “Interventionen” (zuletzt Jugoslawien, Irak, Libyen. Syrien) verteidigen müßte und dann sicher sofort die Sprache auf Doppelstandards und Scheinheiligkeit kommt, umschiffe ich diesen Themenkomplex besser mal….
Beim Zeitpunkt-Apero Anfang dieser Woche in Solothurn wurde nach der Diskussion mehrfach gefragt, warum wir das WEF und den Great Reset nicht angesprochen hätten, was vor allem damit zu tun hatte, dass das Thema die Neutralität der Schweiz, die von der Eigenossenschaft aufgegegben wurde, weil sich die Regierung ohne Debatte sofort den Sanktionsmaßnahmen anschloss. Zudem hat sich auch das “neutrale” World Economic Forum mittlerweile der anti-russischen Inquisition angeschlossen, und will statt Russen jetzt lieber Wladimir Zelenski einladen. Der ist ja in der Tat ein Young Global Leader wie er im Bucht steht und tut nur das, was His Masters Voice befiehlt. Seit Boris Johnson kürzlich bei ihm war, sind Friedensverhandlungen oder gar ein Gespräch mit Putin definitiv verboten und die Truppen in der Ostukraine verdammt, im Bombenhagel als Kanonfutter weiter die Stellung zu halten.
Der Großverschwörungstheorie, dass die Davos-Elite um Klaus Schwab, seine Young Leaders und der Great Reset mit Putin, China und Russland unter einer Decke stecken und gemeinsam an der neuen Weltregierung arbeiten, kann ich nicht viel abgewinnen. Denn wenn dem so wäre, wie lassen sich dann sechs Jahre “Russiagate” erklären – das auf allen westlichen Kanälen verbreitete Narrativ, dass Trump von Putin ins Weisse Haus gehievt wurde, Russland die Wahlen manipuliert und die “Demokratie” unterwandert. Dass diese von Tag eins an als Fake durchschaubare Story von sämtlichen ( Ex-)CIAlern und Großmedien jahrelang gepusht wurde, scheint (ähnlich wie der vom britischen MI-6 inszenierte Novichok-Skripal-Zirkus) eher der Vorbereitung auf den anti-russischen Furor gedient zu haben, den wir derzeit erleben. Die russische “Intervention” (wie solche Kriege auf NATOstanisch heißen) in der Ukraine durch verschärfte Bombardements des Donbass ab Anfang Februar geradezu herauszufordern, läßt ebenfalls nicht auf eine verdeckte Zusammenarbeit der westlichen Eliten mit Russland schließen. Und was sich mit dem Gas-Rubel-Yuan andeutet – ein neues internationales Finanz,-und Handelsystem als Alternative zu dem von London und New York gesteuerten Casino mit seinem FIAT-Spielgeld – kann ebenfalls nicht im Sinne des WEF und seiner neoliberalen One-World-Ideologie sein.
Und schon gar nicht im Sinne Europas und Deutschlands, dem der Ökonom Michael Hudson unlängst eine düstere Zukunft als US-Kolonie wie Puerto Rico ohne eigene Währung vorhersagte, wenn sich der eiserne Vorhang zu Russland und Eurasien schließt. Da der Euro dramatisch abschmiert, und nicht nur gegenüber dem Rubel (- 27%) und dem US-Dollar (-13%) sondern auch gegenüber fast allen anderen Währungen deutlich an Wert verliert, bahnt sich hier schon an, wer die großen Verlierer im Wirtschaftskrieg gegen Russland sein werden. Pssst: es sind nicht die USA und auch nicht die Russen, aber behalten Sie es für sich, sonst Sie als Putinist gleich unten durch und quasi der “Wehrkraftzersetzung” schuldig.
Unterdessen wundert man sich im erlauchtesten Think-Tank des Imperiums, dem “Council of Foreign Relations”, darüber, wie die US-Außenpolitik “in Rekordzeit” eine multipolare Welt geschaffen hat: “Das Vertrauen in die von den USA geführte wirtschaftliche und geopolitische Ordnung schwindet. Der russische Einmarsch in der Ukraine und die Reaktion der USA darauf könnten – unabhängig von ihren Vorzügen – der letzte Strohhalm für das globale Monopol des Dollar-Reservesystems sein.” Der aber, so der Ökonom James K. Galbraith in einem weiteren Essay, mit einem einschneidenden politischen Umbruch einhergehen muss:
“Können die Vereinigten Staaten den Aufstieg einer multipolaren Welt überleben? Die Frage ist absurd: Natürlich können sie das. Aber nicht ohne einen politischen Umbruch, der kurzfristig durch Inflation, Rezession und einen fallenden Aktienmarkt und schließlich durch die Forderung nach einer realistischen Strategie im Einklang mit dem tatsächlichen globalen Kräfteverhältnis ausgelöst wird. Die eigentliche Bedrohung liegt nicht so sehr in den Lebensmöglichkeiten des Landes, sondern in seinen politischen Eliten, die sich auf globale Finanzrenten und inländische Rüstungsaufträge stützen. Eine Welt, die sich von der ausschließlichen Abhängigkeit vom Dollar löst, wird dem US-Finanzwesen die Flügel stutzen. Eine multipolare Welt erfordert multilaterale Sicherheitsvereinbarungen, die mit dem derzeitigen Ausmaß der militärischen Machtprojektion der USA unvereinbar sind; mehr Geld für eine dysfunktionale Streitkräftestruktur wird das Land nicht sicherer machen und die Inflation verschlimmern. Andererseits würde ein niedrigerer Dollar dazu beitragen, die Selbstversorgung des Landes mit wichtigen Gütern wiederzubeleben, eine Industriestrategie kann den notwendigen Wiederaufbauprozess einleiten, während Investitionen in die Infrastruktur und neue Technologien die Auswirkungen der höheren Energiekosten ausgleichen können. Letztere sind auf jeden Fall notwendig, um den Klimawandel zu bekämpfen, so dass das, was für die kurzfristige Anpassung notwendig ist, ausnahmsweise mit dem übereinstimmt, was für das spätere Überleben notwendig ist. Multipolarität könnte also schlecht für die Oligarchie, aber gut für die Demokratie, die Nachhaltigkeit und den öffentlichen Zweck sein. Unter diesen Gesichtspunkten käme sie keinen Augenblick zu früh.”
Das sehen die Biden-Regierung und die US-Oligarchen derzeit aber noch anders und haben dazu mit einem Verteidigungsminister aus dem Aufsichtsrat des größten Raketenhersteller Raytheon den richtigen Mann auf Posten, um den lukrativen Ukraine-Krieg weiter in die Länge zu ziehen. Da Russland jetzt angekündigt hat, weitere Waffentransporte in die Ukraine als legitimes Angriffsziel zu betrachten, dürften die vor allem in Polen angelieferten NATO-Waffen die 600 – 800 Kilometer an die Front kaum heil überstehen und wenn doch nicht zu einer Wende, sondern nur zu der gewünschten Verlängerung des ungleichen Kampfs “bis zum letzten Ukrainer” beitragen.
Unterdessen wurde in Russland am 3.Mai mit einer Executiv Order des Präsdidenten ein Beschluss gefaßt, der hierzulande bisher nur eine Kurznachricht im Deutschlandfunk wert war, obwohl sie das Land in den Ruin stürzen könnte. Ab sofort wird der Handel mit Rohstoffen an “unfreundliche Nationen” untersagt, für die ähnlich wie für Öl und Gas auch mittelfristig kaum preisgünstige Alternativen aufzutreiben sein werden. Innerhalb von 10 Tagen sollen nun die Institutionen und Personen benannt werden, die von den Sanktionen betroffen sind und es wäre ein Wunder, wenn deutsche Unternehmen verschont bleiben. Bye bye “heiligs Blechle” kann man der einst stolzen und konkurrenzfähigen Autoindustrie dann nur hinterherrufen, wenn ihr Nickel, Titan und Eisen fehlen, und wenn das Neongas für die Chips ausgeht, sind auch fast alle anderen Branchen betroffen.
Dass die Therapie nicht mehr Schaden anrichten darf als die Krankheit – diese im Kampf gegen das “Killervirus” schwer mißachtete Gesetz muß auch bei diesem Kampf gegen nunmehr “Killerrussen” in Erinnerung gerufen werden. So wie Covid nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine schwere Grippewelle war und ist, so ist auch der russische “Befall” der Ukraine nichts anderes als eine der seit je kursierenden saisonalen Krankheiten der imperialen Mächte. Dass diese Infektion jetzt erstmals nicht von dem seit Jahrzehnten notorischen und tödlichen US-Erreger und seinen NATO-Varianten ausgelöst wurde, hat viele derart überrascht, dass sie ähnlich wie bei dem “neuartigen” Erreger Covid-19 zu völlig überzogenen, irrsinnigen Maßnahmen greifen. Wie dem versuchten ökonmischen Lockdown Russlands, der hier viel mehr Schaden anrichtet als dort. Und wie Waffenlieferungen in einen ungewinnbaren Krieg…
(wird fortgesetzt)
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Mathias Bröckers/Paul Schreyer: Wir sind IMMER die Guten – Ansichten eines Putinverstehers oder wie der kalte Krieg neu entfacht wird, Westend Verlag (2019)