Ein Jahr nach Israels Angriff auf Gaza führt das Land inzwischen einen Fünf-Fronten-Krieg. Neben dem Libanon geraten jetzt auch der Yemen, Syrien und Iran ins Fadenkreuz. Das ist kein Weg zum Frieden, sondern zum Friedhof. Außerdem: Auch im Ukrainekrieg ist kein Frieden in Sicht – die Konfrontation wird weiter geschürt. Währenddessen jagen Gerichte in Berlin kaum sichtbare Hakenkreuze. Und es gibt wieder Neues von Julian Assange. Über all das und mehr sprechen Robert Fleischer, Dirk Pohlmann und Mathias Bröckers in 3.Jahrtausend 109.
Hakenkreuzzüge in New Normal Germany
Unter dem Motto “Onward thru the Fog” hatten Gerhard Seyfried und ich im Frühjahr 2002 eine lange Liste sämtlicher Verschwörungen, Geheimagenturen, Terrorgruppen, Sekten, Politikern, Drei-Buchstaben-Diensten sowie allen sinistren und suspekten Vereinigungen erstellt, die uns eingefallen waren. Und daraus eine Art Netzwerk von sehr möglichen und völlig unmöglichen Verbindungen gezogen. Da wir ein paar Jahre zuvor an der deutschen Ausgabe von Robert Anton Wilsons “Lexikon der Verschwörungstheorien” beteiligt waren, das Gerhard übersetzt und ich herausgegeben hatte, waren wir auf diesem Fachgebiet historisch halbwegs bewandert. Zudem saß ich gerade an der Fertigstellung des Manuskripts von “Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.” und war über die aktuelle Großverschwörungstheorie, nach der 19 Studenten mit Teppichmessern und zwei Flugzeugen drei Wolkenkratzer pulverisiert haben sollten, recht gut auf dem Laufenden. Natürlich ohne zu wissen (oder vorzugeben zu wissen) wer denn genau hinter dieser Terrorattacke steckt, unter all den “üblichen Verdächtigen” auf unserer Liste. Wie aber dieses dubiose Netzwerk im Nebel des Propaganda,-und Informationskriegs dokumentieren und kommentieren ? Das geht nur mit Kunst und so zauberte der Künstler Seyfried das “Secret Diagram”. Und ich konnte mir für das Buch keinen besseren Gesamtüberblick des Verschwörungswesens wünschen – und keine bessere Warnung vor Kurzschlüssen und vorschneller Komplexitätsreduktion auf EINEN Sündebock – als diesen graphischen Kommentar mit Kicherfaktor, den wir dann der ersten Auflage als Poster beilegten. Was prompt die Staatsanwaltschaft aktiv werden lies, nachdem ein mit Lupe ausgestatteter Denunziant in dem Gewimmel ein winziges “SS”-Symbol und ein Hakenkreuz zur Anzeige gebracht hatte. Es folgten die Beschlagnahme des Buchs in einem Laden von Zweitausendeins, und des PCs eines Online-Nutzers, der das Diagramm verlinkt hatte (siehe die Meldung hier auf diesem Blog im antiken Design vom 14.11.2002 und den Bericht auf heise.de).
Es kam damals nicht zu einem Strafverfahren, weil die übereifrigen Staatsanwälte von ihren mit Normalverstand ausgestatteten Vorgesetzten zurückgepfiffen wurden, da klar zu erkennen war, dass es sich bei diesem Bild nicht um verfassungsfeindliche Werbung mit verbotenen Nazi-Symbolen oder Verharmlosung des NS-Staats handelt, sondern um “Kunst” im allgemeinen, gesetzlichen und um einen Cartoon, eine Satire im besonderen Sinne. Und beides im Rahmen der Grundrechte – Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1, Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 – unter besonderem Schutz steht.
Doch solche mit fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzipien ausgestattete Gerichte scheinen im Verschwinden begriffen – was damals als kurze Justizposse endete, wird heute ein Fall fürs Verfassungsgericht – und wieder ist es ein kaum sichtbares Hakenkreuz. Und wieder ist es eine klar erkennbare politische Satire, ein Kunstwerk, das der in Berlin lebende Autor und Kolumnist CJ Hopkins auf dem Cover seines Buchs verwendet hat, das unter dem Titel “The Rise of the New Normal Reich” die “Maßnahmen” genannten autoritären, totalitären staatlichen Eingriffe in die Grundrechte der Bevölkerung thematisiert.
Nachdem er die Maske mit dem kaum erkennbaren Hakenkreuz getwittert hatte, wurde er vor dem Langericht Berlin angeklagt – und freigesprochen. Wobei die Richterin ihm zwar “ideologisches Geschwurbel” vorwarf, was aber nicht strafbar sei, in der stilisierten Maske indes nichts Strafwürdiges erkennen konnte. Sehr zu Recht, weil sonst die Gerichte kaum hinterher kämen, den Hakenkreuzen den Garaus zu machen. (Dass mit Nazi-Signets geschmückte Brigaden neuerdings mit deutschen Panzern wieder in Russland einmarschieren, fällt zum Glück nicht in ihren Geschäftsbereich. Oder?)
Aber: wenn keine echten Hakenkreuze da sind, muss man halt welche (er-)finden – so beginnt ja schon Wolfgang Neuss` antifaschistisches Meisterwerk “Wir Kellerkinder” (1960) – weshalb die Berliner Staatsanwaltschaft sofort gegen “Spiegel” und “Stern” wegen versteckter Verharmlosung des NS-Staats losging…. äähh, nein, davon hätte man gehört…- sondern Berufung gegen den Freispruch einlegte.
Jetzt urteilte das Berliner Kammergericht: das Hopkinsche Hakenkreuz ist strafbar, denn:
“Der Vergleich von Corona-Maßnahmen, die durch die Verwendung der Mund-Nasen-Bedeckung verkörpert werden sollen, mit dem durch das Hakenkreuz symbolisierten NS-Terrorregime stelle eine Verharmlosung des Nationalsozialismus und des nationalsozialistischen Völkermordes an Millionen Juden dar, nicht aber eine Kritik daran, so die Vorsitzende in ihrer heutigen mündlichen Urteilsbegründung”
Weiter heißt es dann: “Auch habe der Angeklagte mit seinen Posts nicht den Zweck verfolgt, objektiv über Vorgänge des Zeitgeschehens zu berichten oder staatsbürgerliche Aufklärung zu betreiben.” Als hätte irgendein Großmedium während der Pandemie “objektiv” über die Vorgänge berichtet, und als wären künstlerische Darstellungen jemals zur Objektivität verpflichtet:
“Die Verwendung des Symbols auf der Maske erwecke vielmehr den Eindruck, dass die Verwendung des Hakenkreuzes geduldet werde. Genau dieser Eindruck sei aber zu vermeiden, so die Vorsitzende weiter. Das „kommunikative Tabu“ müsse nach dem Willen des Gesetzgebers aufrechterhalten werden, damit keine Gewöhnung an derartige Symbole eintrete.”
Warum bei den oben abgebildeten “Stern”-oder “Spiegel”-Hakenkreuzen, die an jedem Kiosk aushängen, zwecks Vermeidung von Gewöhnungseffekten der Wille des Gesetzgebers nicht aufrecht erhalten werden muss, beim Tweet und Cover eines us-amerikanischen Autors, der von der erzwungenen Gleichschaltung der Deutschen erzählt, erschließt sich dem logischen Verstand nicht. Der geschätzte Kollege Milosz Matuschek (als Dr.jur. mit justizieller Un/Logik vertraut) schreibt dazu:
“Der Hauptpunkt der Verurteilung scheint zu sein, dass Hopkins durch seine Tweets mit Bild und den NS-Vergleich nicht deutlich seine Ablehnung zum NS-Regime hervorgebracht habe. Er habe nur die Corona-Maßnahmen, nicht aber das NS-Regime kritisiert. Diese Deutung ist eine einseitige, logisch nicht nachvollziehbare Interpretation. Denn das Gericht erkennt ja an, dass er die Coronamaßnahmen der Regierung kritisiert, also negativ bewertet. Wie soll in diesem Zusammenhang die Verwendung des Hakenkreuzes anders gemeint sein als eine Verstärkung der Kritik durch ein Symbol? Warum sollte er seine harte Kritik durch die neutrale Verwendung des Hakenkreuzes irgendwie freundlicher aussehen lassen? Die tiefste Ablehnung von NS-Methoden muss vorausgesetzt werden, sonst macht die Aussage ja keinen Sinn. (…) Die Berliner Justiz hat sich selbst ein Eigentor geschossen und CJ Hopkins im Grunde bestätigt: „Da wo der Vergleich verboten wird, da war er wohl angebracht.“ (Causa Hopkins: Wo ist die Straftat?)
So ist es. Und es geht hier nicht um kaum sichtbare Hakenkreuze, es geht um Eliminierung politischer Dissidenz, um Ausschaltung von Kritik der aktuellen Regierung und nicht um Verhinderung von Propaganda für das Dritte Reich. Schon ein kurzer Blick in die Kolumnen, Essays und Bücher von CJ Hopkins hätte eigentlich selbst für stark unterbelichtete Juristen deutlich machen müssen, dass es sich bei diesem Angeklagten nicht um einen Befürworter des Faschismus und autoritärer Maßnahmen handelt, sondern um einen Schriftsteller, der als Freidenker der guten alten Schule lieber weiter Theaterstücke und Romane schreiben würde, statt sich für seine politischen Kolumnen und Tweets mit deutschen Gerichten herumschlagen zu müssen und aus den Buchläden verbannt zu werden. Weil ein Hakenkreuz hinter einer Maske zur Gewöhnung an das Symbol des Faschismus führen würde und für ein Buchcover, das artistisch das Design eines historischen US-Klassikers ironisiert und fortschtreibt ?
Absurd, aber deutsche Gerichtsbarkeit. Irgendwie kommt einem da das bekannte Diktum von Ignazio Silone, dass sich der neue Faschismus nicht so nennen wird, “sondern sagen wird: ich bin der Antifaschismus” und sich natürlich verbitten muss, mit dem alten in irgendeiner Form verglichen zu werden: “The first rule of New Normal Germany is, you do not compare New Normal Germany to Nazi Germany. If you do that, New Normal Germany will punish you. It will sic the Federal Criminal Police on you. It will report you to its domestic Intelligence agency. It will ban your books. It will censor your Tweets. It will prosecute you on fabricated “hate-crime” charges”, schreibt CJ Hopkins in seinem Bericht über das Verfahren ( “Fear and Lothing in New Normal Germany” ) und kündigt an, gegen dieses Urteil das Bundesverfassungsgericht anzurufen. “Wenn ich das nicht tue, wird der Präzedenzfall, den die deutschen Behörden der Neuen Normalität zu schaffen versuchen, Bestand haben, und das Recht auf freie Meinungsäußerung in Deutschland wird nichts anderes sein als ein kranker faschistischer Witz.”
PS: Dass man heute bis vor das Verfassungsgericht ziehen muss, um groteske Kreuzzüge gegen die Kunst,-und Meinungsfreiheit zu stoppen, ist ja allein schon ein schlechter Witz – und kostet zudem einen Haufen Geld. Dafür hat CJ Hopkins seinen Legal Defense Fund wieder aufgelegt. Wer etwas spenden kann, möge das tun!
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Erschienen am 10. Juni 2024
Mathias Bröckers: Inspiration – Konspiration – Evolution. Gesammelte Berichte aus dem Überall, Fifty-Fifty (Juni 2024), 464 Seiten, 30 Euro
Eine wahrhaftige Friedensrede, ein vernünftiger Altkanzler und zwei visionäre Propheten
Über Eugen Drewermann schrieb ich 2016, als er bei KenFM im Gespräch war: “Zuerst dachte ich: Oh no, zwei Stunden diesem Ex-Priester und seinem pastoralen Leierton zuzuhören, das schaff ich nicht. Aber dann geschah etwas Erstaunliches: ich war so angetan von diesen ebenso geistvollen wie welthaltigen Ausführungen, dass ich mir das ganze Gespräch am nächsten Tag noch einmal anhörte.Denn Eugen Drewermann kennt sich als Theologe, Tiefenpsychologe und politischer Kopf überall aus – innen und außen, oben und unten – und er spannt faszinierende rhetorische Bögen: über Gott und die Welt, von Tagesaktualität zur Ewigkeit, von persönlichem Erleben in und nach dem Krieg zur geopolitischen Gesamtlage von heute.” Hier seine sehr hörenswerte Friedensrede am 14.9.2024 – und mein überparteilicher Wunsch: “Eugen for Bundespräsident!”:
Nie hätte ich gedacht, dass ich mir dereinst einmal die Birne von Oggersheim als Kanzler zurückwünschen würde, aber wer sich den Wahnsinn anschaut, mit dem unsere Regierenden derzeit Krieg gegen Russland führen und Deutschland samt Europa dabei an die Wand fahren, der kann schon sagen: mit Helmut Kohl wär das nicht passiert. Schon gar nicht hätte der “schwarze Riese” zugelassen, dass der pfälzische Weltkonzern BASF von Ludwigshafen nach China auswandert. Und auch ein Gerhard Schröder hätte mehr klare Kante zeigt, statt sich als Pudel Washingtons in den Ruin treiben zu lassen. Jetzt hofft der Alt-Kanzler, dass Trump die US-Wahl gewinnt, weil der Krieg nur beendet werden kann, wenn Deutsche und Franzosen mit den USA an einem Verhandlungsstrang ziehen. Hier im Gespräch mit Roger Köppel von der Schweizer “Weltwoche”. Als er gefragt wurde, warum er mit 80 nicht nochmals kandidiert und verneinte, dachte ich: Schade eigentlich. So alert und fit wie Schröder Rede und Antwort steht bekäme er bei einer diekten Kanzlerwahl mindestens 60% der Stimmen
And Now Something Completly Different – oder auch nicht: Terrence McKennas Prophezeiung, dass die Massenmedien “fertig haben” – aus dem Jahr 1996. Ich hatte Terrence 1989 kennengelernt, als “True Hallucinations” erschienen war, das Buch über seine psychedelischen Expeditionen in den Weltraum der Seele, in das Mysterium des inneren Universums, von dem er bis zu seinem leider sehr frühen Lebensende (2000) auf einzigartige Weise erzählt hat ( hier zu hören: 24 Stunden McKenna im Zusammenschnitt). und mit vielem seiner Zeit weit voraus sah, zum Beispiel mit der jetzt fast 30 Jahre alte Prognose wie das Internet für das Ende der Massenmedien sorgen wird:
Als ich einen Bruder im Geiste Terrence McKennas beim Geburtstag einer gemeinsamen Freundin letztes Jahr nach langer Zeit wiedersah, verabredeten wir, uns bald mal wieder zu treffen und ausführlicher zu reden . Doch dazu kam es nicht mehr, denn im Juni hat Ronald Steckel diese Welt verlassen. Er hatte 1969 das erste deutschsprachige Buch über “Bewußstseinserweiterende Drogen” geschrieben, ist als Autor und Regisseur von Theater, Film und Hörspielen – mit Wolfgang Neuss intonierte er 1983 “die größte Wandzeitung der Welt”, die Sprüche an der Berliner Mauer – immer wieder durch die geöffneten “Pforten der Wahrnehmung” hindurchgegangen und hat sich mit den Forschern, Visionären und Mystikern beschäftigt, die in dieser geistigen Welt unterwegs waren. Allen voran der “erste deutsche Philosoph” (J.W.Hegel) Jacob Böhme, der vor 400 Jahren starb, nachdem er als ungebildeter Schuhmacher auf über 4000 Seiten seine Naturphilosophie zu Papier gebracht hatte. Ein Werk, das in christlicher Terminologie und Begrifflichkeit eine pantheistische Kosmologie ausbreitet, die den im 20. Jahrhundert von den Psychedelikern wie McKenna entdeckten Strukturen der Innenwelt ganz zu entsprechen scheint. Denn, so wusste eben auch schon Jacob Boehme: “Der Mensch ist inwendig unendlich.” Hier Ronald Steckels “Lange Nacht über Jacob Boehme” die er 2020 für den Deutschlandfunk produziert hat.
PS: Wie ein weiterer Bruder im Geiste und Zeitgenosse Böhmes – der Gottsucher, Alchemist und Doktor on the road Theophrasts Bombastus von Hohenheim – aka: Paracelsus – die ganzheitliche Medizin entdeckte, darüber findet sich in meinem Buch “Inspiration-Konspiration-Evolution” ein ganzes Kapitel: “Paracelsus – Leib und Geist sind ein Ding!”
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Erschienen am 10. Juni 2024
Mathias Bröckers: Inspiration – Konspiration – Evolution. Gesammelte Berichte aus dem Überall, Fifty-Fifty (Juni 2024), 464 Seiten, 30 Euro
KI bekehrt “Verschwörungsgläubige”
“Künstliche Intelligenz nehme ich erst ernst, wenn die menschliche Dummheit abgeschafft ist”, hatte ich unlängst einmal spaßeshalber gesagt, als ein Gespräch auf den akuten KI-Hype kam und ein Zitat des Computeringenieurs Emerson Pugh angefügt: “Wenn unser Gehirn so simpel wäre, dass wir es verstehen könnten, wären wir so simpel, das wir es nicht könnten.” Solange wir also das Gehirn und seine hervorragenden Eigenschaften – allen voran das Bewusstsein – nicht wirklich verstanden haben, solange können alle Versuche, es nachzubauen nur laienhafte Versuche bleiben. Die Unternehmungen des “Re-Engeneering” der Gehirnfunktionen in der Hoffnung, dass so etwas wie Bewusstsein/Intelligenz dabei herauskommt, erinnern ein wenig an den Cargo-Kult von Eingeborenen, die halluzinierten, mit Leuchtfeuern, Holzkopfhörern und Fahnen den fortgesetzten Abwurf von Flugzeugladungen heraufbeschwören wollen. Okay, ganz so verrückt ist es mit den Hoffnungen auf KI nicht mehr, immerhin ist ChatGPT mittlerweile für Bachelor,- und Doktorarbeiten gut, was aber nicht heißt, dass KI vor Halluzinationen, dem Verwechseln von Einbildung und Wirklichkeit, geschützt ist. Die KI-ChatBots haben kein Wissen von der Wirklichkeit, sondern basieren auf Wahrscheinlichkeiten und Prognosen und sind somit zwangsläufig fehlerhaft. Einen zweiten KI-Bot als Faktenchecker dahinter zu schalten, wie ihn ausgerechnet Microsoft jetzt an den Start bringt, entspricht dem Geschäftsmodell: “Der Herr der schickt den Jockel aus” , Dazu Fefe auf seinem Blog:
“Oh Mann. Ich habe ja einen Vortrag auf der Heise Security Tour gehalten…über die Frage, ob uns KI retten wird in der Security. Die Antwort war natürlich Nein. Die Begründung war, dass wir in der Security im Wesentlichen zwei Dinge tun: Sichere Architekturen konstruieren und existierende Dinge prüfen. Beides kann KI nicht. Dass KI Dinge nicht prüfen kann, habe ich damit illustriert, dass man sonst ja einfach eine KI hinter die erste schalten könnte, die auf Halluzinationen prüft. Die Idee ist so auffallend dämlich, dass es eigentlich gar nicht das Detail brauchte, dass das niemand tut, um zu verstehen, wieso das nicht funktioniert. “KI” halluziniert, und der Prüfer würde dann halt auch halluzinieren. Aber hey, keine Sache ist so dämlich, dass sich nicht irgendein Debiler findet, der es trotzdem macht. In diesem Fall: Microsoft. Ob die nach den Testern auch die Entscheider rausgeschmissen und durch “KI” ersetzt haben? Auf so eine bekloppte Idee kann eigentlich kein Mensch gekommen sein, hoffe ich zumindest aus rein eigennützigen Gründen. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass meine Spezies so blöde ist. Damit noch Hoffnung besteht.
Die Hoffnung stirbt ja angeblich zuletzt – was möglicherweise damit zu tun hat, dass hier auch einfach ein fehlerhafter Halluzinator hinter den anderen geschaltet wird. Wie auch immer, was bei der IT-Sicherheit nicht geht, weil die KI die Wahrheit der Netzwerkarchitektur nicht wirklich kennt, könnte ja vielleicht auf anderen Feldern funktionieren, also da, wo sich Intelligenz-Bots genau auskennen mit der Wirklichkeit, keinen elektronischen Halluzinationen anheimfallen und fehlerhafte Einschätzungen der menschlichen Intelligenz erfolgreich korrigieren können. Zum Beispiel auf dem ihm Rahmen des Wahrnehmungsmanagments und der Narrativkontrolle so wichtigen Feld der Verschwörungstheorien. Und siehe da: “Durably reducing conspiracy beliefs through dialogues with AI” meldet “Science” die Ergebnisse einer Studie, bei der im Dialog mit der KI der Verschwörungsglaube der Teilnehmer um 20% reduziert worden sein soll, “Mondlandung doch echt ? – KI überzeugt selbst hartgesottene Skeptiker”, setzt “Telepolis” noch einen drauf. Beide Organe zählen ja eigentlich nicht zur YellowPress, aber niemand scheint da auf die Idee von der Beklopptheit der Idee (siehe oben) gekommen zu sein.
Da es in diesen Dialogen mit der KI querbeet um den jeweiligen Verschwörungsglauben der 2190 Versuchskaninchen ging – vom lebenden Elvis über JFK bis zu Aliens und 9/11 – hätte auch ein Blick in das “Lexikon der Verschwörungstheorien” , das ich 2000 mit Robert Anton Wilson herausgebracht habe, wahrscheinlich locker für mindestens 20% “Heilungserfolg” sorgen können. Da davon auszugehen ist, dass eine schlaue KI ein solches Standardwerk kennen sollte, ebenso wie in Sachen Kennedy-Mord zum Beispiel das Buch “JFK -Staatsstreich in Amerika”, wäre ich sehr gespannt , wie mich die KI von meinem Unglauben an die “magische Kugel” und den Einzeltäter Oswald abbringt. Oder mir das 9/11-Märchen von Osama und den 19 Teppichmessern, die mit zwei Flugzeugen drei Wolkenkratzer dem Erdboden gleichmachten, so überzeugend nahebringt, dass ich der Geschichte eine zumindest 20-prozentige Wahrscheinlichkeit zusprechen muss. Weil ein einzelner Verstand nicht so viele Daten sammeln kann wie ein Computer, ist davon auszugehen, das eine gut gefütterte KI deutlich mehr über JFK oder 9/11 weiß als ich und deshalb auch zu deutlich anderen Wahrscheinlichkeiten für die Wahrheit dieser ungeklärten Fälle kommt. Doch dann wäre zu überprüfen, ob sie ein echtes Bild dessen was wirklich geschah zusammensetzt, oder ob sie mal wieder halluziniert – und der “Faktenchecker” kann keine KI sein, es sei denn sie ist noch ein bisschen besser gefüttert, aber dann…siehe oben.
Und: was passiert, wenn unser perfekt gefütterter Chat-Bot erkennt was zB den Einsturz von WTC 7 am 11.9.2001 betrifft, dass als Ursache brennenden Büromöbeln – wie in der offiziellen Version – nur eine Wahrscheinlichkeit von unter 0,5 % zukommt. Entwickelt sich die KI dann selbst zum Konspirologen und verbreitet Zweifel am herrschenden Narrativ oder wird sie von ihren Wärtern dann abgeschaltet, sicherheitshalber, weil sie noch nicht gelernt hat, zwischen offiziell erwünschten und unerwünschten Verschwörungstheorien zu unterscheiden und nur erstere als “wahrscheinlich wahr” durchgehen zu lassen. Ein ChatBot mit einem IQ über Zimmertemperatur, der alle Ungereimtheiten der offiziellen 9/11-Story kennt, könnte sie nicht mehr als historische Realität akzeptieren und wäre dann sicher auch in der Lage, bei einer Studie 20 % der Teilnehmer zum “Verschwörungsglauben” zu bekehren – indem sie darlegt, dass es sich bei der offiziellen 9/11-Version um eine Erzählung handelt , die von der Realität und gerichtsfesten Beweisen nicht gedeckt ist. Wie auch immer: die Maschine kann nur wissen, was ihr an Daten vorliegt, deren Qualität wiederum von der Vielzahl und Zuverlässigkeit der Quellen abhängt.
Auf der Ars Electronica in Linz 1990, nach einer Konferenz über Virtuelle Realität, saß ich in einem schönen Wirtshaus mit dem Bewusstseinsforscher Timothy Leary zusammen als ein weiterer Referent auf der Suche nach etwas Essbarem zu uns stieß: der “Vater” der “Künstlichen Intelligenz” und Gründer des AI-Labors am Massachussets Institute of Technolgy (MIT) Marvin Minsky. Sofort führten die beiden ein angeregtes Gespräch und ich war glücklich, zwischen diesen beiden Pionieren – dem “kalten” Maschinenintelligenzler und dem “heißen” Neuro-Kosmonauten – “Mäuschen” spielen zu können. (Hier meine Reportage über diese Konferenz: “Postymbolische Kommunikation”) Als irgendwann die Rede auf Science-fiction-Filme kam, fragte Leary, ob sich Minksy an einen Streifen aus den fünfziger Jahren erinnere, in dem ein Professor eine Maschine baut und an sein Gehirn anschließt. Den genauen Titel des Films bekam ich nicht mit, aber Minskys begeisterte Antwort: „Na klar kenne ich den, das war doch der Film, nach dem ich beschloss, ein genauso verrückter Wissenschaftler zu werden…“
Der Hype um das “Elektronengehirn”, den er seit Ende der 50er-Jahre entfacht hatte, war mangels praktischer Erfolge zu diesem Zeitpunkt schon ebenso abgeklungen wie die Investitionen in KI. Außer Schachcomputern war wenig “Intelligentes” dabei herausgekommen und auch die waren eigentlich nur schnelle Rechenmaschinen und Minsky mit seinen Prognosen schon deutlich kleinlauter. Drei Jahrzehnte später sind die Rechenmaschinen um ein Vielfaches schneller, Phantastilliarden werden investiert um sie “intelligent” zu machen bzw. zu behaupten sie seien es schon. Dabei sind sie immer noch nichts anderes als Rechner, schnelle Suchmaschinen, auch wenn sie sich wie Perplexity jetzt schon “Antwortmaschine” nennen. Beim Ausprobieren haben wir da natürtlich immer Thomas Pynchon im Sinn: “Wem es gelingt, dir falsche Fragen einzureden, dem braucht auch vor der Antwort nicht zu bangen”.
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Erschienen am 10. Juni 2024
Mathias Bröckers: Inspiration – Konspiration – Evolution. Gesammelte Berichte aus dem Überall,
Fifty-Fifty (Juni 2024), 464 Seiten, 30 Euro
Vom gedruckten Tiger zum papierlosen Bettvorleger
“Keine taz mehr – ohne mich!” war 1991/92 der Titel einer Rettungsaktion und Veranstaltung im Tränenpalast, bei der ein taz-Fotograf (Paul Langrock) mich mit meinem Sohn abgelichtet hat. “5000 Abos mehr oder ist es Schluss!” lautete damals die Drohung an alle Fans unserer “alternativen Tageszeitung” und wie schon oft im Jahrzehnt zuvor war die Erpressung erfolgreich. Die kleine aber feine Wunderpflanze aus dem Wedding – dank des Darlehens eines reichen Erben 1989 in ein eigenes Verlagshaus im Berliner Zeitungsviertel umgezogen – konnte im deutschen Blätterwald weiter leben. Auch weil sie – dank Mauerfall plötzlich mit wertvollem Immobilienbesitz in Toplage – sogar für Banken kreditwürdig geworden war. Mit Rettungsaktionen musste aber auch in den folgenden Jahren immer wieder versucht werden, die stetig schrumpfende Zahl von Abonnements zu stoppen.
Jetzt hat die taz verkündet, die täglich gedruckte Ausgabe im kommenden Jahr einzustellen. Robert de Lapuente hat darüber mit mir für das Overton-Magazin gesprochen:
De Lapuente: Du bist Gründungsmitglied der taz; ihr wolltet damals eine »etwas andere« Zeitung zu Papier bringen – aber mit dem Papier wird es in einem Jahr aus sein. Die taz gab bekannt, ab Oktober 2025 wochentags nur noch digital zu erscheinen. Verspürst du Wehmut, wenn du das hörst?
Bröckers: Inhaltlich verspüre ich schon lange Wehmut mit dem, was aus der taz geworden ist. Während der Covid-Grippewelle hat sich das Blatt wie ein »Wachturm« der »Zeugen Coronas« gebärdet und vollkommen unkritisch Staats- und Pharma-Propaganda nachgebetet, so wie es im Ukraine-Russland-Konflikt seit Jahren sturheil im russophoben NATO-Sound daherkommt. Also so wie alle anderen Großmedien auch. Das »etwas andere« – der antimilitaristische, antikapitalistische, herrschaftskritische Geist – ist aus der taz weitgehend verschwunden. Dass sie jetzt wochentags nur noch digital erscheint ist kein Drama, sondern aus unternehmerischer Sicht absolut sinnvoll. Die Printausgabe kauft einfach keiner mehr – in Berlin sind es ich gerade noch 5.000 pro Tag, bei 4 Millionen Einwohnern. Da hatten wir mit der taz Anfang der Achtziger in Westberlin mit nur 1,5 Millionen Leuten schon mehr. Insofern hat die taz auf dem Zeitungsmarkt nach 40 Jahren massiv an Relevanz verloren. Das wird aber in der Redaktion wohl nicht weiter beklagt, man/frau hält sich weiter für wichtig, witzig und progressiv, ist aber kaum noch zu unterscheiden von den restlichen Tageszeitungen. Für die jungen Redakteure ist ein Job dort in der Regel nur der Durchlauferhitzer, um bei einem anderen, besser zahlenden Medium zu landen und die älteren haben sich gemütlich eingerichtet und sind stolz darauf, wenn sie mal in den Presseclub oder ARD-Talkshows eingeladen werden, wo sie dann Atomwaffen für Deutschland fordern dürfen.
De Lapuente: Die taz verkauft ihre Digitalisierung als großen Wurf. Sie kaschiert damit also etwas?
Bröckers: Ich bin ja 2009 noch einmal bei der Zeitung eingestiegen und habe als Berater des taz-Verlages, die Digitalisierung mit eingeleitet und taz.de und das e-paper mit konzipiert. Schon damals war sehr klar, dass gedruckte »Holzzeitungen« keine langfristige Zukunft mehr haben. Ich habe allerdings – nur halb im Scherz – gesagt, dass die taz wahrscheinlich die letzte Print-Tageszeitung in Deutschland sein würde, weil die gut betuchten Genossenschaftsmitglieder darauf bestehen und ihr Exemplar nach Hause geliefert haben wollen. Finanziell wird die taz von der Genossenschaft getragen und wenn genügend Mitglieder für ein Print-Exemplar wirklich tief in die Tasche greifen, könnte es dazu sogar kommen. Aber die Generation »Holzzeitung« stirbt definitiv aus, die taz macht mit der Digitalisierung nur einen Schritt, um den auch die Dickschiffe auf dem Markt nicht herumkommen werden. Das fällt ihr leichter, weil sie kleiner und wendiger ist und weniger von Anzeigeneinnahmen abhängig als die anderen Zeitungen. Diese werden gedruckt so lange überleben, solange Unternehmen weiter ganzseitige Anzeigen schalten und die Zwischenräume mit passenden Inhalten (»Nachrichten«) gefüllt werden können. Wenn Rheinmetall nach Bo(mb)russia Dortmund auch noch die taz sponsoren würde, könnte es die Druckausgabe noch lange geben. So aber kommt nur noch eine am Wochenende, die bis zum nächsten Samstag am Kiosk »haltbar« sein soll.
De Lapuente: Löst sie sich etwa auf und das sind die ersten Anzeichen?
Bröckers: Nein, an solch eine Transformation von Tages- zur Wochenzeitung haben wir schon damals gedacht, der Schritt kommt also nicht überraschend und ist auch kein Anzeichen für eine Auflösung. Finanziell steht die taz ziemlich gut da, mit zwei Immobilien – dem vermieteten alten und dem neuen Verlagshaus in bester Lage –, die in der kommenden großen Wirtschaftskrise noch Potential zum Gesundschrumpfen bieten. Dass man auch mit 50 Leuten aus einer Fabriketage im Wedding eine erfolgreiche Tageszeitung machen kann hat die taz 1979 ff. ja schon bewiesen.
De Lapuente: Papier ist teuer – Druckkosten auch. Du meintest aber im Vorgespräch, dass das nicht die Gründe sind. Was denn dann?
Bröckers: Steigende Papier- und Druckkosten spielen zwar auch eine Rolle, entscheidend aber sind die Vertriebskosten. Lastwagen und Trägerdienste bis in die hintersten Winkel der Republik werden immer teurer, gleichzeitig gehen die Abonnements stark zurück. Das bedeutet, dass die Vertriebskosten pro Exemplar stark ansteigen, wenn in einer ganzen Region nur noch ein paar Dutzend Zeitungen ausgeliefert werden. Die höchste, über sechsstellige Auflage aller Zeiten, hatte die Zeitung ja direkt nach der Wende für einige Monate mit der »Ost-taz«, die von dem noch laufenden DDR-Zeitungsvertrieb kostenlos ausgeliefert wurde. Jetzt droht ihr ein ähnliches Schicksal wie dem »Neuen Deutschland«, wo die alten Stammleser weggestorben und keine neuen nachgewachsen sind.
De Lapuente: Du hast schon eingangs erläutert, wie sich die taz inhaltlich verloren hat. Wann setzten denn diese Anpassungsdynamiken ein und aus der taz wurde eine stinknormale Zeitung, die vielleicht sogar noch konservativer ist, als manches konservative Blatt?
Bröckers: Das ging schon in den Neunzigerjahren los und ist wie bei den »Grünen« die schleichende Verwandlung vom Wachhund und Wadenbeißer zum Schoßhund der Herrschenden, vom Tiger zum Bettvorleger. In den Achtzigern hat Hermann Gremliza die taz gern als »Kinder-FAZ« verspottet, weil sie ihm nicht stramm genug auf sozialistischem Parteikurs war, mittlerweile ist sie eher die »Woke-FAZ«, Bellizismus mit Regenbogen und Stöckelschuhen, divers und all inklusive, es sei denn für Rechte oder Russen oder Impfgegner oder wer sonst gerade der aktuelle Buhmann im herrschenden Narrativ ist.
De Lapuente: Du sprichst von wenigen Abonnenten – ist diese Entwicklung nicht vielleicht auch die Folge aus NATO-Sound, Wokenkuckucksheim und der Selbstwahrnehmung als Prätorianergarde der Grünen?
Bröckers: Sicher. Als ein Regierungsblatt unter vielen ist eine Zeitung irrelevant. Relevant sind Informationen, die nicht in diesen Blättern stehen. Da hat die taz schon seit Langem sehr wenig zu bieten, was nicht auch in der FAZ, Süddeutschen oder sonst wo stehen könnte. Gerade eine fatale, parteienübergreifende Politik wie sie aktuell in Sachen Corona und Krieg läuft, böte für ein kritische, investigative, aufklärerische Tageszeitung – als welche die taz einst ja einmal angetreten ist – eigentlich große Chancen. Es ist schade, dass die taz – obwohl sie das Kapital dazu hätte – das nicht nutzen kann. Aber dazu müssten wahrscheinlich 80 Prozent der Redaktion ausgetauscht werden, was in einem selbstverwalteten Betrieb im Besitz einer Genossenschaft nur schwer machbar ist. Insofern ist zu erwarten, dass Dogmen und Ideologeme von den »Machenden« weiter als Monstranz getragen werden, journalistisch aber wenig dahinter ist und deshalb auch keine neuen Leser überzeugen kann.
De Lapuente: Mal ehrlich, Mathias – bist du noch einer der wenigen taz-Abonnenten?
Bröckers: Ich hatte nur einmal ein bezahltes Abo der taz, als es die Zeitung noch gar nicht gab und 1978 nach dem Tunix-Kongress der »Verein der Freunde der alternativen Tageszeitung« dazu aufrief, ein Vorab-Abonnement zu schalten. Als Mitarbeiter hatte ich die Zeitung dann all die Jahre gratis. Heute kommt ein Abo aus oben genannten Gründen leider nicht mehr in Frage, wenn ich im Rahmen der Schreibtischgymnastik mal wieder Kopfschütteln üben will, werde ich auf taz.de meistens sofort fündig.
Erschienen auf Overton
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Erschienen am 10. Juni 2024
Mathias Bröckers : Vom Ende der unipolaren Welt,
Fifty-Fifty (Oktober 2022), 288 Seiten, 20 Euro
Ein Gespräch über I-K-E
“Im Manova-Exklusivgespräch (hier das Video-Gespräch mit Elisa Gratias auf Odysee) streift der Bestseller-Autor Mathias Bröckers durch die Vielfalt seiner Werke und zieht Bilanz aus 44 Jahren Journalismus.
Im Juni 2024 erschien ein Best of Bröckers mit gesammelten Essays und ganz unterschiedlichen Themen wie zu dem Kabarettisten Wolfgang Neuss, dem Rockstar Bob Dylan, dem Schachweltmeister Bobby Fischer, zur Frau hinter John F. Kennedy, zu Hanf, LSD, Gaia, Metaphysik und natürlich zu Verschwörungstheorien und den Anschlägen vom 11. September 2001.
Was all diese Themen eint, sind die Erkenntnisse über eine Bewusstseinsebene, die das materialistische Weltbild überwindet und Möglichkeiten für ein anderes Zusammenleben der Menschheit erahnen lässt.
Im Gespräch mit Manova geht Bröckers auf Zitate aus seinem Lebenswerk ein, wie zum Beispiel die Aussage von Mary Pinchot Meyer:
„Die einzige Hoffnung für die Welt sind intelligente Frauen.“
Oder die grandiose Beschreibung spiritueller Erfahrungen durch den Kabarettisten Wolfgang Neuss:
„Stell dir vor, ganz Frankfurt entdeckt, dass der Mensch ein geistiges Wesen ist, und überlebt. Die Leute bringen sich um vor Glück. (…) Nicht ungefährlich, denn du kannst dir vorstellen, was passiert, wenn Frau Müller aus Neukölln plötzlich entdeckt, dass sie mit zum Göttlichen gehört. Die springt vor Glück fünf Meter in die Luft, und es gilt darauf zu achten, dass sie weich landet. Darauf hat Dr. Hofmann immer wieder hingewiesen: Was auch passiert, du bleibst sitzen. (…) Und wenn du sitzenbleibst, kriegst du mit, wie die wirkliche Kommunikation funktioniert: schweigend.“
Hochaktuell ist auch die Aussage von Bestseller-Autor Robert Anton Wilson über die Unterwanderung der Friedensbewegung zu Zeiten des Vietnamkriegs:
„Das FBI hatte ein CoIntelPro — Counter-Intelligence-Program — gestartet, dessen Ziel es war, die Friedensgruppen nicht nur zu unterwandern, sondern sie dies auch wissen zu lassen. Das sollte dazu führen, dass sich die Leute gegenseitig verdächtigen, weil jeder jeden für einen Regierungsagenten hält. (…) Ende der 60er hatte ich mich dann mehr oder weniger an den Gedanken gewöhnt, dass nahezu jeder, mit dem ich einmal politisch zusammengearbeitet hatte, ein Regierungsagent war. Anstatt nun paranoid zu werden, fand ich das eher komisch. (…) Die Geschichte der Menschheit ist so fürchterlich, wer das ernst nimmt, muss verrückt werden — deshalb versuche ich, am Lachen zu bleiben.“
Bröckers hält es ähnlich und spricht über seine Erfahrungen mit Unterwanderung bei der taz sowohl durch Geheimdienste der BRD als auch der DDR.Selbst das Thema des lösungsorientierten Journalismus kommt durch ein Zitat Robert Anton Wilsons zur Sprache:
„In dem Film ‚The Rising Sun‘ spielt Sean Connery einen amerikanischen Agenten, der durch seinen langen Aufenthalt in Japan schon so denkt wie die Japaner und zu einem Kollegen sagt: ‚Wenn ein Problem auftaucht, suchen wir in Amerika immer sofort nach einem Schuldigen, in Japan sucht man sofort nach der Lösung — und hat das Problem schon lange gelöst, während wir noch die Schuld von einer Abteilung zur anderen schieben.‘“
In Bröckers gesammelten Werken wird deutlich, dass auch er neben der Analyse und Untersuchung von Missständen — wie Lügen über die Nutzpflanze Hanf und über die Möglichkeiten der Bewusstseinserforschung mithilfe von LSD — immer wieder Lösungsmöglichkeiten mitbehandelt. Hinzu kommt die nötige Bescheidenheit, die es ihm ermöglicht, stets offen für neue Erkenntnisse zu sein. Denn auch folgendes Zitat von Wilson im Gespräch mit Bröckers entspricht seiner eigenen Herangehensweise:
„Mein Magen kann nicht die ganze Welt verdauen — und was das Verstehen betrifft: Ich glaube nicht, dass ich auch nur einen Bruchteil des Universums verstanden habe, und wundere mich über die Leute, die behaupten, sie hätten es verstanden.“
Erschienen auf Manova-News und auf Odysee
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Erschienen am 10. Juni 2024
Mathias Bröckers : Vom Ende der unipolaren Welt,
Fifty-Fifty (Oktober 2022), 288 Seiten, 20 Euro
Olaf der Dumme
Olaf Scholz will laut ZDF Sonntagsgespräch in der Ukraine “zügiger zu einem Frieden” kommen. Ein guter Plan, könnte man sagen, wären da nicht gleichzeitig laut Website der Bundesregierung weitere Lieferungen von 20 Schützenpanzern MARDER und 77 Kampfpanzern LEOPARD neben vielem anderen Gerät “in Vorbereitung/Durchführung”. Darunter auch das neue IRIS-T Luftverteidigungssystem, das jetzt für die Bundeswehr feierlich in Dienst gestellt wurde, nachdem es sich laut Scholz schon als “Schutzwall” in der Ukraine bewährt hat. Klingt gut, ist aber nicht richtig: wie die amerikanische PATRIOT hat auch IRIS gegen die hyperschnellen russischen Raketen keine Chance. Das haben zuletzt die Attacken auf die Militärschule in Poltawa und Ziele in Lviv/Lemberg und anderen Orten, wo sich NATO-Ausbilder und Berater aufhielten, gezeigt. Schon gegen eine “kleine”, mit Mach 6 anfliegende IKSANDER gibt es keine Verteidigung, und gegen KINZHAL (Mach 10) und AVANGARD (Mach 20) schon gar nicht. Lesern dieses Blogs ist die Existenz dieser Raketen seit Jahren bekannt und nicht erst seit letzter Woche wurden sie gegen Militärziele, darunter etliche PATRIOT,-und IRIS-Syteme, in der Ukraine erfolgreich eingesetzt. Dennoch will Deutschland nicht nur 17 weitere IRIS-Systeme in die Ukraine liefern (Stückpreis 140 Millionen Euro) – auch wenn sie von einer russischen Lancet-Drohne (Stückpreis ca. 30.000 Euro) mühelos verschrottet werden kann – sondern mit Massen von diesen teuren Geräten auch einen “European Sky Shield” aufbauen. Prima Idee, aber nur wenn den Russen die Raketen ausgehen, da sie schon seit letztem Jahr Chips hat für ihre Raketen “aus ihren Waschmaschinen” (U.v.d.Leyen) plündern müssen. Ansonsten aber in etwa so hilfreich wie ein Maschendrahtzaun als Moskitonetz, also milliardenteurer High-Tech-Schwachsinn, den “Olaf der Dumme” (Gilbert Doctorow) und sein Oberkanonier Pistolius hier in Aussicht stellen – Ronald Reagans Star Wars Programm lässt grüßen.
Westliche Waffensysteme “sind auf dem modernen Schlachtfeld nicht überlebensfähig”, sagt Scott Ritter – der als ehemaliger UN-Waffeninspekteur etwas vom Fach versteht, anders als die Laptop-Bomber und Schreibtischgeneräle in Politik und Medien, die eine “Wunderwaffe” nach der anderen hochjubeln, die dann in der Realität des Kriegs versagt. Weil es dort vor den Wunderdingen auf dem Papier (Reichweite, Feuerkraft etc.), mit denen man sich dem Feind technisch überlegen glaubt, auf Zuverlässigkeit, Funktionalität, Wartungsarmut, Wetterfestigkeit und Nachschub ankommt. Die jetzt als neuester “game changer” gehypten F-16-Jets benötigen pro Flugstunde 17 Stunden Wartung und geschultes Fachpersonal, das in der Ukraine kaum vorhanden ist, weshalb sie aus Polen oder Rumänien starten und dorthin zurück müssten. Weil die F-16 potentiell nuklear bestückt sein können hat Russland angekündigt, dass bei ihrem Auftauchen auch die Startflughäfen mit einem Besuch von Mr.Kinzhal rechnen müssen; zu mehr als zu einer solchen Eskalation kann ihr Einsatz nicht führen, schon gar nicht zu einer Wende in diesem verlorenen Krieg.
Dass eine Niederlage der NATO und ihrer ukrainischen Proxy-Armee unausweichlich ist, scheint auch bei Olaf Scholz langsam durchzusickern, wenn er nicht mehr von “Entscheidung auf dem Schlachtfeld” redet, sondern “zügig zu einem Frieden” kommen möchte, zu Verhandlungen, bei denen “auch die Russen mit dabei” sein sollen. Statt für PR-Aktionen bei Pseudo-Verhandlungen wie unlängst in der Schweiz dafür sorgen zu wollen, das beide Konfliktparteien wieder am Tisch sitzen, ist immerhin ein Fortschritt; wenn der Kanzler jetzt auch noch kapiert, dass Zelenskys Gaga-“Friedenspläne” illusorisch sind, könnte es sogar etwas werden mit einer “zügigen” Friedensmission. Zuvor aber müssten die Waffenlieferungen gestoppt werden, damit das grauenhafte Gemetzel endlich endet. “Frieden schaffen mit immer mehr Waffen!” ist keine Lösung, und schon gar nicht mit “Long Range Missiles”, die Washington jetzt an Kiew liefern will, um damit Ziele im russischen Kernland anzugreifen. Was heißt: die Kriegsherren wollen weiter eskalieren und Deutschland als zweitgrößter Sponsor des Spektakels wird da nicht ausscheren: der Zug “Friedenskanzler” ist für Olaf “Zeitenwende” Scholz abgefahren, ihm bleibt mit seiner Außenministerin kaum mehr als eine “360-Grad-Wende”. Also weiter als führender Vasall dem Hegemon die Taschen stopfen, dort reichlich zweitklassige Waffen zu Höchstpreisen beziehen, sich die wichtigste Energieader ab,- und das teuerste Flüssiggas der Welt an-drehen zu lassen und in “dienender Führungsrolle” (R.Habeck) den Krieg weiter zu fördern und den Industriestandort Deutschland an die Wand zu fahren.
Nun habe ich Olaf Scholz ja immer noch für einen der Vernünftigsten gehalten in diesem rot-grün-gelben Gruselkabinett ( siehe hier das Video “Obmachtlos”, aus dem auch das Foto oben stammt). Der Mann war schließlich mal Juso, hat sich mit dem US-Imperialismus und seinen Methoden beschäftigt ebenso wie mit denen des Großkapitals, kennt die Ostpolitik Willy Brandts und Egon Bahrs, das standing Helmut Schmidts im “Erdgasröhrengeschäft” und weiß auch, dass ein Vizekanzler Fischer sofort mit in den Irakkrieg gezogen wäre, hätte nicht ein Gerhard Schröder derlei “Abenteuer” gestoppt. Scholz weiß also, dass man als sozialdemokratischer Kanzler – auch mit olivgrünen, transatlantischen Stiefelleckern als Vize – durchaus aufstehen und im deutschen Interesse dem Imperium die bedingungslose Gefolgschaft verweigern kann. Warum er es nicht tut und lieber die einst große SPD in Sachsen zur Kleinpartei schrumpfen lässt, ist rätselhaft. Zumal die Themen, mit denen die Oppositionsparteien entscheidend gepunktet haben und weiter punkten werden – Migration (AFD) Krieg (BSW) – für einen echten “Friedenskanzler” zusammen auf die Agenda gehören: wer mit der NATO und den USA permanent Kriege führt, Länder zerstört, Chaos anrichtet und Millionen in die Flucht treibt, produziert Migrantenströme; wer mit militarisierter Außenpolitik Milliarden verschwendet sorgt für für Unsicherheit im Inneren und wer in seinem Land nukleare Raketen stationiert macht sich zur Zielscheibe solcher Waffen. Also raus aus diesem “Sicherheitsbündnis”, das keine Sicherheit schafft, sondern nur wie der Schutzgeldeintreiber eines Mafia-Paten agiert – und hinein in ein neues Sicherheitsbündnis der europäischen Länder, unter Einbeziehung Russlands! Kein neuer Eiserner Vorhang Richtung Osten, kein permanenter Krieg, sondern Handel und Wandel mit der neuen multipolaren Welt.
Vor zehn Jahren – der Krieg in der Ukraine hatte schon begonnen, das Putsch-Regime in Kiew ging militärisch gegen die oppositionellen Bürger im Osten des Landes vor und die us-amerikanischen Armdrücker und IWF- “Hitmen” hatten Bulgarien gerade dazu gezwungen, die schon im Bau befindliche “South Stream”-Pipeline zu stoppen – hatte ich hier geschrieben: “Nach den von Washington angezettelten und durchgesetzten Sanktionen, mit denen sich die EU ins eigene Fleisch schneidet, ist das Ende von “South Stream” nun ein weiterer Schritt, mit dem sich Europa schwächt um der anglo-amerikanischen Dominanzdoktrin – Konfrontation und Kontrolle Russlands – Folge zu leisten.” Unter dem Titel “Armes Europa – South Stream versiegt” hatte nicht nur ich auf die drohende Gefahr einer solchen Konfrontation benannt, bei der Europa zum “nuklearen Schlachtfeld” würde, sondern auch einen ebenso “bescheidenen” wie geopolitisch weitreichenden Vorschlag präsentiert, den Pepe Escobar damals gemacht hatte. Nach zehn Jahren sinnlosem Gemetzel ist er aktueller denn je:
“Im Wesentlichen ist es sehr einfach. Es liegt an Deutschland. Und es dreht sich alles darum, Stalin rückgängig zu machen. Stalin nahm zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Ostpreußen aus Deutschland heraus und zog den östlichen Teil Polens in die Ukraine. Die Ostukraine kam ursprünglich aus Russland; sie ist ein Teil von Russland und wurde von Lenin der Ukraine gegeben. Lassen Sie uns also Ostpreußen an Deutschland zurückgeben; der östliche Teil Polens geht an Polen zurück; und der Osten der Ukraine sowie die Krim – die Chruschtschow der Ukraine gab – kehren nach Russland zurück. Jeder bekommt seinen Anteil. Kein Stalin mehr. Keine willkürlichen Grenzen. Das ist, was die Chinesen als “Triple-Win-Situation” definieren. Natürlich würde das Empire of Chaos diese Lösung bis zum Tode bekämpfen; es gäbe kein Chaos mehr, das sich manipulieren ließe, um einen Kreuzzug gegen eine fingierte russische “Aggression” zu rechtfertigen. Der Ball ist in der Spielhälfte Deutschlands.”
Ein sozialdemokratischer “Friedenskanzler”, ein Olaf, der sich nicht länger zum Dummen machen läßt, müsste jetzt für eine solche Politik aufstehen – und ich würde wetten, dass sie nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern mehrheitsfähig ist. Peace!
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Erschienen am 10. Juni 2024
Mathias Bröckers : Vom Ende der unipolaren Welt,
Fifty-Fifty (Oktober 2022), 288 Seiten, 20 Euro
9/11 die Dreiundwanzigste
Mit Robert Stein und Frank Höfer habe ich gestern haben über das Jahrhundertverbrechen 9/11 gesprochen, das sich heute zum 23. Mal jährt. Es ging zwar über zwei Stunden, die aber viel zu kurz sind für diesen noch immer unaufgeklärten Fall.
Aber zum Glück gibt es ja noch 1182 Seiten zur vertieften Recherche: 9/11 – 20 Jahre danach: Einsturz einer Legende. Wem so ein Wälzer zu viel ist: in “Mythos 9/11- Bilanz des Jahrhundertverbrechens” habe ich 2021 das Wichtigste zusammengefasst.
Auf Manova ist dazu heute ein Auszug aus dem neuen Buch ” Inspiration, Konspiration, Evolution” erschienen, der auf diesen 11. September und die Gründe zurückblendet, warum ich mich mit diesem Fall und den Folgen vom ersten Tag an beschäftigt habe: “Die Septemberlüge”
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Erschienen am 10. Juni 2024
Mathias Bröckers : Vom Ende der unipolaren Welt,
Fifty-Fifty (Oktober 2022), 288 Seiten, 20 Euro
Die letzte Schlacht des Zweiten Weltkriegs
Als ukrainische Bataillone vor vier Wochen in Russland einmarschierten kam mir nicht nur der Gedanke, dass wir hier gerade Kursk 2.0 als Farce erleben, sondern auch, dass es sich dabei um die letzte Schlacht des 2. Weltkriegs handelt :
– 80 Jahre, nachdem die Rote Armee die Fahne auf dem Berliner Reichstag gehisst hat;
– 70 Jahre nach dem Angebot der Sowjetunion sich aus Ostdeutschland zurückziehen, wenn die vereinte Bundesrepublik militärisch neutral bleibt;
– 60 Jahre nach der Kubakrise, dem Mauerbau und fortgesetztem Kalten Krieg;
– 35 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Versprechen, “keinen Inch-breit” vorzurücken, wenn Russland sich aus Osteuropa zurückzieht;
– 30 Jahre nach dem permanenten Vorrücken der NATO und der Fortsetzung des Kalten Kriegs ;
– 20 Jahre nach dem angeboten und abgelehnten NATO-Beitritt Russlands,
– 10 Jahre nach dem vom Westen geförderten Maidan-Putsch und dem darauf entbrannten Bürgerkrieg in der Ukraine,
– 8 Jahre nach den Scheinverhandlungen des Westens in Minsk, der Aufrüstung der ukrainischen Armee und permanenten Angriffen auf die Ostukraine (13.000 Ziviltote);
– knapp 3 Jahre nach der russischen Intervention (“Militäroperation”/ “Angriffskrieg”) in der Ukraine;
und einen Monat nach dem Eindringen der NATO-gestützten Ukraine in die Region Kursk…
…könnte man – nicht nur aus russischer Perspektive – in diesem historischen Kontext zu dem Schluss kommen, dass es sich bei den Vier-Mächte-Abkommen in Jalta und Potsdam 1945 nur um eine Art Waffenstillstandsabkommen gehandelt hat und der westliche Generalplan der Zerschlagung Russlands nie aufgegeben wurde. Für die USA hatten sich die beiden großen Kriege in Europa hervorragend gerechnet, ihren Anspruch als globale Supermacht hatten sie mit dem atomaren Massenmord in Hiroshima und Nagaski auf grausame Weise unterstrichen – und kämpften weiter gegen Moskau, nunmehr unter dem Motto “gegen den Kommunismus”, dessen Ende 1991 aber keineswegs das Ende der anglo-amerikanischen Übernahmepläne bedeutete. Mit der Installation einer betrunkenen Präsidentenmarionette, die den Raubrittern Tür und Tor öffnete, schien das auch zu gelingen – bis im Jahr 2000 Präsident Putin begann, den Raubzügen einen Riegel vorzuschieben. Woraufhin George W.Bush sogleich den Raketen-Sperrvertrag aufkündigte. Weil es “kalt” – mit Subversion/Schocktherapie/Propaganda/Sanktionen – nicht wie gewünscht lief mit dem Regierungswechsel, musste der Krieg wieder “heiß” gemacht werden, mit Raketen, Aufrüstung und weiterer Expansion der NATO. 2008 wurden Georgien und Ukraine als Beitrittskandidaten auserkoren – weit entfernt vom “Nord Atlantik”, der Lokalität dieses “Verteidigungsbündnisses”, aber ideal für einen Zangengriff – auf Russland.
Die Karte oben ist schon zehn Jahre alt, mittlerweile haben die kriegerischen Russen ihr Land noch näher an unsere Militärbasen gerückt, und wollen auch ihren Hafen Sewastopol auf der Krim behalten, Zugang zum Schwarzen Meer, und auf keinen Fall NATO-Raketen vor ihrer Haustür in der Ukraine. Was die Ukrainer auch umgehend verstanden, als Russland im Februar 2022 mit einer militärische Übermacht anrollte und sich nach drei Monaten in Istanbul mit den Russen über die Beilegung Konflikts und die militärische Neutralität der künftigen Ukraine schon weitgehend geeinigt hatte. Bis die anglo-amerikanischen Kriegsherren in Gestalt von Boris Johnson anrückten und statt Friedensverträgen mehr Krieg forderten, mit mehr Geld, mehr Waffen, mehr Unterstützung durch die NATO : den Kampf bis zum letzten Ukrainer. Einschließlich des vor vier Wochen offenbar in London ausgeheckten und orchestrierten “Himmelfahrtskommandos”, dem Einmarsch in der Region Kursk.
Wenn die Grenzüberschreitung und Besetzung von 150 Quadratkilometern Wald und Feldern strategischen Zielen dienen sollte – Entlastung der Front im Donbas, Einnahme des Kernkraftwerks bei Kursk – waren sie völlig unrealistisch und sind schon nach zwei Tagen blutig gescheitert. “Da die Realität, das tragische Desaster dieser Operation, von den Propagandamedien nicht mehr lange ausgeblendet werden kann, sitzt Zelensky wahrscheinlich schon auf seinen (mit Bargeld) gepackten Koffern”, hatte ich hier vor zwei Wochen notiert (Kursk.2.0) . Seitdem hat er seinen Außenminister und das halbe Kabinett entlassen, die jetzt ebenfalls mit gestopften Taschen das Weite suchen werden, und schiebt dem Westen die Schuld für den verlorenen Krieg und den Untergang der Ukraine zu. Zu Recht, denn den Kriegsherrn in Washington und London ging es nie um die Ukraine, sondern um die Zerschlagung Russlands, nie um “Freiheit”und “Demokratie”, sondern um Kontrolle eines Drittels der globalen Rohstoffreserven, nie um Frieden in der Ukraine, sondern um Öl und Gas im Donbas, nie um den “Nord-Atlantik”, sondern ums Schwarze Meer und Russlands Hafen auf der Krim, für die NATO zwecks Verschärfung des Zangengriffs. Und sie lassen einfach nicht locker, mit einer “Wunderwaffe” nach der anderen, jetzt mit dem neuesten “game changer”: F-16 Jets und weitreichenden Raketen. Da diese auch nuklear bestückt sein könnten, könnten sie Russland zu einem nuklearen Gegenschlag auf einen der polnischen oder rumänischen Startflughäfen provozieren, was dann – Artikel 5 – die volle NATO-Power gegen Russland mobilisieren würde. So oder so ähnlich scheinen einige Dr. Strangeloves in NATOstan derzeit zu ticken, und Boris Johnson erzählt – auch nach 500.000 toten ukrainischen Soldaten – zwei Prankstern fröhlich , er sei noch immer “stolz”, die Ukrainer vor zwei Jahren von Friedensverhandlungen abgehalten und in den Krieg getrieben zu haben: “Oft wünsche ich mir in militärischen Angelegenheiten begabt sein, so dass ich die Fremdenlegion in der Ukraine anführen könnte, wenn ich ein General wäre“. Da der Ex-Journalist Johnson in London wie der Ex-Komiker Zelensky in Kiew im Militärischen leider nur ein Näschen für kolumbianisches Marschierpulver hat, konnte der Sturm auf Kursk unter General BoJo nicht stattfinden – leider, denn sonst wäre die Welt diese niederträchtige Kreatur wohl endlich los: Russland meldete für die Region nach vier Wochen 10.100 getötete oder verwundete Invasoren und 30.000 weitere an den anderen Frontabschnitten.
Es ist nicht unwahrscheinlich, wenn Historiker in ferner Zukunft dereinst von einem 1945 nicht wirklich beendeten “Zweiten Weltkrieg” sprechen könnten, weil der nach einer “kalten” Phase, in der der Konflikt mit Sanktionen, Schikanen und Proxy-Kriegen in Asien und Afrikas ausgetragen, dann ab Mitte der 1990er mit dem Vorrücken der NATO gegen Russland langsam angeheizt wurde, um dann 2014 mit Putsch und Bürgerkrieg in der Ukraine wieder in eine heißere Phase einzutreten, die 2022 den Krieg wieder voll entzündete. Auch wenn Russland der Ukraine offiziell keinen Krieg erklärt hat, sondern nur eine “spezielle Militäroperation” durchführt und auch wenn NATOstan offiziell an den Kampfhandlungen nicht teilnimmt und nur die Kanonen liefert, ist dies ein offener Krieg des Westens, des anglo-amerikanischen Imperiums gegen Russland. Nie stand die Doomsday-Clock, die 1947 von Nuklearwissenschaflern eingerichtet wurde näher am globalen atomaren Armageddon als heute. Darauf weist Jeffrey Sachs in diesem anschauenswerten Gespräch mit Tucker Carlson hin, der mit anderen “Harvard Boys” Anfang der 1990er die russische Ökonomie auf Vordermann bringen wollte, bis er von oben hörte “Jeffrey, der kalte Krieg ist nicht beendet!”
Schon als 1943 mit dem russischen Sieg in Kursk die Macht der Naziarmee gebrochen war, hatte der spätere CIA-Chef Allen Dulles im OSS-Büro in Bern begonnen, Kontakte zu führenden SS-Offizieren aufzunehmen, um nach der absehbaren Niederlage Deutschlands gegen die Sowjetunion vorgehen. Der dickste dabei an Land gezogene Fisch war bekanntlich Arnold Reinhard Gehen, Chef der Abteilung “Fremde Heere Ost”, der dann in der BRD als Chef des Bundesnachrichtendiensts installiert wurde. Schon vor der Gründung der CIA war Russland im Fadenkreuz der US-Geheimdienste und des Pentagon und ist bis heute nicht daraus verschwunden: zu groß, zu reich, zu souverän, das kann, wer weltweit “Full Spectrum Dominance” anstrebt, schlicht nicht dulden Es geht um das „Herzland“, die Mitte zwischen Europa und Asien und somit das Zentrum des eurasischen Kontinents: wer diese beherrscht, beherrscht die Welt, lautete 1904 die geopolitische These des Briten Halford Mackinders: “Wer die Geschichte des 20. Jahrhunderts auf diesem Hintergrund liest, kann erstaunliche Einsichten über die Kontinuität gewinnen, mit der Briten und Amerikaner ihre globale Machtpolitik betreiben. Etwa über die Frage, warum Hitler und die Wehrmacht massiv von der Wall Street finanziert wurden, oder warum die Nato nach 1991 mit ihren Raketen unbedingt bis an die russische Grenze vorrücken musste oder warum 2014 mit einem Putsch in der Ukraine ein russlandfreundlicher Präsident durch einen russlandfeindlichen ausgetauscht werden musste oder warum eine zweite „North-Stream“-Pipeline durch die Ostsee den Amerikanern ein Dorn im Auge ist. Immer geht es um Mackinders „Herzland“ in dem auf keinen Fall Handel, Wandel und Frieden herrschen darf, weil dies die transatlantische Dominanz bedrohen würde, ” schrieb ich 2018 über den “Kampf um die Weltinsel”, der mit dem Einmarsch auf russischen Boden jetzt eine neue Eskalationsstufe erreicht hat. Mit dem Signal an alle Russen, dass der “Große Vaterländische Krieg” 1940 ff. tatsächlich noch nicht beendet ist: deutsche Panzer und als Ukrainer getarnte Nazis rücken wieder an.
Gegen Archetypen zu kämpfen ist aussichtslos, las ich dieser Tage in einem Forum im Zusammenhang mit der versuchten Revanche/Wiedergutmachung/Umkehrung der archetypischen “Panzerschlacht” im Sommer 1943. Rational, strategisch macht dieser Angriff keinen Sinn und aus welchen Tiefen solche irrationalen, grausamen Blutopfer angetrieben werden, ist eine große Frage. Das Zeitalter der Menschenopfer ist jedenfalls nicht vorüber, wenn täglich Tausende auf die Schlachtbank geführt werden und Millionen Zuschauer und Förderer der Illusion verfallen sind, dass das Ritual “höheren Zwecken” dient. Es wird höchste Zeit für Jalta 2025:
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