Berichte aus dem Überall (3)

Das Konspirations-Konvolut

Auf Manova ist heute ein Gespräch erschienen, das Marcus Klöckner mit mir geführt hat. Über Inspiration, Konspiration, Evolution und die Berichte aus dem Überall. Im Folgenden ein Auszug:

 

Marcus Klöckner: „Ach, mir wird das zu kompliziert, Mathias, da halt ich mich lieber an das, was sie im Fernsehen sagen.“ Das sagte einmal Ihre Mutter zu Ihnen. Sie führen dieses Zitat gleich zu Beginn Ihres neuen Buches an. Warum ist Ihnen diese Aussage hängengeblieben? Steht die Aussage im Allgemeinen dafür, wie viele Menschen immer noch den großen Medien Glauben schenken?

Mathias Bröckers: Das Zitat stammt aus einem Dialog mit meiner Mutter kurz nach 9/11, als wir zusammen die Tagesthemen über die Bombardierung von Tora Bora schauten, wo sich Osama bin Laden angeblich versteckt halten sollte.

Sie haben damals gerade über die WTC-Conspiracy für das Onlinemagazin Telepolis geschrieben.

Ja, und damals kommentierte ich gerade den TV-Bericht mit meinen Recherchen, dass zum Beispiel die angeblichen „Hijacker“ kaum fliegen konnten oder dass die Höhlenfestung Tora Bora von der CIA angelegt wurde und bin Laden einer ihrer Agenten war und so weiter. Das wurde dann meiner damals 74-jährigen Mama zu viel, und ich unternahm auch keine missionarischen Versuche, sie zur 9/11-Skeptikerin zu machen. Sie las die lokale Tageszeitung, hörte Nachrichten im Deutschlandradio, schaute abends die TV-Talkshows.

Sie tat wohl das, was die meisten Menschen taten, oder?

„Mit uns oder mit den Terroristen“, hatte George W. Bush verkündet, und die Medien machten mit: Jedes „Aber“, jeder Zweifel wurde ausgeblendet, jede Widerrede gegen das eindeutige Freund-Feind-Schema als Terrorunterstützung disqualifiziert. Insofern konnte das von einem nie da gewesenen, live im TV übertragenen Ereignis in Angst versetzte und verunsicherte Medienpublikum kaum anders, als dem offiziellen Narrativ Glauben zu schenken, der Jagd auf das klar definierte „Böse“ zuzustimmen und in den „Krieg gegen Terror“ zu ziehen.

Und dann, 20 Jahre später? Wieder das altbekannte Muster?

Der „Krieg gegen das Virus“, jetzt gegen Russland: Das Muster ist immer das Gleiche. Und ich habe das in der Einleitung zitiert, weil es nicht nur in der massenpsychologischen Stimmungsmache der Politik , der „Unterhaltungsabteilung des militärisch-industriellen-Komplexes“ (Frank Zappa), vorkommt, sondern auch bei den Themen jenseits des politischen Tagesgeschäfts, die die Essays dieses Buchs behandeln.

Sie werden bald 70. Wenn Sie so zurückblicken: Sehen Sie einen Unterschied zur Medienwelt heute im Vergleich zu vor 30, 40 Jahren? Oder anders gefragt: Was hat sich aus Ihrer Sicht verändert, gebessert, verschlimmert?

Computer und Internet waren für Medienwelt und Gesellschaft eine Revolution wie vor 500 Jahren Gutenbergs Buchdruck. Ich hatte schon 1984/85 das erste Modem illegal an meinen Telefonanschluss geklemmt und konnte mich mit dem Server der taz verbinden, wo auch schon die ersten Nachrichtenticker digital einliefen, konnte dann auch das erste Internetforum der Welt, The WELL in Kalifornien, besuchen und teilte all die Hoffnungen auf freien Informationszugang, globale Vernetzung und Kommunikation. Einiges davon hat sich ja erfüllt, das mobile Videophone, das zu den „Raumschiff Enterprise“-Zeiten meiner Jugend noch voll Science-Fiction war, ist heute mit WhatsApp & Co. alltägliche Realität.

Das kann man positiv sehen, aber …

… ja, aber wie die massenhafte Verbreitung von Büchern zu Gutenbergs Zeiten zu verschärften Kontrollen, Verboten und Bücherverbrennungen führten, wird auch im digitalen Zeitalter zensiert, gesperrt und gelöscht, was das Zeug hält. Der Staat investiert Milliarden zur Bekämpfung von „Desinformation“, das heißt von allem, was den offiziellen Narrativen – siehe oben – widerspricht.

Sie waren Mitbegründer der taz. Schon damals ging es darum, eine Art „alternatives“ Medium zum Mainstream zu haben. Schon damals gab es also wohl einen grundlegenden Konflikt im Hinblick auf die Berichterstattung der großen Medien. Nun gibt es heute sehr viele „alternative“ Medien. Durch das Internet wurde der Meinungskorridor erweitert – zumindest in gewisser Weise. Und dennoch: Die Berichterstattung der großen Medien zur Coronakrise, zum Krieg in der Ukraine und so weiter könnte konformer kaum sein. Wo liegen die Ursachen?

Immer weniger Konzerne beherrschen die gesamten Medien, in den USA sind es eine Handvoll, die über 90 Prozent des gesamten Outputs kontrollieren, und hier ist es kaum besser. Was will man da erwarten?

Es gibt viele Sender und Zeitungen, aber von Medienvielfalt kann keine Rede mehr sein. Auch nicht bei den öffentlich-rechtlichen Medien, die ja zu ausgewogener, möglichst objektiver Berichterstattung verpflichtet wären und nicht, wie bei der sogenannten Pandemie, zum Durchpeitschen von Regierungsmaßnahmen und Diffamierung von Andersdenkenden.

Wie mit der Diskurskeule „Verschwörungstheorie“ der Meinungskorridor desinfiziert und gegen Kritiker vorgegangen wurde, die sich über dieses Reinheitsgebot hinwegsetzten, liefert für die künftige Medienforschung ein empirisches Musterbeispiel par excellence. Und „alternative“ Medien können nur eine Alternative bleiben, solange sie keine Reichweite erzielen; wenn sie ein Mllionenpublikum erreichen – wie zum Beispiel KenFM –, schlägt die Inquisition sofort zu, nicht anders als zu Gutenbergs Zeiten im ausgehenden Mittelalter. Und mit denselben Methoden: 175 Jahre Kerker forderte der „Vatikan“ in Washington für den Chef des wichtigsten Alternativ-Mediums unserer Tage, WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Dass er nach einem juristischen Deal und fast zehn Jahren Gefangenschaft seit gestern in Freiheit ist, hat sein Leben gerettet und ist ein großes Glück. Es wird aber nichts daran ändern, dass das Aufdecken von Kriegslügen und Kriegsverbrechen staatlicherseits weiter diffamiert und sanktioniert wird.

Und die taz? Wo steht das Blatt heute?

Ökonomisch – dank der Genossenschaft als Träger – so gut wie nie, inhaltlich aber eher im Sumpf einer paradoxen Woke- und Waffen-Ideologie, die wie bei den Grünen mit den antiautoritären, pazifistischen Ursprüngen nichts mehr zu tun hat. Während der „Pandemie“ las sich das Blatt wie der „Wachtturm der Zeugen Coronas“ und jetzt wie eine russophobe NATOstan-Postille. Das betrübt mich natürlich, so viel Hyper-Konformismus, so viel Dummheit, soviel oliv-grüne Abgeschmacktheit. Aber zum Glück gibt es die AfD, auf die man als „Nazis“ mit dem Finger zeigen und sich selbst beweisen kann, doch noch irgendwie „links“ zu sein – und gleichzeitig in der Ukraine die echten Nazis der Asow-Brigaden mit Geld und Waffen auszustatten.

Eigentlich wollte ich mit Ihnen ein Interview zu Ihrem Buch führen. Aber in gewisser Weise machen wir das ja auch, oder? Ihr Buch versammelt Texte zu Themen, mit denen Sie sich in den Jahrzehnten Ihrer Arbeit beschäftigt haben. Das Thema Medien, der Zustand der Medien und Medienkritik – dem sind Sie eng verbunden. Warum ist das so?

Mein Vater war Redakteur und hat mich schon als Kind in die Druckerei mitgenommen. Seitdem liebe ich den Geruch von Druckerschwärze. Aber es hatte sicher nicht nur damit zu tun, dass ich mich am Ende des Studiums den Leuten anschloss, die auf dem TUNIX-Kongreß 1978 verkündeten, eine neue Tageszeitung zu gründen. Sondern vor allem mit dem Zustand der deutschen Medien im „Deutschen Herbst“, der einer Gleichschaltung schon ziemlich nahe kam. Doch um klassische Medienkritik geht es in diesem Buch nicht und wenn, dann in einem sehr erweiterten Sinne. Etwa in dem Bericht über das erstaunlichste Medium, mit dem ich je Kontakt hatte und das man wegen seiner Illegalisierung – schon durch die Inquisition des Mittelalters – auch zu den „alternativen“ Medien zählen könnte.

Nämlich?

Der „Spitzkegelige Kahlkopf“.

Wer oder was ist das?

Die Funktion seines Wirkstoffs – Psilocybin – habe ich mit einer Satellitenschüssel verglichen, mit der das Bewusstsein neue, ungeahnte Programme empfangen kann. Um die Rolle, die diese magischen „sprechende Pilze“ bei der Computerrevolution und der Entstehung des Silicon Valley – sowie vor 2.000 Jahren im Mysterium von Eleusis und bei der Entstehung der griechischen Philosophie – gespielt haben, geht es in zwei weiteren Essays. Platons Höhlengleichnis ist ja eine Mediengeschichte: „Gaukler“ werfen „Schattenbilder“ an die Wand, die von den Höhleninsassen für die wahre Realität gehalten werden. Mit seinem Hinweis, wie es einem Geflüchteten ergehen würde, der zurückkehrt um die Insassen über diese Trugbilder aufzuklären – „sie werden ihn wohl erschlagen“ –, ahnt Platon die „Cancel-Kultur“ unserer Tage schon ziemlich gut voraus.

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Erschienen im Juni 2024

 

 

 

 

 

 



Mathias Bröckers: Inspiration – Konspiration – Evolution. Gesammelte Berichte aus dem Überall, Fifty-Fifty (Juni 2024), 464 Seiten, 30 Euro

 

 

König Donald – überlebensgroß

Mit Thomas Matthew Crooks, dem erschossenen Schützen des Attentats auf Donald Trump, haben wir einmal mehr den Lone Nut, den einsamen Verrückten, den verwirrten Einzeltäter. Der 20-Jährige soll Mitglied der Republikaner geworden sein (um bei den Vorwahlen gegen Trump stimmen zu können), aber auch 15 $ für Joe Bidens Kampagne  gespendet haben, seine College-Kollegen beschreiben ihn als Einzelgänger, guten Schüler  in Mathe und Naturwissenschaften, Jagd,- und Waffen-Fan. Er taucht in einem Werbefilm des Finanzkonzerns Blackrock auf – und klettert am Samstag, ein Schnellfeuergewehr geschultert, so gemütlich auf einer  selbst mit gebrachten Leiter ein Gebäude hoch, dass zahlreiche Passanten das beobachten und die Polizei darauf hinweisen. Auf dem Dach angekommen, das etwa 100 Meter von der Rednertribüne entfernt ist, wird er ebenfalls beobachtet, nicht nur von Passanten, sondern angeblich auch von einem Scharfschützen des Sicherheitsdiensts der auf einem gegenüberliegenden Dach postiert war : Jonathan Willis. Dieser schreibt in einer zuerst auf 4chan verbreiteten email – siehe Bild hier – dass er den Schützen drei Minuten lang im Visier hatte, aber der für die Sicherheit der Veranstaltung zuständige Offizier des Secret Service den Befehl verweigerte,  den Täter auszuschalten. Da es einen Jonathan Willis beim Secret Service nicht gibt, wurde diese Meldung schnell  als FakeNews  entlarvt, aber dass der Schütze auf dem Dach schon mehrere Minuten vor den Schüssen geortet wurde und nichts geschah, scheint ziemlich offensichtlich.  Und führt zu der entscheidende Frage, ob der Secret Service bei seiner Kernaufgabe – Schutz des Präsidenten und des Präsidentschafts-Kandidaten – auf ganzer Linie versagt hat, oder ob er mitgespielt hat und den “verrückten Einzeltäter” zuerst noch schießen lies, um ihn dann umgehend zum Schweigen zu bringen. In meinem Buch “JFK – Staatsstreich in Amerika” habe ich dieser Institution ein ganzes Kapitel gewidmet, weil ohne ihr Mitwirken die tödlichen Schüsse auf Kennedy nicht möglich gewesen wären. Ein Untersuchungsausschuss, der den Funkverkehr der beteiligten Beamten und Scharfschützen unter die Lupe nimmt, könnte hier Klarheit bringen – wenn er denn stattfindet. Und nicht wie bei JFK einer Vertuschungskommission zum Opfer fällt.

Wenn hinter dem zögerlichen Eingreifen des Sicherheitsdiensts keinerlei Absicht, kein bewusstes Geschehenlassen, gesteckt hat, sondern einfach nur bodenlose Schlamperei und Pflichtvergessenheit, braucht es zur Aufklärung eines weiteren Aspekts dieses Attentats keinen Ausschuss oder Kommissionen, sondern nur einen Blick in die Medien und das Klima, dass sie seit Trumps erster Kandidatur 2016 geschaffen haben. Hier auf dem Blog und bei Telepolis habe ich über “König Donald und der Kampf um den Thron” geschrieben – und zum Erscheinen des (leider vergriffenen) gleichnamigen Buchs im Juni 2017:

Als ich im letzten Sommer begann, dem Wahlkampf in den Vereinigten Staaten etwas Aufmerksamkeit zu schenken, kamen mir zwei geflügelte Worte in den Sinn, die auf den römischen Dichter Juvenal zurückgehen.

“Difficile est satiram non scribere” (“Es ist schwierig, keine Satire zu schreiben”) hatte dieser Anfang des 2. Jahrhunderts angesichts der Intrigen in der Hauptstadt des Imperiums notiert – was für die gigantische Castingshow, die das US-amerikanische “Einparteiensystem mit zwei rechten Flügeln” (Gore Vidal) alle vier Jahre durchzieht, zwar schon lange zutrifft, dieses Mal aber ganz besonders zu passen schien. Mit einer verbissenen Kandidatin auf der einen Seite, die ihren weitaus populäreren parteiinternen Konkurrenten mit üblen Tricks aus dem Rennen geworfen hatte – und auf der anderen Seite mit einem großmäuligen Baulöwen und Casinobetreiber, der die gesamte “Grand Old Party” der Republikaner ausmanövriert und sich zum Spitzenkandidaten aufgeschwungen hatte.

Spätestens seit dem Schauspieler Ronald Reagan war ja schon klar, dass eine Rolle als charismatischer Grüßaugust vollkommen reicht, um als “großer Präsident” in die POTUS-Annalen einzugehen. Intelligenz und politische Erfahrung waren also schon länger nicht mehr Voraussetzung für das Präsidentenamt. George W. Bush konnte ohne Teleprompter kaum drei Sätze geradeaus sprechen, wurde aber dennoch zwei Mal gewählt, da er die Grundvoraussetzung für das Amt mitbrachte: genug Geld.

Diese Summen waren 2016 derart astronomisch – 1,3 Milliarden bei Dollar Hillary Clinton, 795 Millionen bei Donald Trump -, dass von einer demokratischen Wahl des Fähigsten tatsächlich nicht mehr im Ernst, sondern nur noch satirisch geredet werden kann: als demokratische Dekoration eines plutokratischen Systems.

Als dann im Zuge des Wahlkampfs zu beobachten war, wie auch eine der sogenannten “Säulen der Demokratie” – die Wächter- und Kontrollfunktion der Medien und ihre Verpflichtung zu wahrheitsgemäßer, objektiver Information – zusehends zerbröselte und statt fairer Berichte über den Wettbewerb auf fast allen Kanälen völlig einseitiger Rudeljournalismus gepflegt wurde, kam mir die zweite berühmte Juvenal-Sentenz in den Sinn: “Sed quis custodiet ipsos custodes?” (“Wer aber bewacht die Wächter?”)

Ein Fußballreporter, der jeden Rempler der einen Mannschaft als “grobes Foul” und die Blutgrätschen der anderen als “faire Härte” kommentiert, hätte keine Chance, in die Champions League der TV-Reportage aufzusteigen. Doch in den Nachrichten schien es sich jetzt genau umgekehrt zu verhalten: Permanentes Trump-Bashing gehörte überall zum guten Ton, während Clinton derart mit Lob und Hudel bedacht wurde, dass man ihren Wahlsieg mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorhersagte.

Wenn ich im Freundes- und Kollegenkreis diese unfaire Berichterstattung ansprach, bekam ich zu hören: “Dieser Trump ist aber doch eine Katastrophe, da kann man einfach nicht anders berichten.” Wirklich? Jubelten ihm außer an den Küsten die Leute überall im Land zu, weil er eine “Katastrophe” oder ein “Rassist”, “Sexist”, “Faschist” ist? Oder hatte das nicht vielleicht doch mit seinen politischen Forderungen zu tun: illegale Immigration eindämmen, Arbeitsplätze im Land schaffen, die Infrastruktur wieder aufbauen, die “regime change”-Politik stoppen, mit Russland “klar kommen” und als erstes das terroristische Kalifat ISIS “eliminieren”?
Das waren die konkreten Punkte, die er in seiner Kampagne immer wieder angesprochen hatte und für die ihm die Leute zujubelten. Doch in den Medien kamen diese Punkte fast nur in Form der Mauer vor, die er an der mexikanischen Grenze errichten und Mexiko dafür bezahlen lassen will – wobei meist unter den Tisch fiel, dass mit dem Bau der Mauer seine Vorgänger Bush und Obama schon begonnen hatten.
Und dann wurde der “Irre” tatsächlich gewählt – der “Rassist”, “Sexist”, “Faschist” Trump wurde Präsident und die “Wächter” – die für die Information der Öffentlichkeit zuständigen Medien – sprachen von “Schock”: Ein kometenhaftes Monster in Orange raste auf den wehrlosen Planeten zu, es enthauptete die Freiheit und hielt Miss Libertys blutigen Schädel als Trophäe in den Wind: das “Ende der Welt”.

Das war es für den “Spiegel” und die anderen Wächter der Demokratie aber gar nicht, es war nicht einmal ein Moment des Innehaltens oder gar der Reflektion, dass man bei der völlig einseitigen Reportage des Wahlkampf-Matches womöglich Fehler gemacht habe – es ging genauso und im selben Ton weiter. Allen voran, wie jetzt gerade eine Medienstudie der Harvard-Universität ermittelte, der deutsche Gebührensender ARD, in dem 98 Prozent der nicht-neutralen “Tagesthemen”-Berichte über Trump negativ gefärbt waren, bei CNN waren es 93 Prozent, bei der New York Times 87 Prozent und der Washington Post 83 Prozent.

Als Trump dann bei einer Pressekonferenz im Januar einem CNN-Reporter eine Frage mit dem Hinweis verwehrte “You Are Fake News!”, versetzte dies die Medienvertreter in Schnappatmung, und wenn man sie aufgeregt vom “Ende der Pressefreiheit” und von “Zensur” reden hörte, konnte man den Eindruck gewinnen, dass der befürchtete Polizei- und Überwachungsstaat des “Diktators” Trump jetzt wirklich Realität wird.

Tatsächlich aber wurden die Methoden eines solchen Staatssystems jetzt gegen den Präsidenten selbst angewandt: Mit Gerüchten, Lecks und Aussagen von anonymen “senior officials”, die aus dem Untergrund der Geheimdienste und Behörden in den Top-News landeten, wurde weiter an der Demontage Trumps gearbeitet.

Dann sah ich kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember 2016, in der New York Times, dass dem gewählten Präsidenten nunmehr schon offen gedroht wurde: “Presidents who sideline the CIA do they at great risk” – JFK und Dallas lassen grüßen! Und ich las, dass Trump seine eigenen Leibwächter mit ins Weiße Haus nehmen wollte, weil er dem Secret Service offenbar misstraute.

Kurz darauf erschien ein Dossier, in dem alle siebzehn Geheimdienste der USA über die Beeinflussung der US-Wahl durch Russland spekulierten – ohne aber irgendeinen Beweis dafür vorzulegen, dass Trump, den Hillary Clinton als “Marionette Putins” bezeichnet hatte, tatsächlich mit illegalen russischen Manipulationen Präsident geworden war.

Die völlige Haltlosigkeit des vom Team Clinton finanzierten Dossiers hinderte die Medien bekanntlich nicht, die “Russiagate” FakeNews noch jahrelang weiter durch alle Kanäle zu jagen, bis hin zu einem erfolglosen Impeachment-Verfahren gegen Trump. Nachdem er bei seiner erneuten Kandidatur weder mit Justizverfahren wegen Buchhaltungs,-und Steuervergehen, die kein Mensch genau versteht, noch mit einer Verurteilung wegen Schweigegeld für eine Sexpartenerin aufgehalten werden konnte, erreichte die epidemische Trumpophobie immer neue Höhepunkte. Bis hin zu Joe Biden, der am 28.Juni 2024 verkündet: “I have one job, and that’s to beat Donald Trump. I’m absolutely certain I’m the best person to be able to do that. So, we’re done talking about the debate, it’s time to put Trump in a bullseye”.
Die Zeit, ihn ins Visier, ins Fadenkreuz zu nehmen, hat man dem 20-jährigen Thomas Crooks offenbar gelassen…nachdem ihm die Botschaft jahrelang und erfolgreich ins Hirn gehämmert wurde, dass es sich bei dem “Diktator” Trump um eine “Bedrohung der Demokratie,” der Freiheit und Amerikas insgesamt handelt.  Ob und wenn ja wie Crooks zu der Tat angestiftet wurde, ist derzeit nicht bekannt – politische Äußerungen scheint er nie getätigt zu haben, auch social media Konten oder irgendein Manifest hat er nicht hinterlassen – ein unbeschriebenes Blatt. Sicher ist nur, dass die Hetze des “liberalen” Rudeljournalismus das Klima geschaffen hat, in dem ein Donald Trump zur Unperson, zum Freiwild , zum  neuen Hitler wurde. Und in dem man unpolitischen, seelisch unstabilen jungen Männern einreden kann, dass sie zum Helden werden, wenn sie diesen “Faschisten” erledigen.
Stellen Sie sich für einen Moment vor, was in den Medien los wäre, wenn Trump  aufgerufen hätte, seinen politischen Gegner ins  Bullseye/Fadenkreuz nehmen und ein paar Tage später wäre auf Obama/Clinton oder Biden geschossen worden… New York Times/MSNBC/Tagesschau würden sich nicht mehr einkriegen von wegen “Ende der Demokratie”, Beginn einer “Trump-Diktatur” etc.blabla. Und jetzt? Schon die ersten Meldungen zu den Schüssen auf Trump spielen die Tatsache eines Attenats massiv herunter….Weitergehn außer ein paar “lauten Geräuschen” ist nix passiert!
Mit Blut im Gesicht und gereckter Faust ist Trump weltweit ( must see Video HIER) zum narzistischen Superpopstar schlechthin geworden, Donald der Große, und hat mit diesem Bild schon mal die Grafik für einen Erdrutschsieg im November formatiert – ganz gleich ob die Demokraten an der Wandermumie Biden festhalten oder noch jemand anderen aus dem Hut zaubern. Und ganz gleich, welche “alternativen Fakten” von den Verschwörungstheoretikern noch ausgegraben werden: für das “republikanische” Narrativ vom Sumpf/Deep State, der Donald nach dem Leben trachtet, für die “demokratische”Legende, dass das Ganze von Team Trump inszeniert worden ist und für die scheinbar “vernünftige” Variante vom gehirngewaschenen Irren und einem von Schlamperei und Nachlässigkeit ermöglichten Anschlag. Es wird interessant sein, wer zuerst gecancelt wird, wenn die eben noch im Bashing von “Corona-Leugnern” aktiven Linken/Liberalen  nunmehr als “Anschlags-Leugner” daherkommen und wegen “Hassreden” in den sozialen Medien gesperrt werden. Willkommen im Zeitalter der Fake Binary! Trumps Markenzeichen,  irgendwie eine Bedrohung für das plutokratische Establishment darzustellen, ist mit diesem ikonischen Bild gefestigt. Seine zweite Präsidentschaft wird nicht mehr zu verhindern sein. Ob das Nahtoderlebnis, das er am Samstag hatte,  etwas an seinem Verhalten und seiner Politik ändert, bleibt abzuwarten….

 

“Unglaubliche Härten”

Warum die Idee, mit Sanktionen “Russland ruinieren” (A.Baerbock) zu wollen ein selbstmörderischer Irrsinn ist, weil Deutschland ohne billige Energie aus dem Osten keine konkurrenzfähiger Industriestandort mehr ist, habe ich den “Notizen vom Ende der unipolaren Welt” hier seit 2,5 Jahren immer wieder begründet, und z.B. im Mai 2022 gefragt:
“Gibt`s schon einen Morgenthau-Plan 2.0, wie man Deutschland in einen Agrarstaat umwandelt ? Wenn nicht, sollte die Regierung ihn bei ihren Overlords in Washington dringend anfordern, denn mit Auto, -Maschinen, – Chemie-Industrie etc. geht dann bald nichts mehr.”
Ein Kollege gab mir damals den Rat, doch nicht von “De-Industrialisierung” zu reden, weil es sich dabei um ein “AfD-Narrativ” handeln würde, was sein mag, aber auch nichts daran ändert, dass ein solcher Niedergang absehbar war und den Tatsachen auch entspricht, wie der nebenstehende Global Manufacturing Index der JP Morgan Bank deutlich zeigt.
“Russland braucht Europa nicht, aber Europa braucht Russland” hatte ich geschrieben und dass nicht die Russen und auch nicht die Amerikaner, sondern die Europäer die großen Verlierer eines Kriegs mit Russland sind. Doch nach wie vor existiert offenbar keine Idee, wie man aus der Falle, die das US-Imperium seinen Vasallen gestellt hat, heraus kommt. Und wenn man als Super-Vasall  die wichtigsten Instrumente einer prosperierenden Wirtschaft – Energie und Rohstoffe – nicht mehr zur Hand hat, bleibt dem De-Industrialisierungsminister in “dienender Führungsrolle” (R.Habeck) als Plan B nur noch eins: salutieren!
Was das Militärische betrifft, waren die NATOstan-Chefs bei ihrem Gipfeltreffen ziemlich zufrieden, dass es ihrem großen Führer Joe Biden gelang, seine Rede ohne debiles Gestammel nahezu fehlerfrei vom Teleprompter abzulesen. Dass der Text, den seine Pfleger dort reingeschrieben hatten, mit der Realität an der Front absolut nichts zu tun hat – “Die Ukraine kann und wird Putin stoppen!” – hinderte die Versammelten nicht, ihm begeistert zuzustimmen. Noch sind ja ein paar letzte Ukrainer da, um sie zu verheizen – aber nicht mehr lange. Aktuell werden täglich etwa 2.000 getötet oder verwundet. Es wird also sicher nicht reichen mit dem “Menschenmaterial” bis November, wenn die Wandermumie Joe gegen den Clownkönig Donald kandidiert und wiedergewählt werden will. Auch die NATOstan-Vasallen haben keinen Plan B und salutieren, selbst wenn die gemeinen Russen ihnen eine “Wunderwaffe” nach der anderen kaputt machen, wollen sie weiter kämpfen lassen – bis auch der ukrainische Volkssturm aus Frührentnern und Jugendlichen dahin geopfert ist. Dann müsste NATOstan große Mengen eigener Soldaten schicken, die es aber auch nicht besser können als die ukrainischen Truppen. Im Gegenteil, denn sie haben – außer wehrlose Nationen zu bombardieren – noch nie einen echten Krieg geführt. Wer von einer Sandalentruppe mit Kalaschnikows aus Afghanistan verjagt wird und gegen die Wüstenkämpfer der  Huthis im Roten Meer  mit seinem Flagschiff “USS Eisenhower”  abdrehen muss, sollte gegen einen wirklich wehrhaften Gegner nicht antreten, wenn ihm sein Leben lieb ist. 
Wann sich Vasallen eines niedergehenden Imperiums zuletzt von einem dementen Gaga-Imperator so willig und freudig zur Kasse bitten und zur Schlachtbank führen ließen, wäre ein historische Untersuchung wert, um die Frage zu klären wie man sie derart  blind, blöde und gefügig machen kann, dass das funktioniert – und sich die “Germans to the front!” rufen lassen, als “Zwerg auf Steroiden”.  Zusammen mit den anderen Giftzwergen und Großmäulern in NATOstan, die sich einbilden, es gegen Russland besser zu können als Napoleon und Adolf  und auch noch im Mittleren Osten und im Westpazifik gegen China mitmischen zu müssen. Also überall da, wo dem Imperium die Felle wegschwimmen. Mit nationaler Sicherheit und Landesverteidigung hat das alles nichts mehr zu tun, es ist der Kampf um die globale, unipolare Herrschaft des US-Imperiums. Dass Deutschland und Europa – abgehängt vom Handel mit Eurasien  –   keine andere Zukunft bevorsteht, als zu de-industrialisierten Kolonien zu werden, wenn nicht gar – bei weiterer Eskalation – zum Schlachtfeld eines Weltkriegs, diese Einsicht scheint den Horizont der bellizistischen Giftzwerge in NATOstan zu übersteigen. Sie glauben immer noch, dass ihnen der große Onkel aus Amerika im Ernstfall zur Hilfe kommen könnte, aber das kann er nicht.
Wie auch immer…es geht abwärts, mit dem Westen und NATostan. Das sieht auch der Kollaps-Experte meines Vertrauens, Dmitry Orlov in seiner aktuellen Analyse so:

Danke!!!

Besser geht Geburtstag nicht: Julian Assange ist  endlich in Freiheit in Australien und zu Hause ist ein neues “Baby” im Körbchen. Mehr kann man sich einfach nicht wünschen. Das Overton-Magazin hat ein Kapitel aus dem neuen Buch abgedruckt,  und für die  taz-Blogs hat Wolfgang Koch eine schöne Rezension geschrieben.  Vielen Dank für die vielen guten Wünsche, die mich auf allen möglichen Wegen erreicht haben – ich bin gerührt, begeistert, glücklich.

Julian Assange ist endlich frei!

Julian Assange ist endlich frei und auf dem Heimweg nach Australien, nach über neun Jahren Gefangenschaft zuerst in der ecuadorianischen Botschaft in London und dann über fünf Jahre im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. In einem juristischen Deal mit dem US Justizministerium soll er sich in einem Anklagepunkt schuldig bekennen, der mit den fünf Jahren Belmarsh “abgesessen” ist. Wirklich sauber ist dieser Deal zwar nicht, denn Julian Assange hat sich in keinem einzigen Punkt schuldig gemacht, weil er aber sein Leben rettet ein riesiger Grund zur Freude. Seine Frau Stella Assange hat sich in einem Video für die weltweite Unterstützung bedankt:


Es scheint, dass die Regierung Biden vor Beginn der heißen Phase des Wahlkampfs diesen Dorn im Fleische loswerden wollte, denn solange diese Anklage schwebte und der wichtigste Journalist unserer Tage gefangen ist, konnte von “Demokratie” und “Pressefreiheit” ernsthaft keine Rede sein. Ich habe vor fünf Jahren mit einem Buch (Dont_kill_the_messenger!) auf den Skandal der Verfolgung Julians aufmerksam gemacht und wir haben den Fall in jeder der bisher 105 Sendungen des 3. Jahrtausend angesprochen. Dass der Wikileaks-Gründer jetzt in Freiheit ist, verdankt sich sicher nicht nur, aber auch diesen steten Tropfen, mit denen wir und Kollegen in vielen anderen Ländern den monströsen Stein von 175 Jahren Kerker ausgehöhlt haben – während Großmedien und Politik durch die Bank gute Miene zu diesem bösen Spiel machten. Wenn Julian Assange seine schwer angeschlagene Gesundheit kuriert hat wird er sich, glaube ich, nicht mit einem millionenschweren Buch,-und Filmdeal über seine abenteuerliche Geschichte in Pension begeben, sondern da weiter machen wo er gezwungener Maßen aufhören musste. Und als Publizist und Journalist wieder ein wichtiger Faktor werden in der westlichen Welt – gegen Kriege und Korruption und für die Freiheit der Rede und Presse.

European Crash Test

 
Die Europawahl ist gelaufen und jetzt wird alles anders – nicht! Denn Deutschland steht vor dem Abgrund, meint der Chef der Börse. Außerdem: Die ungeschwärzten RKI-Akten zeigen das ganze Ausmaß der staatlichen Willkür. Im Gaza-Streifen geht das Massaker ungestört weiter, aber in unseren Medien erfahren wir darüber genauso wenig wie über die Eskalation im Ukraine Krieg. Und es gibt wieder was zu gewinnen. All das und noch viel mehr besprechen Robert Fleischer, Dirk Pohlmann und Mathias Bröckers im 3. Jahrtausend #105.


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Erschienen am 10. Juni 2024

 

 

 

 

 

 



Mathias Bröckers: Inspiration – Konspiration – Evolution. Gesammelte Berichte aus dem Überall, Fifty-Fifty (Juni 2024), 464 Seiten, 30 Euro

 

 

 

Mathias Bröckers : Vom Ende der unipolaren Welt, ‎ Fifty-Fifty (Oktober 2022),  288 Seiten, 20 Euro