Wie ein international gesuchter Terrorist und islamistischer Kopfabschneider quasi über Nacht zum respektierten Kalif von Damaskus reüssiert, diese Tragikomödie wird gerade auf der internationalen Bühne in Syrien gegeben, das ein gewisser “Al Jolani” mit einem Söldner-Mob von Wickelmützen in Windeseile erobert hat. Mit Hilfe des türkischen Geheimdienst, dessen Ex-Chef dem frisch barbierten (Ex-)Terroristen gratulierte – hier im Bild. Noch hat er die Sharia-Gesetze in seinem neuen Kalifat nicht verkündet und wir dürfen gespannt sein – Regenbogenfähnchen werden aber vermutlich nicht erlaubt. Sein zum Interims-Ministerpräsidenten ernannter Kollege Mohammed al-Bashir hat zwar ebenfalls Wickelmütze und Vollbart abgelegt und tritt mit Anzug und Krawatte auf, hatte aber bei der Amtseinführung noch immer die Dschihadisten-Flagge im Hintergrund.
Klar scheint im Moment nur, dass das Chaos, das vom US-Imperium in Westasien seit je verbreitet wird (Afghanistan, Irak, Libyen) nun auch im ehemaligen Syrien seinen Lauf nimmt. Und wir den “Piraten der Levante in vollem Ornat” live bei den Kämpfen zusehen können, sich das Land unter den Nagel zu reißen. Pepe Escobar dazu:
“Wir wissen immer noch nicht, wie das Rumpfsyrien aussehen wird – und auch nicht, wie lange es von einem Haufen neoliberaler Salafi-Dschihadisten mit gestutzten Bärten und billigen neuen Anzügen von der Stange regiert werden wird.
Tatsache ist, dass der US-Hegemon bereits seit mindestens einem Jahrzehnt mindestens ein Drittel des syrischen Territoriums kontrolliert – und weiterhin ungestraft syrisches Öl und Weizen stehlen wird: Die Piraten der Levante in vollem Ornat.
Was Tel Aviv betrifft, so zerstören sie Eretz Israels größte verbliebene arabische militärische Opposition, stehlen unaufhörlich Land und träumen von der totalen Vorherrschaft, sowohl aus der Luft als auch zur See, für den Fall, dass Russland seine Stützpunkte in Tartus und Hmeimim verliert (das ist ein großes „falls“).
Ganz zu schweigen davon, dass sie indirekt den neuen Kalifen kontrollieren, der sie sanftmütig gebeten hat, bitte nicht zu viel syrisches Land zu erobern.
Die Teilung wird entlang dreier anderer wichtiger Vektoren erfolgen:
-Vom Hegemon kontrolliertes Land und Militärbasen – die für einen Angriff auf den Irak genutzt werden könnten. Vergessen Sie ein scheinbar souveränes Syrien, das seine Ölfelder zurückerhält.
-Von der Türkei annektiertes Land, was unweigerlich zur vollständigen Übernahme von Aleppo führen wird (was der Sultan bereits zu Protokoll gegeben hat).
-Damaskus wird von einem ISIS-Ableger geführt, der direkt vom türkischen Geheimdienst manipuliert wird.All dies könnte bereits im ersten Quartal 2025 zu einer Art salafistisch-dschihadistischer Zionisierung führen, die nur ein Ziel hat: die Sanktionen der USA und der EU zu lockern.
Was al Jolani, der mit bürgerlichem Namen Mohammed Ibrahim al-Sham heißt, betrifft, so war er trotz seiner witzigen Umbenennung Al-Zarkawis Leutnant und Emir von Ninive während des Amoklaufs von Al-Qaida im Irak (AQI, später umbenannt in ISIS). Bagdad wird auf keinen Fall politische Beziehungen zu einem Salafisten unterhalten, der auf der irakischen Liste der Meistgesuchten steht.
Zusätzliches Kopfzerbrechen bereiten die Bedingungen der EU für eine Normalisierung der Lage in Syrien, wie sie von der nicht gewählten, durchgeknallten Estin, der für die Außenpolitik der EU zuständig ist (und fast 500 Millionen europäische Bürger vertritt), formuliert wurden: Brüssel wird die Sanktionen nur aufheben, wenn es keine russischen Stützpunkte und keinen „russischen Einfluss“ mehr im Kalifat von al-Sham gibt.”
Anarchy In The Levant – Your Future Dream Is A Chaos Scheme
Bisher unterhielten in Syrien vier Mächte – USA, Russland, Türkei, Iran – zusammen 800 Militärstützpunkte und werden sich abstimmen müssen über die jeweiligen Einflusszonen. So wenig Washington auf die Profite mit gestohlenem syrischen Öl verzichten will, so wenig will Moskau seinen Mittelmeerhafen aufgeben und Sultan Erdogan hat bereits seine territorialen Ansprüche verkündet, die mindestens bis Aleppo reichen. Man muss kein Prophet sein um vorherzusagen, dass die Zukunft in der Region nicht heiter wird, sondern blutiger als zuvor. Zumal auch die kindermordenden Irren von Zion die Gunst der Stunde nutzen und außer den Golanhöhen jetzt noch weiteres syrisches Territotium besetzen. Das Ganze mutet an wie ein Rollback in die Zeit des Ersten Weltkriegs und danach, als die britischen und französischen Kolonialmächte neue Grenzen zogen und ihre “Einflusszonen” festlegten.
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Erschienen am 10. Juni 2024
Mathias Bröckers: Inspiration – Konspiration – Evolution. Gesammelte Berichte aus dem Überall, Fifty-Fifty (Juni 2024), 464 Seiten, 30 Euro