Notizen vom Ende der unipolaren Welt – 77

 

Mit dem Begriff  “limited hangout” wird eine PR-Strategie bezeichnet, nach der man zu nicht mehr verheimlichbaren Sachverhalten begrenzte Eingeständnisse veröffentlicht – in der Hoffnung, den Schaden zu begrenzen und den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.  Bei den seit Anfang des Monats Furore machenden “Pentagon Leaks”  – Links dazu in * Notizen-76  – scheint mir ein solcher Fall vorzuliegen. Die Dokumente sind wahrscheinlich echt, der 21-jährige Airman der National Guard, Jack Teixera, aber ist kein echter Whistleblower wie es Chelsea Manning oder Edward Snowden waren – und die Gamer, denen er das Material auf den Server hochlud, nicht der “Guardian” oder die “New York Times” und schon gar nicht Wikileaks.  Es ist dem jetzt verhafteten Leaker offensichtlich nicht darum gegangen, die Öffentlichkeit über Missstände oder Kriegslügen aufzuklären, sonst hätte er sie nicht einen Monat lang unbeachtet auf einem Game-Server gelassen – und sonst hätte es auch nicht das britische Geheimdienst-Outlet Bellingcat gebraucht, um sie dort zu “finden”, als nach über vier Wochen die ersten Dokumente auf Twitter auftauchten. Darunter auch solche, die gar nicht auf einem Military-Server liegen können, weil sie von der CIA stammen und nicht an das Militär ausgeliefert werden.  Darauf hat der CIA-Veteran und Blogger Larry Johnson mehrfach hingewiesen. Auch ansonsten ist das offizielle Narrativ – ein junger Mann, der mit den Top-Secret-Papieren in seiner Gaming-Community angeben wollte – äußerst fragwürdig, es sei denn, genau dies war der Sinn der Operation: die weitere Durchsetzung des Restrict Act, mit der die Behörden noch mehr Kontrolle und Zugriff auf private Server und Chatrooms erlangen wollen. Denn wenn solche streng geheime Papiere wochenlang dort frei herumliegen können… da muss man doch etwas tun ??!
Für diese Version könnte sprechen, dass die Lecks wirkliche oder gar kriegsentscheidende Geheimnisse  nur für diejenigen enthalten,  die vollständig zum Opfer westlicher Propagandaschleudern  geworden sind. Und es für die Realität halten, dass man mit Sanktionen “Russland ruinieren” (A.Baerbock) kann, dass den Russen (seit einem Jahr) ” jetzt die Raketen ausgehen”, dass sie “schwere Verluste” erleiden und die Ukrainer nur noch ein paar Panzer mehr brauchen für den “Sieg” usw.usf. – nur ein komplett gehirngewaschenes Publikum kann von den Zahlen und Daten der “Leaks” –  über die hohen Verluste der Ukrainer, die Schwäche ihrer Luftabwehr und ihres untrainierten Personals – überrascht sind. Auch von der Nachricht, dass die USA ihre eigenen Alliierten bespitzeln, wird nur schockiert, wer von Merkels Handy noch nie gehört hat und die Nordstream-Sprengung für ein Werk der Russen hält. Also: auch wenn “Top Secret” draufsteht, enthalten die offenbarten Geheimnisse nichts wirklich Neues – sie entlarven nur die triumphalistische Propaganda, mit der die US-Regierung und ihre Vasallen zum Krieg treiben, als Fake-News. Und könnten – eine weitere denkbare Version – von den unsichtbaren Meistern in den Tiefen der Dienste und des Staats als Anti-Biden-Operation lanciert worden sein, synchron mit den aktuellen Enthüllungen eines ehemaligen Obama-Mitarbeiters, über die korrupten Geschäfte von Joe und Hunter Biden in der Ukraine 

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Unterdessen geht es mit dem Ende der unipolaren Welt zügig voran und alle Wege führen in die Haupstädte der neuen Multipolarität – nach Moskau und Peking. Während Brasiliens Präsident Lula das weiß – er besuchte in  Shanghai die Inauguration seiner Vorgängerin Dirma Rouseff als Präsidentin der neuen BRICS+ “New Development Bank” und vereinbarte mit Präsident Xi weitreichende Kooperatiponen –  blamierten sich andere westliche  China-Besucher bei dem Versuch, die Chinesen auf NATOstan-Linie zu bringen. Pepe Escobar hat über Macron und die anderen so schön geschrieben, dass ich mal ein Stück mit deepl übersetzt habe:

 

Indem er Le Petit Roi nach China einlud und nicht weniger als sechs Stunden persönlich mit seinem Gast verbrachte, zeigte Xi Jahrtausende alte Diplomatie in ihrer besten Form. Er erinnerte seinen Gast an die turbulente Geschichte zwischen Frankreich und den angelsächsischen Mächten, und er sprach über Souveränität. Die wichtigste subtile Nebenhandlung: “Europa” sollte sich gut überlegen, ob es sich dem Hegemon unterordnen und die massiven wirtschaftlichen Turbulenzen so gut wie möglich vermeiden will, wenn der Tag der Konfrontation mit den USA gekommen ist. Es ist Pekings Priorität, die zunehmenden Versuche der USA, China einzukreisen, zu unterbinden.
So behandelte Xi Frankreich als einen potenziellen echten Souverän, sogar unter der EU; oder als eine Art Abspaltung vom EU-Dogma.
Diese konfuzianische Einladung zu erkenntnistheoretischem Wachstum enthielt natürlich noch eine weitere wichtige Botschaft. Für diejenigen, die aufgrund komplexer geopolitischer Zusammenhänge nicht bereit sind, China freundlich gesinnt zu sein, wird es für Peking nie zu spät sein, die weniger “freundliche” Seite des chinesischen Staates zu zeigen – wenn sich die Situation ergibt.
Übersetzt heißt das: Wenn der Westen auf den totalen Machiavelli setzt, wird China den totalen Sun Tzu anwenden. Auch wenn Peking lieber auf internationale Beziehungen unter der Ägide von Schönheit, Güte und Wahrheit setzen würde als auf “Ihr seid für uns oder gegen uns”, auf Terrorkrieg und Sanktionsdemenz.
Hatte der Petit Roi also einen “Straße nach Damaskus”-Moment? Das Urteil ist offen. Er hat den Hegemon buchstäblich in Angst und Schrecken versetzt, als er sagte, Europa müsse dem Druck widerstehen, “Amerikas Vasall” zu werden. Das deckt sich ziemlich genau mit den 51 Punkten, auf die sich Peking und Paris geeinigt haben, wobei der Schwerpunkt auf den “legitimen Sicherheitsbedenken aller Parteien” liegt. Die Amerikaner erschraken noch mehr, als Macron behauptete, dass Europa eine unabhängige “dritte Supermacht” werden sollte. Le Petit Roi machte sogar einige kleine Schritte zugunsten der Entdollarisierung (natürlich unter Aufsicht seiner Finanzmeister) und nicht zugunsten von Kriegen auf ewig.
Also mussten die Amerikaner in Panik die deutsche 5. Kolonne Annalena “360 Degrees” Bearbock in aller Eile nach Peking schicken, um zu versuchen, Le Petit Rois Ausbrüche rückgängig zu machen – und das offizielle Skript des Washingtoner Diktats in Brüssel zu bekräftigen. Niemand, nirgendwo, schenkte ihr die geringste Aufmerksamkeit. Das kam noch zu der krassesten Nebenhandlung der ganzen Geschichte hinzu: wie die Domina der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, von Peking als mehr als irrelevant behandelt wurde. Ein chinesischer Wissenschaftler beschrieb sie bissig als “nur das Sprachrohr einer zahnlosen Organisation. Selbst ihr Bellen klingt wie das Wimmern eines todkranken Hundes, der eingeschläfert werden soll”.
Der “todkranke Hund” musste durch die Passkontrolle und den Zoll (“Irgendetwas zu deklarieren”?) Kein diplomatischer Status. Keine offizielle Einladung. Keine Souveränität. Und nein, man kann nicht mit dem Hochgeschwindigkeits-Sonderzug neben Macron nach Guangzhou fahren. Hier also eine weitere Botschaft – und zwar eine sehr anschauliche: Legt euch nicht mit dem 3.000 Jahre alten Ethos des Reichs der Mitte an.”

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Und, wie wir hier schon seit 2018 predigen  “Don’t mess around with Ivan!”, denn der hat “Kinzhal” am Start, den “Dolch”, gegen den es keine Verteidigungswaffe gibt. Meines Wissens gab es im Krieg bisher nur zwei Einsätze der hyperschnellen Rakete. Auf Telegram und einigen Blogs wurde Anfang März die Meldung verbreitet, dass eine unterirdischer Kommandozentrale in der Nähe von Lemberg (Lvov) von Kinzahl-Atacken zerstört wurde und dabei auch zahlreiche NATO-Offiziere ums Leben gekommen seien. Da weder von ukrainischer noch von russischer Seite irgendeine Bestätigung dieses Vorfalls gab und auch in den sozialen Medien keine weiteren Details auftauchten, blieb die Nachricht ein Gerücht. Jetzt aber hat, wie Gilbert Doctorow bemerkt, erstmal eine Zeitung ausführlich darüber berichtet: „Die Katastrophe der NATO-Streitkräfte in der Ukraine“.:

“Wir wissen jetzt, dass nicht eine, sondern zwei Kinzhal-Raketen eingesetzt wurden, um einen Bunker zu sprengen, der sich mehr als 100 Meter unter der Erde befand und durch einen zu Sowjetzeiten errichteten Schild aus Stahlbeton geschützt war, der einem direkten Treffer durch eine Atombombe widerstehen sollte. Jede der Raketen war mit 500 kg Sprengstoff bestückt.Die polnischen, britischen und amerikanischen Offiziere waren sich ihrer Unverwundbarkeit in diesem Bunker, in dem sie täglich mit ihren ukrainischen Kollegen über die Kriegsführung berieten, so sicher, dass sie Dutzende ihrer Autos achtlos in der Nähe des Bunkereingangs abstellten, was der russischen Luft- und Satellitenaufklärung nicht entgangen war.Die Kinzhals wurden von einem MiG-31-Kampfflugzeug in einer Entfernung von bis zu 2.000 km vom Ziel abgefeuert, also weit außerhalb der Reichweite ukrainischer Flugabwehranlagen. Die Treffergenauigkeit lag nachweislich innerhalb eines Meters vom Ziel.”

Die Zeitung erinnert an eine kurze Meldung des Verteidigunsministeriums vom 9. März, dass man als Reaktion auf die vom Kiew in der Region Brjansk am 2. März organisierten Terroranschläg einen  “Vergeltungsschlag” unternommen habe, bei dem eine dieser Raketen eingesetzt worden ist. Da  weder Ort noch Details genannt wurden, ging diese Kurzmeldung einfach unter. Die Botschaft aber dürfte bei den NATOstan-Offizieren, die offiziell ja gar nicht dort sind, angekommen sein. Wenn sie künftig nicht unauffälliger parken, wird es nichts mit der “Frühjahrsoffensive”, die freilich ohnehin – wie auch aus den geleakten Papieren hervorgeht – zum Scheitern verurteilt ist. “Die Waffen nieder!” und an den Verhandlungstisch bleibt das Gebot der Stunde.

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Notizen vom Ende der unipolaren Welt -76

“There is freedom of speech, but I cannot guarantee freedom after speech” – hatte der ugandische Diktator Idi Amin 1972  verkündet und damit  – vorausschauend – einen Situationsbericht zur Lage der “liberalen Demokratien” im “freien Westen” 50 Jahre später geliefert. Mit Corona und dem Ukrainekrieg wurde die Redefreiheit zwar nicht abgeschafft, in seinem Garten oder den eigenen vier Wänden konnte jeder frei reden – solange es die Nachbarn nicht hörten –  mit öffentlicher Rede vor allem in den Medien sah es aber anders aus: der Meinungskorridor des Erlaubten wurde desinifiziert und gekärchert wie nie zuvor. Widerspruch und Kritik wurden schonungslos ausgeblendet,  ein rationaler Austausch von Argumenten unmöglich gemacht und wer dagegen Einspruch erhob als Unperson diskreditiert und diffamiert. Wer sich die Freiheit der Rede herausnahm, brauchte danach das sprichwörtliche schnelle Pferd. Als berühmt-berüchtigter  9/11-Sünder war ich persönlich weniger überrascht von dieser Prozedur, als von ihrem Ausmaß und der Rigidität, mit der das öffentlich Sagbare limitiert und die Grenzen des Erlaubten immer enger gezogen wurde. Schon mit der bloßen Erwähnung, dass es sich bei der Covid-“Pandemie” um eine Grippewelle handelt, befand man sich auf einer Ebene mit gemeingefährlicher, staatsfeindlicher Hetze. Und  so wie die Panikorchester der Großmedien erfolgreich die Angst vor dem “Killervirus” geschürt hatten wurde dann nahtlos auf Panik vor dem “Killerrussen” umgeschaltet – wo zuvor,  etwa für “Die Zeit” die “Diskriminierung von Ungeimpften ethisch gerechtfertigt”, wurden nun friedensbewegte Kriegsgegner als “Lumpernpazifisten” (“Spiegel”) verunglimpft und jeder diskreditiert, der für Verhandlungen statt für Waffenlieferungen eintrat. Von freier Diskussion, offenem Austausch von Argumenten keine Spur mehr und wer dennoch den Kopf herausstreckte, wurde niedergemäht.   So gelang eine nie dagewesene Formatierung der Massen, die ein kollektives Stockholmsyndrom erzeugten. “Freiheit” musste nicht mehr garantiert werden, weil die Opfer mit denen sympathisierten, die ihnen die elementare Freiheit (Habeas Corpus) nahmen – und auf diejenigen mit dem Finger zeigten, die dagegen protestierten. Dass in einer derart gleichgeschalteten medialen Öffentlichkeit über die aktuellen Kriege – den seit 2014 wütenden Bürgerkrieg in der Ukraine, den russischen Einmarsch im Februar 2022, den der NATO gegen Russland und den die Realität vernebelnden Informationskrieg –  nicht “vernünftig”, “sachlich” und “friedensfördernd” debattiert werden kann, liegt auf der Hand. “Du kannst hier wenigstens noch bloggen was du willst”, meinte unlängst ein Freund, als ich über die kriegsgeile “Einheitspresse” und “Einheizmedien” schimpfte, ” in Russland wärst du dafür schon im Knast.” Auch wenn ich vielleicht mit einer Geldstrafe davonkäme – wie in Deutschland für einen Aufkleber mit dem Buchstaben “Z” – ist das ein Grund, den Mund zu halten, den Kopf einzuziehen und den Verstand auszuschalten ? Und zuzuschauen, wie ein unnötiger und ungewinnbarer Krieg Tag für Tag vorangetrieben wird – mit “fürchterlichen Verlusten”. Da kann nur Bertha von Suttners Ruf “Die Waffen nieder!”   das einzig Wahre und Richtige sein!

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Unterdessen geht es mit dem Ende der unipolaren Welt zügig voran: China hat Frieden zwischen Iran und Saudi-Arabien gestiftet, die Saudis haben die Houthi-Regierung in Sana anerkannt und beenden den Krieg im Yemen,  Brasilien, Indien und der globale Süden wickeln ihren Import/Export in Landeswährungen ab
und verabschieden sich vom US-Dollar und die EU-Inkompetenz-Chefin von der Leyen, die China ermahnen wollte, nicht mit Russland zu kooperieren, bekommt in Peking  keinen roten Teppich, sondern wird höflich  aber bestimmt abserviert. Während Macron erfolglos versucht De Gaulle zu imitieren und davor warnt, dass Europa zum hörigen Vasallen der USA wird, was es de facto schon lange ist und derzeit zusammen mehr an der Kette des US-Hegemons hängt als je zuvor.  In Deutschland trägt die Arbeit des transatlantischen Callboys und Wirtschaftsministers Habeck unterdessen Früchte: die De-Industrialisierung nimmt Gestalt an, wegen hoher Energiepreise und Steuerbelastungen wandern immer mehr Unternhemen ins Ausland ab. 

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Seymour Hersh hat einen neuen Artikel veröffentlicht (Trading with the enemy), Thomas Roeper hat ihn auf Anti-Spiegel übersetzt: “Wenn die Quellen von Hersh die Wahrheit sagen – und daran hat bei Recherchen von Hersh kaum jemand Zweifel -, dann ist die derzeitige US-Regierung noch konzeptloser als selbst Pessimisten annehmen konnten, was sogar die Gefahr eines (Atom-)Krieges mit Russland beinhaltet.”
Diese Konzeptlosigkeit könnte der Grund dafür sein, dass ein Whistleblower aus dem Pentagon über 100 ausgedruckte Dokumente geleakt hat, die seit einiger Zeit im Netz kursieren – auf Cryptome.org und anderen  Stellen können sie heruntergeladen werden. Aufgrund des Umfangs der Dokumente ist es unwahrscheinlich, dass es sich um Fälschungen handelt. Larry Johnson (Ex-CIA und State Department),  dazu:
“Angesichts der Diskrepanz zwischen dem, was Verteidigungsminister Austin und der Vorsitzende der Stabschefs Milley der Öffentlichkeit mitteilen, und den beunruhigenden Fakten, die in den durchgesickerten Dokumenten enthüllt werden, kann man davon ausgehen, dass jemand mit Zugangserlaubnis, der von den Lügen angewidert war, beschlossen hat, die Wahrheit zu sagen, ohne sich selbst zu erkennen zu geben.Einige haben behauptet, dass die Biden-Administration dieses Material durchgesickert hat, um Unterstützung für mehr Hilfe für die Ukraine zu gewinnen. Das ist lächerlich. Ein Teil des Top Secret-Materials, das im Internet kursiert, ist aufschlussreich und schädlich für die Beziehungen der USA zu einer Reihe von Ländern und Organisationen, wie Israel, Südkorea, der Ukraine und dem UN-Generalsekretär. Die Größe und das Ausmaß der undichten Stelle überzeugen mich davon, dass dies von jemandem getan wurde, der als Whistleblower agiert. Ich glaube, Lloyd Austin und Mark Milley channeln eine Art Leslie Nielson aus der “Naked Gun”.”
Eines der geleakten Papiere beziffert die Zahl der Verluste auf russischer Seite mit 16.000-17.500 und die der Ukraine mit 61.000-75.000 Soldaten, was deutlich realitätsnäher scheint, als die von General Milley im November genannten 100.000 KIA (Killed In Action) Russlands oder gar die Phantastiezahlen des ukrainischen Verteidgunsministeriums von über 180.000 getöteten russischen Kämpfern. Auch wenn wir erst nach dem Krieg erfahren werden, was an diesen Zahlen wirklich stimmt, zeigt die jetzt geleakte “Kill Ratio” von etwa 5:1 zugunsten Russlands, dass die Schätzungen von kriegserfahrenen US-Fachleuten wie Douglas McGregor (10:1) oder Scott Ritter (hier im Interview) (7:1) sehr viel realistischer sind als die triumphalistische Propaganda  aus Kiew oder Washington.

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3.JT #90 : Neue Nebelkerzen

Sensationelle Wendung im Nord Stream Drama: Putin war es doch! Oder jedenfalls wird uns das so erzählt. Wer hätte das gedacht? Außerdem: In Frankreich und Israel brennt die Luft – die Massen demonstrieren. Und Deutschland schnarcht nach einem Tag Warnstreik ruhig weiter, während der Querdenker Michael Ballweg offenbar in Stammheim endgelagert werden soll und andere Kritiker mit Diffamierungen überzogen werden. Und was gibt’s Neues von Julian Assange? Über all das und mehr berichten Robert Fleischer, Dirk Pohlmann und Mathias Bröckers in Das 3. Jahrtausend #90.

Notizen vom Ende der unipolaren Welt – 75

Larry Johnson – CIA und State Department-Veteran – schreibt zu diesem Bild und der gestern von den Präsidenten Xi und Putin in Moskau geschlossenen Allianz: “Dies ist ein entscheidender Wendepunkt. In der Welt, wie wir sie bisher kannten, werden die Vereinigten Staaten nicht mehr der Erste unter Gleichen sein. So wie der Zweite Weltkrieg das Ende des britischen Imperiums bedeutete, sind die heutigen Ereignisse in Moskau der Todesstoß für die Fähigkeit der Vereinigten Staaten, als Weltpolizist aufzutreten, der widerspenstigen Ländern seine Ordnung aufzwingt.”
Nach dem letzten Treffen der beiden Präsidenten am 4. Februar 2022 hatten sie in einer gemeinsamen Erklärung schon die neue “Ära der Multipolarität” ausgerufen…und jetzt gab es Brief und Siegel darauf:

“Als er am Dienstag den Staatsempfang im Kreml verließ, wandte sich der chinesische Präsident Xi Jinping an seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin und sagte, die Welt befinde sich in einem Wandel, “wie wir ihn seit 100 Jahren nicht mehr erlebt haben”. “Und wir sind diejenigen, die diese Veränderungen gemeinsam vorantreiben”, sagte er. “Ich stimme zu”, erwiderte Putin und schüttelte dem chinesischen Staatschef die Hand, wobei der Austausch von einer Kamera aufgezeichnet wurde.” (Yahoo News)

Unterdessen führt der Westen ein neues Meme in den Informationskrieg ein und spielt die Bedeutung dieses Pakts und seiner Macher herunter: Russland sei nicht mehr als der  Junior-Partner und Putin nur auf dem “Rücksitz” bei Chinas Fahrt zur neuen Weltordnung. Doch das ist – einmal mehr – eine illusionäre Fehleinschätzung der Realität, wie sie schon dem gesamtem Sanktionszirkus zugrunde liegt, zu dem ich hier am 21.Februar letzten Jahres schrieb:

“…der Grundgedanke, die Ökonomie eines rohstoffreichen und technologisch fortgeschrittenen Land wie Russland damit in die Knie zwingen zu können, ist falsch. Es hat seit 20 Jahren nicht einmal gegen den Iran funktioniert und Russland ist ein weitaus schwereres Kaliber – wenn man nicht nach dem BIP (Brutto-Inlands-Produkt) rechnet, in das auch wertlose Spekulationsgewinne und andere immateriellen “Werte” einfließen, sondern nach der realwirtschaftlich relevanteren Kaufkraftparität PPP (Purchasing Power Parity) ist es die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt. Derzeit knapp unter dem Level von Deutschland, doch wenn Habeck in “dienender Führungsrolle” des Imperiums so weitermacht, sehr bald schon größer.”

Mittlerweile ist klar, dass nicht nur die Stärke der russischen Ökonomie falsch eingeschätzt wurde, die 2022 trotz massiver Sanktionen nur 2% zurück ging, sondern auch der Rückschlag, den die Sanktionen für die G7-Länder vor allem in Europa mit sich bringen, die höhere Verluste und Inflationszahlen zu verbuchen haben als die Russen. Selbst die verrücktesten Sanktionisten haben inzwischen verstanden, dass zusätzliche “Pakete” hier keine Wende bringen, sondern weiter nach hinten losgehen – während die neue Seidenstraße, BRICS und die Eurasische Wirtschaftsunion mit China und Russland an der Spitze immer zügiger vorankommt. Und im globalen Handel – wiederum nach Kaufkraftparität gemessen – die G7 schon überholt hat. Scott Ritter schreibt dazu:

“Während die wirtschaftlichen Aussichten für die meisten BRICS-Länder auf ein starkes Wachstum in den kommenden Jahren hindeuten, verzeichnen die G7-Staaten – zum großen Teil aufgrund der selbst zugefügten Wunde, die die derzeitigen Sanktionen gegen Russland darstellen – ein langsames Wachstum oder, im Falle Großbritanniens, ein negatives Wachstum mit wenig Aussicht auf eine Umkehr dieses Trends.
Während die Mitgliederzahl der G7 stagniert, wächst die Zahl der BRICS-Mitglieder: Argentinien und der Iran haben Anträge gestellt, und andere wichtige regionale Wirtschaftsmächte wie Saudi-Arabien, die Türkei und Ägypten haben ihr Interesse an einem Beitritt bekundet. Die jüngste diplomatische Errungenschaft Chinas bei der Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Iran und Saudiarabien verleiht dieser potenziellen Erweiterung noch mehr Brisanz. Die schwindenden Aussichten auf eine anhaltende globale Vorherrschaft des US-Dollars in Verbindung mit dem wirtschaftlichen Potenzial der von Russland und China geförderten transeurasischen Wirtschaftsunion bringen die G7 und die BRICS auf gegensätzliche Pfade. In den kommenden Jahren dürften die BRICS die G7 in Bezug auf das tatsächliche BIP und nicht nur auf die Kaufkraftparitäten überholen. Aber warten Sie nicht darauf, dass Mainstream-Wirtschaftsanalysten zu diesem Schluss kommen.” (G7 vs BRICS — Off to the Races)

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Während somit die Operation “Russland ruinieren” (A.Baerbock)  definitiv zum Scheitern verurteilt ist und Europa langsam aber sicher in den Ruin führt, läuft es im militärischen Krieg für NATOstan kaum besser – anders lässt sich nicht erklären, dass man jetzt die Ukraine auch mit “schmutziger” Uranmunition beliefert. Dass solche “abgereicherten” Urangeschosse im Irak ein toxisches Erbe von Kindersterblichkeit und Krebserkrankungen hinterlassen haben, das “schlimmer als Hiroshima” war, ist für die Kriegsherrn in Washington und London kein Hindernis mehr – und für die FAZ nicht einmal “Aufregung” wert: das radioaktive Risiko sei schließlich – nach einer Studie der britischen Royal Society – nicht höher als das durch Rauchen! Na dann richten wir doch im Donbass ne kleine “Raucherecke” ein, auf dass außer den Soldaten auch Zivilisten und kommende Generationen noch was abkriegen. Wie krank muss man sein, um so etwas anzuordnen ? Frieder Wagner hat mit  Filmen und Büchern den “Todesstaub – Made in USA” und seinen Schrecken ausführlich dokumentiert, hier sein aktueller Artikel.

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Seit Seymour Hersh im Februar die erste plausible Recherche zur Nordstream-Sabotage vorgelegt hat ist der Pipeline-Terror endlich ein Thema – wenn nicht für Regierungen, Untersuchungskommissionen und Staatsanwälte, dann doch für die Medien und Propaganda-Outlets. Nachdem die Räuberpistole “Segelyacht mit Sprengstoffspuren und Reisepässen”, mit der “Zeit”, “SWR” und andere die Hersh-Untersuchung kontern wollten, ziemlich kläglich versickerte, legt jetzt “t-online” mit Militär und Mini-U-Booten nach, die nicht im Auftrag Biden unterwegs waren, sondern – you name it – Putin! Was ja eigentlich von Tag Eins an klar war. Wer baut sich schon für Milliarden eine Pipeline jagt sie dann selbst in die Luft ? Nur Russen können so verrückt  sein.

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Notizen vom Ende der unipolaren Welt – 74

Dass die Gesetze der Natur, der Logik und der Mathematik bei Terroranschlägen außer Kraft gesetzt werden können, ist spätestens seit dem 11. September 2001 bekannt, als Terroristen bekanntlich mit ZWEI Flugzeugen DREI Wolkenkratzer pulverisierten. Wenn das möglich ist – und so steht es zu 9/11  in jedem Lexikon – können natürlich auch ein paar Hobbytaucher zentnerweise Sprengstoff in 80 Metern Tiefe montieren und die Nordstream-Pipeline zerstören. Dass es so gelaufen  ist, hat die Welt aber nur erfahren, weil sie ihre gemietete Yacht unbesorgt und ungereinigt – mit Sprengstoffspuren am Klapptisch – zurückgegeben haben. Was militärischen Profis sicher nicht passieren würde, bei Unterwasserfreunden einer “pro-ukrainischen Gruppe” (New York Times) aber schon mal vorkommen kann. Und jetzt dank des nachweislich besten Ermittlers aller Zeiten – Kommissar Zufall – gerade noch rechtzeitig bekannt worden ist, um die Story von Seymour Hersh zu kontern, nach der us-amerikanische Dienste und ihre militärischen Spezialkäfte die Operation durchgeführt haben. Was sie “unter Freunden” gegenüber ihrem wichtigsten “Partner” in Europa selbstverständlich niemals tun würden. Fanatischen “Pro-Ukrainern” ist es aber jederzeit zuzutrauen, sie wollen den russischen Invasoren größtmöglichen Schaden zufügen. Warum sie dann aber eine ohnehin schon gestoppte Pipeline gewählt haben, und nicht eine der vielen anderen Röhren, über die Russland Öl und Gas in alle Welt verkauft, bleibt ein Rätsel. Ebenso wie die Frage, warum sie sich eine der tiefsten Stellen der Ostsee für ihre Aktion ausgesucht haben, obwohl sie auf dem kleinen Boot mit 75-PS-Hilfsmotor  keine Ausrüstung für so tiefe Tauchgänge (Dekompressionskammer) transportieren konnten; oder warum ein angeblich “pro-ukrainisches” Superteam beim Bootsverleih mit gefälschten Pässen angeblich “Spuren in die Ukraine” gelegt hat.  Dass die von den großen “Investigationsteams” der Großmedien zusammengestrickte Segelschiff-Story eine “False Flag” ist, ein Roter Hering,  mit dem Ablenkung und Verwirrung  gestiftet werden soll,  liegt nahe – ordentliche Beweise für die Geschichte sollte also niemand erwarten. Wahrscheinlicher ist, dass sich bei Sy Hersh noch weitere Whistleblower melden und er einen Bericht nachlegt…


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Jenseits der Scheingefechte im Krieg der Narrative fordert der reale Krieg täglich hunderte weitere Menschenleben, ein Waffenstillstand und Verhandlungen sind nicht in Sicht. Dass und warum ein Krieg für die Ukraine wegen der russischen Übermacht aussichtslos ist, habe ich in diesen Notizen immer wieder thematisiert, ebenso wie die illusionären Meldungen von einem militärischen “Sieg der Ukraine”. Langsam scheint das in den Medien durch zu sickern, die wie die Washington Post die Realität nicht länger leugnen können. Wenn – so  “El Pais” – die Feuerkraft der russischen Artillerie an der Front um Bakhmut 10:1 überlegen ist, müssen auch die Opferzahlen in einem ähnlichen Verhältnis stehen – ein überlebender US-Söldner berichtete gegenüber “Newsweek”, dass die durchschnittliche Überlebenszeit an der vordersten Frontlinie vier Stunden beträgt. Dass Erich Maria Remarques Anklage sinnlosen, barbarischen Abschlachtens (“Im Westen Nichts Neues”) gerade dank vier Oscars noch weltberühmter wird als ohnehin schon, macht einen Sinn, wenn sofort Verhandlungen beginnen und die Kämpfe beendet werden. Solche Filme anzuschauen und gleichzeitig von “Abnutzungskrieg” zu sprechen und Waffen zu liefern ist perverser Zynismus.

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Auch der Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen, der gegen Präsident Putin vom  Internationalen Strafgerichtshof ICC in den Den Haag erlassen wurde, würde Sinn machen, wenn dieses Gericht als neutrale Institution nicht nur für ausgewählte, sondern für alle Kriegsverbrecher zuständig wäre  – oder ihr zumindest die Auswahl  überlassen ist. Als das ICC sich die Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan vornehmen wollte, waren die “Ermittlungen” sehr schnell zu Ende und den Staatsanwälten wurde mit Sanktionen gedroht. Weil weder die USA noch Russland dieses Gericht anerkennen, haben weder Putin noch Biden oder Obama juristischen Konsequenzen zu fürchten, symbolisch aber hat sich das ICC mit diesem Haftbefehl einmal mehr blamiert, als Gericht einer “regelbasierten internationalen Ordnung”, deren Regel nichts anderes als der “Doppelstandard” ist. Denn wer als Kriegsverbrecher seit 1945 schon mehr als 20 Millionen Tote auf dem Gewissen hat, ohne dafür zur Verantwortung gezogen werden; und wo es ein Verbrechen ist,  als Whistleblower Kriegsverbrechen anzuzeigten ist leider bekannt. Der Haftbefehl gegen Putin – pünktlich zum 20. Jahrestag des US-Überfalls auf den Irak übrigens – ist nicht mehr als ein PR-Stunt.

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“Das russisch-chinesische  Joint Statement, das die Präsidenten Putin und Xi am 4. Februar 2022 unterzeichneten, hat nicht nur die militärische Allianz zweier Atommächte geschmiedet, sondern auch eine nie dagewesene Kooperation zwischen dem rohstoffreichsten und dem bevölkerungsreichsten Land der Erde. Dass dieser weltpolitisch höchst relevante Pakt den westlichen Medien kaum mehr als eine Kurzmeldung wert war, kann einmal mehr als Beispiel für exzeptionalistische Ignoranz und Arroganz des Imperiums gelten. Sollte China morgen in den Wirtschaftskrieg einsteigen und Sanktionen gegen die USA beschliessen, können Apple &Co. nichts mehr liefern, im Walmart bleiben 80% der Regale leer und  im Silicon Valley gehen die Computerchips aus, weil es für das Palladium und Neongas zur Herstellung von Halbleitern, Lasern etc.pp. aus  Russland keinen Ersatz gibt. So wie in Europa keinen schnellen Ersatz für russischen Stahl und unverzichtbare Mineralien, was die Produktion von Autos extrem verteuert, die sich aber wegen astronomischer Spritkosten mangels russischem Öl und Gas ohnehin kaum noch jemand leisten will. Willkommen im NATOstan-Krieg gegen  den Rohstoffriesen und den Produktionsriesen des Planeten – und bei der unschönen Aussicht, dass nordkoreanische Verhältnisse eher den abgehängten europäischen Kolonien des Imperiums blühen als den Russen und Chinesen.  Und dass der totale Wirtschaftskrieg, den NATOstan ausgerufen hat, genauso wenig zu gewinnen ist, wie der militärische Krieg in der Ukraine. Deshalb glaube ich, dass wir gerade das Ende der unipolaren Welt erleben, den Anfang vom Ende des “amerikanischen Jahrhunderts” und eines Reiches, das wie alle Imperien der Vergangenheit an Größenwahn und Überdehnung zu Grunde geht.”
So stand es hier vor einem Jahr (Notizen *3, 16.3.2022). In dieser Woche werden Xi und Putin in Moskau erneut zusammentreffen, ihre Kooperation vertiefen und weiter an der multipolaren Welt jenseits von NATOstan und der westlichen Finanzhegemonie bauen. Nachdem China mit der Installation und Moderation der Friedensverhandlungen zwischen Iran und Saudi-Arabien einen geopolitischen Coup sondergleichen landete, hat es gleichzeitig Schluss mit höflicher, asiatischer Zurückhaltung gemacht und gegenüber Washington die diplomatischen Samthandschuhe abgelegt. Ein Papier des chinesischen Außenministeriums vom 20. Februar (“Die US-Hegemonie und ihre Gefahren”) nimmt kein Blatt mehr vor den Mund, um den größten globalen Kriegstreiber anzuklagen, und Außenamtsspecherin Mao Ning antwortet auf Fragen von Reuters und Bloomberg in einem harschen Sound, der auf dem diplomatischen Parkett so aus China eigentlich noch nie ertönte. Gleichzeitig sorgen Chinas erfolgreiche diplomatische Züge auf dem geopolitischen Schachbrett im Mittleren Osten für Panik in Washington und London, dass es Peking gelingen könnte, Frieden zwischen Moskau und Kiew auf den Weg zu bringen.

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“Wie bei Corona, wie beim Ukrainekrieg, so verschwindet auch beim Thema Klimawandel jede Rationalität hinter einem hysterischen Notstandsmoralismus. Pausenlos erklärt man uns, die CO2-Emissionen würden in absehbarer Zeit die Erderwärmung auf über 2, wenn nicht gar 4 Grad anheben, mit katastrophalen Folgen für die Menschheit.

Sehr gerne vergisst man dabei, dass nur etwa 4 Prozent der jährlichen Emissionen den Menschen zu verdanken sind. Der Rest ist ganz natürlich und vor allem notwendig für das Leben auf Erden. Es wird behauptet, seit der Industrialisierung, also etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts, steige die Temperatur kontinuierlich. Übersehen wird dabei, dass trotz heftigen CO2-Ausstoßes Anfang des 20. Jahrhunderts die Temperatur zwei Jahrzehnte lang versunken ist. Und im Übrigen gab es in den letzten zwei Jahrtausenden mehrfach erhebliche Temperaturschwankungen.

Die Römer konnten in Sandalen über die Alpen marschieren, Gletscher gab es damals nicht. Und um das Jahr 1100 pflegten die Kölner im Sommer den Rhein trockenen Fußes zu überqueren.

Es gibt zahlreiche Erklärungen für den relativ geringfügigen Temperaturanstieg der letzten Jahrzehnte, doch für die herrschende Klimapolitik gibt es nur eine Erklärung: der menschengemachte CO2-Ausstoß. Und darauf fußen auch die Modellierungen, die eine erhebliche Erderwärmung in den nächsten Jahrzehnten prophezeien. Das sind aber reine Computersimulationen. Abgesehen davon, dass diese auf hochproblematischen Daten beruhen, gilt das globale Klima als ein derart komplexes Gebilde, dass es durch Modellierungen dieser Art nicht vorhergesagt werden kann. Das belegen Dutzende von entsprechenden Vorhersagen, die sämtlich nicht eingetroffen sind. Bleibt die Frage: Was will die herrschende Klimapolitik wirklich?”

Mit Walter van Rossum, dem Physiker Werner Bergholz und dem Wirtschaftsprofessor  Christian Kreiß habe ich auf Rubikon über die   Klima-Hysterie – und über die “Klimalügner” auf beiden Seiten – diskutiert

 

 

 

 

 

 


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Soeben erschienen:
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3.JT #89: Roter Hering

Endlich: Der Nord Stream Anschlag ist geklärt. Die Attentäter kamen nicht vom US-Geheimdienst, sondern aus der Ukraine. Kann das sein? Wir haben da unsere Zweifel. Außerdem: China macht Ernst – im Umgang mit den USA zieht Peking die Samthandschuhe aus. Worauf muss sich die Welt einstellen? Und: Die Pfizer-Akten: Ein Expertenteam hat freigeklagte interne Dokumente des Covid-Impfstoffherstellers analysiert und kommt zu erschreckenden Ergebnissen. Über all das und mehr berichten Robert Fleischer, Dirk Pohlmann und Mathias Bröckers in Das 3. Jahrtausend #89.

 
 
 
 

Notizen vom Ende der unipolaren Welt – 73

Dietrich Brüggemann hat über Twitter mal ein aktuelles Diskurskeulen-Bingo zur Verfügung gestellt, auf dem “umstritten” selbstverständlich nicht fehlen darf, denn es ist auf jeden anwendbar, den ein anderer nicht gut findet.  Argumente braucht es keine zum Umstrittensein. Streit ist ja oft genug einfach grundlos. Sobald jemand zu mir sagt: “Dein Buch ist schlecht” bin ich schon ein “umstrittener” Autor. “Umstritten” ist insofern die sanfteste Waffe im Arsenal der Keulen, mit dem Debatten beendet werden  – noch keine gelbe oder rote Karte, aber ein Abseitspfiff. Es kann, wie wir seit den Videoschiedsrichtern wissen, hauchdünn sein, aber Abseits ist nun mal Abseits und wird abgepfiffen. Anders als beim Kampf um den Ball stehen beim Kampf um Aussagen und Argumente die Regeln nicht so eindeutig fest, ähnlich wie bei der “regelbasierten internationalen Ordnung” gelten sie nicht für alle und für immer. “Querdenker” zum Beispiel, vor einigen Jahren in Job-Annoncen noch überall gesucht wo es um Innovation und Kreativität ging, sind mittlerweile ein klarer Fall für die gelbe Karte – ein weiterer ungerader  Gedanke reicht und  Zack: Rot! Platzverweis! In die Ecke zu den Nazis und Verschwörungirren.

 Im Fußball wurde der “Video-Schiedsrichter” eingeführt, um bei wichtigen Spielen “umstrittene” Szenen zu klären, im öffentlichen Diskursraum fällt diese Rolle neuerdings sogenannten “Faktencheckern” zu, eine Funktion, die es noch nicht gab, als ich bei Harry Pross im Publizistik-Seminar saß. Damals lernten wir, dass Journalisten ihre Fakten selbst checken und Zeitungen sie nicht in die Welt setzen, wenn sie nicht von mindestens zwei unabhängigen Quellen bestätigt sind.  Oder aber klar machen, dass es sich nicht um ein Faktum, eine bestätigte Tatsache, sondern um eine unverifizierte Behauptung handelt. Simple und klare Regeln, die einen “Faktencheck” überflüssig machen, weil der selbstverständlich integriert war. Beim “Spiegel” war man damals stolz auf die große “Dokumentationsabteilung”, die in jedem Artikel  Zahlen, Namen und Daten überprüfte und bisweilen auch noch mal bei der “Quelle” nachhorchten, ob das denn so stimmt, was der Reporter da berichtete. Damit ist es nicht erst seit Relotius  lange vorbei: Wenn das Narrativ stimmt, sind Fakten zweitrangig! Sie werden nur “gecheckt”, wenn sie der großen Erzählung zuwiderlaufen, die ihrerseits aber weitgehend faktenfrei daherkommen kann. Sie wird zur Tatsache, wenn sie ex cathedra, offiziell und von oben, auf allen Kanälen nur oft genug wiederholt wird. Und dafür gesorgt wird, dass Zweifel und Widerspruch – siehe Diskurskeulen- Bingo oben – unmöglich gemacht werden.
Wie man noch den Mund aufmachen und undiffamiert in den Frühling kommen kann, dafür hat Michael Andrick in der “Berliner Zeitung” dankenswerter Weise ein paar Handreichungen geliefert:

Fünf Merksätze reichten bei Redaktionsschluss aus, um nicht rechts zu sein:
1. Der russische Diktator will sein altes Reich zurück, das erklärt den Ukraine-Krieg erschöpfend.
2. Panzerlieferung an die nicht verbündete Ukraine ist gelebte Humanität und verkürzt ihren Krieg mit der 28-mal so großen, dreimal bevölkerungsstärkeren und dabei rohstoffreichsten Atommacht der Welt.
3. Wer für Verhandlungen statt Waffenlieferungen demonstriert, verlängert den Krieg und ist ein Feind der Demokratie.
4. Die Sanktionen ruinieren Russland, Europa aber überhaupt fast gar nicht.
5. Sagt Biden: „Wenn russische Truppen in die Ukraine einrücken, dann wird es keine Nord-Stream-2-Pipeline mehr geben. Wir werden sie dann beenden. Ich verspreche Ihnen, wir können das“ – und wird nach besagtem Einmarsch die Pipeline gesprengt, dann meint nur ein „Putin-Troll“, Biden hätte das angeordnet.

Mit einem von diesen Sätzen kommen Sie unbeschadet durch jede Debatte und sind auf jeden Fall klar auf der richtigen Seite.

Unterdessen haben ARD-“Faktenchecker” eine neue heiße Spur zur Nordstream-Sabotage aufgetan. Nachdem man zuvor in Seymour Heshs Recherche, der die Täter im US-Militär  geortet hat,  “Pflanzensprengstoff” hinein getextet hatte, um sie zu diskreditieren,  sollen jetzt Spuren von “Sprengstoff” auf einer Yacht, die angeblich zum Anbringen der Sprengsätze benutzt wurde, auf Täter in der Ukraine deuten.  Das sollen Recherchen von ARD-Hauptstadtstudio, des ARD-Politikmagazins Kontraste, des SWR und der „Zeit“ ergeben haben, die sich auf  unbenannte “Geheimdienstquellen”  und “Ermittler” stützen. Zeitgleich behauptet die  “New York Times”, unter Berufung auf  anonyme “US-Officials” und “Geheimdiensterkenntnisse”, dass eine unbekannte  “pro-ukrainische Gruppe”  hinter dem Anschlag stehen soll. Toll! Nachdem man vier Wochen lang in allen Großmedien die detailreichen Enthüllungen des legendären Reporters ignoriert oder diffamiert hat, kommt man jetzt mit mysteriösen “pro-ukrainischen Gruppen”  und einem vagen Sprengstoff, der schon von Weitem nach “roter Hering” riecht. Denn – Fasten Your Seatbelt ! – es wurden, so das ZDF, auch  “Reissepässe gefunden”! “Professionelle Fälschungen”, die bei der Anmietung der “Sabotage-Yacht” (Focus) zum Einsatz kamen, die diesmal aber nicht auf “Putin” und böse Russen und auch nicht auf “Islamisten” in ihren fliegenden Kisten, sondern auf “ukrainische Täter” schließen lassen. Ja sowas aber auch. Doch wenn NYT, ARD, ZDF & Co. übereinstimmend berichten, muss jetzt ja wohl was dran sein, zumal  – Tusch! – “unabhängige Faktenchecker” (Focus)  ja schon auf “Ungereimtheiten” bei Seymour Hersh hingewiesen haben.
Dass eine lustige Seefahrt aus  Rostock in der mit Argusaugen überwachten Ostsee bis dato unbemerkt geblieben ist und zwei “pro-ukrainische” Taucher und zwei Assistenten hunderte Kilo Sprengstoff  in 90 Meter Tiefe montieren haben, reimt sich freilich noch viel weniger. Beziehungsweise nur wenn sie – siehe oben – oft genug auf allen Kanälen wiederholt wird. Dann kann die Story sogar frei erfunden sein – und erfüllt ihren Zwecke: “muddying the waters” – das Wasser verschlammen – wie die Amerikaner sagen, den Blick zu trüben, die (von Hersh eröffnete) Perspektive zu ändern, zu verwirren. Dass es sich darüber hinaus wie Thomas Röper vermutet, bei dieser Show außerdem um die PR-Vorbereitung einer Exit-Strategie aus dem Ukraine-Debakel handeln könnte – die Scholz bei seinem merkwürdigen Blitzbesuch von Biden gesteckt wurde – ist naheliegend. Und auch, was Bernhard auf MoonOfAlabama dazu schreibt:
“Was wir hier sehen, ist eine Desinformationskampagne, die mit der Skripal-Affäre in Großbritannien vergleichbar ist. Im Anschluss daran wurden Dutzende von “offiziellen Angaben” veröffentlicht, die alle noch unlogischer und unglaubwürdiger waren als die vorherigen.(…)
Ich bin mir ziemlich sicher, dass bald mehr über die wahren Täter des Nord Stream-Anschlags bekannt werden wird. Dieses plötzliche Schleudern von “Officials say ” Spreu, einen Monat nach der Hersh-Geschichte, ist ein Versuch, präventiv davon abzulenken.”
In der kommenden 89. Folge des “3. Jahrtausend”  habe ich mit den Kollegen Fleischer und Pohlmann ausführlich darüber gesprochen.

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Notizen vom Ende der unipolaren Welt -72

Der Krieg in der Ukraine geht bald ins zehnte Jahr. Hinweise auf seinen gewalttätigen Beginn, die Bürgerproteste gegen die Putsch-Regierung in Kiew, die Rathaus-Besetzungen im Osten des Landes und das achtjährige Bombardement der Donbass-Region gelten freilich mittlerweile als Feindpropaganda, Werteverrat und Unmoral. Nur ohne historischen Kontext kann das Narrativ vom “unprovozierten russischen Angriffskrieg” funktionieren, nur so kann die Eindeutigkeit von  Gute und Böse weiter simuliert werden.
“Mit uns oder mit den Terroristen! ” hatte George W.Bush nach dem 11.September 2001 als Parole ausgegeben und sie gilt auch heute wieder: Wer keine Waffen liefern will, ist für die Russen, wer Verhandlungen fordert Putin-Fan und wer mit Rot-Grün-Schwarz-Gelb nicht kriegsbesoffen rumgrölt,  ist “rechtsoffen”.
Diese Vokabel war zu dem Friedensmanifest von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer immer wieder zu hören, wobei  links-geschlossene Stammtische bewusst offen lassen, was sie eigentlich damit meinen: AfD? Reichsbürger? Antisemiten ? Irgendwas in der Richtung. Der “Tagesschau”-Reporter  im Bild bringt atemlos noch ein paar mehr unter. Echte Nazis sind aber wohl nicht gemeint, denn die sollen in Gestalt der ukrainischen Asow-Brigaden ja weiter bewaffnet werden, und gegenüber Neo-Nazis wie dem Bandera-Jünger Melnyk ist man “solidarisch” ebenfalls sehr offen. Und gegen den Ex-Komiker, Oligarchen-Zögling und US-Satrappen Zelensky  der gerade 20 Millionen russischsprachige Bücher aus den Bibliotheken entfernen lässt, gegen diesen “Freiheitshelden” haben die  Freunde von Diversity und “Demokratie”  schon gar nichts einzuwenden.

Schon bei Ernst Jandl wurden ja  Rinks und Lechts gerne mal verwechselt, mittlerweile aber geht es derart durcheinander, dass nur noch “Querfront” gebellt wird, womit dann alles gemeint ist, was der “Einheitsfront” widerspricht. Dass die mediale Gleichschaltung zur Simulation  einer solchen “Einheit” funktioniert, hatte die Desinfektion des Meinungskorridors während der “Pandemie” schon gezeigt: wer mit Panikorchestern in Permanenz Schrecken verbreitet, kann die Masse nicht nur formieren, sondern sogar eine Art kollektives Stockholmsyndrom erzeugen, bei dem die Geiseln – die eingesperrten, ihrer Freiheit beraubten Bürger – mit den Geiselnehmern sympathisieren. Diese von fundamentaler Angst getriebene “Identifikation mit dem Aggressor” scheint auch jetzt wieder  irgendwie am Werk, wo Deutschland es demütig hinnimmt, dass seine wichtigste Energieader von den amerikanischen “Freunden” gesprengt wird. Die multimedialen Panikorchester haben den aktuellen Staats-und Menschheitsfeind Nr. 1 erfolgreich transformiert, vom Killervirus zum Killerrussen – sodass jedwede “Maßnahme” akzeptiert wird, sei sie auch noch so irrational und willkürlich, und jede Kritik, und sei sie noch so vernünftig und fundiert, als “amoralisch” , “unsolidiarisch”, “staatsfeindlich” gebrandmarkt wird.

Jimmy Dore hat in seiner Show gerade das Bild (eines unbenannten Künstlers) gezeigt, das die Situation treffend illustriert: wer nicht auf den Mainstream-Screen glotzt, den Kopf hebt und den Mund aufmacht, wird abrasiert.  So wie der großartige  Natural Born Hempster,  Woody Harrelson, für seinen Rant in “Saturday Night Live” über das weltgrößte “Drogenkartell”, das alle Medien und alle Politiker gekauft und die Leute nur noch aus dem Haus lässt, wenn sie den Stoff des Kartells kaufen. Oder Jimmy Dore selbst, der als “Linker” in der Sendung des “rechten” Tucker Carlson zum Ukraine-Krieg und der Nordstream-Sprengung Klartext redete. Oder wie Pink-Floyd-Veteran Roger Waters, der in Frankfurt gecancelt wird; oder wie Daniele Ganser, oder wie Ulrike Guerot….
Dass in Russland  bei der Meinungs,-und Pressefreiheit einiges im Argen liegt, ist bekannt; dass die Ukraine in Sachen “Sprachpolizei” völlig durchknallt, und außer Büchern auch Denkmäler von Dichtern wie Puschkin oder Michail Bulgakow entfernt, keine große Überraschung – voran in der kultur-stalinistischen Barbarei aber schreitet der “freie” Westen, wo bei Bertelsmann/Random House jetzt die weltbekannten Kinderbücher von Roald Dahl geschändet werden. Weil durch  die Worte “weiß” oder “schwarz” oder “fett” jemand gekränkt/verletzt/beleidigt fühlen könnte.

Aber, wie CJ Hopkins  (The War on Insensitity) richtig feststellt:

“Die Roald-Dahl-Geschichte wird als eine “Woke/Anti-Woke”-Kulturkriegsgeschichte dargestellt. Das ist sie nicht. Und sie ist keine Anomalie. Sie ist Teil und Bestandteil des neuen globalen kapitalistischen Totalitarismus…. Das gesamte “Wokeness”-Phänomen ist es. Die global-kapitalistischen Kulturrevolutionäre machen überall Jagd auf “Unsensibilität”. In der Kunst, in Schulen, in Fernsehsendungen, in Filmen, in den sozialen Medien und so weiter. “Unsensibilität” ist jede Form der Abweichung von der global-kapitalistischen Ideologie, unabhängig davon, wo sie auf dem linken/rechten Spektrum angesiedelt ist.

WTF oder auf gut Deutsch: Was soll der Scheiss? Gibt es nicht Wichtigeres, als den Meinungskorridor immer weiter zu kärchern, bis er vollkommen sterilisiert ist ? Hopkins führt das darauf zurück, dass “…der “Demokratie” (d. h. dem Kapitalismus)  die “despotischen” Werte aus(gehen), die sie ausrotten und von denen sie uns  “befreien” kann”:

 Es gibt immer noch viele westliche Verbraucher, die die “Demokratie” nicht vollständig angenommen haben und sich an alte “despotische” Werte klammern … rassistische Werte, religiöse Werte, nativistische Werte, fremdenfeindliche Werte, homophobe Werte, transphobe Werte, kulturelle und künstlerische Werte, ableistische Werte, alloistische Werte, Shadowismus, Lookismus, Ethnozentrismus, Cisgenderismus, Antisemitismus, Hurrapatriotismus, Sexismus, Größenwahn, Geisteskrankheit … die Liste geht weiter und weiter und weiter. Die Demokratie (d. h. der globale Kapitalismus) wird nicht eher ruhen, bis sie die Gesellschaft (d. h. den globalen Markt) von diesen hässlichen, zerstörerischen, despotischen Werten gesäubert hat und einen weltweiten “Verhaltenskodex” (wie ihn die meisten globalen Unternehmen haben) mit allgemeingültigen “Anti-Hate-Speech-Regeln” und “angemessenem Vokabular”-Listen eingeführt hat und jedes sichtbare Symbol dieser despotischen Werte aus der Öffentlichkeit und alle Hinweise darauf aus den Lehrplänen der Schulen getilgt hat und die Menschheit ansonsten in eine Masse von hyperkonformistischen Konsumenten verwandelt hat, die alle wie Models in einer Benetton-Werbung aussehen und wie Kundendienstmitarbeiter reden.”

So sieht es jetzt aus im ultra-konformen Westen:  Kampfpanzer und Munition sind okay, aber vor der Lektüre von Tolstois “Krieg und Frieden” muss gewarnt werden: könnte verletzend sein.

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Notizen vom Ende der unipolaren Welt – 71

“Eigentlich ist der 2.Weltkrieg noch nicht zu Ende,  wir hatten nur seit 1945 einen Waffenstillstand.” Als diese Bemerkung unlängst in einer Runde fiel, hatten wir  nicht weiter darüber gesprochen, als ich später darüber nachdachte schien mir die Perspektive aber gar nicht  so falsch. Nicht zufällig wurde diese lange Waffenstillstandsphase  “Kalter Krieg” genannt, denn ein Krieg war es ja durchaus, nur dass man entlang der Frontlinie und ihren Hotspots wie der Berliner Mauer nicht mehr dauernd herumfeuerte. Dank der vernünftigen Außenpolitik von Willy Brandt und Egon Bahr (“Wandel durch Annäherung”) waren für  die eingeschlossenen Westberliner bald auch gefahrloser Transit und Besuche im “Feindesland” gegen Eintrittsgeld (“Zwangsumtausch”) möglich;  und dank Gorbatschow konnte dann 1989 die gesamte Front begradigt und die Grenze abgeschafft werden.

Ein “Weltfrieden” war damals greifbar nahe, aber das US-Imperium hatte leider andere Pläne. Ein Friedensvertrag zwischen Deutschland und Russland wurde nicht geschlossen, stattdessen die osteuropäischen Länder in Windeseile mit Geld und EU-Beitritt geködert, um sie dann zwecks Fortsetzung des Kriegs zu  NATO- Frontstaaten aufzurüsten. Bis Russland vor einem Jahr diesen Vormarsch mit seiner “Speziellen Militäroperation” in der Ukraine stoppte. Seitdem geht an  der neuen Frontlinie in der Ostukraine der Krieg weiter. Und wie vor 100 Jahren, als die anglo-amerikanischen Eliten zuerst Mussolini und dann Hitler finanzierten und förderten, um sie gegen die Sowjetunion in Stellung zu bringen – und militärisch erst nach vier Jahren Krieg ernsthaft eingriffen, weil die Rote Armee sonst bis zum Rhein durchmarschiert wäre – werden auch jetzt wieder Vasallen in die Schlacht gehetzt. Anders als damals stehen sich aber im Hintergrund zwei Atommächte mit dem Potential globaler nuklearer Zerstörung gegenüber, sodass es, denke ich, zu einem finalen Showdown nicht kommen wird, weshalb das Artillerie-Gemetzel in der Ukraine dann auch eher wie die “Stahlgewitter” im Ersten Weltkrieg anmutet. Wobei die aktuelle anti-russische Koalition des kollektiven Westens sogar noch auf das Jahr 1901 zurückgeht, wie wir schon im letzten April hier (Notizen # 18) anhand der Grafik des US-Satiremagazins “Puck” notiert hatten. Mit dem Hinweis, dass sich heute nicht mehr blanker Säbel und Gewehre gegenüberstehen, sondern der Bär über mindestens gleichwertige, wenn nicht sogar überlegene Waffen verfügt. Doch nach wie vor gibt sich der kollektive Westen der Illusion hin, Russland auf dem Schlachtfeld besiegen zu können, wenn man nur noch ein paar Panzer mehr liefert – bis auch der letzte Ukrainer sein Leben gelassen hat. Und dann ?

Da Wladimir Putin in seiner jüngsten Rede das “NEW START”-Abkommen zur Begrenzung strategischer  Atomwaffen gekündigt (UPDATE: suspendiert, d.h.ausgesetzt ) hat und somit nach den seitens der USA gekündigten Verträgen – dem ABM (Anti-Ballistsic-Missile)-Vertrag 2002 von George W. Bush und dem INF (Intermediate-Range Nuclear Forces)-Vertrag 2019 von Donald Trump – die wichtigsten Abkommen zur Vermeidung nuklearer Kriege außer Kraft sind, ist die Welt einer atomaren Apokalypse – der Gefahr, dass angesichts der unausweichlichen  Niederlage auf dem Schlachtfeld ein Dr.Strangelove den roten Knopf drückt – fraglos ein Stück näher gekommen. Und man kann nur hoffen, dass die Verrückten von den roten Knöpfen ferngehalten und rechtzeitig von freundlichen Pflegern in weißen Kitteln in die Psychiatrie geschafft werden können; und dass M.A.D. (Mutually Assured Destruction) – die gegenseitige sichere Vernichtung –  als Drohung in der Luft bleibt und nicht real wird. Was indes bedeutet: das mörderische “Stahlgewitter”, der Bodenkrieg in der Ukraine, wird weiter gehen – und je mehr weiterreichende Waffen und Raketen der Westen anliefert, desto weiter wird dann auch Russland feuern.

Mit den Gesprächen des chinesischen Außenministers Wang Yi in dieser Woche in Moskau und dem angekündigten Besuch des Präsidenten Xi werden Russland und China ökonomisch und militärisch noch enger zusammenrücken als bisher. Dass aus dem Pentagon  sofort Drohungen von “Konsequenzen” kamen, falls China Waffen an die Russen liefern sollte, zeigt nur einmal mehr die Hybris und Arroganz des Imperiums, dem Rest der Welt Vorschriften zu machen, welche Waren oder Waffen wem geliefert werden dürfen. Und mit wem man über Handelsverträge hinaus auch gegenseitige Verteidigungsbündnisse schließen darf. Letzteres – ein Verteidigungspakt  zwischen Russland und China – könnte beim Gipfeltreffen von Xi und Putin möglicherweise  schon auf der Tagesordnung stehen. Damit wäre der über ein Jahrhundert alte Alptraum der anglo-amerikanischen Geopolitiker von Mackinder bis Breszinski Realität und der aktuelle NeoCon-Plan, zuerst Russland zu zerschlagen, um dann gegen den Endgegner China vorzugehen, definitiv Makulatur. Schon jetzt ist NATOstan mit dem regionalen Konflikt im Donbass ziemlich überfordert, obwohl Russland nur einen Bruchteil seiner Streitkräfte und Feuerkraft eingesetzt hat. Wenn da jetzt – im Ernstfall – auch noch der chineschische Drache dem Bären Rückendeckung bietet, ist jedes militärische Vorgehen gegen diese Koalition ein Selbstmordkommando.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Wang Wenbin sparte auf einer Presskonferenz nicht mit Klartext zur Sache (übersetzt mit deepl.com):

CCTV: Die USA sind besorgt, weil China und Russland eine gemeinsame Vision haben, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums Ned Price. Was ist Ihr Kommentar? 

Wang Wenbin: Die Beziehungen zwischen China und Russland beruhen auf der Grundlage der Blockfreiheit, der Nicht-Konfrontation und der Nicht-Zielgerichtetheit auf eine dritte Partei. Sie sind ein Faktor, der dem Weltfrieden und der Stabilität förderlich ist und keinen Anlass zur Sorge gibt. Wirklich besorgniserregend ist die zerstörerische Rolle, die die USA für den Frieden und die Stabilität in der Welt gespielt haben.

Die USA sind der Kriegstreiber Nr. 1 in der Welt. In ihrer mehr als 240-jährigen Geschichte waren die USA nur 16 Jahre lang nicht im Krieg. Die USA waren für etwa 80 Prozent aller bewaffneten Konflikte nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich.

Die USA sind auch die Nummer eins bei der Verletzung der Souveränität und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder. Berichten zufolge haben die USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs versucht, mehr als 50 ausländische Regierungen zu unterwandern, sich in mindestens 30 Ländern grob in Wahlen eingemischt und auf mehr als 50 ausländische Staatsoberhäupter ein Attentat verübt.
(…) Solange der Hegemonismus und die Kriegstreiberei der USA fortbestehen, wird der Rest der Welt kaum den Frieden bekommen, den er verdient.

Auch auf die letzte Frage von “Reuters” – “Das Wall Street Journal berichtete, dass die Regierung Biden möglicherweise Geheimdienstinformationen veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass China überlegt, ob es Waffen zur Unterstützung des russischen Krieges in der Ukraine liefern soll. Was sagt China dazu? – brachte Herr Wang seine Antwort sehr gut auf den Punkt:

Apropos Veröffentlichung geheimer Informationen: Die USA könnten Informationen über die Wahrheit hinter der Nord-Stream-Explosion veröffentlichen. Wir hoffen, dass die USA so schnell wie möglich eine ernsthafte und verantwortungsvolle Antwort auf die Enthüllungen geben werden, anstatt sich darüber hinwegzusetzen.

Nach dem Einmarsch vor einem Jahr hatte ich hier zehn Gründe notiert, warum ich noch immer Putinversteher bin. Damals ging ich davon aus, dass die “Militäroperation” in kurzer Zeit beendet sein wird und es zu Verhandlungen kommt, zu denen sowohl Kiew wie auch Moskau auch bereit waren. Schließlich hatte Zelensky bei den Wahlen eine große Mehrheit gewonnen, weil er sich explizit für Frieden und eine Einigung mit den Donbass-Regionen aussprach und auch Russland hatte sich acht Jahre lang  engagiert, eine interne Einigung voranzubringen und die offizielle Anerkennung der selbsternannten Republiken verweigert. Dass es nicht schon nach den ersten Tagen und Wochen zu Friedensverhandlungen kam, lag nicht an dem ukrainischen Ex-Komiker und auch nicht an dem Ultrabösen im Kreml – hauptverantwortlich und federführend für die Fortsetzung und Eskalation des Krieges waren ein  struppiger Ex-Journalist in London und eine Wander-Mumie in  Washington: Boris Johnson und Joe Biden. Sie zogen Europa am Nasenring in den Konflikt – außer Polen und den baltischen Giftzwergen wollte anfangs eigentlich keiner wirklich mitziehen, Deutschland unter Scholz galt als Wackelkandidat und wurde dann per Nordstream-Sprengung an die Kandare genommen und die Propaganda – Wurlitzer in den Turbomodus überführt.

Wieder ganz ganz vorn beim Boostern von Bellizismus und Gewalt ist das ehemalige Nachrichtenmagazin, dem sich Jens Berger jetzt mal einen Tag lang ausgesetzt hat: “Ein Tag mit SPIEGEL Online – die totale Meinungsmache ist möglich”:
Wenn Sie diesen Text lesen, sind Sie wahrscheinlich ein „Friedensschwurbler“, „Vulgärpazifist“, „Rechts- oder Linksnationalist“, „Putin-Fan“, „Russland-Romantiker“, „Illiberaler“, „Propagandaopfer“, „Verschwörungstheoretiker“ oder „schlicht realitätsavers“, „selbstbesoffen“ und „egoistisch“. So tituliert zumindest der SPIEGEL-Kolumnist Sascha Lobo diejenigen, die sich
Verhandlungen und Frieden für die Ukraine wünschen.”

Ob Lobotomie angewendet werden kann um bei solchen Pre$Stitutes irgendein Restgehirn einzuschalten, ist unbekannt, sicher ist nur, dass das Niveau unter Bordsteinkante in der Gosse liegt und unsere sogenannten Qualitätsmedien mittlerweile was Russen betrifft im “Stürmer”-Sound tönen. Die “Zeit” veröffentlicht zum 80. Jahrestag der berüchtigten Goebbels Rede im Sportpalast am 18.Februar einen Gastbeitrag mit dem Titel “Ich wünsche mir einen totalen Sieg” und die Instanz Jürgen Habermas – noch gelobt, weil er in Sachen Covid vom Krieg “Species gegen Species” irrlichterte und den Ausnahmezustand rechtfertigte – wird nun gebasht und gecancelt, weil er zu Verhandlungen aufruft.  Dass in Deutschland  geächtet wird, wer nicht zu den Waffen ruft und zum Krieg bläst, konnte ich mir nicht vorstellen. Der 2. Weltkrieg ist offenbar tasächlich noch nicht zu Ende…

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