Kritik der Kritiker und Widerlegung der “Widerlegungen”
Ein Nachwort aus aktuellem Anlass – zur 8. Auflage von “Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9.” (Dezember 2003)
Achtung! Sie halten hier ein Buch in Händen, das überwiegend eine schlechte Presse hatte. Genauer: das in der Presse fast durchweg gnadenlos verrissen worden ist. Bild machte es knackig: »Absurd! Irre! Krank!« Die Zeit lieferte gehobenen Feuilletonschwurbel: »pervertierte Schwundform von Theodizee«. In allen Tonlagen erhob sich eine Litanei wüster Diffamierungen, die uns wochenlang in den Ohren schepperte.[1]
Für die Heftigkeit dieser Attacken kann es nur zwei Gründe geben. Entweder sind wir wirklich die »Verschwörungstheoretiker«, »Verrückten« und »Paranoiker«, als die wir denunziert wurden. Oder unsere Kritiker fühlen sich durch unser Buch an einem wunden Punkt getroffen, was sie dadurch zu bemänteln versuchten, dass sie uns lauthals an den Pranger stellten.
Klar doch, dass wir eher der zweiten Alternative zuneigen. Nicht einfach deshalb, weil wir noch nie an Wahnvorstellungen gelitten und erklärtermaßen gar nicht an irgendwelchen Verschwörungstheorien gestrickt haben. Sondern auch darum, weil der fast einhellige Aufschrei des Entsetzens so seltsam hohl klingt. Denn auf die von uns präsentierten Fakten, Argumente und Belege wird weiter nicht eingegangen. Allein unser Ansinnen, an der sakrosankten Standardversion des 11.9. zu rütteln, die Vor- und die Nachgeschichte dieser furchtbaren Anschläge auf teils verschwiegene, teils schreiende Widersprüche hin abzuklopfen, reicht offensichtlich schon aus, einen blinden Abwehrzauber zu provozieren. Das sieht auch Karin Beindorff so. In ihrer Rezension im Deutschlandfunk stellte sie fest:
»Die lautstärksten und ausfälligsten Kritiker dieser Schlussfolgerungen [unseres Buches; M.B.] sind nun ausgerechnet die, die sich besonders gerne etwas auf ihre investigative Arbeit zugute halten, allen voran der Spiegel, das einst so kritische Fernsehmagazin ›Panorama‹ und der Enthüllungsguru Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung. Sie, und fast alle anderen auch, haben seit dem 11. September in seltsamer Übereinstimmung die amtliche Verschwörungstheorie vom Drahtzieher Osama Bin Laden weitgehend ungeprüft kolportiert und sind den tatsächlichen Ungereimtheiten nicht mit der in anderen Fällen an den Tag gelegten Verve nachgegangen. Der Spiegel hat sogar ein (allerdings weniger gut verkauftes) 9/11-Buch herausgebracht, in dem der Eindruck erweckt wird, die Reporter seien in jeder Sekunde dabei gewesen. Es scheint, als fühle man sich nun in diesen Redaktionsstuben von Bröckers, Hauß und Co. auf den Schlips getreten, weil bei der Missachtung journalistischer Grundregeln ertappt.«[2]
Und auch die honorige Neue Zürcher Zeitung, die ansonsten mit unserem Buch sachlich-kritisch ins Gericht ging, sah sich immerhin bemüßigt, sich und dem Rest der Medienwelt ins Pflichtenheft zu schreiben:
»Der 11. September 2001 ist auch ein GAU für die Glaubwürdigkeit der Medien … Die rasende Konfusion, die sich zurzeit in allen möglichen Teilöffentlichkeiten ausbreitet, ist wohl nicht mehr durch simples Totschweigen und Ignorieren zu stoppen, sondern nur durch die publizistische Anstrengung, gegen den Amoklauf einer entfesselten konstruktivistischen Phantasie mit den Mitteln professioneller Publizistik die Spuren der Wirklichkeit zu verfolgen. Auch zwei Jahre nach der Katastrophe vom 11. September gibt es da noch Herausforderungen genug.«[3]
Genau das ist der Grund, warum wir unser Buch geschrieben und veröffentlicht haben: Wir sind davon überzeugt, dass die offizielle Version des Tathergangs nicht stimmen kann. Wenn Sie sich noch einmal in Erinnerung rufen wollen, wie diese Version lautet – und zwar seit dem 12.9.2001 bis auf den heutigen Tag –, dann blättern Sie S. 19 in diesem Buch auf und lesen Sie unser kurzes Kapitel »Die große Erzählung von Osama und den 19 Räubern«. Wir gehen also davon aus, dass diese Geschichte eine Legende ist und von Ungereimtheiten nur so strotzt. Die größte aller jüngeren Verschwörungstheorien ist irgendwo in den arbeitsteiligen Tiefen des US-amerikanischen Regierungsapparates ausgeheckt, von CNN kanonisiert und seither von den Weltbilddeutern der internationalen Medienmacht nachgebetet worden.
Im Klartext: Dass sich die ganze Geschichte so abgespielt hat wie behauptet, ist überaus fraglich, und ob die vermeintlichen auch die tatsächlichen Täter waren, ist ungewiss. Bis heute liegen keine gerichtstauglichen Beweise für die Täter und Hintermänner der Anschläge vor, und die Ermittlung der wahren »Realität« des 11.9. wird von der Bush-Regierung systematisch blockiert. Der Massenmord, der 3000 Menschen das Leben kostete und zum Fanal zweier Kriege wurde, ist nach wie vor weitestgehend ungeklärt.
Auch wir wissen nicht, wie und wer es war. Aber wir bieten – ganz im Gegensatz zu dem, was uns reflexhaft vorgeworfen worden ist – überhaupt keine Verschwörungstheorien an. Es geht in diesem Buch nur um das, was auf dem Deckel steht: um Fakten, Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9. Wir blenden auch – wiederum anders, als man es uns vorgehalten hat – überhaupt keine Wirklichkeitspartikel aus, wir setzen bloß aus ganz unterschiedlichen Informationen ein anderes Realitätspuzzle zusammen, aus dem wir anschließend Schlüsse ziehen und Fragen ableiten.
Warum unterstellen uns unsere Kritiker dann Motive und Argumentationen, die wir weder haben noch vertreten? Weil das der müheloseste Weg ist, sich nicht mit uns auseinandersetzen zu müssen, sondern uns im Vorfeld abzuwimmeln. Und weil sie nicht genau hingucken. Wenn ich unsere Erkenntnisse auf dem Podium einer Veranstaltung vertrete, in dessen Auditorium unter Hunderten auch das ehemalige RAF- und jetzige NPD-Mitglied Horst Mahler sitzt, dann avanciere ich schon zum Herold der Rechtsextremisten wider Willen. So einfach geht das – mitgefangen, mitgehangen. Kommt hinzu, dass unser Buch nicht das einzige zum Thema ist. Etwa zeitgleich veröffentlichten Andreas von Bülow seinen Titel Die CIA und der 11. September und Gerhard Wisnewski seine Operation 9/11. Beide Autoren haben völlig unabhängig von uns gearbeitet und gehen auch mit ihren Thesen viel weiter als wir. So behauptet von Bülow etwa eine zusätzliche Sprengung der Türme des World Trade Center, und für Wisnewski ist es ausgemachte Sache, dass die vier entführten Flugzeuge gegen getarnte Marschflugkörper ausgetauscht worden, die dann in die Ziele eingeschlagen sind. Für die Rezensenten bot es sich natürlich an, alle drei Bücher in Sammelbesprechungen abzuhandeln, und da wurden sie dann munter in einen Topf geworfen und bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. So mussten wir eben herhalten für Spekulationen und Mutmaßungen, die überhaupt nicht unsere Sache sind.
Den Kammerton gab dabei ausgerechnet ein Kollege vor, von dem wir das am allerwenigsten erwartet hätten: der hoch geschätzte Hans Leyendecker, eine Koryphäe des investigativen Journalismus. Sein Artikel in der Süddeutschen Zeitung ist der Inbegriff faktenfreier Beschimpfung:
»Aber es ist schon Chuzpe, dass Leute wie der Journalist Bröckers über Medien räsonieren, die angeblich nicht die Wahrheit erkunden wollten. Die etablierten Medien werden von Verschwörungstheoretikern ignoriert, denn die etablierten Medien – und so natürlich auch die Süddeutsche Zeitung oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung – befinden sich entweder in der Hand der Geheimdienste oder gar der Weltregierung. (Schade, dass weder Geheimdienste noch Weltregierung in der Lage waren, die allgemeine Anzeigenkrise zu verhindern, die sie aber andererseits zuvor vermutlich selbst erfunden hatten, nicht wahr?) …
Verschwörungstheoretiker beziehen sich auf Verschwörungstheoretiker, und daraus wird dann eine Quelle … Die Verschwörungs-Junkies schaffen sich so ihre eigene Wirklichkeit …
Argumentative Schwindler wie Bröckers, Bülow oder der scheinheilige (Michael) Moore sind soziologisches Lackmuspapier. Es lassen sich an ihnen die Auffälligkeiten einer Gesellschaft erkennen. 19 Prozent der Bundesbürger halten es nach einer Forsa-Umfrage für möglich, dass die US-Regierung die Terroranschläge in Auftrag gegeben hat. Ist jeder fünfte Deutsche gaga? Sogar 31 Prozent der unter 30-Jährigen glauben an die ganz, ganz große Konspiration.«[4]
Einspruch, Euer Ehren: Wir haben die etablierten Medien mitnichten ignoriert. Wer unser Quellenverzeichnis studiert, wird finden, dass unsere Belege zum überwiegenden Teil eben solchen Medien entstammen. Deshalb auch schaffen wir uns keine eigene Wirklichkeit, sondern bürsten bloß eine hegemoniale Sicht der Dinge, die sich als Wirklichkeit ausgibt, gegen den Strich.
Auch die Belege für die Zweifel an der Identität der verdächtigten Hijacker verdanken sich seriösen Quellen: BBC, Telegraph, Times. Darauf hatte ich ausdrücklich hingewiesen, als mich das TV-Magazin »Panorama« Ende August interviewte, doch in den gesendeten Ausschnitten des Interviews ließ »Panorama« diesen Hinweis weg, um meine Ausführungen als Aussage eines »Phantasten« erscheinen zu lassen. Dazu wurden unter Einblendung unseres Buchtitels Behauptungen etwa über einen Raketeneinschlag ins Pentagon wiedergegeben, die wir an keiner Stelle aufstellen. Und wieder einmal schob man uns den Neonazi Horst Mahler in die Schuhe, der die Legende verbreitet, 4000 im WTC angestellte Juden seien vorgewarnt worden – eine Hetzgeschichte, die wir klar als eine der »Nebelkerzen« analysieren, mit der dem »antisemitischen Affen Zucker« gegeben und von den eigentlichen Spuren abgelenkt werden soll (siehe S. 174). »Panorama« dagegen unterstellt uns, dass wir diese Hetze selbst betreiben und behauptet in einer Antwort auf einen Protestbrief: »Alle bringen in der einen oder anderen Weise aufgrund von völlig frei erfundenen Behauptungen Juden als Täter mit ins Spiel.«
Wegen dieser Falschbehauptungen und Diffamierungen haben wir eine Unterlassungsklage bei Gericht eingereicht, die Mitte Dezember 2003 zur Verhandlung ansteht. Ich bin als Autor nicht zimperlich im Austeilen und habe auch Einstecken gelernt, aber ich lasse mich nicht dadurch diffamieren, dass mir Thesen, mit denen ich mich kritisch auseinandersetze, als eigene Behauptungen unterstellt werden. Und erst recht lasse ich mich nicht ins antisemitische, faschistische Abseits schieben. Die offenen Fragen um den 11.9. sind zu wichtig, um auf diese Weise aus der öffentlichen Diskussion verbannt zu werden.
Zum zweiten Jahrestag der Ereignisse holte dann der Spiegel (Nr. 37 vom 8.9.2003) mit seiner Titelgeschichte »Verschwörung 11. September. Wie Konspirations-Fanatiker die Wirklichkeit auf den Kopf stellen« zum großen Schlag aus. Allein die Headline insinuiert fälschlicherweise, dass eine gleichsam mit beiden Beinen auf bewiesenen Tatsachen stehende »Wirklichkeit« des 11.9. bereits bekannt und eigentlich fraglos sei. Aber die Spiegel-Redaktion wird schon gewusst haben, warum sie einige »Fanatiker« zum Vorwand nimmt, um die Bekräftigung der althergebrachten Tatversion zum Thema der Woche zu erheben.
Bei Lichte besehen kommen wir mit unserem Buch in dieser Titelgeschichte über das »Panoptikum des Absurden« ganz gut weg. Zwar werden wir wieder mit in Haft genommen für »ein angeblich ›überzeugendes Gegenmodell der Operation 9/11‹«, wird uns auch hier wieder pauschal ein »freihändiger Umgang mit Fakten« unterstellt, aber hinter der ganzen Polemik fallen die sachlichen Einwände – im Vergleich zu denen, die sich Andreas von Bülow und Gerhard Wisnewski gefallen lassen müssen – doch eher dürftig aus. Und interessant ist auch, worauf der Spiegel in seinem Abwehrzauber nicht eingeht. So bleibt etwa unsere akribische Dokumentation (Kapitel »Wer tat was wann am 11.9.?«), dass sich trotz eines angeblich in Kraft getretenen Notfallplans der Präsident und sein Vize sowie der Außen- und der Verteidigungsminister durch weitgehende Untätigkeit auszeichneten, völlig außer Betracht. Und auch diese ganze himmelschreiende Affäre mit den nicht oder zu spät aufgestiegenen Abfangjägern (Kapitel »Eine kurze Geschichte des Nichtfliegens«) wird tunlichst beschwiegen. Gewusst, warum.
Einen Themenkomplex, der auch für unsere Argumentation von Bedeutung ist, gibt es allerdings, wo die Spiegel-Redakteure ganz offenkundig davon überzeugt sind, uns bei der Verdrehung von Tatsachen in flagranti ertappt zu haben. Und das betrifft »die Mär von mindestens sechs der angeblichen Entführer, die sich Tage nach den Anschlägen über verschiedene Medien angeblich quicklebendig meldeten«. Im Kern geht es dabei um die Frage der Identität der Täter. Wir führen in unserem »Who is who«-Kapitel aus, dass überhaupt nicht klar ist, wer die Täter eigentlich waren. Für den Spiegel jedoch ist »der Unsinn« der zweifelhaften Identitäten schon seit dem 27.9.2001, als das FBI seine zweite Liste veröffentlichte, erledigt.
Als zwei Tage nach den Anschlägen eine erste Namensliste der Hijacker veröffentlicht und über die Medien die betreffenden Fotos verbreitet worden waren, beschwerten sich umgehend sechs Männer, dass sie mit Bild, Namen und Geburtsdatum als Terroristen auf der Liste auftauchten, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt gar nicht in den USA waren. Daraufhin berichteten die BBC, der Londoner Telegraph, aber auch die New York Times, die Los Angeles Times und andere zwischen dem 21. und 23.9.2001 über die »lebenden Verdächtigen« und die »gestohlenen Identitäten«. Hierzulande sind diese Meldungen nie aufgegriffen worden. Wir sind bei unseren Recherchen im Internet darauf gestoßen und haben sie natürlich in unser Buch aufgenommen – im Völlegefühl dessen, uns wieder einmal auf seriöse Quellen stützen zu können.
Möglicherweise jedoch müssen wir unsere Argumentation teilweise zurücknehmen. Denn als sich jetzt – angeregt durch unser Buch – die Spiegel-Redakteure bei der BBC meldeten, um der Sache nachzugehen, reagierte man in London so, als sei man damals einer Ente aufgesessen. Die BBC berief sich auf die in Saudi-Arabien erscheinende, englischsprachige Zeitung Arab News, die wiederum auf das Blatt Asharq Al-Awsat, und dessen Reporter Mohammed Samman dementierte nun seine eigene Geschichte des vermeintlichen Attentäters Said Al-Ghamdi, die sich bei uns auf S. 33 f. findet. Auch David Harrison, der Autor des von uns ausführlich zitierten Telegraph-Artikels[5], hat mittlerweile eingeräumt , entgegen seiner ursprünglichen Behauptung keinen der angeblich noch lebenden Attentatsbeschuldigten selber interviewt zu haben.[6]
Dieser Gegenbeweis des Spiegel ist allerdings lange nicht so schlüssig, wie er zu sein vorgibt. Ein paar Anmerkungen dazu finden Sie auf der folgenden Doppelseite (als PDF-File) mit den faksimilierten Auszügen aus der Titelgeschichte. Kommt hinzu, dass wir uns ja nicht nur auf die BBC und den Telegraph vom 23.9.2001 gestützt haben, sondern auch auf die bereits einige Tage zuvor erschienen Artikel in der Los Angeles Times (21.9.)[7], in der New York Times (21.9.)[8] und der Times aus London (20.9.)[9] – allesamt hochreputierliche Zeitungen, die unseres Wissens ihre Berichte bis heute nicht widerrufen haben.
Falls es aber wirklich so wäre, dass wir unsere »Zombie-These« (O-Ton Spiegel) aufgeben müssten, bliebe immerhin Folgendes festzuhalten. Zum ersten wären wir dann nicht dubiosen Spinnern und Verschwörungstheoretikern auf den Leim gegangen, sondern ganz seriösen Institutionen der internationalen Medienlandschaft. Dass die in Sachen 11.9. fast durchweg versagt haben, ist ja gerade der Basso continuo unseres Buches – und dafür lieferte dann auch dieser Fall ein wunderschönes Exempel. Zum zweiten kann es nicht unser Job sein, wie es uns der Spiegel immer wieder unter die Nase reibt, uns als freie Journalisten mit beschränkten Mitteln »mal eben« ans Telefon zu hängen oder bei den Betroffenen vor Ort selber nachzufragen, ob sie noch am Leben sind. Das ist vielmehr die Aufgabe nationaler und internationaler Ermittlungsbehörden oder – wenn die es nicht so genau wissen wollen – von wohlausgestatteten und hochkompetenten Redaktionen, die sich den Maximen eines investigativen Journalismus verpflichtet fühlen. Warum also ist der Spiegel dieser Frage nicht schon vor zwei Jahren auf den Grund gegangen, um sie so oder so zu beantworten? Das bloße Weggucken und Nichtbehandeln reicht nicht aus, um die Mysterien des 11.9. zu bannen.
Bleibt der dritte und entscheidende Punkt: die anhaltende Konfusion um die Identität der verdächtigten 19 Hijacker. Die vier originalen Passagierlisten, auf denen von A bis Z alle Passagiere der vier Flüge aufgeführt sind, wurden unseres Wissens bis heute nicht veröffentlicht, sondern nur separate Listen der Opfer und der Täter. Die Täterliste wurde dabei offenbar – nur so sind die »Verwechslungen« zu erklären – mit einer anderen Liste über in USA ausgebildete arabische Piloten abgeglichen. Dies, die nachweisbare Manipulation der Listen, ist die zentrale Behauptung in den ersten beiden Kapiteln dieses Buches, und sie wird von den Ausführungen des Spiegel keineswegs widerlegt.
Als das FBI am 27.9.2001 seine zweite, bis heute unverändert gültige Täterliste veröffentlichte, musste selbst der FBI-Direktor Robert Mueller eingestehen, dass einige Identitäten »noch nicht endgültig geklärt sind«. CNN brachte am 28.9. eine Liste, auf der – journalistisch korrekt – unter Bild und Namen einiger fraglicher Betroffenen vermerkt war: »Identy is disputed.«[10] Doch geändert hat sich an der FBI-Liste mit Bildern, Namen und Geburtsdaten der Verdächtigten seit über zwei Jahren nichts mehr – und alle Zweifel wurden, zumindest öffentlich, nicht aufgeklärt.
Nach einem Bericht der australischen Sunday Mail waren im September 2003 erst drei der verdächtigten 19 Täter identifiziert. Anhand von DNA-Mustern, die mit denen der sterblichen Überreste aus den WTC-Maschinen abgeglichen wurden, sei die Identität von Mohammed Atta und zwei weiteren (ungenannt bleibenden) Hijackern aus den beiden New Yorker Flugzeugen nunmehr geklärt.[11] Neun Leichen jedoch (aus der Pentagon- und der Pennslyvania-Maschine) liegen in einer Militärbasis in Maryland nach wie vor auf Eis, unidentifiziert. Wenn es sich dabei um die neun Entführer dieser Maschinen handelt, deren Wohnorte und Mietwagen aus den Tagen davor doch bekannt sind – warum werden sie anhand genetischer Spuren nicht identifiziert? Das FBI, so heißt es, habe bis dato für diese neun keine DNA-Muster zur Verfügung gestellt – und so kommt es, dass über zwei Jahre nach der Tat die Identität der meisten Verdächtigen noch völlig ungeklärt ist.
FBI-Direktor Robert Mueller hat übrigens noch am 19.4.2002 in einer Rede vor dem Commonwealth Club of California in San Francisco eingeräumt, dass die verdächtigten Terroristen nicht die geringsten Spuren hinterlassen haben.[12] Das lässt in Umkehrung nur den Schluss zu, dass es für ihre behauptete Täterschaft keine Beweise gibt.
Fakt bleibt also: Wer am 11.9. 2001 wirklich in den Flugzeugen saß, ist auch nach zwei Jahren weiterhin ungeklärt. Und Fakt bleibt auch: Selbst wenn die eingefrorenen sterblichen Überreste von neun Personen zweifelsfrei identifiziert und die 19 Hijacker auf der Liste des FBI sich als die wahren Entführer herausstellen sollten, wäre dies nur der allererste Schritt zur Aufklärung des Falls. Dutzende von offenen Fragen, Ungereimtheiten und Widersprüchen in der offiziellen Darstellung harren weiterhin der Klärung.
Um noch einmal auf den Spiegel zurückzukommen: Für den ist nun endgültig alles klar. In einer weiteren Aufmacherstory (Nr. 44 vom 27.10.03) unter dem Titel »Das Geständnis. Was die Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September nach ihrer Gefangennahme den US-Ermittlern verrieten« konnte die Redaktion die endgültige Festschreibung der herkömmlichen Legende vom 11.9. vermelden: »Die beiden Chefplaner des 11. September haben gestanden – und mit den Protokollen ihrer Vernehmungen lässt sich jetzt ein genaues Bild der Vorgeschichte des Terroranschlags zeichnen. Die Aussagen enthüllen auch, wie Osama Bin Laden persönlich die Hamburger Todespiloten auswählte.«
Die angeblichen Geständnisse verdanken wir zwei Phantomen aus dem Off: den mutmaßlichen Al-Qaida-Mitgliedern Ramzi Binalshibh und Khalid Scheich Mohammed. Sie dienten auch schon den Reportern Nick Fielding und Yosri Fouda in ihrem Buch Masterminds of Terror[13] als Gewährsmänner. Die vermeintlichen Tonbandaufnahmen mit ihren Interviews wurden zwar im Sommer 2002 über Al Dschasira ausgestrahlt, sind aber genauso dubios wie der Aufenthaltsort der »Chefterroristen« Ramzi Binalshibh und Khaldid Scheich, die von den US-Behörden an einem unbekannten Ort gefangen gehalten werden. Gerichten stehen die beiden Kronzeugen nicht zur Verfügung – weder im Hamburger Prozess gegen den angeblichen 20. Hijacker Mounir Al-Motassadeq noch in dem Verfahren von Zaccarias Moussaoui (ebenfalls ein angeblicher 20. Hijacker) in den USA. Beide Zeugenaussagen wurden jeweils aus Gründen der »nationalen Sicherheit« blockiert – was an sich nicht weiter wundert: Unter Folter gewonnene »Geständnisse« sind vor Gerichten nicht zugelassen. Zwar verschweigt der Spiegel nicht, dass die Aussagen erst zustande kamen, als sich amerikanische »Verhörspezialisten« der Inhaftierten angenommen hatten, und weiß auch, dass derlei Geständnisse juristisch wertlos und politisch international geächtet sind. Für einen reißerischen Aufmacher aber sind sie allemal gut.
Auf die Einzelheiten der hier konstruierten »Operation Heiliger Dienstag« will ich gar nicht weiter eingehen, sie enthalten nichts wirklich Neues sondern stricken nur die alte Legende von Osama und der Wilden Neunzehn weiter. Wer es genauer wissen will, dem empfehle ich den (leider nur auf Englisch vorliegenden) Artikel »There`s something about Omar – Truths,Lies and the Legend of 9/11 « von Chaim Kupferberg[14], worin er darlegt, wie Ramzi Binalshibh und Khaldid Scheich seit Juni 2002 gezielt in die offizielle Legende eingewoben wurden und nunmehr als unsichtbare »Masterminds« allfälligen Propagandazwecken dienstbar sind. Außerdem hat mein Kollege und Koautor Andreas Hauß auf seiner Website die einzelnen Aussagen und Behauptungen der Spiegel-Story gebührend kommentiert.[15]
Neuerliches Zwischenresümee: Die al-qaidisch-ladinistische Version des Tathergangs wird nicht dadurch stichhaltiger, dass man sie unentwegt repetiert und durch vermutlich erpresste Aussagen à jour zu bringen versucht.
Nein, die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Sie wird noch um- und umgeschrieben werden müssen. Und sie wird in absehbarer Zukunft noch mindestens zweimal hohe Wellen schlagen: im Mai und im November 2004. Im November steht George W. Bush zur Wiederwahl an – ein Mann, der seine mangelnde Glaubwürdigkeit schon mehrfach unter Beweis gestellt hat und der jetzt drauf und dran ist, »seinen« Irakkrieg, den er mit Massenvernichtungswaffen und dem »War on Terror« begründete, zu verlieren. Die Spur, die vom 11.9. nach Bagdad führte, wird im Wahlkampf gewiss ein prominentes Thema werden.
Und im Mai soll die National Commission on Terrorist Attacks Upon the United States ihren Abschlussbericht vorlegen. In dieser Kommission, in der zu gleichen Teilen Republikaner und Demokraten vertreten sind, rührt sich mittlerweile heftiger Unmut gegen das restriktive Informationsgebaren des Weißen Hauses. Einem Artikel in der New York Times vom 26.10.2003 zufolge fand das Kommissionsmitglied Max Cleland die düstere Vermutung bestätigt, die auch wir von Anbeginn an gehegt haben: »Mit jedem Tag wird deutlicher, dass diese Regierung schon vor dem 11.9. über die Terroristen sehr viel mehr wusste, als sie jemals zugegeben hat.« Und der Kommisionsvorsitzende Thomas Kean forderte: »Alles, was irgendwie mit dem 11.9. zu tun hat, müssen wir zu sehen kriegen – alles. Es gibt eine Menge Theorien über den 11.9., und solange noch irgendein Dokument irgendwo herumfliegt, auf das sich eine dieser Theorien stützen kann, müssen wir Fragen offen lassen. Und wir können es uns nicht leisten, Fragen offen zu lassen.«[16]
Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, drohte Kean dem Weißen Haus an, vorenthaltene Dokumente durch Gerichtsentscheid zur Einsicht einzufordern. Davon ist die Kommission zwar mittlerweile abgerückt und begnügt sich jetzt zähneknirschend mit sehr beschränkten Einsichtsregeln. Aber immerhin hat sie gerichtliche Schritte gegen die Flugbehörde FAA eingeleitet. Dabei geht es um die Frage, die auch in unserem Buch eine große Rolle spielt, warum die Abfangjäger nicht rechtzeitig gestartet sind, um die zweite WTC- und die Pentagonmaschine abzuschießen. Die FAA verweigert bislang die Herausgabe aller Unterlagen, in denen ihre Überwachung der entführten Flugzeuge sowie auch ihre Kommunikation mit dem Luftverteidigungskommando NORAD dokumentiert ist.
Sehr gut möglich also, dass dieses Nachwort nicht das letzte ist, das wir zu unserem Buch werden schreiben müssen.
Mathias Bröckers, November 2003
[1] Wer sich für die Invektiven im Einzelnen interessiert, kann sie nachlesen unter https://www.broeckers.com/reaktionen.htm oder http://hbuecker.net/presse.htm
[2] Karin Beindorff: »Watch, what you say«, Deutschlandfunk, 22.9.2003
[3] Heribert Seifert, »Angstlust auf perfide Betrüger. Über das Eigenleben von Verschwörungstheorien«, in: NZZ, 22.8.2003
[4] Hans Leyendecker, » Affen der Angst. Nichts verkauft sich heute so gut wie miserable Bücher über die große Weltverschwörung. Sind wir noch zu retten?«, in: SZ, 10.9.2003
[5] David Harrison, »Revealed: the men with stolen identities«, in: Telegraph, 23.9.2001, http://www.portal.telegraph.co.uk/news/main.jhtml?xml=/news/2001/09/23/widen23.xml
[6] Harrison, der am 23.9.2001 geschrieben hatte: „Der Telegraph war die erste Zeitung, die die Männer interviewen konnte, seit sie erfuhren, dass sie auf der FBI-Liste der Hijacker stehen“ , dementierte zwei Jahre später auf Nachfrage eines WDR-Fernsehteams, irgendein Interview mit einem der falschen Attentäter geführt zu haben (WDR, Sendung am 10.9.2003)
[7] http://www.latimes.com/news/nationworld/nation/la-092101probe.story
[8] http://query.nytimes.com/gst/abstract.html?res=F00C1FFE355F0C728EDDA00894D9404482
[9] http://www.timesonline.co.uk/article/0,,28-115194,00.html
[10] http://www.cnn.com/SPECIALS/2001/trade.center/invest.section.html unter »Hijacker suspects«
[11] Phillip Coorey, »Hijacker’s remains found at World Trade Centre site«, in: Sunday Mail, 5.9.2003; http://www.thesundaymail.news.com.au/printpage/0,5942,7172901,00.html
[12] http://www.fbi.gov/pressrel/speeches/speech041902.htm
[13] Nick Fielding, Yosri Fouda: Mastermindes of Terror. Die Drahtzieher des 11. September berichten. Der Insider-Report von Al Qaida, Europa Verlag, Hamburg 2003
[14] http://globalresearch.ca/articles/KUP310A.html. Eine deutsche Zusammenfassung von Christian C. Walther unter dem Titel Scheichegal. Die heißen doch eh alle gleich, die Wickelmützen steht auf meiner Website: https://www.broeckers.com/scheichegal.htm
[15] http://www.medienanalyse-international.de/spiegelquellen.html
[16] http://query.nytimes.com/gst/abstract.html?res=F30B1EFE3B550C758EDDA90994DB404482L; oder auch unter http://www.globalissues.org/Geopolitics/WarOnTerror/Subpoena.asp