In die Tür und Exit (1)

24-10-16-2051-bildschirmkopieSeit diesem Wochenende ist mein neues Buch in den Buchläden erhältlich, bei dem ich aber weniger als Autor, sondern mehr als Geburtshelfer und Herausgeber tätig geworden bin. Denn “Der Fall Ken Jebsen” ist die Geschichte von Ken Jebsen, die er aber nicht zu Papier brachte, weil er Tag und Nacht für seinen Kanal KenFM unterwegs ist und arbeitet. Weshalb wir uns zwischen zwei Terminen im Sommer für drei Tage im Hotel Elbresidenz in Bad Schandau trafen und er mir seine Geschichte erzählte. In den nächsten Tagen werde ich hier einige Auszüge posten – in der Hoffnung, dass möglichst viele dadurch angeregt werden, das Buch zu kaufen und zu lesen. Und damit nicht nur die Unabhängigkeit des nutzer-finanzierten Internet-Kanals KenFM unterstützen, sondern auch diesen Blog, der ja nicht von Luft und Liebe leben kann, sondern seine Brötchen in der analogen Welt verdient, d.h. mit schwarz auf weißem Papier gedruckten Worten.

Was KenFM geschafft hat –  aus einer  GEZ-finanzierten Radioshow ein “crowd-gefundetes”, “community-supportetes” Journalismus-Portal zu machen – ist im Zeitalter der Zeitungs,- und Medienkrise und der im steilen Sinkflug befindlichen Auflagenzahlen der “Qualitätspresse” mehr als bemerkenswert. Und es war, wie alles im Leben des Ken Jebsen, gar nicht geplant, sondern begann mit einem Rausschmiss, der aber nicht zu einem Absturz führte, weil es sich bei dem Rausgeschmissenen um einen Fallschrimspringer handelte:  “Wir sagen als Fallschirmspringer ›In die Tür und Exit‹. Und das gab es in meinem Leben permanent: in die Tür und Exit. Du bist irgendwo drin, hast auch die Fähigkeiten, aber irgendwann musst du sagen: Jetzt raus! Du musst im wahrsten Sinne loslassen, in den freien Fall gehen, du brauchst Urvertrauen. Wo springst du da rein? In so ein Standbild aus vier Kilometer Höhe. Und so war das immer: als mein Vater die Kurve kratzte, auf der Waldorfschule, als ich bei der Bundeswehr dumm aufgefallen bin, als ich beim rbb rausflog. Überall: in die Tür und Exit. Und dann, bamm!, geht der Schirm auf. Und du denkst: Wow, das Ding kann man ja lenken, das hätte ich ja schon längst mal machen sollen.”

 

“Bis in die New York Times schlugen die Wellen, als Ken Jebsens Sendung »KenFM« 2012 nach über zehn Jahren beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) abgesetzt wurde, weil er angeblich den Holocaust leugnen würde. Nachdem er und seine Anwälte schnell richtiggestellt hatten, dass an diesem infamen Vorwurf absolut nichts dran war, ging er wieder auf Sendung. Doch bald darauf trennte sich das ARD-Radio »in gegenseitigem Einver- nehmen« von seinem Reporter, der in dem Jugendradio »Fritz« jeden Sonntagnachmittag vier Stunden Programm gemacht hatte. Der Grund war nicht die mangelnde Quote – KenFMs Mischung aus Pop und Politik zählte zu den beliebtesten Sendungen des Kanals –, sondern die politischen Themen, denen sich Ken Jebsen mit Reportagen, Interviews und Kommentaren ge- widmet hatte: der uranverseuchten Munition der NATO, den traumatisierten Afghanistan-Soldaten der Bundeswehr oder den Zweifeln an der offiziellen Darstellung der 9/11-Anschläge. Themen, die, wenn überhaupt, in den Medien nur am Rande auftauchen und mit spitzen Fingern behandelt wurden und werden, kamen bei KenFM nicht nur ausführlich vor, sondern im Mix mit Musik so aufbereitet, dass sie junge Menschen auch erreichten. Aber das war offenbar zu viel – nicht dem Publikum, sondern dem Sender, der eine faktenfreie Diffamierung zum willkommenen Anlass nahm, die Sendung und ihren unbequemen Macher loszuwerden.

Doch falls die Verantwortlichen mit diesem Rausschmiss erreichen wollten, solche unerhörten Themen unter der Decke zu halten, denen KenFM mit professionellem Journalismus Öffentlichkeit verschaffte, dann hatten sie ihre Rechnung ohne Ken Jebsen gemacht. Sowie ohne die Tatsache, dass dank des Inter- nets heute niemand mehr einen Sender und superteures Equip- ment braucht, um Radio oder Fernsehen zu machen und eine große Öffentlichkeit zu erreichen. Und so nahm sich Ken Jebsen einen Keller, baute mit privaten Möbeln ein kleines Studio auf und transferierte KenFM mit einem kleinen Team vom öffent- lich-rechtlichen Äther ins weltweite Netz. Und die Fans, die er in 545 Radiosendungen gewonnen hatte, transferierten ebenso, nämlich ihre Gebühren, mit dem sie den neuen Kanal freiwillig unterstützten und KenFM zu einem der erfolgreichsten crowdfi- nanzierten Journalismusprojekte im Internet machten. Nicht nur in Deutschland, auch in Russland, wo die von einem Fan seit zwei Jahren synchronisierten Sendungen schon Millionen von Klicks haben, von Südamerika bis in den arabischen Raum sind KenFM-Sendungen synchronisiert erreichbar – und das alles nicht von einem globalen Medienkonzern mit Milliardenvon oben inszeniert und kontrolliert, sondern selbstorganisiert von unten: von den Usern, der Crowd, der Community.

Dieser Zuspruch ist umso erstaunlicher, als dass das neue KenFM im Netz eine zentrale Säule der erfolgreichen Radioshow, Live-Bands und Musik, einfach gekappt hat und sich im Wesent- lichen auf politische Kommentare sowie Interviews und Ge- spräche beschränkt. Nicht mit Stars und Sternchen, sondern mit Wissenschaftlern, Schriftstellern und Intellektuellen, und nicht mal kurz für drei bis fünf Minuten, sondern über ein bis zwei Stunden, in denen nicht das neue Album oder eine Tour- nee zur Sprache kommen, sondern komplexe Themen der Geo- politik, der Finanzwelt, der globalen Ressourcen oder der Friedensforschung. Es ist letztlich nichts anderes als das gute alte Bildungsfernsehen, was KenFM macht. Ein Genre, das die Öffentlich-Rechtlichen, eigentlich per Gesetz primär dazu verpflichtet, verkommen ließen, als Füllmaterial in nächtliche Nischen abschoben und das angeblich als Quotenkiller gilt. Bei KenFM aber ist es ein Hit: stundenlange Gespräche mit Ökonomen, Soziologen oder Theologen kommen in kürzester Zeit auf sechsstellige Zuschauerzahlen. Wie das ?”

Fortsetzung morgen

“Der Fall Ken Jebsen oder Wie Journalismus im Netz seine Unabhängigkeit zurückgewinnen kann” (256 S., 18,00 Euro) ist ab sofort im Buchhandel und direkt beim Verlag erhältlich.

1 Comment

  1. Ich denke, da haben sich zwei getroffen! Zwei erfolgreiche Macher, zwei gute Erzähler und zwei Menschen, denen am Herzen liegt, was sie tun. Das Wichtigste aber ist: Es sind zwei Menschen, die sich gegenseitig unterstützen. Hoffen wir also auf einen großen Erfolg des Buches – damit die Fans endlich einmal in den Genuß kommen, einen breit grinsenden Ken zu sehen… .

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