Rote Verfassungschutz Fraktion ?

Die Untersuchung von staatlich geduldeten, gesponsorten oder inszenierten Terroranschlägen ist nicht erst seit 9/11 von höchster zeithistorischer Relevanz – und die Grenzen der Definition sind hier genauso  fließend wie die Unterscheidung zwischen Informant, V-Mann, Agent Provocateur oder Mittäter. Klarheit können nur die Akten verschaffen, die die Tätigkeit von Informanten und Agenten dokumentieren, doch diese Akten bleiben aus Gründen der “nationalen Sicherheit” in der Regel für Jahrzehnte unter Verschluß. Deshalb wird es in Sachen 9/11 den Historikern der Zukunft vorbehalten sein, den  Grad der Duldung/Unterstützung/Inszenierung der Anschläge durch die Geheimdienste zu ermitteln, wenn irgendwann 2050 freigegebene Dokumente eine genauere Rekonstruktion zulassen. Dass es mindestens so lange dauern wird, können wir derzeit an dem Verfahren gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker wegen der Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback 1977 beobachten. Unsere Wette aus dem letzten September, als die ersten Meldungen über die Tätigkeit Beckers für den Berliner Verfassungsschutz bekannt wurden – dass die betreffenden Akten nicht freigegeben werden – war sehr richtig, und dürfte auch noch weiter “im Geld” liegen. Zwar hat Elmar Kraushaar in seiner gerade erschienen Studie Verena Becker und der Verfassungsschutz keine definitiven Beweise dafür gefunden, dass Becker schon vor 1977  für den Verfassungsschutz gearbeitet hat. Doch die Belege, Ungereimtheiten, Merkwürdigkeiten und offenen Fragen, auf die der Historiker bei seinen Recherchen stieß, lassen kaum einen anderen Schluß zu, als dass Verena Becker die Topquelle der Verfassungsschützer in der Spitze der RAF war.

Welchen Grund aber könnte es gegeben haben, einen von der RAF geplanten (und von der Informantin Becker gemeldeten) Anschlag auf den Generalbundesanwalt zu dulden ? Die Autorin Regine Igel ist bei ihren Recherchen zum staalich inszenierten Terror in Italien auf eine mögliche Erklärung gestossen: die Tatsache, dass die CIA, und damit möglicherweise auch ihre deutschen Partner vom BND, schon lange vor seiner Enttarnung 1974 von dem Spion im Kanzleramt Willy Brandts, Günther Guilllaume, wussten – diese Information aber für sich behielten, um selbst den Zeitpunkt von Brandts Rücktritt zu bestimmen. Mit der Anklage und der Untersuchung des Falls Guillaume war Siegfried Buback befaßt – und stieß dabei möglicherweise auf die unrühmliche Rolle des BND. “Falls jemand ein Verbrechen in diesem Bereich verbergen wollte, könnte er meines Vaters Unabhängigkeit und Geradlinigkeit durchaus als Bedrohung empfunden haben“, schrieb der Sohn des Ermordeten, Michael Buback, in seinem Buch – doch ernsthaft vorstellen mochte er sich diesen Verdacht, über den ihn Regine Igel 2007 informiert hatte, dann doch nicht.

Es ist, einmal mehr, weniger eine faktische, sondern eine psycholgische Schwelle. Dass der Staat, dem der Vater als einer der höchsten und eifrigsten Diener ergeben ist, auch Institutionen unterhält, die derart kaltblütiger Verbrechen fähig sind, kann und will sich ein Sohn einfach nicht vorstellen. Da mögen die historischen Fakten – ein im Kalten Krieg mit alten Nazis und neuen Anti-Kommunisten bestückter BND, dem die linke Socke Brandt ein Dorn im Auge war; eine aus Italien wohl dokumentierte “Strategie der Spannung” mit inszenierten Terroranschlägen usw.  – sowie die aktuelle und  anhaltende Blockade von vierzig Jahre alten Akten und das Verschwinden von Beweismitteln eine noch so deutliche Sprache sprechen. Im Vergleich mit 9/11 war der RAF-Terror ja noch eher auf Räuber Hotzenplotz-Ebene angesiedelt und wenn es schon Opferangehörigen wie Michael Buback schwerfällt, in diesen Abgrund zu blicken und sich seiner Realität zu stellen, wird verständlich, warum die Schwelle zum 9/11-Unglauben so hoch liegt und das Osama-Märchen – trotz aller widersprechenden Fakten – so dankbar als Realität angenommen wird.

4 Comments

  1. “Sehr feinsinnig und klug.
    Gut hingeschaut. Danke
    UsH”

    Dem schließ ich mich an!

    “…wird verständlich, warum die Schwelle zum 9/11-Unglauben so hoch liegt und das Osama-Märchen – trotz aller widersprechenden Fakten – so dankbar als Realität angenommen wird.”

    Ja, und da ist dann noch die Presse bzw. die Medien. Sehr wichtig: Denn viele Mitbürger möchten gerne einer ‘angesagten’ Wahrheit folgen. Das wissen auch die ‘Dienste’. Und so sind die Medien iIrgendwie auch längst ein Arm der ‘Geheimdienste’. Dies in Deutschland wie in den USA. Der bereits pensionierte Gehlen (Ex-BND-Chef) im Jahr 1975: “Es sind viele Journalisten interessiert worden für den BND, um public relations zu machen und falsche Vorstellungen zu beseitigen…”. Und das war noch 1975. Was sich da inzwischen getan hat, dürfe ja wohl klar sein!

    Apropos Medien: Den FOCUS mag ich ja nicht so gern. Und ob ich einem Oliver Janich so richtig trauen kann, weiß ich nicht. Aber trotzdem ganz interessant, wie er auf den SPIEGEL haut : http://infokrieg.tv/wordpress/?p=1445

  2. Nur mal so …
    Ich habe mal nach “Oliver Janich” geguckt und finde über diesen den gar nicht schlechten Beitrag auf
    http://blog.hiphop.de/entry.php?u=offbeat&e_id=79755 .

    D o r t wiederum wird das Buch “Das RAF-Phantom” von Wisnewski erwähnt.
    Auf wiki, http://de.wikipedia.org/wiki/Das_RAF-Phantom , (ich vertraue wikipedia dabei durchaus nicht) finde ich über dieses Buch, das ich nicht kenne, den Hinweis, daß Wisnewski offenbar behauptet die “dritte RAF-Generation” sei ein reines Geheimdienst-Konstrukt.

  3. Was ein dicker Puzzelsteinbroecken !!!

    Buback ein Aufrechter, passt.

    Ein größerer Hintergrund, Guilliome, CIA, passt zum vehementen Verschweigen.

    Danke.

    Beileid um Scheer, der noch vor 14 Tagen munter im Bundestag sprach:

    http://www.youtube.com/watch?v=XU0MJwdlbUE

    Jetzt ist er gaaaanz ploetzlich tot.

    http://nhzzs.blogspot.com/2010/10/atom-vertragsbruch-klage-tot-hermann.html

    Kannst du mal ein paar Fakten herantelefonieren?
    Welches Krankenhaus? Diagnose? Obduktion?

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