California Dreaming

In Kalifornien könnte Cannabis bald legal werden: Das Volk wird am Dienstag darüber abstimmen. Um die Macht der Kartelle zu brechen, muss  das letzte große Tabu der Moderne fallen: die Diskriminierung des Rauschs.

Am 2. November 2010 stimmen die Bürger Kaliforniens über die Legalisierung von Cannabis für alle über 21 Jahren ab. Schon 1996 ließen sie per Volksabstimmung medizinisches Marihuana zu. Noch sind die Befürworter des “Regulate, Control and Tax Cannabis Act of 2010” Umfragen zufolge knapp in der Minderheit. Doch sollte im Mutterland der Marihuana-Diffamierung die größte aller Drogenlügen zurückgenommen und das “Mörderkraut” Hanf endgültig rehabilitiert werden, hätte das einen Vorbildcharakter.

Nach dem neuen Gesetz könnten Kommunen künftig Lizenzen zum Anbau und zum Betrieb von Verkaufsgeschäften erteilen. Bei einer Steuer von 50 Dollar pro Unze – etwa 1,35 Euro pro Gramm – würden nach Berechnungen der Finanzbehörde etwa 1,4 Milliarden US-Dollar pro Jahr in die Kassen des hoch verschuldeten Bundesstaats fließen: in Zeiten der Finanzkrise ein starkes Argument. Gouverneur Arnold Schwarzenegger eilte Anfang Oktober schon mal voraus und beendete die Kriminalisierung von Kleinstmengen, um so Millionen an Polizei- und Justizkosten zu sparen. Bis zu einer Menge von 28,5 Gramm ist Hanfbesitz in Kalifornien künftig keine Straftat mehr, sondern wird nur noch mit einem Bußgeld von 100 US-Dollar geahndet.

Gigantische Schattenwirtschaft

Diese Maßnahmen zeigen, dass das Modell der Prohibition nach einem Jahrhundert definitiv ausgedient hat. Offen bleibt, wann an deren Stelle eine rationale, schadensmindernde Drogenpolitik tritt. Denn auch die Legalisierung von Cannabis, wie sie jetzt in Kalifornien zur Wahl steht, rüttelt noch nicht an den Grundfesten des “Kriegs gegen Drogen”.

Die Opiumkonventionen, mit denen zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Verbot bestimmter Drogen international vereinbart wurde, waren die ersten Schritte zu einer rechtlichen Globalisierung, zur Festlegung und Durchsetzung global geltender Gesetze. Gute 100 Jahre später steht eine dringende Revision dieses Verbots an.

Nicht nur haben die Unsummen, die seitdem weltweit in die Verfolgung von Drogenanbau, -handel und -konsum geflossen sind, die stetige Ausweitung des Drogengebrauchs nicht verhindert. Sie haben vielmehr dafür gesorgt, dass eine Schattenwirtschaft gigantischen Ausmaßes entstehen konnte, die zu einer Brutstätte von Epidemien und Elend, von Kriminalität und Terrorismus geworden ist.

Das Geschäft mit illegalen Drogen ist mit über acht Prozent des Welthandels größer als der globale Handel mit Autos oder Textilien. Und anders als beim Handel mit Hosen oder Fahrzeugen, lassen sich mit illegalen Drogen Profitmargen erzielen wie mit keinem anderen Produkt: Aus 1.000 Dollar, das die Herstellung von einem Kilogramm reinem Kokain kostet, werden im Endverkauf 120.000 Dollar, bei Heroin fällt die Rechnung ähnlich aus.

Aus simplen Agrarprodukten wie Mohn oder Coca wurden dank der Prohibition unvergleichbare Geldmaschinen. Deren riesige Profitraten sorgen letztlich auch dafür, dass an dem gesundheits- und sozialpolitisch in jeder Hinsicht gescheiterten Prohibitionsdogma nach wie vor festgehalten wird. Es hängt einfach zu viel an diesen Milliarden von Schwarzgeld, die eben nicht nur eine der wichtigsten Einnahmequellen für den internationalen Terrorismus darstellen, sondern auch für jene Warlords am Hindukusch, die mit der Nato verbündet sind.

Schwarzgeld für die Warlords

Weil sowohl die Verbündeten als auch die Regierung in Kabul auf die Einnahmen angewiesen sind, ist es in Afghanistan dazu gekommen, dass die deutsche Bundeswehr dort nun die größte Opium- und Heroinproduktion aller Zeiten überwacht.

Oder, anders ausgedrückt: Ohne Heroin wäre der “Krieg gegen den Terror” dort schon längst zu Ende, weil nicht mehr zu finanzieren. Solange aber der “War on Drugs” dafür sorgt, dass mit illegalen Drogen mehr Profit gemacht werden kann als mit jedem anderen Produkt dieser Erde, so lange bleibt der Kampf gegen den Terrorismus aussichtslos.

Die Alkoholprohibition in den USA wurde Anfang der 1930er Jahre nicht aufgegeben, weil mehr gesoffen wurde als zuvor – tatsächlich war der Alkoholkonsum in den Prohibitionsjahren sogar leicht zurückgegangen -, sondern weil aus den kleinen Gangsterbanden, die den illegalen Vertrieb übernommen hatten, milliardenschwere Syndikate entstanden waren, die mit Korruption und Gewalt ganze Städte und Regionen kontrollierten.

Rauschkunde und Werbeverbot

Angesichts der Lage in den mexikanischen Grenzprovinzen zu den USA und der faschistoiden Milizen, die sich überall in Mittelamerika durch den Kokainhandel finanzieren, sowie angesichts feudaler Warlords und Söldnerführer, die in Zentralasien dank Heroin zu Regionalmächten aufgestiegen sind, ist es an der Zeit, die Prohibition sämtlicher Drogen weltweit zu beenden.

Der Kreislauf von Kriminalität, Krieg und Terror wird erst dann unterbrochen, wenn ihre Ursache beseitigt ist: die Prohibition, die zu astronomischen Drogenprofiten geführt hat.

Mit einer Legalisierung einhergehen sollte ein Werbeverbot für sämtliche bewusstseinsverändernde Substanzen – inklusive Alkohol und Pharmaprodukte – sowie Rauschkunde an den Schulen, die auf präventive Erziehung statt auf repressive Tabuisierung setzt. Dieser Kampf muss in den Köpfen beginnen: durch Aufklärung statt Dämonisierung, Fakten statt Desinformation, Risikoabwägung statt Panikmache.

Die Erkenntnis, dass die Prügelstrafe keine geeignete Methode ist, um die Befähigung zum Rechnen, Lesen und Schreiben zu befördern, fand erst in den letzten Jahrzehnten an den Schulen und in der Rechtsprechung Widerhall. Für den – gesellschaftlichen wie individuellen – Umgang mit Drogen und Rausch gilt Ähnliches: Repression führt zu nichts. Doch Konsequenzen aus dieser Einsicht stehen noch aus.

Die größte zivilisatorische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts war die Überwindung zweier archaischer, patriarchaler Traditionen: der gewaltsamen Unterdrückung von Frauen und Kindern und der Diskriminierung der Sexualität. Jetzt steht die Überwindung des letzten großen Tabus der Moderne an: der Diskriminierung des Rauschs und der gewaltsamen Unterdrückung seiner Mittel.

Dieser Beitrag erschien in der taz vom 29.10.2010.

Das Buch zum Thema hier

4 Comments

  1. Viele hätten womöglich Angst, daß das Risiko der Freigabe gar nicht überschaut werden kann. Dort könnte man aber argumentieren, daß jederzeit ja erneut wieder ein Verbot bzw. eine Prohibition ausgesprochen werden könnte. Die Entscheidung auf Freigabe wäre also nicht irreversibel, und könnt jederzeit überdacht werden. Man könnte sogar “auf Probe” – sagen wir mal: für zunächst zwei Jahre – freigeben, um die Entwicklung zu beobachten – und um dann weiter zu entscheiden.
    Man müßte auch nicht gleich alle in Frage kommenden Stoffe freigeben. So würde man die Angst vor einem “Dammbruch” – den viel wohl haben – berücksichtigen.

    Sogar wenn man nach Ablauf einer Probezeit von z. B. 2 Jahren zum Verbot – ganz oder teilweise – zurückkehren wollte: Den bisherigen Vertriebswegen und -organisationen hätte man jedenfalls schon mal einen erheblichen Schlag versetzt.

    Klar ist, daß gesellschaftliche Misere die Neigung zu ‘Flucht ‘in die Droge’ befördert. So z. B. in China z. Zt. des Opiumkrieges (obwohl mir Schätzungen zur damaligen Zahl der Opiumsüchtigen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung nicht bekannt sind).
    Oder aber auch die (zumindest früher) so lästigen Sperrstunden der Pubs in England (da wich man dann in seinen “club” aus). Eingerichtet waren sie ursprünglich wegen der verbreiteten Trunksucht unter den an ihrer erbärmlichen Situation leidenden Arbeitern (“Manchestertum”).
    Bayern hat jetzt offenbar ein ähnliches Problem: http://www.tz-online.de/aktuelles/bayern/csu-will-sperrstunde-festlegen-mm-972840.html .

    Das historische Indien hatte offenbar kein gesellschaftlich erkennbares Suchtproblem – jedenfalls habe ich nie davon gehört. Und dabei wächst sämtliches Zeug in Indien ja wohl viel besser als, sagen wir mal, im Sauerland.

  2. Alles gebongt………….es gibt aber noch zusätzliche Aspekte
    George Soros ist ein milliardenschwerer Währungsspekulant, dem es nach Meinung seiner Gegner egal ist, ob eine Volkswirtschaft zusammenbricht. Er unterstützt die aktuelle Freigabekampagne für Marijuana in Kalifornien.
    http://www.cash.ch/news/topnews/soros_eine_million_dollar_fuer_marihuanalegalisierung-963407-771

    „George believes in a MIXED ECONOMY one with a strong CENTRAL INTERNATIONAL GOVERNMENT ( meine Hervorhebung ) to correct for the excesses of self-interest.” http://en.wikipedia.org/wiki/George_Soros.

    Ein Plädoyer für den sozialen Rechts-und Verfassungsstaat unserer Prägung ist das nicht!!

    Ist Soros ein „ Reefer-Man“ der menschenfreundlichen Art ?
    Einige denken: : Absolut Ja
    Andere : Eindeutig Ja, soweit Menschen gar nicht erst in Betracht kommen
    Hat Soros seine Milliarden ohne Exzesse des Eigeninteresses gemacht ?
    Einige denken : Eindeutig Ja…..er ist smart, fleißig und hat abends halt ein Fläschchen Bier weniger getrunken als Du und Ich.
    Wieder andere : George Soros, however, is not a Libertarian or an old hippie nostalgic for the Haight Ashbury days.
    http://www.infowars.com/george-soros-legalize-marijuana

    Was stimmt denn nun ? „LEGALIZE IT “ nur ein Vehikel für den Regime-Change ?
    Vom Sozialstaat zum Schuldenstaat zum Pleitestaat und dann rasch weiter zum globalen „ Needle-Park“ mit in etwa diesen Schritten:
    Erstmal alle Drogen auf Rezept freigeben .Dann dafür sorgen, dass Ärzte die Drogen aus medizinischen Gründen verschreiben MÜSSEN……sonst droht Verlust der Zulassung.Abhängige dürfen den Klageweg beschreiten. Kriminelle Kartelle unterbieten die jetzt legalen Drogen im Preis und potenzieren die Wirkstoffe. Legales Marijuana wird mit Quecksilber und deplated Uranium versetzt. Heroin und Kokain werden mit dusted RFID-Chips angereichert. http://rense.gsradio.net:8080/rense/special/rense_B_Nichols_100410.mp3
    Neue Designer-Drogen kommen zusätzlich..( MIXED ECONOMY )
    Die Aufwendungen für Therapien der Abhängigen und Folgekosten wegen Arbeitsunfähigkeit übersteigen die Steuermehreinnahmen des Staates durch die Drogenfreigabe um das 10-fache.
    Die Steuermehreinnahmen des Staates durch die Drogenfreigabe, bilden die Assets, um beim nächsten Banken-Bail-Out ein besseres Moody Rating für die nächst-fällige Kreditaufnahme zu bekommen. In die Knäste wandern nur noch Leute, die keine Drogen nehmen, wegen Verhaltensauffälligkeit. Hartz 4ler und Zeltstadtbewohner schnallen den Gürtel enger, es gibt nur noch Essensmarken , als Ausgleich aber Soylent Green http://de.wikipedia.org/wiki/Jahr_2022%E2%80%A6_die_%C3%BCberleben_wollen
    und Soma plus ein lebenslanges Spiegel-Abo FOR FREE…..Sollte das SO laufen,wäre das dann der ultimative Grund, um nur noch bekifft zu sein 🙂

Leave a Reply to gabor Cancel reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *