Die Tyrannei der Überwachung

Als Russel Tice, Analyst der National Security Agency im Mai 2005 an die Öffentlichkeit ging und über die massiven illegalen Abhörpraktiken seines ehemaligen Arbeitgebers sprach, wurde er zuerst als paranoider Spinner und Lügner abgetan, dann sagte er vor Ausschüssen des Kongresses aus – doch an den Praktiken der NSA änderte sich nichts. Im Gegenteil, wie jetzt die Enthüllungen Edward Snowdens zeigten, wurden die Abhörmöglichkeiten weiter ausgebaut. Russel Tice sagte schon 2006 aus, dass Verfassungsrichter, Politiker,  Abgeordnete, Militärangehörige,  die Mitglieder der parlamentarischen Geheimdienstaufsicht, das Weisse Haus und viele andere abgehört werden – darunter im Jahr 2004 auch ein aufstrebender junger Senator aus Illinois, Barack Obama, wie Russel Tice jetzt in einem Interview enthüllt hat, das die Whistleblowerin Sibel Edmonds und Peter B.Collins  mit ihm geführt haben. (Podcast hier)
Ich kann jedem, vor allem Journalisten und allen an einer Verteidigung der Verfassung Interessierten, nur empfehlen, sich dieses Interview anzuhören und weiter zu verbreiten, denn es macht klar, dass von einem Rechtsstaat in den USA keine Rede mehr sein kann. Warum ? Wenn Richter, Parlamentarier, Militärs und Journalisten flächendeckend abgehört werden, sind  damit sämtliche der sog. Säulen der Verfassung unterminiert, denn sie alle werden dadurch erpressbar.  Was der ehemalige FBI-Zar J.Edgar Hoover über Jahrzehnte tat – einflußreiche Persönlichkeiten bespitzeln, Dossiers über ihre kleinen und größeren  Sünden anzulegen und sie damit willfährig zu machen – hat mit den elektronischen Schnüffelmöglichkeiten der NSA eine völlig neue Dimension erreicht. Nicht nur die Tatsache, dass jedes Telefonat, das Ottilie Normal und John Doe führen, mitgeschnitten und jede email gespeichert wird, ist der Skandal, noch gefährlicher als diese Abschaffung der Privatsphäre der Bürger ist die Tatsache, dass  die Legislative, Exekutive und Judikative schlicht nicht mehr souverän sind, wenn ihre Kommunikation permanent belauscht wird. “Verfassung”, “Demokratie”, “Rechtsstaat”, das  sind in einer  solchen Überwachungstyrannei nur noch leere Phrasen.

 

6 Comments

  1. Danke Mathias, ein Nachfolgeinterview ist heute erschienen – wenig Redundanz da der Interviewer Corbett mit Sibel zusammenarbeitet. Geht mehr auf die ursprüngliche Situation in 2004/5 ein, und die Schwiereigkeiten, Informationen an New York Times Reporter weiterzuleiten, von denen man aus persönlicher Erfahrung weiss daß sie von der NSA abgehört werden…

    http://www.corbettreport.com/interview-685-russ-tice-reveals-the-truth-about-nsa-spying/

  2. Die Speicherei von allem und jedem hätte eine merkwürdige Konsequenz:
    – Wer einen einflussreichen Job bekommt, hat Dreck am Stecken, weil er nur dann durch Erpressung willfährig gehalten werden kann.
    – Wer absolut integer ist, bekommt einen solchen Job gar nicht erst.
    – Wer schon einen einflussreichen Job hat, aber nicht erpressbar ist, muss anders kaltgestellt werden – entweder, es wird etwas fabriziert, oder er wird gleich “beseitigt”.

    Brave new world!

  3. @ Jared
    Sie haben prinzipiell Recht, aber dieses Vorgehen ist weder merkwürdig noch “new”, sondern schon immer Teil des Herrschaftswissens. In Sicherheitskreisen spricht man von “Kompromat”.

    Das dürfte auch der Grund sein, weshalb die CIA nach der Wende so scharf auf die “Rosenholz-Akten” war und selbst heute die Stasiaufklärungsbehörde lieber den Deckel draufhält, als aufzuklären. Deshalb hat man auch nach 45 gerne Naziverbrecher weiter beschäftigt, die hatte man wunderbar in der Hand.

    Es geht den Herrschaftstechnokraten nämlich niemals darum, die Öffentlichkeit aufzuklären oder Gerechtigkeit zu üben, sondern immer nur darum, ihre Macht zu sichern und auszubauen.

    Wirklich neu ist, dass die NSA durch Schnüffeltechnologie viel einfacher und quasi flächendeckend Kompromittierendes findet, als
    früher mittels “Handarbeit” möglich war. Wer keine Leichen im Keller hat, wird in diesen Kreisen stets als “unzuverlässig” gelten.

    Ergo: Das System der Machtelite funktioniert wie eine Verbrecherbande, bei der man nicht aussteigen kann ohne sich selbst auszuliefern.

  4. Wir werden von der dt. Politik gerade beschämend behandeltNur wegen den Hilferufen aus der WIrtschaft landete das Thema Spionage überhaupt auf der Tagesordnungsliste.Aber dass diese Enthüllungen zeigen, dass wir auf dem Marsch in eine Überwachungsgesellschaft sind, dass der Schutz der Privatsphäre unterhöhlt wurde, und jederzeit unterhöhlt werden kann, dass Snowden sogar mitteilt, die Orgainsation der Zusammenarbeit zwischen den Diensten sei so gelegen, dass verantwortliche Politiker sich gut rausreden können. Das ist die Spitze des Eisberges.Wer sich nie offiziell mit der Herkunft von Daten, oder überhaupt der Existenz eines Geheimdienstes befasst, hat eine saubere Weste. Als Politiker. So wollens weiter rudern.Der BND führt wie alle Dienste ein Eigenleben, ein paraleller Rechtstaat und die Politik will das verschweigen.Da wäre ja viel Arbeit, man müsste alles noch mal neu ordnen und die Terrorabwehr auf RECHTSTAATLICHKEIT überprüfen. Ja, wer kann denn jetzt die Politik zwingen? Das Bundesverfassungsgericht?Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein Kontrollorgan der Verfassung die CDU zur Rechtstaatlichkeit zwingt. Dieser Schlafwagen von Frau Merkel ist zeimlich beschämend, und vielleicht haben die weiteren Enthüllungen von Snowden in den nächsten Wochen (hoffentlich kriegt er Asyl) noch Einfluss , auf die 40% CDU Wähler. Danke CDU, vielleicht schafft sich eine Partei (nach der SPD) gerade selbst ab.

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