Der Sultan of Swing

Sibel Edmonds ist Lesern dieses Blogs wahrscheinlich keine Unbekannte.  Jetzt ruft die türkisch-stämmige 9/11-Whistleblowerin zu einer Petition auf, die von dem großen TV-Sender NBC Aufklärung für eine sehr merkwürdige Meldung verlangt, die in der Nacht des gescheiterten Putschs in der Türkei am 15. Juli gesendet wurde und durch die Welt ging: “Senior US military source tells NBC News that Erdogan, refused landing rights in Istanbul, is reported to be seeking asylum in Germany.”  Zehn Minuten bevor NBC diese Meldung über ihren Twitter-Kanal absetzte, hatte Präsident Erdogan über CNN-Turk die Bevölkerung aufgefordert, auf die Straße zu gehen und den Putschisten entgegenzutreten.

“Natürlich wäre es überzogen, allein aus dem Tweet eines Fernsehproduzenten die Unterstützung oder gar Beteiligung amerikanischer Kreise am Putschversuch abzuleiten; natürlich können in einer unübersichtlichen Situation Falschmeldungen entstehen und sich schnell verbreiten”, schreibt “Welt”-Korrespondent Denis Yücel, aber dieser Tweet ist nicht die einzige Spur mit der penetranten Duftnote “CIA”.

Die türkische Zeitung “Yenis Safak”  berichtete über den seit Mai 2016 pensionierten US-General John F. Campbell, der bei Geheimtreffen putschwillige türkische Militärs mit Geld ausgestattet haben soll; sowie über ein klandestines Treffen in einem Hotel auf Istanbuls Prinzessinneninsel,  wo in der Putschnacht amerikanische und andere ausländische Politikexperten und Spindoktoren hinter verschlossenen Türen tagten. Danrunter der ehemalige CIA-Mann  und Direktor  des “Middle East Program at the Woodrow Wilson International Center for Scholars” Henri J. Barkey, der dem Personal ankündigte, um 4.00 ein Live-Interview mit CNN führen zu wollen.

Barkey  ist befreundet mit dem ehemaligen CIA-Vizedirektor Graham Fuller, mit dem er zusammen das Buch “The Kurdish Question” schrieb und der auf eine lange Karriere als geopolitischer Strippenzieher in der Türkei und Zentralasien zurückblicken kann. Er arrangierte in den 90er Jahren die Flucht des Predigers Gülen in die USA und bürgte noch 2006 für dessen “Greencard”. Dass im Gegenzug die Schulen, die der “moderate” Islamist Gülen in der Türkei, Usbekistan und anderen Ländern errichten lies, massenhaft CIA-Agenten als “Englischlehrer” eingeschleust wurden, kam 2011 ans Licht. Insofern scheint es durchaus naheliegend, was William Engdahl von “gewöhnlich gut informierten” türkischen Kollegen erfahren hat: dass auch Fuller bei dieser mysteriösen Nachtsitzung auf der Bosporus-Insel dabei gewesen soll. Als Spezialist für islamistische Operationen war CIA-Veteran Fuller zuletzt 2013 aufgefallen, als bekannt wurde, dass der Betreuer der “Boston-Bomber”, ihr “Onkel Ruslan”,  in Fullers Haus gewohnt hatte – als sein Schwiegersohn.

Es gibt also durchaus mehr als nur eine Spur, die in Richtung Langley deutet und das Muster, das sich da abzuzeichnet, mutet ebenso bekannt an wie die üblichen Verdächtigen, die sich zu nächtlichen Sitzungen hinter erschlossenen Türen trafen. Was immer man Erdogan vorwerfen kann (und muss!), übertriebene Paranoia oder ungerechtfertigtes Beleidigtsein scheint es in diesem Fall nicht, wenn er die Nato-Untergrundstruktur  “Gladio”  als Verdächtigen ins Spiel bringt. Dass er  jetzt die Säuberungsaktionen gegen seine einstigen Mitstreiter nutzt und  sein ohnehin schon autokratisches System weiter zementiert, ist nach der Logik der Machtpolitik nur konsequent.

Dass dieser Putsch vom Pentagon oder direkt vom Weissen Haus organisiert war, scheint dennoch eher unwahrscheinlich; naheliegender ist, dass bestimmte Fraktionen des Militärs und der CIA, die mit Obamas “zögerlicher” Politik im Mittleren Osten schon lange unzufrieden sind, auch ohne Placet von ganz oben den Putsch unterstützen und seinen Spin  in den Medien mit NBC-Falschmeldungen vorbereiten. Es wäre nicht das erste Mal. Und wenn dem so wäre, ist der Schuß (auch nicht zum ersten Mal) nach hinten losgegangen.  Denn  Sultan Erdogan swingt  und hat blitzschnell das Lager gewechselt: er redet jetzt nicht nur wieder mit den Russen, sondern auch mit dem Iran und mit Assad. Schon wimmert das War Street Journal, dass die mit großen Waffenlieferungen aus dem Westen unterstützte “Rebellen”-Offensive zur Eroberung von Aleppo – zur Lage dort: lesenswerter Hintergrundbericht des Kenners Robert Fisk– und damit der gesamte Syrienkrieg des Imperiums nun definitiv zu scheitern droht. Ohne den Korridor zur Türkei kann der Aufstand gegen Assad nicht fortgeführt werden. Und dann wird auch ISIS  schnell der Saft ausgehen.

Deshalb haben die wichtigsten Finanziers der islamistischen Kampfgruppen – der Emir von Qatar und Saudi-Arabien – Washington jetzt gedrängt, ihre Al Nusra/Al Qaida/ Al Kopf-ab-Brigaden von der Liste der “internationalen Terroristen” zu streichen und formell ins “moderate” Lager zu überführen. Damit  auch diese Kopf-ab-Fraktion künftig offiziell, und nicht nur hintenrum, vom Westen unterstützt werden kann. Aber nach der Kehrtwende Erdogans wird auch das nichts mehr helfen.

Dass der russische und der iranische Geheimdienst, die den Funk,- und Telefonverkehr des türkischen Militärs abhörten, Erdigan wohl rechtzeitig vorwarnten, hat quasi über Nacht neue Koalititonen geschmiedet. Nicht nur außen,- sondern auch innenpolitisch, denn Erdogan ist jetzt mehr oder weniger gezwungen, mit der säkularen, kemalistischen Opposition Kompromisse einzugehen, schon um die zigtausend “gülenistischen” Militärs, Polizisten und Juristen zu ersetzen, die er aus dem Staatsappparat entfernt hat. Auch seinen neo-osmanischen Expansionswahn muss er sich abschminken und mit den regionalen Nachbarn wieder kooperieren. Um eine autonome Kurdenrepublik im Norden Syriens zu verhindern muss Erdogan statt den IS zu stützen jetzt mit Assad verhandeln, sowie mit Teheran und Moskau.

Und weil sein neo-liberales Wirtschaftsexperiment in der Türkei gescheitert ist – nicht nur wegen massenhaft  ausbleibender Touristen – schon  aus ökonomischen Gründen die auf Eis liegenden Pipelineprojekte mit den Russen wieder auftauen.  Oh oh, das hören die  “Full Spectrum”-Dominatoren im Pentagon aber alles gar nicht gern. Wo kommen wir da hin, wenn die regionalen Mächte einer Region ihre Konflikte untereinander klären, statt sich gegeneinander aufhetzen zu lassen ?  Deshalb muss der of Swing Sultan jetzt wohl vor allem eines fürchten: einen Putsch 2.0.

8 Comments

  1. Ihre Unterstellung, US-Dienste seien verwickelt, ist wirklich abenteuerlich. Haben Sie mal seit dem “Putsch” RT International geschaut? Dort wird Erdogan neuerdings über den Klee gelobt, weil er als erste Amtshandlung nach dem “Putsch” Putin anrief, weil er den Piloten, der die russische MIG abschoss, festnahm, weil er öffentlich die NATO-Untergrundarmee Gladio als Putschbeteiligte brandmarkte, weil er deutschen Politikern den Zutritt zur Militärbasis in Incirlik verweigerte udgl. Der größte Anti-Amerikanist unter der Sonne, der US-amerikanische (sic) RT-Moderator Peter Lavelle, ist komplett umgekippt, freute sich neulich wie ein Kind über ein Lego-Set, dass Erdogan die Nähe Putin jetzt sucht und mit den USA fremdelt. Welchen Nutzen soll also ein US involvement beim “Putsch” gehabt haben, wenn sich im Nachklapp herausstelt, dass staatliche russische Medien über den “Putsch” und die Fogen derart aufgekratzt berichten? Es sei an Folgendes erinnert: Tage nach den Vorkommnissen im Gezi-Park 2013, hielt Erdogan eine große Demo in Istanbul ab. Er sagte dort, dass er sich wundere, dass er vom Westen schlechter behandelt würde als Putin (wohl gemerkt: ein Jahr vor der Krim-Annexion). Er, Erdogan, mache in der Türkei doch auch nur dass, was Putin in Russland mache: Gelenkte Demokratie. In der Tat haben Putin und Erdogan viel gemeinsam. Warum sollten also die USA ein Interesse an einer Annnäherung der beiden haben?

  2. Erinnert sich hier noch jemand an Broeckers´ Schilderungen der zahllosen war games, die am 11. September 2011 zeitgleich mit den Anschlägen stattfanden?
    Ich frage deshalb, weil sich nun herausstellte, dass Putschbeteiligte Soldaten auf der Bosporus-Brücke behaupten, ihnen sei gesagt worden, es handele sich bei der Blockade um eine Übung.
    Warum schrillen bei Broeckers angesichts dessen nicht die Alarmglocken?
    Warum wundert er sich nicht, dass Erdogans Regierungspalast aus der Luft beschossen wurde, obwohl öffentlich bekannt war, dass Erdogan im fernen Marmaris urlaubte?
    Andreas Hauß geht von einem inside job aus, weil Erdogans Flugzeug zu einem Zeitpunkt nach Istanbul aufbrach, als der Flughafen in Istanbul noch als von Rebellen besetzt galt.
    Das alles lesen wir bei Broeckers nicht.
    Stattdessen wird wieder die Räuberpistole “Amerika ist an allem schuld” aufgemacht.
    Not in my name.

  3. @ Steffen /BVB: Hier wird doch gar nichts unterstellt, es werden nur einige Spuren benannt, die darauf hindeuten, dass die Putschisten äußere Hilfe hatten. Zumindest seitens der NBC, die unter Berufung auf hohe US.Offizielle Erdogans Flucht meldeten.
    Über die Möglichkeit einer Inszenierung und Erdos Flug in der Nacht hatte Bröckers schon am 18.7. hier berichtet – und die LIHOP-Hypothese aufgestellt – lesen hilft! Aber trollen ist wohl schöner….

  4. Wenn Du zuviel weißt…wirst Du sowieso umgebracht
    Wenn Du nichts weiß…darfst Du halt Artikel schreiben…oder Dich dazu äußern…Cui bono ??

    Evergreen :
    “US-Politics is Hollywood for and from Ugly People
    Hollywood is Politics for and from the Rich & Famous for the Masses..equally Ugly…but Poorer” 🙂

    Deutschland liegt da als reiner US-Vasall zu 100%
    im Trend….so why worry…oder hat jemand die Eier in der Hose…Washington / DC den Krieg zu erklären ?…Noch nicht mal Putin geht diesen Kurs…und die USA “TOT-LIEBEN” hat auch NULL-Chance…So forget all about Politics

  5. Man will uns erzählen, westliche Schnüffeldienste müssten unsere Freiheit einschränken, um terroristische Verabredungen rechtzeitig zu erkennen. (Nur bei den “einsamen Wölfen” ginge das leider nicht, weil die ja vorher mit niemandem reden.)

    Und dann soll die Vorbereitung eines bewaffneten Putsches mit mehreren Tausend Beteiligten aus Heer, Luftwaffe und Marine, der ohne Zweifel ein hohes Maß an intensiver Koordination erfordert, abgelaufen sein, ohne dass die teuer bezahlten westlichen Dienste auch nur etwas geahnt haben? In einem Staat, der aufgrund seiner Rolle als Transitland für Zwielichter aller Art sicher im Fokus der entsprechenden Überwacher steht?

    Wofür wird z.B. der MAD bezahlt, wenn die Bundeswehr in Incirlik nichts davon mitbekommt, dass das Militär des Gastgeberlandes, auf dessen Basis sie hockt, gerade Hochverrat plant?

    Der Mainstream entlarvt sich erneut: entweder lügt er mit dieser offiziellen Darstellung oder er lügt mit der Behauptung, die Schnüffeldienste wären in der Lage, irgendeinen messbaren Beitrag zur Sicherheit durch Informationsgewinnung leisten zu können. Beides gleichzeitig geht nicht.

  6. du schreibst einen Beitrag über ein Thema, was du sehr unwahrscheinlich findest?

    dafür wäre mir ja meine Zeit zu schade.

  7. zu Kommentar 1 (steffen 77):

    Die Logik deines Kommentars entspricht folgender Überlegung: Ich habe eine 5 in der Mathe-Arbeit bekommen,also kann ich’s nicht gewesen sein (der die Mathe-Arbeit geschrieben hat), denn welches Interesse sollte ich daran haben, eine 5 in Mathe einzufangen?

    US-Geheimdienst-affine Kreuise schreiben nie eine 5 in Mathe, istklar.

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