100 Jahre JFK (6): Wie ein geheimer “Back Channel” mit Russland den Atomkrieg verhinderte

Wo dem derzeitigen US-Präsidenten Trump gerade vorgeworfen wird, dass er Geheimnisse an Russland verraten haben soll, scheint eine Erinnerung daran interessant, wie ein geheimer Kontakt John F. Kennedys mit dem russischen Staatschef einst einen Atomkrieg verhinderte. Nachdem im Oktober 1962 Fotos des U2-Aufklärungsflugezeugs gezeigt hatten, dass auf Kuba Abschussrampen für Mittelstreckenraketen installiert wurden, begannen die wohl aufregendsten 10 Tage seiner Amtszeit. Eine Krisensitzung jagte die andere und sowohl die Chefs der Armee plädierten für einen Militärschlag gegen Kuba, wie auch  sämtliche Mitglieder der Regierung  – außer seinem Bruder Robert und Verteidigungsminister McNamara. Der Air Force Chef Curtis LeMay provozierte Kennedy mit dem Hinweis, ein Nichteingreifen  sei “genauso übel wie die Beschwichtigung in München” (nach der Hitler die Tschechoslowakei überfiel) – aber JFK lies sich nicht provozieren. Hier dazu ein Auszug aus “JFK – Staatsstreich in Amerika” (S.65 f.)

Er verließ die Sitzung mit dem Hinweis, dass wohl alle verstanden hätten, »wie unbefriedigend die derzeitigen Alternativen sind« – doch für ihn ließen diese unbefriedigenden Möglichkeiten nur eine einzige Wahl zu: nämlich die, den Krieg, den seine Militärs und große Teile seines eigenen Kabinetts forderten, unter allen Umständen zu verhindern…. – und er machte sich daran, die letzte Option zu nutzen, von denen weder die Militärs noch die Geheimdienste und sein Kabinett zu dieser Zeit wussten: seinen geheimen »Back Channel« mit dem Partei- und Regierungschef auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs, den Kontakt mit Nikita Chruschtschow. Vermittelt über seinen Bruder und einen in Washington stationierten russischen Journalisten hatte Kennedy kurz zuvor einen Briefwechsel mit dem Kremlchef begonnen, und dieser erst 1993 im Rahmen des Freedom Of Information Act an die Öffentlichkeit gekommene Austausch wirft ein faszinierendes Licht nicht nur auf die aktuelle Krise im Oktober 1962, sondern auch auf die Rolle, die Persönlichkeiten an den Schaltstellen der Macht in entscheidenden Momenten spielen können. Denn auch Chruschtschow fühlte sich umringt von säbelrasselnden Generälen, die von politischen und diplomatischen Problemlösungen wenig und von massiven militärischen Aktionen umso mehr hielten. So sahen sich beide Staatsmänner genötigt, diskret hinter dem Rücken ihrer Beraterstäbe direkte Verhandlungen miteinander aufzunehmen. Zu welcher Katastrophe es ohne diese beiden um Frieden bemühten Führer im Herbst 1962 hätte kommen können, wurde erst 40 Jahre später bei einer historischen Konferenz in Havanna wirklich klar, als die teilnehmenden ehemaligen Mitglieder der Kennedy-Regierung erfuhren, dass damals nicht nur 12.000 russische Truppen auf Kuba stationiert waren, wie die CIA angenommen hatte, sondern insgesamt 40.000 – und diese nicht nur mit Mittelstreckenraketen, sondern auch mit nuklearen Sprengköpfen ausgerüstet waren. »Robert McNamara fiel fast vom Stuhl«, schreibt Arthur Schlesinger über diese Konferenz, »als der damalige Chef des Kontingents der Roten Armee auf Kuba das plötzlich enthüllte. … Damit hätten wir niemals gerechnet.«
Umso segensreicher war der Kompromiss, den Kennedy mit Chruschtschow dann über ihren geheimen Kanal und vorbei an ihren schießwütigen Cowboys und Rotarmisten aushandelten: Die USA würden ihre auf Russland gerichteten Jupiter-Raketen in der Türkei abziehen, die Russen ihre Raketen auf Kuba, und beide Seiten verpflichteten sich, nach diesem Abzug auf alle Invasionsversuche zu verzichten. Was im Nachhinein als meisterhafte diplomatische Intervention erscheint, stand in diesen Tagen auf Messers Schneide, denn bis auf seine engsten Vertrauten – seinen Bruder Robert und Berater Ted Sorensen – stand Kennedy bei seiner Entscheidung völlig allein.

Bis zum 100. Geburtstag John F. Kennedys am 29. Mai werden hier in loser Folge weitere Beiträge über den Mord und seine Nicht-Aufklärung erscheinen. Eine aktualisierte Neuauflage von “JFK – Staatsstreich in Amerika” ist im Westend Verlag herausgekommen.

6 Comments

  1. Man war wohl damals dem Atomkrieg noch ein gutes Stück näher, weil menschliches Handeln selten frei von Irrtümern und Fehlern ist :

    Der Mainstream weiß von einem russischen U-Boot-Offizier zu berichten, dessen Kommandant die Angriffe von US-Zerstörern auf sein Boot während der “Quarantäne” vor Kuba als Kriegsausbruch wertete und einen Nukleartorpedo abfeuern wollte. Der russische Offizier stellte sich quer und so blieb das Tor zur Hölle zu.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Wassili_Alexandrowitsch_Archipow

    Dem Mainstream weniger bekannt (und offiziell unbestätigt) dürfte folgende Story sein, die zeigt, dass auch auf US-Seite ein verantwortungsvoller Offizier den absoluten Wahnsinn verhinderte. Dazu findet sich bei den “Atomic Scientists” ein Artikel über einen ehemaligen USAF-Angehörigen, dessen auf Okinawa stationierte Einheit im Oktober 1962 angeblich einen (nicht als Übung deklarierten) Befehl erhielt, 32 Nuklearraketen auf Russland und andere Staaten abzufeuern. Weil der Startoffizier das für einen Fehler hielt und einige Umstände nicht regelgerecht waren, zögerte er…

    http://thebulletin.org/okinawa-missiles-october8826

  2. @Stefan 19/05/2017 at 12:59

    Fragt sich auch, ob die Sowjets zum damaligen Zeitpunkt auf Kuba überhaupt einsatzfähige raketengestüzte Atomwaffen hatten ??

    In jedem Fall war ja zu Beginn der 60ziger das US-Militär zu Kennedy gegangen und hatte ihm absichtlich falsch interpretierte Satellitenfotos unter die Nase gehalten :

    Jede Stele—jede größere Mongolen-Jurte–jedes Getreide-Silo–jede Kathedrale auf dem Territorium der Sowjetunion, alles was ein bisschen „Spitzig “ aussah, wurde JKF als einsatzfähige Sowjet-Atomrakete präsentiert.

    1.500 Stück mit klarer Gefechtsausrichtung nach USA
    JFK : „Verdammt …jetzt müssen wir aber nachrüsten“

    Die ewige Arbeitsplatzgarantie für den militärisch-industriellen Komplex ( Eisenhower Warnung ) war durch die Täuschung von JFK damit festgeschrieben…bis heute

    Fakt :
    Die Sowjets hatten zu Beginn der 60ziger keine „Erstschlagskapazität“ Die hatten 4 raketengestützte Atom-Raketen, 3 davon waren defekt LoL

    Umso mehr juckte den US-Falken natürlich die Säbelspitze die Commies „Once and for all“ fertigzumachen,

    Auf der anderen Seite mußte der Feind Sowjetunion aber auf alle Fälle auch bestehenbleiben, um das Militär-Budget zu rechtfertigen

    Auf der nächsten Ebene waren Sowjet-Union und China auch willkommene „Versuchslabors“ für eine totalitäre Gesellschaft, von Rockefeller & Co hochgelobt, als Vorläufer der von Ihnen und der Finanz-Elite angestrebten planetarischen Kontrollgesellschaft

    Die Sowjet-USA-Stellvertreterkriege in der 3.-4. Welt waren immer blutig, mit echtem „Stühlerücken“ aber eine direkte militärische Konfrontation zwischen beiden Super-Mächten war stets „Show“

    http://www.dailymail.co.uk/news/article-2515598/Launch-code-US-nuclear-weapons-easy-00000000.html
    http://www.huffingtonpost.com/2013/12/05/nuclear-missile-code-00000000-cold-war_n_4386784.html

    Best Enemies Money can buy
    https://www.pdf-archive.com/2016/10/28/the-best-enemy-money-can-buy/preview/page/2/
    https://www.youtube.com/watch?v=XYLAFOvt32o

    An Insider looking out….not an Outsider looking in

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