Heute vor 56 Jahren fand in der Universitätskapelle der Harvard Universität in Boston ein bemerkenswertes Experiment statt. Bevor der Gottesdienst am Karfreitag (“Good Friday” ) begann, wurden Kapseln an 20 Theologie-Studenten verteilt. Die eine Hälfte erhielt 30 Milligramm Psilocybin, die andere ein Placebo-Präparat. Ziel des Experiments, das der Arzt und Theologe Walter Pahnke im Rahmen seiner Doktorarbeit durchführte, war die Bewertung von Psilocybin, des Wirkstoffs der „heiligen Pilze“ der südamerikanischen Inidianer, als Auslöser mystischer Erfahrungen. Das Ergebnis war eindeutig: 80 % der Psilocybin-Gruppe berichteten von starken Eindrücken – Erlebnis der Einheit Transzendenz von Raum und Zeit, Empfinden des Heiligen und ähnlichem, in der Kontrollgruppe hingegen berichtete keiner von solchen Erfahrungen. Bei den Studenten handelte es sich um „ziemlich un-mystische Persönlichkeiten“ (Pahnke), bodenständige, protestantische Mittelamerikaner und um so erstaunlicher war dieses Ergebnis, das vor allem von christlicher Seite kritisiert worden ist, weil zu einer „echten“ mystischen Erfahrung notwendigerweise die personale „Begegnung mit Jesus Christus“ gehöre.
Ein Einwand, der allerdings eher als Vereinsmeierei denn als ernstzunehmende Kritik zu verstehen ist, zumal im Hinblick auf die Langzeituntersuchung des Karfreitagexperiments, die Rick Doblin ein Vierteljahrundert nach diesem Karfreitag bei 19 der 20 damaligen Probanden durchführte. Während die Kontroll-Gruppe sich kaum noch an irgendein Detail erinnern konnte hatten alle Mitglieder der Psilocybin – Gruppe lebendige Erinnerungen an das Ereignis und bezeichneten sie als einen, wenn nicht den Höhepunkt ihres spirituellen Lebens: „Wir hatten nur eine unendlich kleine Menge Psilocybin genommen, aber sie verband mich mit der Unendlichkeit“, so eines der typischen Statements der Befragten.
Auslöser dieser Experimente waren die überwältigenden Erfahrungen nach dem Genuß magischer Pilze, die den kurz zuvor als Professor für Psychologie an die Harvard-Universität berufenen Timothy Leary Anfang 1960 veranlaßten, diese Substanzen in seine verhaltenspsychologischen Forschung einzubeziehen. Neben dem Karfreitags-Experiment wurde im Rahmen des „Harvard Psilocybin Project“ auch ein Versuch mit Gefangenen eines Staatsgefängnisses gestartet, bei denen die Wirkung einer Psilocybin – Therapie auf die Resozialisierungschancen getestet wurde – mit vielversprechenden Ergebnissen. Auch bei der Rehabilitation von Alkoholikern hatte die psychedelische Selbsterfahrungs-Therapie erstaunliche Ergebnisse gezeigt, der Gründer der „Anonymen Alkoholiker“ Bill Wilson war einer der ersten Teilnehmer am „Harvard Psilocybin Project” – doch trotz dieser äußerst vielversprechenden Resultate wurde das Forschungsprojekt von der Universitätsleitung 1963 beendet und die Leiter Timothy Leary und Richard Alpert (Ram Dass) sowie ihr Assistent Ralph Metzner gefeuert.
Mehr als ein halbes Jahrhundert später wird der Irrsinn deutlich, diese erfolgreichen und viel versprechenden Forschungsprojekte schon in ihren Anfängen zu tabuisieren und zu stoppen – an zahlreichen Universitäten und klinischen Forschungseinrichtungen wird der Wirkstoff der “magic mushrooms” mittlerweile wieder entdeckt – unter anderem als “Wunderwaffe” gegen Depressionen und bei der Therapie von post-traumatischen Syndromen. Auch andere, ähnlich wirkende Psychedelika wie LSD und Ayahuasca erleben in der wissenschaftlichen und medizinischen Forschung eine Renaissance und der “recreational use” in der Szene ist längst nicht mehr auf Alt-Hippies und Psy-Trance-Jünger beschränkt, bei den CEOs im Silicon Valley ist mittlerweile “microdosing” angesagt – die Einnahme von Kleinstmengen LSD, die Wachheit und Aufmerksamkeit steigern. Und so wird es hoffentlich auch nicht mehr lange dauern, bis Psychologen und Theologen sich erneut ein “Good Friday”-Experiment vornehmen um mystischen Erfahrungen auf die Spur zu kommen – und am Besten neben christlichen auch muslimische, jüdische und hinduistische Aspiranten an ihrem jeweiligen Feiertag einem “Acid-Test” unterziehen. Auf die Ergebnisse bin ich gespannt. Sie würden uns in jedem Fall einer Antwort auf die spannende Frage “Ist Gott eine Droge oder haben wir sie nur falsch verstanden?” (Robert Anton Wilson) näherbringen.
Kommenden Monat erscheint nun ein Buch über eine der wichtigsten Wegmarken der psychedelischen Forschung, in “Die Geburt einer psychedelischen Kultur” erzählen die beiden Pioniere Ram Dass und Ralph Metzner von den Forschungen und Erfahrungen bei dem “Harvard Psilocybin Projects” und danach. In einem Prolog zu diesem Buch habe ich etwas über die Vorgeschichte dieser Projekte geschrieben, die in Deutschland und der Schweiz begannen – mit der Entdeckung des Meskalins, dem Wirkstoff des Peyote-Kaktus um die Jahrhundertwende und des Mutterkorn-Pilzes, in dem Albert Hofmann 1943 das LSD fand. Zum 75. Geburtstag dieser Entdeckung am 19. April wird in Basel ein (leider ausverkauftes) Symposion stattfinden, das aber auch per Live-Stream empfangen werden kann.
In der Hoffnung das Sie dann wieder in die Spur kommen, sollte man den aktuellen Kriegstreibern, diese Mittel zur Erweiterung ihres Horizonts geben!