Pionier im Weltraum der Seele: Ralph Metzner R.I.P

Als ich gestern abend nach Hause kam und den Computer einschaltete fand ich die traurige Nachricht, die mein kalifornischer Freund Robert Forte eine Minute zuvor gepostet hatte:

“Ralph Metzner, friend, teacher, inspiration, for decades, has left his body, this time, for good, or so it seems. Am a little shocked to learn this a moment ago. I just pulled into a car wash, in my car was Ralph and Cathy’s Christmas card, which i just read one more time before recycling and hearing this sad news. Ralph was my guide on innumerable journeys during the early years of my inquiry into psychedelics. I loved him like a big brother. I commend and honor him for so many reasons, and I trust he’s well prepared for yet another journey he has just begun…”

Auch für mich war Ralph Metzner ein Freund, ein Lehrer, ein Anreger und vertrauensvoller Führer auf  Reisen in den inneren Weltraum. Und wie Robert bin ich sicher, dass wenn jemand für die letzte große Reise gut vorbereitet ist, dann ein Forscher, ein Schamane, ein Weiser wie Ralph einer war. Er war nach der Promotion in klinischer Psychologie in  Harvard der wissenschaftliche Assistent von Timothy Leary und Richard Alpert, schrieb mit ihnen zusammen 1963 den ersten psychedelischen Reisefüher (” The Psychedelic Experience: A Manual Based on The Tibetan Book of the Dead“), für den  – wie das bei “Hilfs-Wissenschaftlern” berühmter Professoren  oft so ist – die wesentliche Schreibarbeit bei ihm lag. Das bahnbrechende Werk legte dann auch den Grundstein für seine mehr als 50 Jahre währenden Erforschungen der Welten des Bewussteins, des Geists und der Geister, der Anthropologie, Pharmakologie und Phänomenologie erweiterter Bewussteinszustände. Zu diesen Themen veröffentlichte er mehr als 100 wissenschaftliche Papiere und zahlreiche Bücher und lehrte über 30 Jahre als Professor am California Institute of Integral Studies in San Francisco.

Mir war es dann eine große Freude, zum “HiWi” des großen Ralph Metzner zu werden und z
wei seiner Essaybände aus der Reihe Ökologie des Bewusstseins die im Nachtschatten-Verlag erschienen ist – “Die Erweiterung des Bewusstseins: Alchemistische Transformation des Individuums und der Gesellschaft” (2008), “Die Wurzeln von Krieg und Herrschaft” (2009) – ins Deutsche zu übersetzen. Diese Zusammenarbeit war auch deshalb so schön, weil Ralph sehr gut Deutsch sprach, denn es war seiner “Vatersprache”. Er wurde 1936 in Berlin, wo sein Vater ein Papierunternehmen betrieb, geboren und übersiedelte während des 2. Weltkriegs mit seiner britisch-stämmigen Mutter nach England. In Oxford begann er  sein Studium und ging 1960 zur Promotion dann an die Harvard Universität in Boston. An seiner alten deutschen Heimat blieb er aber immer sehr interessiert und schrieb mit “Der Brunnen der Erinnerung” auch ein wunderbares Buch über die wegen der Kontaminierung durch die Nazis verloren gegangenen germanischen Götter und Mythen. (Weshalb wir heute zwar an jeder Ecke Buddhas und Shivas sehen, aber die wunderbaren Geschichten von Odin, Thor oder Loki  als irgendwie “rechts” gelten.).
Zuletzt auf deutsch erschienen  ist Anfang 2018 der Erinnerungsband, den er zusammen mit Ram Dass (Richard Alpert) verfasst hat: “Geburt einer Psychedelischen Kultur – Gespräche über Leary, die Harvard-Experimente, Millbrook und die 60er Jahre“.  Als Ralph fragte, ob ich einen Prolog zu diesem Buch schreiben könnte – über die historische Vorgeschichte dieser Experimente in Deutschland und der Schweiz – sagte ich natürlich  zu. Hier ein PDF des Skripts, an dessen Ende es heißt:

“Als Tim Leary Mitte der 1980er Jahre zu einem Vortrag für zwei Tage nach Berlin gekommen war, machten wir eine Stadtrundfahrt, bei der wir auch auf die Aussichtsplattform am Potsdamer Platz stiegen um über die Mauer in den Ostteil der damals nach geteilten Stadt zu schauen. Wir sprachen über den sehr bürokratischen, irgendwie preußischen Sozialismus der DDR und als wir wieder ins Auto stiegen meinte Leary: „But Germany is also the fatherland of Rausch.“ Schließlich seien Morphin, Heroin, Kokain, Amphetamin und nur wenige Meter hinter der Grenze auch LSD hier entdeckt worden. So hatte ich Deutschland noch nie gesehen, aber es stimmte natürlich. Zumindest was die pharmakologische Entdeckungen betraf, war der deutschsprachige Raum tatsächlich die Geburtsstätte all dieser Substanzen und ohne Albert Hofmanns Isolierung der Alkaloide des Mutterkorns (LSD) und der heiligen Pilze (Psilocybin) hätte die Geburt der psychedelischen Kultur in Amerika nicht stattfinden können, von der Ram Dass und Ralph Metzner in diesem Buch erzählen. Dass aber eine weit über die pharmakologische Entdeckung hinaus gehende Kultur entstand, die bis tief in die Bereiche des Sozialen, Ästhetischen und Spirituellen wirkte und bis heute wirksam ist, dies verdankt sich vor allem diesen Pionieren und ihren Mitstreitern. Wie bedeutend ihre Arbeit war, die nach kurzem Aufblühen in Harvard in den Untergrund gedrängt wurde, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass 50 Jahre später die Psychedelika als einzigartiges Therapeutikum in vielen wissenschaftlichen Institutionen wiederentdeckt werden. Weil Tim Leary, Ram Dass und Ralph Metzner ihrer Zeit weit voraus waren, ist ihr historischer Report deshalb noch immer von höchster Aktualität.”

Das gilt auch für das gesamte Lebenswerk Ralph Metzners, der als Pionier im Weltraum der Seele Bereiche erkundet hat, deren wissenschaftliche Kartographierung und Erforschung  auch nach über 50 Jahren noch immer in den Anfängen steckt. Die Grundlagen dafür geschaffen zu haben ist das Verdienst dieses großen Forschers und wunderbaren Menschen. “Wer als Naturwissenschaftler kein Mystiker wird, ist kein richtiger Naturwissenschaftler” hat Albert Hofmann einmal gesagt und ganz entsprechend hat sich Ralph Metzner den Bereichen der Mystik zugewandt – ohne darin zu versinken und seine Profession als Wissenschaftler aufzugeben. Weil niemand in unserer Zeit den “Lebenszyklus der Menschenseele” länger und intensiver erforscht hat als eben Ralph Metzner müssen wir uns um seine Navigationsfähigkeiten nicht sorgen – die Bereiche, die die Seele nach dem Verlassen des Körpers betritt, waren für ihn alles andere als Neuland. Sorgen müssen wir uns nur, wie wir ohne einen solchen Freund und Wegweiser hienieden weiter zurecht kommen. Gute Reise, lieber Ralph!

PS: Hier noch einige Videos und Vorträge von Ralph Metzner:

Death (2010, 3 min)

Albert Hofmann, LSD und die Suche nach dem alchemistischen Stein der Weisen (2006, 60 min, deutsch)

Expansion of consciousness of the individual and Society (2011, 37 min.)

4 Comments

  1. Einer der Großen…”dead and gone”
    Bevor wir alle RIP sind…kann jeder von uns groß werden.
    Rezept: Inneres + Äußeres Wachstum
    Motto: Leben ist gut..Gut leben ist besser
    Bedenke durchaus :
    Brutto-und Netto-Zeiten auf Erden…das ist nicht dasselbe 🙂

  2. Ein Türmchen Orange Sunshine, das psychedelische Totenbuch – und du hast den Tod am Schlafittchen…dachten wir damals. War auch so bei mir glaube ich, doch leider nur für den Bruchteil eines Moments, dann war schon wieder was anderes.
    Abgesehen davon, dass es schwierig scheint im Hyperspace mit so vielen Lichtern das Klare Licht zu erkennen, verlangt es doch gehörige Meditationspraxis, um dabei auch noch ruhig verweilen zu können.
    Das war nicht eingeplant in unserer Begeisterung für die in molekular-materieller Form (wie es sich für den Westen ziemt) daher kommende postmoderne Erleuchtung zwecks Vorbereitung einer besseren Wiedergeburt oder – warum nicht gleich bei dieser günstigen Gelegenheit? – eines Ausstiegs aus dem Rad der Wiedergeburten.
    Der Schamanismus hat inzwischen die ihm gebührende Stellung in der Bewusstseinsforschung eingenommen und der tibetische Buddhismus entstand aus der Verschmelzung des Bön-Schamanismus mit der Lehre Padmasambhavas.
    Ralph der tiefenökologische Schamane, der Buddhist Richard und der Exopolitiker Timothy, so könnte man meinen, waren drei frühe Alchemisten des globalen Informationsparadigmas mit seiner zunehmenden Fokussierung auf unsere Bewusstseinsprozesse in Physik, Politik und der so schändlich missbrauchten westlichen Psychologie (der Buddhismus ist schließlich auch eine psychologische empirische Wissenschaft und keine Religion!).
    Was bleibt uns jetzt noch zu tun? Ein Rat von Patrul Rinpoche (19.Jhdt):
    “Folge dem Beispiel einer alten Kuh:
    Sie ist es zufrieden, in der Scheune zu schlafen.
    Du musst essen, schlafen und scheissen –
    das ist unvermeidlich,
    Darüber hinaus braucht dich nichts zu kümmern.”

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