Die neue Inquisition

Am vergangenen Donnerstag hat das US-Justizministerium eine erweiterte Anklage gegen Julian Assange veröffentlicht. Der Wikileaks-Gründer wartet in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis auf die Gerichtsverhandlung über den Auslieferungsantrag der USA, die am 12. Juni beginnen soll. Wurde ihm in der ersten Anklage, die im vergangenen Monat veröffentlicht wurde, nur die Verschwörung mit der ehemaligen US-Militärgeheimdienstanalystin Chelsea Manning für einen Hackerangriff vorgeworfen, enthält die neue Anklageschrift nunmehr 17 weitere  Punkte, die unter das US-Bundesgesetz des „Espionage Act“ fallen, der den Verrat militärischer Informationen unter Strafe gestellt.

Nach diesem im ersten Weltkrieg 1917 erlassenen Gesetz, dessen Verstoß mit der Todesstrafe geahndet werden kann, wurde bisher noch niemals ein Publizist verurteilt.
Um eine Auslieferung aus England zu erreichen – was bei drohender Todesstrafe wegen britischer und europäischer Gesetze nicht möglich ist – teilte das US-Justizministerium mit,  dass Assange bei einer Verurteilung pro Anklage mit einer Höchststrafe von 10 Jahren Gefängnis rechnen müsse, für die erste Anklage der Verschwörung zum Eindringen in ein Computersystem wäre die Höchststrafe 5 Jahre. Es drohen maximal also “nur” 175 Jahre Haft.

Die Juristen der Obama-Regierung hatten eine Anklage nach dem Spionage-Gesetz zwar erwogen, dann aber fallenlassen, weil davon dann auch sämtliche klassische Medien betroffen wären, die die von Wikileaks bereitgestellten Informationen ebenfalls veröffentlichten.

“Rechtswissenschaftler glauben, dass die Verfolgung von Reportern wegen ihrer Arbeit das First Amendment (den Verfassungsgrundsatz der Rede,-und Pressfreiheit) verletzte, doch dies wurde noch nie von einem Gericht verhandelt, da die Regierung noch nie einen Journalisten unter dem Espionage Act angeklagt hat”, schreibt die New York Times.

Auf eine entsprechende Frage antwortete ein Sprecher des Justiz-Ministeriums bei einer Pressekonferenz: ”Das Ministerium nimmt die Rolle von Journalisten in einer Demokratie sehr ernst…Es ist nicht und war nie die Politik des Ministeriums, sie wegen ihrer Berichterstattung zu verfolgen. Aber Julian Assange ist kein Journalist.”

Die New York Times merkt dazu an: “Auch wenn er kein konventioneller Journalist ist, ist doch vieles was Assange bei Wikileaks tut auf rechtlich sinnvolle Weise schwierig von dem zu unterscheiden, was traditionelle Presseorganisationen wie die New York Times tun: Informationen zu finden und zu publizieren, die die Regierung geheim halten will, einschließlich Angelegenheiten der nationalen Sicherheit, und Schritte zu unternehmen, um ihre Quellen zu schützen.”

Etwas anderes hat Julian Assange  nie getan, soll nun aber in einem historischen Präzedenzfall dafür verurteilt werden. Wenn das gelingen sollte ist es mit jeder Form von Pressefreiheit definitiv zu Ende. Nicht nur in den USA, sondern überall dort, wo das US-Imperium oder seine Handlanger zugreifen können, wäre dann kein echter Journalismus mehr möglich.

Julian Assange hat keine Verbrechen begangen, sondern Verbrechen aufgedeckt, aber er wird behandelt wie ein Schwerkrimineller.

Er hat die Welt über illegale Foltergefängnisse  aufgeklärt und das Handbuch für den Betrieb von Guantanamo publiziert, aber jetzt droht ihm die Auslieferung an die Betreiber und Wärter dieses Kerkers.

Er hat als Publizist wichtigere Nachrichten veröffentlicht  – über Kriegsverbrechen, Korruption, politische Morde, Wahlbetrug in aller Welt – als alle großen Medien in aller Welt zusammen, und sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis in Isolationshaft. Er hat mehr getan für die unverzichtbare Institution jeder freien Gesellschaft – die Pressefreiheit als vierte Säule der Demokratie und unabhängiger Kontrolleur der Mächtigen und Herrschenden –  als jeder andere Journalist, doch der von allen freiheitlichen Verfassungen garantierten Schutz der Presse und die Rechte eines Journalisten sind ihm entzogen. Stattdessen wird er als „Terrorist“ verleumdet  und Abgeordnete des US-amerikanischen Kongresses ebenso wie die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton konnten offen zu seiner Ermordung aufrufen, ohne für solche Hetze zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Unterdessen wurde Chelsea Manning, die sich weigert vor einer nicht-öffentlichen Grand Jury gegen Julian Assange auszusagen, zum zweiten Mal in Beugehaft genommen. Sie hat angekündigt, sich auch weiterhin nicht erpressen zu lassen, den Wikileaks-Gründer mit irgendwelchen Aussagen zu beschuldigen. Diese Erpressung von Chelsea Manning – neben der Haft soll sie für jeden Tag ihrer Weigerung 500 Dollar und nach 30 Tagen 1000 Dollar Strafe  zahlen –  zeigt deutlich, wie wenig die US-Behörden gegen Assange in der Hand haben. Wie mittelalterliche Inquisitoren sind sie auf Daumenschrauben und Foltergeständnisse angewiesen, um irgendwelche „Beweise“ für die Schuld ihres Opfers präsentieren zu können.

Mit einem fairen, rechtsstaatlichen Strafverfahren hat die Jagd auf Julian Assange nichts zu tun. Es geht bei diesem Fall nicht um eine Person, es geht nicht um ein Helden-oder Schurken-Drama , es geht ums Prinzip, es geht um Grundsätzliches unserer freiheitlichen Verfassung, um die Freiheit der Presse. Der „brother in crime“ von Julian Assange. Edward Snowden, hat es vor einiger Zeit so ausgedrückt: „Wenn das Aufdecken von Verbrechen wie ein Verbrechen behandelt wird, werden wir von Verbrechern regiert.“ 

Am Ausgang des Verfahrens gegen Julian Assange wird sich entscheiden, in wie weit sie die Macht schon übernommen haben. Wenn nicht spätestens jetzt sämtliche Medien, Pressverbände und alle Institutionen denen an Demokratie und Pressefreiheit noch irgendetwas gelegen ist, auf die Barrikaden gehen, wann dann bitte schön?

9 Comments

  1. Edward Snowden ist eine Cyber-Entität und kein echter Mensch. Man braucht sich nur seine Brille, in der ein Nasenflügel fehlt, anzuschauen. Sogar in Videos. Chelsea Manning ist genauso unecht. Das sind doch alles laufende Psyops produziert und kolportiert von Massenmedien. Alle Medienmenmschen müssen da mitmachen. Heidi Klum kann heute auch ihr/sein Geschlecht nach belieben wechseln, habe ich heute gelesen. Noch Fragen?

    1. Ja, ich hab eine Frage. Hab Sie nicht verstanden, Herr Miller. Können Sie das bitte noch einmal auf Deutsch formulieren ?

      1. nun ja, bis auf ein Tippfehler und ein paar Buzzwords war das feinstes Hochdeutsch. Was genau haben Sie nicht verstanden Twickel?

  2. Das Wort von einer “Neuen Inquisition” bringt es vortrefflich auf den Punkt – bezeichnet es eben gerade die ungeheuere Verblendung, die dieser neuerliche monotheistische, nein, monospiritualistische und entsprechend um jeden Preis in der Untertanenschaft zu erzwingen versuchte machtmonopolistische Wahnsinn mit jener “klassischen” Periode der inhumansten Totalunterjochung in der westlichen Geistesgeschichte gemein hat.
    Dass es schon niemanden mehr in der US-amerikanischen Administration gibt, der vielleicht noch den naheliegenden Gedanken erwägen könnte, dass sich jeder Hegemon auf diese Weise – nicht nur, aber gewiss auch – sein eigenes Grab schaufelt…

  3. Also wenn ich die augenscheinlich computergenerierten Texte mancher Medien lese bleibt viel Raum daran zu zweifeln das es die ‘Presse’ überhaupt noch gibt. Möglicherweise sitzt da nur noch der Pförtner und fragt sich warum kein Journalist mehr um Einlass bittet.
    Gruß
    Alter Defätist

  4. Es ist und bleibt eine verlogen inszenierte öffentliche Demontage und Hinrichtung. Es wird ein Exempel statuiert, um Nachahmer abzuschrecken. Und bei der “Vierten Gewalt” ist große Ruhe im Blätterwald!
    Kurt Tucholsky hat vor Jahrzehnten schon, die passenden Zeilen dazu geschrieben.
    Im Übrigen gilt ja hier derjenige,
    der auf den Schmutz hinweist,
    für viel gefährlicher als der,
    der den Schmutz macht.

  5. ich frage mich, wieso darf ein solcher Schwerverbrecher, wie der Assange, ständig von irgendwelchen Medien interviewed werden? Wieso wird ihm eine solche Medienpräsenz spendiert? Ist eine 175 jährige Haftstrafe nicht absurd und lächerlich? Kann man einen solchen Urteil dann noch ernst nehmen? Gut, der ist ja noch nicht gefallen, wird aber schon mal prophezeit.

  6. Momentane gesellschaftliche und politische Entwicklungen zeigen auch schön auf, wie grundfalsch die verschwiegene Prämisse in den Köpfen vieler Menschen ist, dass sich alles irgendwie zum Besseren entwickeln wird – als ob es ein Gefälle hin zum Fortschritt gäbe. Der musste leider immer erkämpft, verteidigt und weiterentwickelt werden – es gibt genügend Machtinteressen, die für Profit jeglicher Art bereit sind, zivilisatorische Errungenschaften abzuschaffen, als ob’s eine Fernsehserie mit schlechten Quoten wäre.

    Die Bürger müssen sich ihrer Rechte bewusst sein – und dessen, was passiert, wenn die beschnitten oder abgeschafft werden. Und was dann der nette CDU-Onkel und seine Lobbyfreunde alles dürfen, weil: Wollen tun die das jetzt schon. Kramp-Karrenbauer und Schipanski sind keine Lederwesten-Trucker am Stammtisch. Das wirkt jetzt wie beleidigte Leberwurst, aber wenn die erst mal mit genügend Geld eine Digitalstrategie aus dem Boden stampfen, stehen die großen Verlage auf der Matte, um mitzuorgeln: “True Media” gibt es jetzt schon, als Feigenblatt – aber das kann auch ganz wörtlich gemeint sein, staatliche Zuschüsse für genehmigte Medienangebote, wie in Kanada.

    Der Großfeind in der Wirtschaft, China, darf ganz offen kommuniziert werden – wer mag die schon, Fellachentum etc. Der neue Großfeind für die Medien, jetzt wo ihnen die Felle davon schwimmen, ist ein bisschen kniffliger zu kommunizieren – das ist nämlich die Öffentlichkeit selbst, für deren Verständnis und Bespielung selbst noch so differenzierte Sinus-Milieus nicht mehr ausreichen. Ein Großteil der Jugendlichen informiert sich primär über Social Media, kostenlos. Punkt. Das ist wie eine Krebs-Diagnose für den Medienmanager – auch noch so viel Macht und Geld wird da nicht helfen. Aber, es geht ja schließlich um Karrieren und Lebensläufe, man kann den siechen Organismus noch über ein paar Runden retten. Dafür braucht es Faktenchecker-Reichsbürger-Russen-Terrordramen vom Feinsten. Aber wie ausgeprägt wird die Solidarität mit jemandem sein, der den Content kostenlos rausgibt und den Medienmogulen damit in die Suppe spuckt?

    Die Öffentlichkeit selbst, als Abstraktum und ganz konkret, ist dem Journalisten deshalb suspekt geworden: Wo brauchen die noch Führung, welche Angebote kann man da machen? Zensur ist so ein unschönes Wort – es wird eher sowas wie ein Branchensiegel werden, wie Bio, nur “Journalismus”. Der Rest kann gerne die volle Breitseite Mutti-Liebe inklusive Geld- und Haftstrafen abbekommen. Man hat schließlich einen guten Namen zu verteidigen.

  7. Wer die Wahrheit sagt, brauch ein schnelles Pferd. Was ist das für eine Journaille, die nicht aufbegehrt, wenn jemand, der den Finger in die Achillesferse der Mächtigen steckt, einfach entrechtet und kassiert wird. Hofberichterstatter ist da noch eine charmante Titulierung. Free Julian.

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