Die USA gegen Julian Assange

UPDATES (unten):  Mit dem Begriff “Schauprozess”, definiert Wikipedia, werden “öffentliche Gerichtsverfahren bezeichnet, bei denen die Verurteilung des Beklagten bereits im Vorhinein feststeht. Der Prozess wird somit nur zur Wahrung des Anscheins einer gewissen Rechtsstaatlichkeit oder auch aus politischen Gründen durchgeführt, wozu propagandistische Zwecke oder die öffentliche Herabwürdigung und Demütigung eines Angeklagten gehören können. Schauprozesse werden unter anderem als Mittel zur Verfolgung politischer Gegner oder anderer unerwünschter Personen eingesetzt und sind ein Merkmal undemokratischer Regierungsformen.”

Die Anhörungen zur Auslieferung von Julian Assange an die Vereinigten Staaten, die in dieser Woche in London fortgesetzt werden, werden jetzt die Möglichkeit bieten, einen solchen “Schauprozess” zu erleben. Die Verhandlungen im Februar deuteten jedenfalls schon an, dass es kaum darauf ankommt, was die Ankläger und die Verteidigung vorbringen, weil das Urteil schon feststeht. Deshalb  wäre es eine große Überraschung, wenn die Vorsitzende Rechtspflegerin, Magistrate Vanessa Baraitser, am Ende eine Auslieferung in die USA ablehnen würde. Auch wenn schon die Rundum-Überwachung Assanges in der ecuadorianischen Botschaft und die Weitergabe u.a. seiner Anwaltsgespräche an die USA ein  faires rechtsstaaliches Verfahren dort eigentlich ausschließen. Die zentralen Argumente seiner Verteidigung lauten:

1.) Das Ersuchen zielt auf die Auslieferung wegen einer klassischen “politischen Straftat” ab. Die Auslieferung wegen einer politischen Straftat ist nach Artikel 4 Absatz 1 des anglo-amerikanischen Auslieferungsvertrags ausdrücklich verboten. Daher stellt es einen Missbrauch des Verfahrens dar, von diesem Gerichtshof zu verlangen, dass er unter Verletzung der ausdrücklichen Bestimmungen des Vertrags auf der Grundlage des anglo-amerikanischen Vertrags ausliefert.

2.) Die Anklage wird aus hintergründigen politischen Motiven und nicht in gutem Glauben erhoben. Dies betrifft die Rechtsprechung, die in den aufeinanderfolgenden Fällen R (Bermingham und andere) gegen den Direktor des Serious Fraud Office [2007] QB 727 und R (Regierung der USA) gegen das Bow Street Magistrates’ Court [2007] 1 WLR 1157 (“Tollman”) anerkannt wurde.

3.) Der Antrag stellt die Tatsachen grundlegend falsch dar, um diesen Fall in den Rahmen eines Auslieferungsverbrechens zu stellen; sowohl durch die falsche Darstellung, dass Julian Assange Chelsea Manning materiell beim Zugang zu Informationen der nationalen Sicherheit unterstützt habe, als auch durch die falsche Darstellung, dass es eine rücksichtslose Offenlegung der Namen bestimmter Personen gegeben habe.

Unterdessen hat die ARD eine gute Dokumentation zu diesem Fall gesendet, die in der Mediathek abrufbar ist…und hoffentlich auch dem Letzten klar macht, dass mit einer Verurteilung in diesem Schauprozess ein  Präzedenzfall geschaffen wird, der Journalismus und Pressefreiheit auf der ganzen Welt betrifft. Wenn  ein australischer Journalist, der in Europa gearbeitet  und Wahrheiten über Kriegssverbrechen veröffentlicht hat, in den USA gegen Gesetze verstossen und ausgeliefert werden kann, dann ist kein Journalist  irgendwo auf der Welt  mehr vor einem internationalen Haftbefehl sicher, wenn er irgendetwas publiziert was dem US-Imperium nicht paßt.

Hier über den ersten Tag der Anhörung der Bericht von Franz Kafka, der als eines von 5 “Familienmitgliedern” Julians im Zuschauerraum des Gerichtssaals zugelassen war und unter dem Pseudonym Craig Murray einen unbedingt lesenswerten Report über die kafkaeske Farce dieses Schauprozesses geschrieben hat.

UPDATE: Hier Craig Murrays Bericht vom zweiten Prozesstag

ConsortiumNews zum  dritten Prozesstag

Craig Murray über den dritten Prozesstag

4 Comments

  1. jetzt bin ich verwirrt: “unter dem Pseudonym Craig Murray”? Was soll das sagen? Craig Murray ist doch ein echter Name, und “Joshua Rozenberg” ist doch jemand anders?

  2. „Schauprozesse werden unter anderem als Mittel zur Verfolgung […]“

    Schauprozesse sollen vor allem abschrecken. Und wenn es an einen Kern westlicher Herrschaftstechnik geht – Wahrnehmungsmanagement durch mediale Informationskontrolle – fällt offenbar die Maske vom liberalen Rechtsstaat.

    Zwar ist die Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen vermutlich nur noch für Permanentsedierte eine Überraschung. Aber wo kommen wir hin, wenn die Filterwirkung der MSM umgangen wird, indem die Leutchen selber Informationen über die Machenschaften des Imperiums beschaffen und mit großer Reichweite veröffentlichen?

    Gefährlicher als die eigentliche Information ist demnach der Weg ihrer Verbreitung, denn er untergräbt die Glaubwürdigkeit und Relevanz der systemrelevanten Massenmedien. Dass die Schäfchen sich vom wichtigsten Werkzeug zu ihrer Steuerung und Kontrolle emanzipieren, muss das Establishment um jeden Preis verhindern. Dafür büßt Assange.

    “[…] dann ist kein Journalist irgendwo auf der Welt mehr vor einem internationalen Haftbefehl sicher, wenn er irgendetwas publiziert was dem US-Imperium nicht paßt.”

    Tja, Exzeptionalisten bei der Arbeit. Das ist nur konsequent und passt zu den völkerrechtswidrigen exterritorialen Sanktionen rund um den Globus und die Ausdehnung von US-Recht auf das Ausland. Jetzt haben die sogar den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sanktioniert.

    https://www.tagesschau.de/ausland/sanktionen-usa-bensouda-101.html

    Damals – als Serben vor Gericht standen – kannte fast jeder die Chefanklägerin des IStGH für Ex-Jugoslawien, Carla del Ponte. Die jetzt angegriffene Frau Bensouda und ihre Bemühungen, US-Kriegsverbrechen in Afghanistan aufzuklären und zu ahnden, sind deutschen Qualitätsmedien hingegen keine ausführlichere Beschäftigung wert. Man skandalisiert lieber Scheintod und Auferstehung abgehalfterter russischer Oppositioneller…

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