Das Ende der Zukunft

Rüdiger Suchsland hat für Telepolis “Mythos 9/11” rezensiert:

(…)”Wenn man versuchen will, sich das vermeintlich Unerklärliche dieses Ereignisses doch zu erklären, ist die viele Teile umfassende “WTC Conspiracy”-Serie, die Mathias Bröckers seit dem 13.09.2001 auf Telepolis schrieb, nach wie vor eine großartige und unüberholte Quelle. Weiterentwickelt wird sie nur durch die Bücher des Autors. Zuletzt erschien Mythos 9/11. Die Bilanz des Jahrhundertverbrechens – 20 Jahre danach.

Die Lektüre von Bröckers’ Buch ist mindestens sehr anregend, ein intellektuelles Vergnügen und eine notwendige Korrektur der allzu einfachen Narrative, die auch nach zwanzig Jahren zu 9/11 vorherrschen. Zu vielen einzelnen Fragen muss und kann man ausgehend von Bröckers weiter recherchieren und sich sein eigenes Urteil bilden. Das Buch ist im Grunde ein Kommentar zu seinem bisherigen Büchern vergleichbar hier mit Oliver Stones neuem Film über das Kennedy-Attentat 1963.

Es nützt den Kritikern des Autors nichts, dass sie Matthias Bröckers, den deutsche Mainstreammedien schon vor 20 Jahren als “Verschwörungstheoretiker” bezeichnet haben, neuerdings, seit etwa eineinhalb Jahren, “Verschwörungsideologe” nennen.

Denn die Fragen, die er stellt, und die Merkwürdigkeiten, die er konstatiert, bleiben. Zum Beispiel: Wie kam es zum Zusammenbruch der Hochhäuser, der ein in der Geschichte des Stahlbaus einzigartiges Phänomen war? Bisher gibt es dafür plausible Theorien, aber keine schlüssigen Belege.

Fehlende Daten, unzugängliche Zeugenbefragungen und Vorhörprotokolle

Es gibt eine Fülle von Details, die jedes für sich merkwürdig waren, in ihrer Summe aber deutlichen Anlass zu Zweifeln an der offiziellen Version des Ereignisablaufs geben, zumal diese Fakten im Abschlussbericht der US-Untersuchungskommission von 2009, dem “9/11 Commission Report”, konsequent ausgeblendet bleiben. Der Ausschuss habe alles, was nicht ins Bild passte, einfach ignoriert, Bröckers. Hinzukommt: Daten wurden vernichtet. Zeugenbefragungen und Vorhörprotokolle bleiben unzugänglich.

Bröckers stellt, wie auch Franziska Augstein schon vor Jahren in der SZ konstatierte, “gute Fragen”. Warum packt ein Attentäter sein Testament in einen Koffer, der in einem Flugzeug befördert werden soll, das ins World Trade Center fliegt? Oder: “Wie kann drei Monate nach der aus Ägypten kommenden Warnung vor einem Anschlag die logistische Meisterleistung gelingen, vier Flugzeuge gleichzeitig zu entführen?” Oder: “Passagiere konnten aus den Maschinen mit ihren Angehörigen telefonieren – aber das Militär, dessen globalem Schnüffelsystem kein Furz eines indischen Reisbauers entgeht, hat nichts mitbekommen?”

Wie kommt es, dass mehrere der von den USA namentlich identifizierten Attentäter in einem Rekrutierungsprogramm der CIA genannt wurden und dort als potentielle Spitzel auftauchen? Dass das der 9/11-Hauptverantwortliche, der saudische Millionärssohn Osama Bin Laden, 15 Jahre zuvor unter dem Namen “Tim Osman” CIA-Agent gewesen sein soll?

Medien schauten weg

Hart kritisiert der Autor die eigene Zunft:

“Die gesamte journalistische Branche schaute nach 9/11 einfach gar nicht hin oder sogar weg. Denn sonst hätte jedem zweiten Kollegen auffallen müssen, dass hier eine lupenreine, vor haarsträubenden Ungereimtheiten, unbewiesenen Behauptungen und irrsinnigen Zufällen nur so strotzende Verschwörungstheorie als offizielle Wahrheit entfaltet wurde.”

Er kämpft gegen den Spiegel und andere große Medien. Sie mussten ihre Märchen erzählen, damit ihr altes Weltbild von der freiheitlichen demokratischen Führungsmacht USA nicht zusammenbricht, so sieht es Mathias Bröckers. Er konstatiert eine “Zwickmühle der kognitiven Dissonanz”.

“Diffamierungsvokabel” und “Diskurskeule”: Verschwörungstheorie

Zu einer konzisen Verschwörungstheorie will Bröckers nicht kommen. Trotzdem wird ihm genau das vorgeworfen:

Wer Verschwörungen und Verschwörungstheorien erforschte, wurde konsequent mit seinem Forschungsgegenstand verwechselt und galt als übler Anstifter und Verbreiter derselben. Besonders taten sich mit Beschimpfungen und Verleumdungen die linksliberalen Medien hervor wie das ehemalige Nachrichtenmagazin Spiegel oder das ARD-Magazin Panorama sowie der ehemalige Investigativjournalist Hans Leyendecker, damals bei der Süddeutschen Zeitung.

Mathias Bröckers, Mythos 9/11

Im Spiegel wurde sein früheres Buch “als ‘September Lüge’ “konnotativ in die Ecke von Auschwitzlüge” gestellt, wie Bröckers schreibt. Er bezeichnet die Einwände seiner Gegner genau besehen als “recht primitive Standardeinwände von der Stange”, die gern gegen sogenannte Verschwörungstheorien erhoben würden, aber nur der persönlichen Diffamierung dienen.

Bröckers Ansatz lautet: “Ein Ausblenden von Verschwörungsrealität kann nicht zu brauchbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen über Verschwörungstheorie führen.”

Dabei versucht er sich an einer interessanten Pointe: Er nimmt gewissermaßen den Vorwurf seiner Kritiker, die “Diffamierungsvokabel” und “Diskurskeule”, auf und dreht ihn um. Verschwörungstheorie treffe eigentlich auf die Amerikaner zu. Bereits “am Morgen” des 11.September, noch bevor er von den Ereignissen in New York erfuhr, habe er Folgendes notiert:

“Verschwörungstheorien haben eine besondere Eigenschaft: Sie reduzieren Komplexität. Komplexe Ursachen von Ereignissen werden auf einen einfachen Sündenbock reduziert. Das macht sie zu einem idealen Werkzeug der Agitation und Propaganda.”

Was bleibt sind Auslassungen, Widersprüche und Fehler. “Es braucht ein monströses Ereignis, um einen monströsen Krieg zu erklären”, und so wurde der 9/11-Report zwar zu einem Rechtfertigungsprojekt für den Great War on Terror, “die monströsen Terroranschläge aber wurden darin nicht aufgeklärt”. Seine allgemeinen Definition und Arbeitshypothesen, mit denen er diesem Phänomen vor 20 Jahren auf die Spur kommen wollte, seien noch immer nicht überholt, so Bröckers. Sein Urteil ist klar: Freispruch aus Mangel an Beweisen. “Das Verbrechen des Jahrhunderts ist bis heute nicht aufgeklärt.”

Corona – das neue 9/11?

Gegen Ende seines neuen Buches spricht Bröckers dann auch Corona an. Die Pandemie verstärke den Eindruck, dass im Notfall durchregiert werden muss, keine langwierigen demokratischen Debatten geführt werden können, dass mit solchen Notstandsverordnungen starke Einschränkung der allgemeinen Grundrechte und Freiheiten verbunden sein können. Das verstehe sich “von selbst”, “gegen eine solche Außerkraftsetzung der Gewaltenteilung ist überhaupt nichts einzuwenden, solange eine Gefahrenlage gegeben ist”.

Im Zuge der Pandemie lasse sich aber ähnliches beobachten wie im Fall von 9/11: Mit dem “Phantomteufel Virus” könne noch viel mehr gemacht werden als mit Terrorakten. Die neuen Gesundheits- und Infektionsschutz-Verordnungen griffen auch sehr viel brachialer in die Grundrechte ein.

Mit der Pandemie hat die Desinfektion des Meinungsspektrums geradezu groteske Formen angenommen und wie die Rodelpolizei im Winter Kinder jagte, die mit dem Schlitten absurde Ausgangssperren ignorierten, wurde nun multimedial an hundertprozentiger Diskurshygiene gearbeitet … selbst leise Zweifel an der Pandemie-Politik und der Hinweis, dass es darauf ankommt, den Schaden auf ein Minimum zu reduzieren, wurde den missionierten Massen als lebensgefährlicher Verrat eingebläut. … Auf Fakten kommt es dabei, wie der 9/11-Report gezeigt hat, nicht wirklich an, sondern allein auf eine prosaische Erzählung, die autoritativ verkündet, massenhaft eingetrichtert und als Dogma betoniert wird.

Mathias Bröckers, Mythos 9/11

Und wer dies wieder als Verschwörungstheorie abtun möchte, dem sei das neue Buch von Umberto Eco (posthum erschienen) empfohlen: “Verschwörungen. Eine Suche nach Muster” von 2017.”

Erschienen auf Telepolis

Wissen ist eine Holpflicht! Das amtliche 9/11 Buchpaket kann bei den Buchkomplizen bestellt werden:

7 Comments

  1. “Corona – das neue 9/11”
    Der Terror war eben ~ausgeleiert~, da musste eine neue Angst-Peitsche her. Trotzdem wird man sicher die eine oder andere Tradition hochhalten: 19 aus einer afghanischen Höhle ferngesteuerte Bio-Terroristen sprengen mit einer selbstmörderischen Husten-Attacke ein vor Kraft nur so strotzendes Gesundheitssystem in die Sauerstoff-Beatmung.

  2. Es tauchen immer noch neue Infos zum “Mythos” auf, jedenfalls für mich, der wenig dazu gelesen hat, aber “frevelhaften Verschwörungstheorien” anhängt. Völlig unschuldige Mainstream-Dokus zum Jahrestag nennen harmlose, unverfängliche Details und Fakten. Aber als “paranoider Aluhutträger” stellt man halt Zusammenhänge her und wundert sich.

    Hatte ja schon mal gepostet, wie auffällig ich es finde, dass bei ablaufenden Großereignissen maßgebliche Entscheidungsträger entweder durch Abwesenheit glänzen oder noch nicht lange im Amt sind. (Solche Muster finden sich bspw. auch bei Pearl Harbour, beim Kennedy-Attentat oder beim Mauerfall.)

    Während sich die Ereignisse von 9/11 entfalteten, waren bekanntlich US-Spitzenpolitiker nicht in Washington. Die meisten wissen wohl u.a. dass:

    – Präsident George W. Bush für nette Bilder mit Schulkindern in Florida sorgte,

    – Außenminister Powell auf einer “special session” der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Lima weilte,

    – der ranghöchste Soldat und Chef der Vereinten Stabschefs, Gen. Hugh Shelton, im Flieger überm Atlantik auf dem Weg zur NATO war (Sein Nachfolger ab Oktober wurde ausgerechnet der Mann, der an 9/11 als Stellvertreter die Ereignisse nicht verhinderte, Gen. Richard Myers.),

    – Ex-FBI-Terrorfahnder John O’Neill seinen ersten Tag als Sicherheitschef des WTC antrat.

    Erstmals gehört habe ich jetzt im TV, dass:

    – der US-Botschafter in Deutschland, Daniel Coats, seinen Posten erst so kurz besetzte, dass er noch nicht mal sein Beglaubigungsschreiben übergeben hatte,

    – dessen deutscher Amtskollege in Washington, Wolfgang Ischinger, auch erst wenige Wochen im Dienst war,

    – der wichtigste Mann der FAA an jenem Tag, der “National Operations Manager” Ben Sliney (der später den US-Luftraum komplett sperrte), ebenfalls seinen ersten Arbeitstag hatte.

    Soweit nachprüfbare Fakten, sicherlich lückenhaft, die ich zusammentragen kann. Offiziell ist natürlich das alles, wie so vieles an jenem Tage, reiner Zufall. Ob eine Bedeutung darin liegt und wenn ja, welche, darüber kann man nur spekulieren…

  3. Auch die ganze US-Administration war 9 Monate nach Machtübernahme der Republikaner von den Demokraten noch ziemlich neu – mit zwei wichtigen Ausnahmen: Baby Bush hatte Papa Bushs alte Freunde Dick Cheney (Vizepräsident) und Donald Rumsfeld (Pentagon-Chef) ins Kabinett genommen, beides ausgewiesene Hardliner und Haudegen.

    Ein (“Mainstream”-)Nachruf auf den kürzlich verstorbenen Rumsfeld beginnt mit der Anmerkung “Über die Toten, so heißt es, solle man nur Gutes sagen”, und erläutert, warum er im Falle Rumsfeld davon abweichen will:
    “Auch die bewaffneten Drohnen, die in jener Zeit erfunden wurden, fand er sehr beeindruckend. Für den früheren Pharma-CEO war das die Zukunft des Krieges – schnell, beweglich, leicht und vorzugsweise aus der Luft geführt. Ohne schwerfällige Panzer- und Infanteriedivisionen”,
    https://www.sueddeutsche.de/politik/donald-rumsfeld-irak-krieg-joschka-fischer-1.5338734

    Der Artikel erwähnt und bestätigt Rumsfelds Ruf als Kriegstreiber und wie wie er “vor der Invasion die Lügen der Bush-Regierung über die angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen weiterverbreitet hat”, ebenso die von ihm zu verantwortende Folter in Abu Ghraib und “Auch im Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba, das dem US-Militär untersteht, hatte Rumsfeld Zwangsmaßnahmen und Folter gebilligt, um Häftlingen Informationen abzupressen”.

    Rücksichtslosigkeit und Eigennützigkeit des US-Imperialismus verengt die SZ am Schluss aber ein bisschen zu stark auf Rumsfeld (und “beerdigt” sie quasi mit ihm?):
    “Aus Rumsfelds Sicht war das US-Militär ein Instrument, um Kriege zur Durchsetzung amerikanischer Interessen zu führen und zu gewinnen – kein Werkzeug, um fernen Ländern Demokratie und Menschenrechte zu bringen. Rumsfeld war in dieser Hinsicht kein idealistischer ‘Neocon’, sondern ein Konservativer der alten Schule, eher uni- als multilateral und eher nationalistisch als am Wohle der Welt orientiert. Im Dezember 2006 entließ Bush Rumsfeld.”

    Dabei hätte die SZ durchaus etwas näher beleuchten dürfen (was sie aber nicht tut), dass beim Ablauf der 9/11-Anschläge Donald Rumsfeld in einem wichtigen Punkt eine ganz zentrale (und ganz dubiose) Rolle spielte:
    Die neue Bush-Administration hatte sofort nach Amtsantritt die Befugnis an sich gerissen, dass die Abfangjäger der Luftraumüberwachung nur noch mit persönlicher Genehmigung des Pentagon-Chefs aufsteigen dürfen (nach 9/11 wurde diese Regel dann in dezenter Stille wieder außer Kraft gesetzt).
    Abfangjäger müssen nämlich an sämtlichen 365 Tagen des Jahres 24 Stunden lang in der Lage sein, in wenigen Minuten aufzusteigen und nach dem rechten zu sehen (und gelegentlich – aber eher selten – auch mal scharf zu schießen). Das hatte zuvor auch ohne ministerielle Kontrolle gut geklappt – niemand hatte eine Änderung der alten Regelung gefordert. Und dass ein vielbeschäftigter Minister (=in häufiger Ermangelung der unabdingbaren Präsenz) mit so einer Befugnis eher versagen und sich blamieren als sich profilieren kann, begreift jeder Laie.

    Und prompt “versagte” der “vielbeschäftigte” Rumsfeld an 9/11: Wegen eines wichtigen “Arbeitsfrühstücks” hatte er angebliche keine Zeit bzw. seien seine Mitarbeiter nicht an ihn rangekommen – obwohl das “Arbeitsfrühstück” im Pentagon stattfand. Pech für die Abfangjäger; sie mussten stundenlang am Boden bleiben und die bereits als Gefahr erkannten “entführten Flugzeuge” konnten ihren Terror-Auftrag ungestört zu Ende bringen. Und konnten 3.000 Menschen kalt machen, weil Rumsfelds Frühstücksei nicht kalt werden durfte.
    “Bin Ladens wichtigster Terrorhelfer war Rumsfeld” – so müsste selbst der Mainstream konsequenterweise das offizielle Narrativ anklagend weiterspinnen, selbst wenn er statt Vorsatz nur Dummheit und Pannen als Hintergrund gelten lassen wollte.

    Aber wer im Chor der transatlantischen Bücklinge nicht ausscheren und die komfortable Mainstream-Position verlassen will, muss sich an dieser Stelle wohl auf die Zunge beißen und so berichtet leider auch der SZ-Artikel nur einen Teil dieser Story:
    “Rumsfeld war zu diesem Zeitpunkt im Gebäude. Es gibt Filmaufnahmen, die zeigen, wie er dabei hilft, Verwundete wegzutragen.”

    Ja, davon gibt es Filmaufnahmen und Rumsfeld hatte bestimmt ein großes Interesse, dass es solche rührseligen Großer-Minister-als-Samariter-Filmchen gab. Weil sie nämlich von seinen vorangegangenen Unterlassungen ablenkten und damit von einem gigantischen “Versagen”, das ganz stark nach einem vorsätzlichen “Versagen-Wollen” riecht.

    Denn zum einen ist kein “harmlos”-vernünftiges Motiv ersichtlich, warum die neue Regierung (die bestimmt Wichtigeres zu tun hatte) eine immer brisante, politisch aber meist unwichtige Funktion unbedingt an sich reißen wollte (zumal somit gerade diese Regierung, die sonst lautstark für den “schlanken Staat” plädierte, eine zusätzliche, neue bürokratische Schiene schuf).
    Zum anderen hatten die reihenweise von der PNAC-“Denkfabrik” in die neue Bush-Regierung gewechselten Polit-Strategen zuvor ihren Wunschtraum ausführlich beschrieben (und veröffentlicht!), dass sie dem kriegsmüden US-Volk ein neues “Pearl Harbor” wünschten – einen “America-is-under-attack”-Schock, der ihren Widerstand gegen eine neue Serie von geostrategischen Angriffskriegen beseitigt.

    Die PNAC-“Denker”, die dann in der Regierung zu “Machern” wurden, argumentierten (und handelten?) völlig im Sinne des Mannes, der laut SZ-Grabrede unbestreitbar ein rücksichtsloser Kriegstreiber war.

    1. Nein, nein @bekir, das sind doch alles keine hilfreichen Gedanken auf dem Weg in die Schöne Neue Welt.

      Haben Sie denn die Symbolik der berühmten Bilder von Bush mit den Kindern in der Grundschule nicht verstanden? Die stehen für Unschuld. In dem Moment wurden die Kameras Zeuge, wie das unschuldige Amerika brutal überfallen wurde und sein untadeliger Führer, im Kreis der schwächsten sitzend, nur traurig in einem Kinderbuch blättern konnte. Man stelle sich vor, der Präsident hätte stattdessen gerade eine Rede in West Point gehalten oder eine Waffenmesse besucht. Aber “göttliche Fügung” sorgte für angemessene Bilder.

      Und der Rummy war bestimmt nur ein netter Opi, der verärgert war, weil er beim Frühstück gestört wurde. Und der hatte auch keine Abfangjäger am Boden gehalten, im Gegenteil. Befragte Generäle sagten aus, wegen der (ganz zufällig gerade laufenden) Luftmanöver konnte man in 30 s vom Übungsmodus in den Ernstfall wechseln. https://en.wikipedia.org/wiki/Global_Guardian

      1. Sie haben recht und wie unser Blog-Chef im neuesten 3.Jahrtausend rezitiert:
        “Wir müssen die Wahrheit über den Terror aussprechen. Lasst uns niemals frevelhafte Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit dem 11. September tolerieren, boshafte Lügen, die von der Schuld der Terroristen ablenken, weg von den Schuldigen.” (G.W. Bush im Oktober 2001 vor der UN-Vollversammlung)

        Glaubhafter ihre kindliche Unschuld rüberbringen können nur Bischöfe, die heiligen und keuschen Gottesmänner, wenn sie feierlich erklären, niemals nie Kinderschändung zulassen oder verheimlichen zu wollen.

        Auch Bushs sympathische Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice – ganz die Stimme der Unschuld – beteuerte direkt nach den Anschlägen ihre Fassungslosigkeit damit, dass “niemand” sich einen Angriff mit Flugzeugen hätte vorstellen können. (Psst: Außer natürlich die Macher der vorerst geheimen US-Militär-Manöver, die genau dieses Szenario zeitgleich an 9/11 übten – aber die zählen nicht, die waren ja schließlich geheim.)

        Die nette Frau Rice musste dann 2004 vor der 9/11-Kommission aussagen.
        Unverständlicherweise bockte damals das Sturmgeschütz der transatlantischen Demokratie-Simulierer, der SPIEGEL:
        “Eine an die Angehörigen der Opfer gerichtete Entschuldigung fehlte gänzlich – wie erwartet. Rice begründete das damit, dass man nicht übersehen dürfe, wer die Anschläge verübt habe. Der Schuldige sei al-Qaida.”

        Vielleicht hängt die unverständlich strenge Betrachtung der damaligen SPIEGEL-Verantwortlichen mit dem zusammen, was im nächsten Satz folgte:
        “Als Erklärung, wie es überhaupt zu den katastrophalen Anschläge haben kommen können, räumte sie ein, dass die USA unzureichend auf die wachsende Terrorbedrohung vorbereitet gewesen seien.”
        https://www.spiegel.de/politik/ausland/rice-vor-dem-9-11-ausschuss-bushs-kaempferin-im-sturm-a-294795.html

        Unschuldige Menschen sind halt arglos – darin liegt ihre Charakterstärke und eine Art höhere Moral, die sie als Helden in die Geschichtsbücher eingehen lässt.
        So was darf man einfach nicht kritisieren. Tut der SPIEGEL ja auch nicht mehr; die milden Gaben von Bill Gates haben ihre wohltuende Wirkung längst entfaltet.

      2. Beim SPIEGEL hatte man wohl irrtümlich geglaubt, wer schon (nomen est omen) Condoleeza heißt, sei so was wie das wandelnde Kondolenzbuch der Regierung.

        Dabei hatte noch nie eine Regierung das Kondolieren weniger nötig gehabt als die von Dabbeljuh Bush – weil sie nämlich sowieso ständig ihre mitmenschliche Empathie zeigte. Denn im Nicht-Aufsteigen der Abfang-Jäger steckte ein zutiefst humaner Grund, wie uns die Bush-Männer nach den Anschlägen treuherzig versicherten: Wir konnten die Flugzeuge doch nicht gleich abschießen, bloß weil die ein bisschen von der Route abwichen und dass die was Schlimmes vorhatten, konnten Gutmenschen wie wir einfach nicht erahnen.

        So viel Feingefühl fehlt dagegen beispielsweise dem abschuss-wütigen Wolfgang Schäuble, der aus dem Rollstuhl heraus wie ein Panzerkommandant denkt und lenkt: Der oberste Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier griff 2008 überraschend in die deutsche Sicherheitsdebatte ein und ermahnte Schäuble, der es im Grundgesetz ermöglichen wollte, entführte Passagierflugzeuge abzuschießen.
        Zugleich warnte Papier im SPIEGEL vor weiteren Plänen des gefährlichen Innenministers,
        https://www.spiegel.de/politik/deutschland/flugzeug-abschuesse-oberster-verfassungsrichter-mahnt-schaeuble-a-528214.html

        So ein Furor teutonicus war nicht die Sache der Bush-Leute in God’s Own Land, wo man auch nie auf die Idee käme, Gefangene zu foltern (Guantanamo liegt schließlich auf Kuba, der Insel der bösen Kommunisten, was anti-amerikanische Verleumder immer unterschlagen, und Rammstein als weltgrößtes Logistik-Zentrum für Drohnenmorde ist eine deutsche Stadt).

        Die USA sind das Land der stillen und bescheidenen Helden. Neulich hat man für ihr mediales Debüt wieder zwei davon ausgegraben, die an 9/11 beinahe selbstlos-freiwillig ihr Leben für die Mitmenschen aufgeopfert hätten:
        “United Airlines Flug 93 war vor 20 Jahren in den Händen von Entführern und sollte wahrscheinlich ins Kapitol fliegen. Zwei Kampfjet-Piloten machten sich damals eigenmächtig auf den Weg, die Maschine zu stoppen.”
        https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_90774302/jahrestag-9-11-kampfjetpiloten-wollten-unbewaffnet-flug-93-zerstoeren.html

        Der Befehl kam nicht über die eigentlich notwendige Befehlskette – die Piloten Marc Sasseville und Heather Penney von der Air National Guard hatten sich selbst zu der Mission entschlossen. “Wir hatten keine andere Wahl. Und wir wollten nicht am Boden sitzen und zusehen, wie Amerika wieder angegriffen wird”.
        Sie “suchten nach einem abtrünnigen Verkehrsflugzeug, das niedrig flog und nicht mit der Flugsicherung kommunizierte” – dessen resolute Passagiere aber nach aufschlussreichen Telefonaten (=über damals revolutionäre, flugzeugtaugliche Handys) eine eigene Selbstmord-Aktion durchzogen und den beiden Kampfpiloten den Heldentod ersparten (mangels Aufmunitionierung wollten diese sich selber samt Maschine als Kamikaze-Waffen einsetzen).

        Eigenmächtig statt über die Befehlskette: Nie verstehen werden dies deutsche Pedanten, die in John Wayne nur einen schießwütigen Cowboy sehen, nicht den großen Patrioten, der er wirklich war. Und die nie die vollendete amerikanische Höflichkeit verstehen werden, mit der Rumsfelds Kammerdiener sein Frühstücksei vorm Kältetod retteten.

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