Die Reifeprüfung

Dass mein Gymnasium, die Tilemannschule Limburg, die schriftlichen Abiturarbeiten ein halbes Jahrhundert lang archiviert, hätte ich nicht gedacht, doch am vergangenen Wochenende bekam ich sie mit weiteren Veteranen ausgehändigt. Samt der Beurteilungen der zuständigen Lehrer und was der arme Herr Schilling mir hier bescheinigt, kann ich nur unterschreiben. Ich hatte ihn schon in den letzten beiden Schuljahren frustriert, weil ich Griechisch-Übersetzungen verweigerte, bei Klassenarbeiten leere Blättrer abgab, und ins Café entschwand. Eine Eins in Deutsch war mir sicher, damit konnte ich die Sechs im Hauptfach Griechisch ausgleichen, bei den letzten beiden Versetzungen und auch im Abitur, in den anderen  beiden Hauptfächern Latein und Mathe war ich mindestens ausreichend, es konnte also bei den Prüfungen eigentlich nichts anbrennen. Aber ein leeres Blatt abzugeben, davon war mir wg. Verweigerungshaltung abgeraten worden, also entwarf ich ein Phantasiegemälde, nachdem ich mir anhand von ein paar geläufigen  Vokabeln eine rote Linie zusammengereimt hatte. Und schrieb munter über Staatskunst und Gerechtigkeit drauf los. Weil die Übersetzung auch noch kommentiert werden musste, folgten nochmals 1,5 Seiten, auf denen ich meinen erfundenen Quatsch interpretierte. “Hat nichts mit dem Original zu tun !” stellte Zweitgutachterin Frau Dr. Schwind dazu sehr richtig fest. Leider war das Original nicht dabei, aber ich werde die Stelle ausfindig machen um Fakten und Fiktion zu vergleichen.

Die Sechs in Griechisch ging auf jeden Fall in Ordnung und weil ich alle mündlichen Prüfungen zwecks Verbesserung der Noten ablehnte, hatte ich ab  Mitte April schulfrei und stieg gleich bei der Deutschen Bundespost ein, Paketpost am Bahnhof, wo ich mit der Elektrokarre die Postsäcke aus den Zügen holte während die Kollegen noch zwei Monate lang mit Schultasche den Gymnasiumsberg hoch trotten mussten. Die feierliche Überreichung der Zeugnisse mit Orchester, Tralala und Reden war ein, zwei Jahre zuvor abgeschafft worden, weil es irgendwelche Randale gegeben hatte. So fand sie dann ganz unzeremoniell durch den Klassenlehrer statt und ich konnte das Papier in der Pause schnell abholen, in meiner Arbeitsjacke mit Posthorn. Trotz ungenügendem Griechisch war ich schnell zum Briefzusteller aufgestiegen und bekam zu dem ohnehin sehr guten Lohn noch Zuschläge und Trinkgelder!  Letztere vor allem, weil Lottogewinne noch bar vom Briefträger ins Haus gebracht wurden. Meinen Gewinn, das Zeugnis der Reife, habe ich dann ein einziges Mal im Leben,  bei der Immatrikulation an der Universität, vorzeigen müssen. Es schlummert seit 50 Jahren irgendwo in einem Schrank. Non vitae sed scholae discimus!

 

10 Comments

  1. Schade um das Griechische! . Ich selbst habe mich im Sport-Abi mit einem „imaginären Rad“ durchmogeln wollen, aber der Sportlehrer, der auch Mathe unterrichtete, fand das nicht witzig.

  2. Na dann will ich doch mal gratulieren zur bestandenen Prüfung, wenn auch mit leichter Verspätung.

  3. Ich hatte in den 80ern für meine Comedy-Performance in der mündlichen Matheprüfung eine 6 kassiert, aber bei der Verkündung noch beanstandet, dass mein immerhin pünktliches Erscheinen doch wohl zumindest einen Punkt verdiene. Interessanterweise hat nie jemand später danach gefragt, obwohl ich das Abiturzeugnis bei den Bewerbungsunterlagen nach Uniabschluss in Physik stets beigelegt hatte.

  4. Ich kann die 6 in Griechisch in der Matrix nachträglich ändern, wenn Sie wollen. Das ist ein Kinderspiel für uns.

    Das einzige, was nicht so einfach ist, sind die Resets. Da läuft schon mal jemand Amok, wenn man was beim Neustarten vergisst.

    Ich habe meine Noten komplett auf Einsen umgestellt und mir jegliche Studiengänge eintragen lassen mit Dr. in manchen Fällen sogar Professor-Titel.
    hab sogar in Gender-Wissenschaften einen Titel. Aber da hab ich nur Master. Mehr wäre mir dann doch zu peinlich.

  5. Meine grösste Heldentat war ein Klassenbucheintrag, weil mein Kumpel und ich uns während des 1000 Meter Laufs Zigaretten gedreht und sie auch noch geraucht hatten.

  6. Ich habe im Griechisch meine Interessen aufs Konkret verlagert. Ulrike Meinhoffs Kolumnen waren entschieden lehrreicher. Die sechs war auch mir sicher. Eine eins in Deutsch wurde mir leider nicht gegönnt. Von da an gings bergab.

  7. @Christoph Güllich
    17/10/2023 at 20:47
    Was bist Du denn für Einer ?
    Röhl’s Konkret hat man damals doch nur wegen der nackten Weiber gekauft
    DDR hatte finanziert weil die Geriatriker vom SED-Polit-Büro auch Porno-Fans waren
    und Belegexemplare immer heimlich nach Waldsiedlung Wandlitz gingen
    https://de.wikipedia.org/wiki/Konkret_(Zeitschrift)

    Warum hämmert der Blogchef eigentlich eine private Belanglosigkeit dazwischen ?
    Gerade jetzt wo im Pervers Porno-“Gaza-Strip” die Kacke am Dampfen ist
    Blog-Chef bereits vom Digital Services Act der EU angezählt ?
    http://www.dw.com/de/eu-warnschuss-f%C3%BCr-x-meta-und-tiktok/a-67095205

    Wenn schon Dönekes,
    wie wär’s mit Bröckers Enkel memoriert in post-atomarer Erdhöhle :
    “Schulbesuch damals nur noch Online in der 15 Minuten-Stadt…CBDC war Schulgeld
    Klassenfahrt im Metaverse zum Greta Thunfisch-Mausoleum in Stockholm
    Auch Palästinenser-Avatare gab es damals noch…Ins Cafe gings noch analog mit der CO2-Fussfessel…Die 5 im Repetieren von Koran-Suren konnte ich mit einer 1 im
    3-D-Drucken von Motor-Paraglidern und Rucksack-Hubschraubern ausgleichen (Polytechnisches Gymnasium ) Abitur dann im Darknet gekauft für einen digitalen Yuan-Gold-Rubel…für einen der 173 Lehrstühle für Genderforschung reichte das damals Dicke aus…bis die Deutsche Taliban dann alles dicht machten…Die und
    “Islamischer Staat” waren damals die Nachfolger der erfolglosen Koalition aus CDU/ CSU & AfD…den Ruinen der EUDSSR entstiegen…Non scholae, sed vitae discimus ” 🙂

  8. Werter Herr Bröckers!
    Als ich ihre Zeilen las, musste ich an ein Interview aus dem Jahr 2014 denken, welches Ken Jebsen mit Jürgen Roth führte. Darin ging es um Roths Buch “Der stille Putsch”, in welchem er die Unterwanderung der Demokratie durch globale Wirtschaftseliten offen legte.

    Hier Link dazu: KenFM im Gespräch mit: Jürgen Roth (“Der stille Putsch”) —-> https://apolut.net/juergen-roth-der-stille-putsch/

    Ab Min 44:30 kam es zu einem kurzen Austausch über die aktuelle Situation an den Universitäten, über die Sichtweise von Studenten auf die Welt und über deren vorhandenes geistiges “Rüstzeug”. Was Jürgen Roth hier rekapituliert, hat sich bei mir festgesetzt und wurde mit dem Verhalten der Studentenschaft zur Corona-Plandemie und anschließend zum Umgang mit der Ukraine bestätigt. Wir haben es mit einer zunehmenden Verarmung an Intellekt in diesem Land zu tun. Die Reise geht leider in genau die Richtung, welche Herr Roth schon damals erkannte. Studierende sind nur auf ihre Studiengänge und Abschlüsse fixiert. Etwas salopp ausgedrückt: Herr Roth spricht davon, dass außerhalb ihres Mikrokosmos nicht viel stattfindet.
    Dieses Interview fand 2014 statt. Mit der Rückschau auf die vergangenen 9 Jahre muss man leider feststellen, dass es schlimmer gekommen ist, als Herr Roth damals vermuten konnte. Die Gleichschaltung im Denken ist auf ein kaum noch zu ertragendes Maß angestiegen. Dazu kommt die tägliche Propaganda-Kanonade. Wäre so etwas in den sechziger bis Achtzigerjahren abgelaufen, wir hätten Studentendemos ohne Ende gehabt. Heutzutage haben wir an den Universitäten Studierende sitzen, welche diese Doktrin verinnerlicht haben und unterstützen. Unterstützen, indem sie vor ihre Alma Mater Fahnen der Ukraine, als Zeichen ihrer Solidarität mit diesem Regime aufstellen. Für mich immer noch ein Affront, den ich bis heute nicht vergessen kann.

    Wo gehen wir hin, wenn an den höchsten Bildungseinrichtungen dieses Landes einem Regime gehuldigt wird, welches seine rechtsradikale Gesinnung teils offen zur Schau stellt? Wenn von diesen Einrichtungen kein Widerstand gegen die einseitige mediale propagandistische Dampfwalze stattfindet, gegen die immer restriktiver auftretende Politik und die damit einhergehenden radikaler werdenden Methoden Andersdenkende mundtot zu machen oder die gravierend zutage tretenden Widersprüche im alltäglichen Leben! Quo Vadis?

    Rekapitulierend haben sie Herr Bröckers, mit ihrem Abitur, welches auch eine Sechs beinhaltete, mehr für das Leben mitbekommen als so mancher Einser-Abturient, der nur noch seinen Weg durchs System nach oben sieht, aber keinen Blick auf das um ihn herum hat und was diese “Gesellschaftsordnung” mit uns Menschen macht. Ist es der Gang der Zeit oder ein unumstößliches Kismet, welches wir nicht beeinflussen können? Nolens volens muss man konstatieren, dass die Menschheit mit der momentan eingeschlagenen Richtung auf einen riesigen Abgrund zurast. Und wir Deutschen sind in dieser Hinsicht – da Kenner der Materie, was eine echte Himmelfahrt bedeutet – wieder an vorderster Stelle dabei. Um es mit dem von mir sehr geschätzten Volker Pispers zu sagen: “Die Fahrtrichtung ist alternativlos! Aber alle vier Jahre dürfen wir darüber entscheiden, wer der neue Lokführer wird.”
    In diesem Sinne!

  9. [OFF-TOPIC]
    u doch nicht ganz:
    immerhin “griechisch”:
    “Mathias Bröckers Die Rückkehr nach Eleusis”
    Vortrag vom 29.07.2023 auf dem Pax Terra Musica Friedensfestival ist veröffentlicht…

    Danke dafür!

    -fand ich SEHR! gelungen u hab ihn daher gleich verlinkt -> http://biopilze.de/ethno.htm

Leave a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *