Die “Fahrerstochter”

merkelVor vielen Jahren, im Oktober 2005, versuchte ich in einem Artikel den kometenhaften Aufstieg einer “grauen Kugelmaus” aus dem Osten zu erklären. Dass diese 2013 als quasi alternativloses Sternbild “Mutti” den Himmel über Berlin beherrscht und voraussichtlich noch über Jahre dominieren wird, war zwar noch nicht abzusehen, deutete sich aber durchaus schon an:

“Hätte vor zehn Jahren irgendein politischer Beobachter, Journalist oder Soziologe die Prognose abgegeben, dass Angela Merkel spätestens 2005 Bundeskanzlerin wird, hätte er bei sowohl bei Fachkollegen als auch in der Öffentlichkeit im besten Falle Stirnrunzeln ernten können, viel eher aber völliges Unverständnis oder sogar Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit. Diese graue Kugelmaus, Papa Kohls Mädchen, die triste Unscheinbare aus dem Osten? Nie und nimmer! Was nur einmal mehr zeigt, wie wenig Leitartikler, professionelle Lallbacken und andere Experten, die um die Deutungshoheit im öffentlichen Diskurs ringen, vom eigentlichen politischen Geschäft sowie von den Qualifikationen verstehen, die erforderlich sind, um in dieser Institution nach oben kommen.

Wie schafft man im Haifischbecken der Macht – vorbei an scheinbar souveränen Pottwalen wie Kohl, an smarten altgedienten Intriganten und beutegierigen Jungräubern von Merz bis Koch und zuletzt an einem leibhaftigen weißen Fernsehhai vom Kaliber Schröder – ganz nach oben zu schwimmen und als Queen Angie I. dem Meer zu entsteigen? Das war auch für mich, als Mitglied der oben zitierten Expertenrunde, ein großes Mysterium, bis mir heute der Kollege S. eine Anekdote aus dem Leben der Angela M. berichtete, die das Rätsel um die wunderbaren Fähigkeiten der künftigen Kanzlerin zumindest teilweise lüftet. Er hatte sie beim Mittagessen von einer weiteren Kollegin gehört, die gerade die Biographie der Templiner Pfarrerstochter recherchiert. Da es sich beim Ort des Mittagessens um die Kantine einer hochmögenden Anstalt der ARD handelte, die bekanntlich immer nur die Wahrheit sagt, gebe ich die Geschichte ohne weitere Quellenrecherche wieder – doch scheint sie so aufschlussreich für das Mysterium des Merkel-Faktors, dass sie nur wahr sein kann:

Die junge und ehrgeizige Angela hatte schon früh bemerkt, dass Pfarrer in der DDR kein angesehener Beruf und die Herkunft aus einem Pfarrhaus dem sozialen Aufstieg eher hinderlich war. Deshalb hatte sie sich angewöhnt, wenn sie nach dem Beruf ihres Vaters gefragt wurde, immer etwas undeutlich zu nuscheln und das Wort in die Länge zu ziehen. So wurde aus dem „Pfarrer“ ein im Arbeiter- und Bauernstaat politisch absolut korrekter Beruf: „Fahrer“.

Inwieweit dieser Kniff im Sinne des Pfarrhauses als erlaubte Notlüge oder als Todsünde zu werten ist, können nur Theologen beurteilen, doch er gibt einen deutlichen Hinweis auf die verborgenen Qualifikationen, die den erstaunlichen Aufstieg Merkels ausmachen: ein hohes Potential an sozialer Intelligenz, Vernetzungs- und Anpassungsfähigkeit. Denn vom Pfarrer auf den Fahrer muss man nicht nur erst mal kommen – also wortgewandt und klug sein -, man muss es dann auch performance-mäßig bringen und dabei so doppeldeutig und unfassbar bleiben wie Teilchen und Welle, die frau als Quantenphysikerin gerade studiert.

Ideale Voraussetzungen also für ein Geschäft, in dem nicht das Lügen bestraft wird, sondern nur das Sich-Erwischen-Lassen: die Politik. Unsere nächste Bundeskanzlerin scheint über Fähigkeiten zu verfügen, die bis dato noch kaum zur Kenntnis genommen worden sind. Das macht, angesichts der kommenden Schrecken einer „Schrökel“-Koalition, immerhin einen Funken Hoffnung. Die CDU freilich sollte ihre ohnehin völlig unpassende und deprimierende Angie-Hymne schleunigst auswechseln: Die ruppigen „Rolling Stones“ waren der stromlinien-bewussten Aufsteigerin zu gewagt, wenn sie als Teenie davon träumte, mal so etwas wie Nachfolgerin von Ulbricht und Honnecker zu werden. Mehr als die „Beatles“ war da an Pop-Opposition einfach nicht drin. Insofern ist für die erste „Fahrerstochter“ an der Spitze der Bundesrepublik dringend eine neue Erkennungsmelodie fällig: „Baby, you can drive my car“.

8 Comments

  1. Das laesst mich an eine weitere Anekdote aus dem Leben der Angela Merkel denken, die mir zugetragen wurde, naemlich ihr Besuch in der Redaktion eines Hamburger Nachrichtenmagazins, dessen Redakteure nicht unbedingt politisch bei der CDU angesiedelt sind. Das war, bevor sie Bundeskanzlerin wurde. So soll es ihr in null komma nichts gelungen sein, die gestandenen Journalisten zu beeindrucken, die hinterher in Grueppchen zusammenstanden und sich allesamt wunderten ueber ihren Witz, ihre Ausstrahlung und ihre Eloquenz. Insbesondere wurde gesagt, dass sie viel ueberzeugender rueberkommt als im Fernsehen. Diese Episode bestaetigt die soziale Intelligenz, Anpassungsfaehigkeit und die “performance”-Faehigkeit, die Sie in Ihrem Artikel bemerken.

  2. Drive it Angie !!

    Du wirst noch gebraucht, um das Land langsam und charmant zu ruinieren…Jüngere wären da vielleicht zu ungestühm oder zu stark ADSH-geschädigt für eine „Controlled Demolition“

    Du kommst noch aus einer Zeit, als das Lügen noch höflich und präsidial präsentiert wurde.
    Du bist also immun gegen den Zeitgeist
    und gegen den „ Genossen Trend “
    Du verdienst deshalb in dem traurigen Zirkus desillusionierter Heuchler-genannt „Deutscher Bundestag“- auf alle Fälle weitere 4 Jahre auf der Regierungsbank !!!

    Folgende Alternative zu Dir bleibt leider Utopie:
    Wolfgang Thierse als 1-Mann-Diktatur
    http://www.berliner-zeitung.de/magazin/wolfgang-thierse-im-interview-der-letzte-dieser-art,10809156,23478750.html
    mit Norbert Blüm als Finanzminister
    http://de.wikipedia.org/wiki/Norbert_Blüm

    Bundeswehr-und BND-Budget gingen auf NULL !!

    Außer den gesunden Menschenverstand gibt es
    in diesem Land eh nichts mehr zu verteidigen.
    Dafür kann allerdings jeder nur selber sorgen oder mit einem Kreuzchen auf dem Wahlzettel am 22. September 2013 genau dieser Herkules-Aufgabe auch aus dem Weg gehen 🙂

  3. Eine wesentliche Eigenschaft Merkels wurde noch nicht genannt: Naivität. Sie glaubt wohl tatsächlich an eine erneute und vor allem erfolgreiche Kanzlerschaft.

    Ihr offensichtlich viel cleverer Scheinrivale Steinbrück hat längst erkannt, dass er den undankbaren Posten als Steuermann auf einem unrettbar sinkenden Dampfer nicht wirklich haben möchte, sondern hilft durch seine Kandidatur allenfalls noch mit, ihn bis zu den Wahlen über Wasser zu halten, damit die Panik an Bord nicht zu früh ausbricht. Für das, was danach kommt, will er nicht verantwortlich sein. Folgerichtig tut er alles, um nicht gewählt zu werden, fordert erst mal mehr Kohle, kassiert mit Dampfplaudervorträgen Unsummen und verhöhnt die Leute, indem er sich bei all seinem Tun als “Sozialdemokrat” anpreist.

    Er wird in seinem Streben, jetzt nicht gewählt zu werden, Erfolg haben und steht später, nach dem ultimativen Crash des Merkeldampfers, relativ unbeschadet bereit.

    Tatsächlich beweist “Pannenpeer” damit arglistige Kaltschnäuzigkeit, strategisches Geschick und Übersicht – Eigenschaften, die der Googlemaus aus der Uckermark fehlen.

  4. ähnliche Charakteristiken weisen die Lebensläufe von den meisten Berufs-Politikern auf. Andere üben diesen Beruf bewußt nur auf Zeit, oder werden rechtzeitig entsorgt, wie Guttenberg oder Schill. Gelingt das nicht, dann haben die einen Unfall, wie Haider, Mülleman oder gar Barschel.
    Kein Politiker wird es wagen, seine wahre Meinung zu äußern, denn das wäre katastrophal für seine Karriere. So Gysi neulich, als er forderte, die Besatzung Deutschlands muß endlich aufhören. Ich vermute, der ist so verzweifelt, daß er nach dem Strohhalm greift, um nicht unterzugehen. Auch vertritt kein Politiker das Volk. Wahlen legitimieren Politik, beeinflussen sie aber nicht, sonst würde man sie verbieten.

  5. @Stefan am 16.08.2013 um 11:57 Uhr
    @Stefan Miller am 16.08.2013 um 12:29 Uhr
    Bravo !! Ihr liegt genau richtig getreu dem Motto:
    “Lieber im Lichte dunkel sein und bleiben
    als im Dunkeln glauben das Licht zu sehen”
    Weiter so !!

  6. Das Geheimnis um die Person Merkels – tatsächlich ganz richtig anskizziert in der kleinen Schlüssel-Anekdote des allerdings vor der impliziten katastrophalen, geschichtsschwindlerischen Untiefe bzw. Bodenlosigkeit dieser Umstände mit dem genau entsprechenden horror vacui noch direkt zurückschreckenden Artikel – liegt in ihrem Elternhaus, genauer gesagt in der Person ihres Vaters, des “roten Kasner”, verborgen.

    Es ist das Geheimnis um das Regieren selbst – ob nun eine “kapitalistische” oder eine “kommunistische” Kindergartengesellschaft (in welchen aufschlussreicherweise in beiden Fällen die Farbe Rot die Schlüsselrolle, nämlich die Verkörperung, die Identifikations- und Projektionsfläche, das heiß umkämpfte Legitimationssignal der Vertretung, Repräsentation und Verteidigung des todsicher fiktiven Emanationsparadigmas eines budenzauberhaften “göttlichen Rechts” spielt, “die Farbe des Mantels des Königs (bzw. eben einer Monarchie)” oder eben, gleichviel, die Farbe einer feudalistischen Einheitspartei und ihres Bonzenstaates ist (es geht ja jeweils bloß um das zentralistische Anführen eines irgendwie gleichförmig an der Nase herumgeführten Kollektivs, auf dessen Zentrale dann der entscheidende zentrale Druck der eigentlichen Mächte, der powers-to-be, mit absoluter Effizienz ausgeübt werden kann) -, wie es in der christlichen Theologie paradigmatisch mehr oder weniger zweitausend Jahre lang entwickelt worden ist (Siehe dazu ausführlich das erhellende Werk “Herrschaft und Herrlichkeit” von Giorgio Agamben, 2007).

    Der “rote Kasner” hat seine in Wirklichkeit absolut herrlichkeits- und gnadenlose Angela in der “protestantisch-sozialistischen” DDR ganz einfach nach der hochkomplexen, agitations- und propagandamäßig schlichtweg (bis zur geschichtlich innovativen Darstellung eines “ent-setzten” Rot, wie sie mir 2007 gelungen ist – wofür ich seither in diesem verlogenen “wiedervereinten” Deutschland volle Kanne stasimäßig behandelt werde, weil diese echte Alternative, die von einem anderen, nämlich ko-emergenten Prinzip kündet, exakt die Alternative ist, “die es nicht gibt” bzw. aus der Sicht des mit Merkel und Schäuble in Deutschland und der EU, heute gemeinhin und scheinbar final aber global herrschenden Totalitarismus’ auf keinen Fall geben und zugelassen werden darf) unübertroffenen jüdisch-christtheologischen Staatsjuristen- bzw. Satanisten- Rezeptur zum angelologischen Retortenmonstrum herangezüchtet … und das zu gleichen Teilen verpennte wie verpeilte Natterngezücht westdeutscher Provenienz fällt – ganz nach Plan – auf die “Engels”-Farce herein.

    Bliebe noch die Frage zu klären, wer das Püppchen schon roch, als die DDR reif zur Übernahme des Westens war (pun directly intended), und den Braten dem bleiernen, vermutlich bereits so debil wie ehrgeizig zur Welt gekommenen Helmut Kohl in die Schüssel setzte – oder eben anders gefragt, wer mit wem die nicht erst über die DDR in Deutschland gepflanzte Geschichte des Totalitarismus’ in alle tödliche Konsequenz fortschrieb.

    Wäre ich gegen Ende des DDR-Regimes “drüben” ein CIA-Agent gewesen, so hätte ich nach dem ersten Besuch einer wild fuchtelnden, unter dem Banner bzw. als Sprecherin der kryptischen Stasi-Partei des DDR-Juristen Wolfgang Schnur (der übrigens später wegen ‘Vergehens gegen die Menschlichkeit’ – Details wurden nicht bekannt – seiner Anwaltszulassung verlustig ging, und der, wie es heißt, jahrzehntelang ein häufiger Besucher im Hause Kasner gewesen ist) gehaltenen Merkel-Rede in dem comic-mäßig illustrierten field-manual meiner Firma nachgesehen (“Hoppla, diese Gesten sind ja doch typisch für … für … ah ja, da haben wir’s ja … – Der Demagoge!”), hätte in der Zentrale angerufen und gemeldet: “Hey guys, ich hab’ da gerade die Teflonpuppe entdeckt, mit der uns im nächsten Jahrhundert im Alten Europa nichts mehr anbrennt! – Wie? Ja, Schema F, alles klar!”

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