Paul Schreyer hat das Kennedy-Buch für den “Ossietzky” rezensiert. Hier ein Auszug :
“Bücher zum Kennedy-Mord gibt es Dutzende, doch eine zusammenfassende Betrachtung zum 50. Jahrestag ist sinnvoll, da entscheidende Informationen erst in jüngster Zeit öffentlich wurden. Wirklich erstaunlich ist deren Menge. Vieles davon basiert auf der Arbeit des »Assassination Records Review Board«, eines vom US-Kongreß eingesetzten Ausschusses, der von 1994 bis 1998 mehrere Millionen Seiten freigegebener Dokumente unter die Lupe nahm und zahlreiche Zeugen vernahm. Die Einrichtung dieses Ausschusses folgte übrigens dem öffentlichen Druck, den Oliver Stones Spielfilm »JFK« (1991) ausgelöst hatte – ein seltenes Beispiel für aufklärerischen politischen Einfluß Hollywoods.
Bröckers‘ Verdienst ist nun nicht nur die Sichtung all der neuen Dokumente und Bücher (die Bibliographie im Anhang listet 120 Titel auf), sondern vor allem auch die Kürze und Strukturiertheit seiner Darstellung. So beginnt das Buch mit mehreren kompakten Einleitungsabschnitten, betitelt »Eine kurze Geschichte der CIA«, »Eine kurze Geschichte der Mafia« sowie »Eine kurze Geschichte der kubanischen Revolution«, die zusammengenommen ein Schnellseminar in Geschichte bieten – sachlich und unpolemisch. Schnell wird klar: Der Autor will hier keine Theorie verkaufen, sondern den Dingen einfach auf den Grund gehen.
Bröckers schildert Kennedys Wandlung vom überzeugten Kalten Krieger zum auf Ausgleich und Verhandlungen mit der Sowjetunion bedachten Staatsmann, der versuchte, sich den Einflüsterungen der Hardliner in Militär und Geheimdiensten immer mehr zu entziehen. Wie so oft im Leben, spielte wohl auch bei dieser Wandlung eine Frau eine wichtige Rolle – Kennedys wenig bekannte Vertraute und Geliebte Mary Pinchot Meyer.
Ebenso wie Kennedy dem Ostküsten-Establishment entstammend, und – anders als viele seiner zahlreichen Gespielinnen – ihm auch intellektuell gewachsen, hatte Meyer den späteren Präsidenten schon 1935 auf einem College-Ball kennengelernt. Anfang der 60er Jahre, als sie zu Kennedys Vertrauter in mehrfacher Hinsicht wurde, hatte sie bereits eine Ehe mit dem CIA-Spitzenmann Cord Meyer hinter sich. Vor diesem Hintergrund wußte die gebildete und attraktive Frau ziemlich genau, wie die Machtelite tickt – und kannte viele ihrer Vertreter persönlich. Zugleich hatte sie einen freigeistigen Lebensstil entwickelt, inklusive Malereistudium, Selbsterfahrungstherapie und Experimenten mit LSD – das damals noch legal war und weltweit von Ärzten in der Psychotherapie eingesetzt wurde. Eine ganze Reihe von Indizien, die Bröckers präsentiert, legen nahe, daß Mary Pinchot Meyer als Präsident Kennedys politische Vertraute und Geliebte auch diesem das LSD nahebrachte, quasi als friedensstiftende Bewußtseinserweiterung. Ganz im Sinne von Hollywoodstar Cary Grant, der seinerzeit bekannte: »Ich mag eigentlich keine Drogen, aber LSD hat mir sehr gut getan. Ich finde, alle Politiker sollten LSD nehmen.«
Doch unabhängig davon, ob diese konkrete – und zumindest originelle – Vermutung zutrifft: Fest steht, daß Kennedy in Folge des Schweinebucht-Desasters von 1961 und der Raketenkrise von 1962 seinen politischen Kurs änderte. Tatsächlich, und entgegen der gegenteilig kolportierten Behauptung, hatte er vor, die sogenannten Militärberater aus Vietnam abzuziehen. Er wollte einen internationalen Teststop für Atombomben erreichen – und er skizzierte in einer Schlüsselrede vom Juni 1963, fünf Monate vor seinem gewaltsamen Tod, eine globale Friedensvision, die in ihrer Radikalität und Konkretheit weit von jeder Sonntagsrede entfernt war. Kennedy hatte sich nach drei Jahren im Amt ohne Frage zu einer Bedrohung für das herrschende System entwickelt.”
Perspektivänderung durch ein Sakrament scheint mir schlüssig, ebenso so wie das Verhalten der Herrschenden…