Es fällt ja durchaus schwer, den Rücktritt von Hans-Peter “Supergrundrecht Sicherheit” Friedrich zu bedauern, aber in Ordnung ist die Sache dennoch nicht. Einmal mehr scheint hier eine zentrale Säule des Rechtsstaats – die Unschuldsvermutung – massiv verletzt zu worden zu sein, und statt die daran Schuldigen zu bestrafen, wird allein aufgrund eines Verdachts (“Geheimnisverrat”) ein Bauernopfer zelebriert. Ob und wie Friedrich sich eines solchen Vergehens tatsächlich schuldig gemacht hat, wird ungeklärt bleiben – Minister weg, Augen zu und weiter. Dass die Staatsanwälte und/oder Polizisten, die die Vorermittlungen wegen Kinderpornographie gegen den SPD’ler Edathy an die Medien geleakt haben, zur Rechenschaft gezogen werden, ist derzeit ebenso unwahrscheinlich wie Maßnahmen gegen den vermutlichen Chef-Intriganten der gesamten Affäre, den SPD-Fraktionschef Oppermann, der den Fall an die Öffentlichkeit brachte.
Dass Thomas Oppermann nur so weit zu trauen sei, wie man seine Waschmaschine werfen kann, war mir in der Vergangenheit von Journalisten und Parlamentarieren schon häufiger zugetragen worden. Hans-Peter Friedrich hatte davon offenbar noch nichts gehört und wurde so zum Opfer einer Affäre, bei der ihn Oppermann rücksichtslos ins offene Messer laufen lies. Wie viele Dramen – und die Rechtsbrüche sind in diesem Fall ohne Frage dramatisch – birgt jedoch auch dieses Aspekte einer Komödie: ein CSU-Grande muß zurücktreten, weil er die SPD-Bosse vor einem möglicherweise kriminellen Perversen in ihren Reihen gewarnt hat.
Der Innenpolitiker Sebastian Edathy galt als sozialdemokratischer “Führungsnachwuchs” und war bei den Personaldebattten während der Koalistionsbildung im letzten Herbst ein SPD-Kandidat für den Posten des Justizministers. Zu diesem Zeitpunkt begannen die staatsanwaltlichen Vorermittlungen gegen Edathy wegen des Online-Kaufs pornographischer Bilder in Kanada – ein Verfahren, das wegen seiner politischen Brisanz auch dem obersten Dienstherrn der Ermittlungsbehörden, dem damaligen Innenminster Friedrich, zur Kenntnis gebracht wird. Um den Schaden eines wegen Kinderporno angeklagten Justizministers von einer künftigen Koalitionsregierung abzuhalten macht Friedrich der SPD-Führung davon vertraulich Mitteilung, die Edathy als Kanidaten dann auch sofort fallen läßt und Heiko Maas aus dem Köcher zieht. Und somit allen Grund hätte, dem CSU-Minister für die diskrete Amtshilfe dankbar zu sein und ihrerseits Diskretion zu wahren und den Mund zu halten. Doch genau das tat Oppermann nicht, als die Ermittlungen gegen Edathy jetzt in den Medien bekannt wurden – wohl wissend, dass ihm als Abgeordneten und Nicht-Amtsträger ein Geheimnisverrat nicht vorgeworfen werden kann, einem Minister wie Friedrich aber sehr wohl. Rechtlich mag Oppermann damit auf der sicheren Seite sein – menschlich und moralisch aber ist sein Verrat sehr viel verachtenswerter als das was Friedrich getan hat. Denn unabhängig davon, ob es sich bei Edathys Wichsvorlagen um legale Sexbildchen kleiner Jungs mit hängenden Schwänzen oder um illegalen Porno mit erigierten Penissen handelt – wirklich ministrabel ist ein Fan von derlei Freizeitvergnügen nicht. Und dass er als lautstarker Fürsprecher der Datenvorratsspeicherung – dabei ganz einig mit Hans-Peter “DateNSAmmlung ? EhreNSAche !” Friedrich – diesen Spaß mit seiner eigenen Kreditkarte bezahlte, läßt zudem an seiner Intelligenz zweifeln. Insofern ist sicher kein Schaden enstanden, ihn von einem Ministeramt fernzuhalten, wofür Friedrich diskret und kollegial gesorgt hat. Die SPD freilich scheint ihrem alten Ruf als “Verräterpartei” eine weitere, unangenehme Facette hinzuzufügen.