Hat Putin Hörner ?

TOPSHOTS-GERMANY-RUSSIA-MERKEL-PUTIN-PROTESTViele Jahre, notierte einst Karl Kraus, habe er damit verbracht,  “den Journalismus und die intellektuelle Korruption, die von ihm ausgeht, mit ganzer Seelenkraft zu verabscheuen.” Wenn man liest, hört und sieht wie derzeit der Coup in Kiew zur “Revolution” hochgejazzt und Moskau als Hort des Bösen dämonisiert wird, kann man diese Abscheu aktuell und mit ebenso tiefer “Seelenkraft” nachvollziehen: “Wie wird die Welt regiert und in den Krieg geführt? Diplomaten belügen Journalisten und glauben es, wenn sie’s lesen.” Und da fragt sich zum Beispiel, wer den “Heute”-Moderator Claus Kleber derart geleimt hat, dass er  das schon im letzten Beitrag verlinkte Interview mit dem aus Russland zurückgekehrte Siemens-Chef wie ein exaltierter Inquisitor führte, der einen vom Leibhaftigen Besessenen verhört. Es fehlte nicht mehr viel bis zu der Frage, ob Putin Hörner hat und es im Kreml nach Schwefel riecht. Auch Frank Schirrmacher, der Kleber in der FAZ abwatschte, zitiert dazu den Pionier der Medienkritik: “Es sei egal, so hatte Karl Kraus als Erster ein Kennzeichen der Massenmedien definiert, ob man eine Operette oder einen Krieg lanciert. Gemeint war: Die dramaturgischen, auf Kunden oder Klicks zielenden Strukturen von Konflikt, Eskalation, Krise und Katastrophe, mit denen man über die Welt redet, verändern die Welt beim Reden.”

Dass ich mir vor Abscheu über das Mediendesaster des Jahrhunderts – die Nicht-Aufklärung von 9/11 – angewöhnt hatte, Journalisten als “Pre$$titutes” zu bezeichnen, war in gewisser Weise ebenfalls der Schule von Karl Kraus geschuldet, der schrieb: “Die Prostitution des Leibes teilt mit dem Journalisten die Fähigkeit, nicht empfinden zu müssen, hat aber vor ihm die Fähigkeit voraus, empfinden zu können.” Und in der Tat scheint die erregte Propaganda-Vorführung des ZDF-“Anchorman” ein Paradebeispiel für das, was sendende und schreibende Laptop-Bomber und Ledercouch-Bellizisten derzeit demonstrieren: intelektuelle Korruption im hochgradigen Bereich und teilnahmslose Kälte für das, was sie anrichten. Als amerikanische Industrielle 1898 einen Anlaß suchten, die Spanier aus Kuba zu vertreiben, schickte der Pressemagnat Hearst seinen Reporter und Zeichner Frederic Remington auf die Insel, um über den angeblichen Aufstand der Rebellen und den dort tobenden Bürgerkrieg zu berichten. Als dieser nichts davon vorfand und kabelte: “Hier ist kein Krieg. Ich möchte wieder zurückkehren”, kam von Hearst die berühmt gewordene Antwort: “Bleiben Sie. Sorgen Sie für die Bilder, ich sorge für den Krieg.”  Diesem Auftrag kommt die Journallie derzeit nahezu flächendeckend nach…

Und niemand erinnert daran, dass die Prussen und die Russen doch direkte Verwandte sind, ein Volk (!), wobei die Russen etwas nördlicher wohnten und die alten Preußen “po” (=unterhalb) von ihnen, weshalb sie die Porussen waren – aber wer weiß das heute noch in Dortmund oder Gladbach ? Hallo Südkurve und Borussen-Fans, hallo Gazprom Schalke 04 ! Beim Lokalderby wäre da nun wirklich eine gemeinsame Choreographie für gute Beziehungen mit Mütterchen Russland und Väterchen Wladimir angebracht. Schon um es der gleichgeschalteten Medien-Operette zu zeigen: unter Verwandten, Nachbarn, Blutsbrüdern ist man sich vielleicht nicht immer einig, aber man führt auf gar keinen Fall Krieg ! Im übrigen wäre ich dafür, England und seiner Geldwaschanlage City of London die EU-Mitgliedschaft zu kündigen und Russland eine Assoziation /Mitgliedschaft anzubieten.

10 Comments

  1. Putin hat Eier ! Er durchschaut das dreckige Spiel der Amis und ihrer Lakaien und hält dagegen so gut er kann. Und zusammen mit China und Asien kann er.
    Dass die deutschen Aussenpolitik auf schon sklavische Weise den US-Interessen folgt, ist unverständlich – als stärkster EU-Staat und im essentiellen Eigeninteresse müßten wir da ganz anders agieren. Immerhin: dass die China-Währung jetzt in Frankfurt gehandelt wird ist ein Anfang – für die Achse der Zukunft: Paris – Berlin- Moskau -Peking. Die Bahn rollt bald schon von Shanghai nach Duisburg – die neue Seidenstraße steht. Da kann der Ami noch soviel sabotieren: das amerikanische Jahrhundert ist vorbei. Statt mit dem sterbenden transatlantischen Riesen, der nur noch wild um sich schlägt, sollten wir es mit unseren kontinentalen Nachbarn halten!

  2. > Putin hat Eier

    nee, umgekehrt: er hat sich selbst enteiert, vulgo: den letzten funken glaubwürdigkeit eingebüßt imo. noch im oktober schrieb er per op-ed piece in der nyt obala ins stammbuch, die usa hätten sich bitteschön nicht einzumischen in die inneren angelegenheiten syriens. angesichts der krim-annexion wirken diese worte wie reine heuchlei. wer selbst das völkerrecht bricht, kann dem westen bei dessen militärischen interventionen aus humanitären gründen (“nothilfe”) unmöglich völkerrechtsbrüche vorwerfen.

  3. Yeah! (Zum Posting “Hat Putin Hörner?”)

    Kompliment @Obi:
    “Die Amis haben keine Eier!” – zu diesem Schluss kam einst (schon) ein gewisser Hanns-Heinz Ewers auf Amerika-Trip, nachzulesen in der grauenhaft deutschen Geschichte “Vampir – Ein Roman in Fetzen und Farben” von anno 1916.

  4. Der Vergleich

    Schäubles Hitler/Putin-Vergleich hinkt, denn Hitler ist ja nicht einfach in das Sudetenland einmarschiert, sondern hat sich auf der Münchner Konferenz diesen Einmarsch international genehmigen lassen. Da sehe ich, im Vergleich zur Krim, keinen Völkerrechtsbruch sondern eine Übereinstimmung mit den Westmächten. Vielleicht hätte Putin durch geschickte Verhandlungen ein ähnliches Ergebnis erzielen können. Aber Putin ist eben nicht Hitler!

  5. Ich befürchte du irrst dich. Das europäische Zeitalter ist vorbei. Der kommende Krieg wird den Kontinent um Jahrzehnte zurück werfen. Den Amis kann aufgrund der geografischen Lage nichts passieren.

    Also, welches Imperium wird wohl überleben? Für immer?

  6. Dass ein Journalist in einem Interview mit einer streitbaren Person oder besser: mit einer Person, die für eine streitbare Position steht, als Advocatus Diaboli auftritt, ist für sich alleine nicht grundverkehrt. Wirklich aufschlussreiche Äusserungen erfährt man vielfach nur von den Menschen, die sich durch sehr kritische Fragen herausfordern lassen und auch herausgefordert werden.

    Unsere Staatsmedien leiden in meinen Augen viel mehr daran, dass eine Meneterkel, eine Bumsursula oder ein Schäumlevormmund sich niemals entsprechend aufgezogenen Fragen stellen müssen. Das kann ein Interview mit einem Claas Clever (der immerhin I-‘m-a-Dinner-Jacket interviewed hat) sein, der sich anhand der Antworten eines Siemens-Chefs gründlich auf Konfrontation vorbereitet hat, oder es könnte gleich eine Runde beim JaucheGünndä sein, in der eben einmal wirklich beide Seiten ihre Positionen begründen und ausführen können. Marietta Slomka und Rudi Cerne halte ich für ebenso geeignet. Johannes B. Kerner und Thomas Gottschalk eher weniger. Wirklich Dampf machen könnte wahrscheinlich Stefan Raab. Bei ihm ist höchstens fraglich, ob er das wollen würde. Ach, und sonst sollen sie halt alle mal vom 10-m-Turm springen; ich meine Uschi, Änschi, Vladi, Wolfi, Marietta Slomka und Stefan Raab. Mal sehen, wer dabei und danach am besten aussieht.

  7. Danke für den Superbeitrag. Hab mir von hier wieder eine Portion Zuversicht abgeholt. Wenn mir wider erwarten etwas Mainstreamsabber begegnet, wird mir einfach nur schlecht ob des Kriegsgewäschs. Auch wenn die Politiker des Westens geifern, Putin bleibt besonnen und ich wünsche mir, dass er weiterhin besonnen bleibt und die wahren Hetzer und Kriegstreiber erkennt. Die europäischen Eliten sind doch nur Hampelmänner, die nach der Pfeife Obama tanzen. Vielleicht sollten wir langsam mal die Damen und Herren, die sich Regierung nennen auf den Boden des Grundgesetzes herunterholen. Nie wieder darf ein Krieg von deutschem Boden ausgehen! Da gehört die Kriegs-PR dazu!
    Euch und allen Menschen sende ich sehr viel Licht und Liebe.

  8. Zur Gleichschaltung der westlichen Medien (von wegen Pluralismus) hat der bekannte australische Autor John Pilger mal gesagt:

    “Während des Kalten Krieges kam eine Gruppe russischer Journalisten in die USA. Am letzten Tag ihres Besuchs wurden sie von ihren Gastgebern nach ihren Eindrücken gefragt. “Ich muss Ihnen sagen,” sagte deren Sprecher, “dass wir erstaunt sind, seit wir herausgefunden haben, nachdem wir all die Zeitungen gelesen haben und Fernsehen gesehen haben, dass alle Meinungen zu allen wichtigen Dingen sich gleichen. Um dieses Ziel in unserem Land zu erreichen, werfen wir Leute ins Gefängnis oder ziehen ihnen ihre Fingernägel. Hier haben Sie so etwas nicht. Was ist das Geheimnis? Wie machen Sie das?”

    http://en.wikipedia.org/wiki/John_Pilger#Criticism_of_the_mainstream_media

  9. Kleine Anmerkung:

    Das mit den P(o)russen und den Russen klingt zwar ganz nett (analog gibt’s noch “Preußen und Reußen”), das ist dann aber auch alles. Sind ja auch nicht alle Deutschen Preußen…

    Die Prußen waren ein (slawisches) Volk im Gebiet des heutigen Ostpreußen, die dann später im dortigen Völkergemisch aufgegangen sind. Mit den Preußen haben sie nur den Namen (und, was halt so eingemendelt wurde) gemein, der wiederum von der Landschaftsbezeichnung übernommen wurde.

  10. Linguist Landmann führt aus:
    —————————————
    Wenn einem serbischen Fußballspieler
    die rote Karte gezeigt wird,
    sagt man auf Serbisch: „gruoni“ Kart.
    „Gruoni“ ist das klassische altdeutsche
    Wort für „grün“. Die Serben haben
    also irgendwann das Wort „rot“ durch
    das altdeutsche Wort „grün“ ersetzt,
    ebenso wie die Russen (Borussen, also
    Kleinrussen, werden die Prussen, die
    Preußen, genannt), die für „rot“ das
    Wort „krasni“ – „grasfarben“, also grün
    wie Gras, verwenden.
    —————————————–
    Wir sind alle Brüder, die leider unter der babylonischen Sprachverwirrung leiden.

Leave a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *