Eine segensreiche Einrichtung dieser Welt ist der Redaktionsschluß, auch Deadline genannt, obwohl niemand stirbt – außer dem Text, den man schreibt und der dann nicht wie geplant erscheinen kann. Oder überhaupt nicht, wenn er für die Zeitung des nächsten Tages vorgesehen war. Deadlines setzen den Schreiber unter Druck, was aber (zumindest für mich) sein Gutes hat, weil ich sonst nie fertig würde. Das Denken und Schreiben gegen die Uhr zwingt zur Konzentration und Reduktion: aus der Suppe (des Recherchierten, Gefundenen, Gedachten) muß gleichsam ein Maggiwürfel werden. Ein Auschnitt der Welt, codiert durch kleine Mundgeräusche (Worte) die in Zeichen (Buchstaben) übersetzt sind, aus denen im Kopf des Lesers dann wieder ein Bild, ein Panorama dieses Auschnitts der Welt entsteht – und idealerweise all die Assoziationen, Zusammenhänge und Querverbindungen, die beim Reduktionsprozess des Textens eingedampft wurden, “zwischen den Zeilen” erfahrbar bleiben. Alles nicht so einfach, aber letztlich auch nur ein Handwerk, das dem Geübten dann auch meist leicht von der Hand geht.
Obwohl dieser Blog 2004 mal als “Writersblog” startete, hatte ich noch nie einen “writers block”, sofern damit gemeint ist, dass man weiß was man schreiben will aber keine oder nur die falschen Worte findet. Weiß man’s nicht hat es nichts mit dem Schreiben zu tun, sondern mit dem Wissen. Und weil das prinzipiell nie reicht und es dauernd noch Neues zu entdecken gibt, und Details und Feinheiten und ganz andere Sichtweisen und Perspektiven, wäre ich ohne Deadline verloren. Denn irgendwann muss das Suchen und Sammeln und Lernen und Entdecken aufhören und Text produziert werden, sonst wird das nie was. Und was es dann wird, ist immer eine Momentaufnahme: ok, jetzt ist genug gegraben, jetzt werden die Nuggets ans Tageslicht gefördert und aufpoliert. In kleine Mundgeräusche, Worte, Buchstaben verwandelt und… verkauft. Von irgendwas muß der Stollenkumpel ja leben und nachdem ich mit dem Kollegen Sven Böttcher schon seit einigen Jahren im Bergwerk der Wahrheit rumbuddele, dachten wir, dass es jetzt an der Zeit wäre, die ganze Wahrheit über alles ans Tageslicht zu befördern.
Und zwar von A (wie Arbeit) bis Z (wie Zuwanderung), mit (fast) allem, was dazwischen relevant ist (also z:B. : Banken, Demokratie, Erderwärmung, Familie, Kapitalismus, Maschinen, Nationen, Netz, Ressourcen, Schulden, Verschwörungstheorien, Waffen…). Damit kommt man natürlich nie ans Ende, aber weil der Westend-Verlag dankenswerter eine Deadline gesetzt hat, ist jetzt Schicht im Schacht. Ein bißchen Politur und Korrektur müssen noch sein, aber wir können melden: Just Another Job Well Done. Wie gut entscheiden natürlich letztlich die werten Leserinnen und Leser, die in der Buchhandlung ihres Vertrauens das Werk jetzt schon vorbestellen können, um es am 17. März gleich zu lesen, wir aber, soviel kann ich mit Sportskamerad Bötttcher sagen, haben auf jeden Fall “unser Bestes gegeben”. Sowohl mit den Eingeständnissen des fatalen Scheiterns unserer Generation, als auch mit der Suche nach Auswegen für die nach uns kommende. Es ist ein Buch für unsere Kinder und Enkel. “Erwachsene”, also Pfeifen in unserem Alter, mit denen kein Staat mehr zu machen ist, müssen es nicht lesen. Dürfen aber…