“Ausgeflippt”, “abgefuckt”, “angetörnt”…. diese Worte gab es im Deutschen nicht, bis Bernd Brummbär Ende der 60er Jahre in Frankfurt auftauchte. Zuvor war er einige Jahre als Pflastermaler, “Gammler” und Prä-Hippie durch Europa gezogen, schließlich in Kalifornien gelandet und hatte dort einige Freaks kennengelernt, deren Werke er in Form eines großen Stapels mitgebracht hatte: Underground-Comics. Jörg Schröder, der gerade dabei war, den auf Judaica spezialisierten Meltzer-Verlag auf politische und literarische Avantgarde (“März-Verlag”) umzukrempeln, veröffentlichte die Head-Comix und Fritz the Cat von Robert Crumb, herausgegeben und übersetzt von Brummbär, der damit nicht nur für die Entdeckung dieser anarchischen und freizügigen Comics sorgte, sondern auch den Slang, das Idiom der kalifornischen Counterculture in Deutschland einführte. Und wie Crumbs auf Sex in allen Varianten geiler Kater waren es bei Gilbert Sheltons Fabulous Fury Freak Brothers die Drogen (»Man kommt besser mit Gras über Zeiten ohne Geld als mit Geld über Zeiten ohne Gras!«), das Unerhörte, das das Establishment schockierte und die Protestgeneration zum Kichern brachte- und diese neuen Worte in ihren Alltag.
Zurück in Kalifornien arbeitete Brummbär als Illustrator, Filmaustsatter und Regisseur, bis er in 1980ern erneut zu einem Pionier wurde, dieses Mal im Bereich der digitalen Animation und Computergraphik. Er gestaltete Computerspiele wie “Darkseed” (zusammen mit H.R.Giger), arbeitete mit Autoren wie Timothy Leary, John Lilly und William Gibson und produzierte Grafik und Spezialeffekte für viele Filme, wobei er sich, wie Wikipedia notiert, ” durch seinen psychedelischen, dissoziativen und halluzinogenen Stil auszeichnet.” In den phantastischen fraktalen 3-D-Landschaften, die er in seinen Videos (hier und hier) erschuf, sah Brummbär allerdings keine Fabrikationen, sondern ein Möglichkeit zu sehen, was tatsächlich da ist, er sei nur, sagte er in einem Interview, der Berichterstatter (“I’m reporting”).
Über seine Zeit als “Gammler” in den frühen 60ern hat er in einem autobiographischen Buch berichtet, das Werner Pieper 2011 herausgebracht hat. 2003 erkrankte Brummbär an Krebs, kam aber wieder auf die Beine, referierte 2006 auf dem Kongress zum 100. Geburtstag des LSD-Entdeckers Albert Hofmann, und arbeitete weiter. Am Wochenende ist Brummbär in Los Angeles gestorben und hat sich dahin aufgemacht, wo er seinem verstorbenen Freund Tim Leary schon auf der Spur war: “Where in the Universe is Timothy Leary?”
Kleine Ergänzung: Bernd Brummbär war in der ersten Hälfte der 70er Jahre in München (Schwabing) und arbeitete, soweit ich das als gelegentlicher Besucher seiner freundlichen Höhle mitbekam, vornehmlich als Maler in Öl auf Leinwand…
Ein Bild aus der damaligen Zeit war z. B. ein Format ca. 100×100, ganz im Disneycomic-Stil gehalten, und da leuchtete in herrlich reinen Farben auf einer “einsamen Insel im blauen Ozean”, die ganz aus dicken, angespülten und angeknacksten roten Herzen aufgeschichtet war und die typische grüne Palme besaß, ein total zerknirschter, zerknitterter, schiffbrüchiger “Donald” mit einer Denk-Blase über dem geschundenen Kopf: “She will be my living end” …
Seltsamerweise hab’ ich heute an ihn gedacht, ohne dass ich etwas von seinem irdischen Ende vernommen gehabt hätte.
You’re not really gone, Brummbär.