Der neue Kalte Krieg

20.03.14 09:19-Bildschirmkopie

Auch zum zweiten Jahrestag des Scharfschützen-Massakers auf dem Maidan in Kiew ist das Blutbad, dem über 100 Demonstranten und Polizisten zum Opfer fielen,  nicht nur nicht aufgeklärt, der amtierende ukrainische Generalstaatsanwalt bestreitet sogar die Anwesenheit anonymer Todeschützen auf  und in den umgebenden Häusern – darunter ein “gekapertes” Hotelzimmer des ZDF, das die Schützen sogar filmte  –  weshalb mit weiteren Ermittlungen auch nicht zu rechnen ist. Die Tatsache,  dass es sich bei diesen Massenerschiessungen um das Ereignis handelt, das zum Regierungsumsturz in der Ukraine führte und in der Folge zu den Aufständen in den Ostprovinzen des Landes und zur Abspaltung der Krim – auch diese eminente historische Bedeutung macht es ziemlich unwahrscheinlich, dass eine rechtsstaalichen Kriterien entsprechende Untersuchung des Verbrechens jemals stattfinden wird. (UPDATE: in einem gerade in der Ukraine anlaufenden Dokumentarfilm berichtet einer der Schützen, dass er zwei Polizisten mit einem Schuß “ins Genick” tötete – ohne juristische Konsequenzen)

Ähnliches scheint für den Mord an den Insassen des Fluges MH-17 zu gelten, wo die im letzten Beitrag  zitierte Aussage des niederländischen Geheimdienstchefs  (“Nur die Ukraine hatte ein BUK-System”) erwartungsgemäß keine Erwähnung in den Großmedien fand. Auch der Angriff auf das Flugzeug und der Tod von 300 Menschen hatte “historische” Bedeutung, weil er der Auslöser für die Sanktionen gegen Russland war. Und daran soll nicht gerütteltet werden, weshalb unpassende Informationen nicht in die Wiederholungsschleifen der Medien kommen und damit nicht in den Rang einer anerkannten Tatsache. Wenn weder die Russen noch die von ihnen unterstützten “Rebellen” der Ost-Ukraine  etwas mit dem Absturz zu tun hatten, und wenn die Todesschützen auf den Maidan-Dächern nicht im Auftrag der Janukowitsch-Regierung feuerten, sondern rechtsradikale Söldner waren,  würde sich die große Geschichte vom “demokratischen” Umsturz auf der einen und  “aggressiven” Russen auf der anderen Seite als haltlos erweisen. Und das darf nicht sein. Warum ? Pepe Escobar hat es dieser Tage auf den Punkt gebracht:

“The industrial-military complex needs a powerful, «imperial» enemy; towel heads in Afghan caves or a fake «Caliphate» are a joke. Eurasian integration – Russia / China / Iran allying with Germany – must be prevented at all costs.”

That’s it. Ein paar wilde Wickelmützen in Höhlen und ein Möchtegern-Wüstenstaat taugen nicht wirklich zum Großfeind, der eine  gigantische Aufrüstung vom Baltikum bis nach Nordafrika rechtfertigt, die Legende eines mega-gefährlichen “Reich des Bösen” mit hitler-artigem Herrscher ist unabdingbar um mehr “Sicherheit” zu verkaufen. Und so kommt es zu der grotesken Dämonisierung des russischen Präsidenten – “Putin will die Weltmacht!” gab der transatlantische Bauchredner Joschka Fischer 2014 den Kammerton vor  – die zwar kein Mensch mit einem IQ über Zimmertemperatur ernst nehmen kann, die aber dank permanenter Wiederholung als Tatsache implementiert wird. Um zu verhindern, dass das “Herzland”, wie es der britische Geostratege Mackinder 1904  benannte, zusammenwächst und Westeuropa mit Asien verbindet, was auch Mackinders geostrategischer Nachfolger Brezinski fürchtet wie der Teufel das Weihwasser.Weil eine von Paris über Berlin und Moskau nach Peking kooperierende Achse für das US-Imperium als “einzige Weltmacht” ebenso unkontrollierbar wäre wie damals für das britsche Empire.

Deshalb wurde schon 1953 Stalins Angebot eines wiedervereinigten aber militärisch neutralen Deutschlands abgelehnt und die BRD zum Frontstaat im Kalten Krieg aufgerüstet, und folgerichtig dann seit den 1990ern auch alle Angebote Gorbatschows, Jelzins und Putins nach einem “gemeinsamen Haus” Europa und eines Friedenspakts von Lissabon bis Waldiwostok ignoriert. Und stattdessen die NATO immer weiter nach Osten vorgeschoben und was im Wege stamd – wie Jugoslawien – überfallen und beseitigt. Bis die russischstämmige Bevölkerung des Donbass-Gebiets, das einst von Lenin der Ukraine zugeschlagen wurde, sowie die Bewohner der Krim, die Chrustschow der Ukraine 1954 “geschenkt” hatte, rebellierten. Gegen den nach dem Maidan-Massaker verfassungswidrig zustande gekommenen Regierungsumsturz in Kiew, der dem Land seitdem denn auch keine Demokratisierung oder mehr Rechtsstaatlichkeit gebracht hat, sondern weiter wachsende Korruption und Bürgerkrieg. Zwei Jahre nach dem Umsturz ist das Land nicht auf dem Weg nach Europa sondern am Abgrund zum “failed state”….

Dass der Internationale Währungsfond (IWF) seine noch im Falle Griechenland eisernen und auf ewig unverrückbaren Kreditregeln in Sachen Ukraine jetzt über Nacht geändert hat, hat den Kalten Krieg auch auf den Finanzsektor ausgedehnt – und wie der Ökonom und Historiker Michael Hudson darlegt –  die Welt nunmehr in zwei Hälften geteilt: den U.S. Dollar orbit, “and countries that the U.S. cannot control and whose officials are not on the U.S. payroll.”

Die Konstellation im geopolitischen Ring: In der blauen Ecke der militärisch-finanz-industrielle Riese  (USA + NATO+WallStreet+ City of London) und in der roten Ecke der Wirtschafts,- Bevölkerungs,- und Rohstoffriese (China +Russland+Indien + der Rest der Welt). Da beide Seiten über nukleare Overkill-Kapazitäten verfügen besteht keine unmittelbare Gefahr, dass die Riesen direkt aufeinander losgehen. Die Ziele aber scheinen klar: die Blauen wollen globale “Full Spectrum Dominance” , die Roten eine multipolare Welt. Und darum geht es auch in den Stellvertreterkriegen in der Ukraine und im Nahen Osten, deren Opfer nicht für “Demokratie” und “Freiheit” sterben, sondern weil sie zufällig vor der russischen Haustür wohnen, wo die Blauen ihre Raketen aufstellen möchten, oder zufällig in Syrien, durch das die Roten und die Blauen Pipelines zum Mittelmeer bauen wollen… (Update dazu: Robert F.Kennedy:  Ein Krieg aus energiepolitischen Gründen) 

7 Comments

  1. ich kann nur hoffen, daß mein Kommentar nicht wieder wegzensiert wird. An sonste, wenn ich an Bilder wie dieses denke:
    http://static2.businessinsider.com/image/527a684deab8eabd4d9ab764-506-253/7-amazing-quotes-showing-the-awkward-tension-between-vladimir-putin-and-the-us.jpg
    oder das hier:
    http://www.derwesten.de/img/incoming/crop11131583/1973353659-cImg0273_543-w616-h225/ObamaPutin.jpg
    dann sehe ich nur Schauspieler, die eine billige Show abziehen und Schauspieler führen keine Kriege, sie tun nur so als ob.

  2. Wieder Skeptiker bestätigt, “Verschwörungstheorie” im Mainstream als wahr eingeräumt – keine Sau interessiert’s.

    Die politische und militärische Führung nennt den wahren Grund für Deutschlands Teilnahme am Afghanistankrieg. Die Propaganda (Kritiker haben sie ohnehin nie geglaubt) hat ausgedient.

    Nachdem bereits Minister de Maiziere bei Anne Will (Sendung vom 17.10.12) noch vorsichtig formulierte: “Natürlich ist Bündnissolidarität – nenne ich das – auch ein Grund gewesen. Und ein guter Grund.”
    Hier ab min 32:00: https://www.youtube.com/watch?v=7mLv-8qylrc

    wird General Kujat (der 2001 höchster deutscher Militär war) bei Markus Lanz (Sendung vom 28.02.16) unmissverständlich: “Wir sind ja auch nicht nach Afghanistan gegangen – wie es dann später hieß – um Deutschland zu schützen von Afghanistan aus, sondern wir sind hingegangen, um Solidarität mit den Amerikanern zu dokumentieren. Das war der einzige und ausschließliche Grund dafür.”
    Hier ab min 9:40: https://www.youtube.com/watch?v=Z4_dTFXT2fs

    Was wohl die Angehörigen der über 50 in dem Kriegseinsatz gefallenen Bundeswehrsoldaten oder die vielen Verwundeten dazu sagen, dass sie dermaßen verar*** wurden? Und warum gibt es keine Meldung dazu in den Medien, die angeblich das Regierungshandeln demokratisch kontrollieren sollen? “Bundesregierung belügt Bevölkerung jahrelang über Kriegsgrund” – wäre das nicht eine Schlagzeile wert, liebe Lückenpresse?

  3. Während gerade die neuesten Bellingcat-Märchen vermarktet werden, haben die niederländischen Blogger Joost Niemöller und Marcel van den Berg auf einen Artikel des russischen Bloggers Sergey Mastepanov aufmerksam gemacht, der die Videos, auf die sich Bellingcat beruft, detailliert analysiert hat und zu dem Schluß kommt, daß diese Videos tatsächlich gefälscht sind.

    Niemöller: “Brekend: bukvideo’s #MH17 in media blijken fake!”

    http://joostniemoller.nl/2016/02/brekend-bukvideos-mh17-in-media-blijken-fake/

    Mastepanov: “MH17: The Buk videos are fake”

    http://energia.su/mh17/buk_vids/fake_buk_vids.html

    Nun passen diese Erkenntnisse wohl nicht in das westliche Narrativ, und daher bekommen diese Blogger leider keine Schlagzeile in den Medien. Schließlich muß der Wirtschaftskrieg gegen Russland weiter gehen, denn – laut George Soros – wird “2017 … das Putin-Regime vor der Pleite stehen” und da kann man ja nicht kurz vorher die Sanktionen beenden, weil die Russen nichts mit MH-17 zu tun haben.

    http://derstandard.at/2000030993913/Putin-ist-kein-Verbuendeter-gegen-den-IS

  4. Wirklich gut zusammengefasst!

    Das Traurige ist, wenn du den Text einem regelmäßigen Tageschau/heute journal-Seher – oft auch Fußball- oder Telenova-Seher, die das in den Pausen sehen – geben würdest, würde der/die dich für verrückt erklären.

    Dann kannste zwar fragen: “Welcher Fakt von dem, was ich gesagt habe, stimmt nicht?”

    Dann kommt natürlich “Russland böse” blabla und da lässt sich schon etwas finden, was Russen Böses angestellt haben. Aber die haben keine Begründungen oder Kontext, weil sie in dieser defragmentierten Welt leben. Das ist so wie Joe Scarborough als MSNBC-Maulhure mal sagte:

    “They hate us, because they hate us!” über Moslems.

    Hier gibt es eigentlich schon Gründe aus Quellen, die er als “gut” einstufen müsste:

    https://www.youtube.com/watch?v=2uz0NOCxN_Y

    Aber nein, nein, nein!

    “They hate us, because they hate us!”

    Wobei TYT auch sich so ihre Wahreheit zusammenbasteln (oft nicht Geostrategie oder Kapitalismus als Ursachen erkennen) und oft nur clickbait raushauen, aber manchmal sind so gute Beiträge dabei.

    Wenn die Mehrheit der Menschen wenigstens schon so weit wären, wäre es auch schon gut.

  5. Wie immer bei Ihnen, lieber Mathias Bröckers: Ausgezeichnet geschrieben + eine weitere Kostprobe Ihrer Komprimierungskunst in inhaltlichem Einschenken weit über den Strich, glasklarer Stringenz bei gleichzeitig strenger Wortverbrauchskontrolle.

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