In die Tür und Exit (3)

der-fall-ken-jebsen-coverHier ein weiterer Auszug aus meiner Einleitung zum Buch “Der Fall Ken Jebsen oder Wie Journalismus im Netz seine Unabhängigkeit zurückgewinnen kann”, das diese Woche neu erschienen ist.

Das autoritative Privileg der Presse, also die Deutungshoheit und Meinungsführerschaft über die Wirklichkeit, existiert so nicht mehr, das Monopol von einer Handvoll Nachrichtenagenturen und Großverlage zur Herstellung von öffentlicher Meinung ist geknackt. Niemand muss mehr Punkt 20 Uhr Uhr vor der Tagesschau sitzen, um zu erfahren, was in der Welt geschieht. Die Empfänger von Nachrichten und Kommentaren zum Weltgeschehen können es weitgehend selbst in die Hand nehmen, wann, von wem und wie sie sich die Welt erklären lassen und welchen Journalisten, Reportern und Experten sie vertrauen. Und dafür, das zeigt der Erfolg des nutzerfinanzierten Projekts KenFM, dann auch bereit sind, sie freiwillig zu finanzieren.

Warum gelingt das ausgerechnet einem Ken Jebsen? Einem rasenden Reporter, der schnell denkt und noch schneller spricht, der lieber zuspitzt und polarisiert, als zurückhaltend und ausgewogen zu formulieren, und der mit dem Stakkato und dem Speed seiner Sätze manchen schon einmal überfordert? Die Antwort ist einfach: Der Mann ist echt. Er verstellt sich nicht, obwohl er mal auf einer Schauspielschule war, um seine Schüchternheit und Bühnenangst zu überwinden, und er trägt sein Herz auf der Zunge, auch wenn er für die Arbeit als Radiomoderator eine Sprechausbildung machen musste. Er war nämlich Musikredakteur und wollte gar nicht ans Mikro, bis eines Nachts der Moderator ausfiel. Er wollte beim Fernsehen auch nur hinter der Kamera Reportagen machen, bis er einmal aus Versehen durchs Bild lief und der Chef ihn zum »Reporter des Wahnsinns« ernannte. Und er wollte auch kein KenFM im Netz senden, bis ihn ein mieser rbb-Hörer diffamierte und ein notorischer Denunziant, Wichtigtuer und Springer-Journalist seine Netzwerke mit dieser Diffamierung fütterte und den Sender unter Druck setzte. Weil Ken Jebsen aber Fallschirmspringen gelernt hat und weiß, dass der Aufruf »In die Tür und Exit« zwar den freien Fall, aber nicht das Ende bedeutet, erreicht er heute mit KenFM mehr Menschen denn je.

Und das nicht, weil er »rechts« ist, sondern weil er echt ist. Als Kriegsgegner und Antimilitarist, als extremer Vertreter sozialer Gerechtigkeit und scharfer Kritiker des neoliberalen »Jeder gegen jeden«, als Antirassist und strikter »Anti-Antisemit«, der Israel oft bereist und seine Verwandten dort besucht – und mit 545 Folgen »RückblickKEN« den ARD-Rekord im Warnen vor Faschismus und Holocaust hält. Als einer, der weiß, wovon er spricht, wenn es um Rassismus geht, der im niederrheinischen Krefeld geboren ist und den iranischen Namen seines Vaters abgelegt hat, weil er nicht immer gefragt werden wollte, wann er denn wieder zurückgeht. Und der sich, eben weil er für dieses Thema von klein auf sensibilisiert ist, das Recht nimmt, die rassistische Politik Israels als solche zu benennen und zu kritisieren. Nicht weil er Juden hasst, sondern weil ihm diese Politik zutiefst zuwider ist, wie übrigens auch vielen jüdischen Menschen innerhalb und außerhalb Israels. Und weil er in Israel einen Freund sieht, an dem ihm etwas liegt. Dass er seine Empörung darüber nicht vornehm zurückhält, wie es die hiesigen Diskurskonventionen (und NATO-Interessen) vorschreiben, auch das ist nicht »rechts«, sondern echt – humanistisch nämlich.

Fortsetzung folgt

“Der Fall Ken Jebsen oder Wie Journalismus im Netz seine Unabhängigkeit zurückgewinnen kann” (256 S., 18,00 Euro) ist ab sofort im Buchhandel und direkt beim Verlag erhältlich.

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