Bevor ich mal ein paar Tage ans Meer verschwinde hier noch eine Liste der Bücher, die ich – weil schon mit Gewinn gelesen – nicht mitnehmen kann: letzten Sommer hatte ich als Urlaubs-Schmöker die Fortsetzung von Gregory David Roberts grandiosem Bombay-Unterwelt-Thriller “Shantaram” empfohlen, die gerade auf Englisch erschienen war, mittlerweile gibt es “Mountain Shadow” auch auf deutsch. Wie so oft nach einem absoluten Welthit waren einige Fans vom Nachfolger enttäuscht, ich war aber sofort wieder drin in der Geschichte und erneut vollauf begeistert.
Einen Welthit hatte Arundhati Roy vor 20 Jahren mit “Der Gott der kleinen Dinge”, aber nicht nur wegen diesem Roman, sondern wegen der politischen Sachbücher, die sie seitdem geschrieben hat, gehört Arundhati zu meinen absoluten Lieblingen unter den zeitgenössischen Autoren. Insofern war ihr vor einigen Monaten herausgekommener erster Roman seit zwei Jahrzehnten – “The Ministry of Utmost Happiness” – natürlich Pflichtlektüre. Das “Ministerium des äußersten Glücks” liegt auf einem Friedhof in Dehli, auf dem sich eine Queer-Frau und andere ausgestoßene Helden der Gesellschaft häuslich eingerichtet haben. Und einmal mehr schafft es Arundhati Roys magischer Realismus, dass man schon nach ein paar Seiten die Slums und Hinterhöfe Indiens sieht und riecht und fühlt, so wie das Leid und Elend der Erniedrigten und Beleidigten – und gleichzeitig ihr volles wunderbares Menschenleben.
Ebenfalls zu meinen All-Time-Favourites zählt der Anarchist Peter Kropotkin, seit ich vor Jahrzehnten sein bekanntestens Werk “Gegenseitige Hilfe in der Tier-und Menschenwelt” las. Als Soldat im soeben vom Zaren eroberten Sibiren stationiert – und Leser von Darwins eben erschienener “Enstehung der Arten” – hatte er bei seinen Beobachtungen der unberührten Natur statt einem “Kampf ums Dasein” überall eher das Zusammenwirken in Kooperationen und Symbiosen festgestellt. Und damit schon sehr früh die andere Seite der darwinistischen Medaille entdeckt. Jetzt erst kam ich dazu, auch Kropotkins Autobiographie “Memoiren eines Revolutionärs” zu lesen, die ich nicht nur Anarchisten sehr ans Herz legen kann. Toll geschrieben und sehr lehrreich. Leider endet sie schon 1886, denn die schöne Geschichte über den großen Empfang, den Russland nach der Revolution dem aus dem Exil heimkehrenden Anarcho-Fürsten bereitete, hätte man gern aus erster Hand gehört. Lenin soll sehr genervt gewesen sein: “Dieser Kropotkin redet dauernd nur von Genossenschaften!” Mit Kommunismus und Planwirtschaft “von oben” hatte Kropotkin einfach nichts am Hut.
Letztes Jahr hieß es hier: “Ende August erschien “The Kingdom of Speech” von Tom Wolfe, von jeher bzw. seit “Electric Cool Aid Acid Test” einer meines Lieblings -Schreiber/Reporter/Erzähler und als ich in der Ankündigung sah, dass es sich a) um non-fiction und b) um Darwins Evolutionstheorie und Chomkys Universalgrammatik handelt, musste ich das Werk sofort bestellen und lesen. Weil ich a) Wolfes Romane zwar meistens gut fand, seine Reportagen aber immer vom Feinsten und mich b) schon viel mit Darwin und seinen mißratenen neo-darwinistischen Jüngern befasst habe sowie in den 70ern fünf Jahre Linguistik studiert und Chomsky quasi als studentische Muttermilch inhaliert hatte. (…)Es geht um das Drama Establishment vs. Außenseiter, Zitadelle der Wissenschaft vs. praktische Forschung, autoritative Ideologie vs. subversive Fakten. Klar, dass Wolfe seine spitze Feder eher Letzteren leiht – auch mit 85 schreibt er noch derart frisch, fröhlich und frei, dass diese 170 Seiten wie im Flug vergehen – und klar auch, dass er mit seinem Anti-Darwin und Anti-Chomsky-Approach weder Kreationisten, noch Evangelikalen oder anderen Dumpfbacken das Wort redet. Sondern nur deutlich macht, dass weder die Evolutionstheorie noch die Universalgrammatik das Wunder erklären können, das uns erst zu Menschen macht: die Sprache.” Mittlerweile gibt es das “Königreich der Sprache” auch auf deutsch.
Über König Donald und die unsichtbaren Meister des “tiefen Staats” habe ich hier im Blog und in meinem letzten Buch einiges geschrieben. Im Zusammenhang mit seinen Untersuchungen zum Mord an JFK hatte Prof. Peter Dale Scott diesen Begriff schon vor einigen Jahrzehnten geprägt, um damit Machtstrukturen zu beschreiben, die jenseits demokratischer Regierungen und Institutionen existieren. Weil der eigentlich unsichtbare “deep state” seit der überraschenden Wahl Donald Trumps jetzt sehr offensichtlich am Thron des Präsidenten sägt, hatte ich es vorgezogen, im satirischen Ton eines Real Game of Thrones darüber zu schreiben. Dass es sich aber bei diesem “Tiefenstaat” nicht um Fantasy handelt, und auch nicht um etwas was nur in “Bananrepubliken” vorkommt, kann man bei Mike Lofegreen sehr gut nachlesen: “The Deep State: The Fall of the Constitution and the Rise of a Shadow Government”
Und was nehm ich jetzt mit an den Strand ? Wenn gerade kein aktuelles Lesefutter lockt greife ich mir immer einen der 143 Bände, die ganz oben auf dem Regal thronen: Goethe. Er wird mich auch dieses Mal nicht enttäuschen. Zuletzt stieß ich, zwischen der “Metamorphose der Pflanzen” und der “Metamorphose der Tiere” auf diese wunderbaren Zeilen:
“Müsset im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen:
Denn was innen das ist außen.
So ergreifet ohne Säumnis
Heilig öffentlich Geheimnis
Freuet Euch des wahren Scheins.
Euch des Ernsts des Spieles
Kein Lebendiges ist Eins
Immer ist’s ein Vieles.”
(Oder) wie, glaube ich, jemand anderes (an dessen Namen ich mich gerade nicht zu erinnern vermag) einmal so schön gesagt hat:
*Nur der Schein trügt nicht*
Gute Reise
mit Jott-Wee-Vau-Goethens
-p-