(Mit Updates, unten) Dass jeder Angeklagte das Recht auf Verteidigung und auf die Vertraulichkeit der Kommunikation mit seinem Verteidiger hat, ist ein grundlegendes Element der Rechtsordnung. Wenn einem Angeklagten eine solche Vertraulichkeit nicht gewährt wird, kann von einem fairen Strafverfahren keine Rede mehr sein. Schon gar nicht, wenn die gesamte Kommunikation eines Angeklagten mit seinen Verteidigern abgehört und diese Aufzeichnungen an die Partei des Klägers weiter gereicht werden. Wie genau das im Fall Julian Assange geschehen ist, das wird derzeit von einem spanischen Gericht untersucht, gegen der Gründer der Firma “Undercover Global “, die Assange in der ecuadorianischen Botschaft ausspioniert und die Daten an die CIA weitergeleitet haben soll. Finanziert wurde die Aktion, bei der die Gespräche Assanges mit seinen Verteidigern aufgezeichnet wurden, von dem Großspender Donald Trumps und Casino-Milliardär Sheldon Adelson. Dies wurde von der Verteidigung Assanges bei der ersten Anhörung vor dem Woolwich Court in London am Montag vorgebracht – als eines der Argumente, warum eine Auslieferung des Wikileaks-Gründer abzulehnen ist. Diese ist ausgeschloßen, wenn der Mandant vor dem Gericht, das seine Auslieferung verlangt, kein rechtsstaaliches Verfahren erwarten kann – wovon ausgegangen werden muss, wenn schon im Vorfeld gegen grundlegende Prinzipien wie die Vertraulichkeit der Verteidigergespräche eklatant verstoßen wurde. Ebenfalls ausgeschlossen wäre eine Auslieferung nach geltendem internationalen Recht, wenn das Begehren weniger straferechtlich sondern politisch motiviert ist. Hierfür brachten die Verteidiger Belege vor, die zeigen, wie der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, den Trump jetzt zum Chef der Geheimdienste machen möchte, für seinen Chef die Strippen zog, um Julian Assange das Asyl in der ecuadorianischen Botschaft zu entziehen.
Der Vertreter der USA führte vor dem Gericht eine Behauptung an, die eigentlich schon 2014 von einer Untersuchung des Pentagon selbst widerlegt worden ist, dass nämlich durch die Veröffentlichungen von Wikileaks das Leben unbeteiligter Personen gefährdet worden sei. In dem Verfahren gegen Chelsea Manning musste der mit der Untersuchung beauftragte Pentagon-General eingestehen, dass man “kein spezifisches Beispiel” für eine solche Gefährung oder einen Todesfall nennen könne. In London konnte der US-Anwalt nun auch keine konkreten Namen nennen, die aufgrund von Wikileaks-Publikationen wirklich Schaden genommen hätten. Wo aber kein Schaden ist, ist auch keine Klage, lautet ein alter forensicher Grundsatz und ein Gericht, das eine faire Abwägung zwischem dem Nutzen der “Tat” (der Veröffentlichung von Kriegsverbrechen) und dem in diesem Fall äußerst un-spezifischen Schaden zu treffen hat, käme um eine Abweisung der Klage wohl kaum herum.
Womit wir bei dem politischen Schaden wären, den Wikileaks mit der Veröffentlichung des “Colateral Murder” Videos oder der emails des “Democratic National Congress” (DNC), die den Betrug des Clinton-Teams an Bernie Sanders offenbarten, ohne Frage angerichtet hat – am Image der Weltmacht USA und dem der Kandidatin Hillary Clinton – und damit wieder bei den politischen Motiven, Julian Assange als “Staatsfeind Nr. 1” zu verfolgen und ihn als Nicht-Journalisten zu deklarieren. Bis Ende der Woche werden die Anhörungen vor Gericht noch fortgesetzt, dann geht es erst im Mai weiter – bis dahin muß Julian Assange nach Angaben seiner Anwältin wohl im Gefängnis bleiben.
Und die Schikanen hören nicht auf. Am zweiten Verhandlungstag beschwerte sich sein Anwalt Edward Fitzgerald: “Yesterday my client was handcuffed 11 times, searched naked twice, put in five separate holding cells and had his papers taken from him – my concern is that this needless treatment limits his ability to participate.”
Craig Murray hat einen der 16 (!!) Zuschauerplätze und berichtet vom Tag zwei der Anhörungen.
UPDATE: Hier der zusammenfassende Bericht vom 3. Verhandlungstag und der unbedingt lesenswerte Report von Craig Murray
Gute Zusammenfassung der ersten beiden Prozeßtage bei Martin Sonneborn
Craig Murray zum 4. Verhandlungstag
PS: Am Donnerstag 27.2. spreche ich bei den Genusskomplizen in Frankfurt zum Fall Assange, am Sonntag, 1.3., im Kulturzentrum in Esslingen
Mahnwachen für Julian Assange:
https://www.candles4assange.de/#events
selbstverständlich richtet es keinen Schaden, weil es kontrollierte Opposition ist. Die neueste Grusel-Geschichte, über das Gefängnis, wo Assange angeblich Hannibal Lecter mässig festgehalten wird, sind so absurd. Das ist eine Show, wie alles andere auch. Wieso kapieren das so wenige? Die Wirklichkeit ist halt sehr langweilig, es passiert kaum was aufregendes und dann darf das auch noch nicht in die Nachrichten wegen irgendwelcher Persönlichkeitsrechte. Die News brauchen aber Inhalt, also wird dieser erfunden und inszeniert. Ich mußte neulich in Ägypten mehrmals durch die absurden Pseudosicherheitskontrollen in Flughäfen und auch in Hotels durch und dort kommt es darauf an, wie viel Lust die Beteiligten haben. Wenn sie keine Lust haben, muß man keine Schuhe ausziehen, die Flasche Wasser im Rucksack wird durchgewunken, usw. Alles nur Show.
Solange Assange festgehalten wird (und auch Yulia Skripal!), gilt BDS UK!
Nix ‘Lays’ Chips, nix ‘Digestive Cookies’, nix ‘Landrover’, nix billigster Insel-Pop.
Und solange sein Leben bedroht wird, und jetzt auch noch Grenell als Geheimdienstchef gehandelt wird.. na prost mahlzeit.. also auch BDS USA!
Was soll ein kleiner Juggernaut mit Restgewissen auch sonst tun, außer BDSen?
Der CIA-Kritiker Craig Murray (ein ehemaliger britischer Botschafter) hat einen der 16 Plätz im Gericht ergattert und berichtet über das Auslieferungsverfahren gegen Assange. Fefe zitiert und übersetzt hieraus und und erhellt einige pseudo-rechtsstaatlichen Absurditäten:
https://blog.fefe.de/?ts=a0a89791
Hier kann man den Bericht von Craig Murray in deutscher Übersetzung lesen:
https://dans-ai.ch/2020/02/26/ihr-mann-auf-der-oeffentlichen-galerie-assange-hearing-tag-1/
Wieso wird nicht erwähnt, dass Grenell und Rohrabacher (im Auftrag Trumps) Assange Begnadigung anboten, für den Fall dass Julian “beweist”, dass Russland nicht hinter dem DNC Hack stand? Als Assange diese Erpressung zur Lüge ablehnte, begann Grenell damit Julian’s Auslieferung voranzutreiben.
Rohrabacher denies … https://www.bbc.com/news/uk-51566470
Rohrabacher confirms … https://news.yahoo.com/rohrabacher-confirms-he-offered-trump-pardon-to-assange-for-proof-russia-didnt-hack-dnc-email-131438007.html
Vielleicht, weil der Nachricht nicht unbedingt zu trauen ist?
Zwar kann man Grenell und Trump alles Mögliche zutrauen, aber es sind die Democrats, die wegen Hillarys geleakter Mails einen ganz besonderen Hass auf Wikileaks und Assange haben, gerade seit und wegen Trumps Wahlsieg, der (zum Teil?) eben auf diese Panne zurückgeführt werden kann bzw. wird.
Statt aber das IT-Versagen der eigenen Partei einzugestehen und aufzuarbeiten, wollte man es dem frisch gebackenen Wahlsieger Trump (via Assange/Wikileaks und Putin) in die Schuhe schieben. Aber da Russiagate bekanntlich längst zum Rohrkrepierer wurde – Sonderermittler Robert Mueller hat zwei Jahre vergeblich ermittelt – haben Trumps Republikaner es gar nicht nötig, von Assange eine Wunsch-Aussage in Sachen “Putins Hacker” zu kaufen bzw. zu erpressen. Sie waren bereits mit dem nächsten angehenden Rohrkrepierer der Democrats zu tun: Ukrainegate und Impeachment.
Außerdem: Hatte Assange aus seinem Fluchtort (ecuador.Botschaft) heraus überhaupt nach so vielen Jahren überhaupt noch genug Einblick , was Wikileaks 2016 genau machte ? Und weiß Wikileaks, was Putin (“an Wikileaks vorbei”) erschnüffeln wollte bzw. erschnüffelt hat? Da eine spanische Firma ja Assange für die Amis quasi rundum abgehorcht hat, dürften die Amis auch alles wissen, was Assanges Leute ihm an Infos in die Botschaft gesandt hatten. In den Diensten gab und gibt es genug Trump-feindliche Hillary-Fans, so dass erschnüffelte “Putin-Spuren” nicht geheim geblieben wären. Aber da kam nichts, genauso wie von Mueller (s.o.) nichts kam – und das alleine könnten die Republikaner entspannt als Beweis betrachten und der Öffentlichkeit präsentieren – wenn ihnen das überhaupt noch wichtig wäre.
“Vielleicht, weil der Nachricht nicht unbedingt zu trauen ist?”
Was ist an Herrn Rohrabacher’s eigenen Aussagen nicht vertrauenswürdig?
“und das alleine könnten die Republikaner entspannt als Beweis betrachten und der Öffentlichkeit präsentieren” …
Warum machen das die Republikaner dann nicht und schicken stattdessen Rohrabacher mit Begnadigungsangebot zu Assange?
Kurzfassung: Assange hätte nur dann die Fachkompetenz, Putin einen “Persilschein” ausstellen, wenn er ganz eng mit Putin verbandelt wäre. Dann aber würden die russophoben Amis ihn erst recht (d.h. mehr als jetzt schon) als Putin-Knecht betrachten, dem man sowieso nicht glauben darf und von dem man keinen “Persilschein” für irgendwen oder irgendwas annehmen darf.
Daher können allenfalls Democrats glauben, bei Trump und seinen Leuten das nötige Maß an Dummheit für eine “Assange-Bestechung” vorzufinden – in Wirklichkeit sind nämlich sie selber die Dummköpfe, die seit Trumps Wahlsieg einen Bock (ein “-gate”) nach dem anderen schießen.
Warum hat Assange’s Rechtsanwältin, Jennifer Robinson, dann das Begnadigungsangebot bestätigt?
https://www.thecanary.co/uk/analysis/2020/03/01/more-bombshells-from-assange-lawyers-extradition-case-exposed-as-seriously-flawed/
https://shadowproof.com/2020/02/24/assanges-defense-details-cia-backed-espionage-operation-trumps-politicization-of-justice-department/
Und warum hat Wikileaks selbst die ganze Geschichte ebenso bestätigt, inklusive der Beauftragung Rohrabacher’s durch Trump?
https://twitter.com/MElmaazi/status/1232117955409915904
Assange hat Rohrabacher’s bzw. Trump’s Begnadigungsangebot abgelehnt, da Wikileaks niemals Quellen nennt.
Ex-Abgeordneter [Dana Rohrabacher] dementiert, Assange einen Deal angeboten zu haben, meldete die ZEIT vor zwei Wochen:
https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-02/julian-assange-dana-rohrabacher-usa-begnadigung-donald-trump-wikileaks
Die wieder mal aufgewärmte Geschichte ist übrigens bereits zwei Jahre alt und hat sich wohl ein bisschen anders zugetragen:
“Rohrabacher claimed Assange had shown him and his traveling companion, Charles Johnson, definitive proof that Russia was not the source of the Democratic Party communications that WikiLeaks published during the 2016 campaign. Assange was willing to share that information with American officials, Rohrabacher said, but he was never able to present the offer to the president.”
https://theintercept.com/2018/02/14/dana-rohrabacher-trump-russia-wikileaks-julian-assange/
Demnach war es Trumps Stabschef Kelly im Weißen Haus, der von “Assanges Angebot” (oder was immer der als russlandfreundlich geltende Rohrabacher als solches verstanden haben wollte und Kelly überbrachte) nichts wissen wollte – er witterte nämlich die heiklen rechtlichen Fallstricke, wohl im Gegensatz zum naiveren Rohrabacher.
“Assange did not want to release the evidence publicly, Rohrabacher said, because he didn’t want to expose his sources and methods. (Assange didn’t respond to a request for comment.)”
Dass Assange keine Beweise (bzw. Quellen) veröffentlicht haben wollte, bestätigte Rohrabacher also schon damals selber. Da er Assange mit seinem Besuch beehrte, könnte dieser Obama-geschädigte Häftling vielleicht durchaus einen Sinn darin gesehen haben, mit einer ernsthaften Versicherung (quasi von Mann zu Mann) einem Parteikollegen des frisch gewählten Obama-Nachfolgers mal seine Sicht (aber natürlich ohne Quellen) auf Russlands (Nicht-)Rolle zu verdeutlichen.
Mit seinem Schluss, Assange “had shown him (…) definitive proof”, hat er allerdings wohl aus ihm überzeugend scheinenden Assange-Worten gleichsam vorgelegte schriftliche Belege gemacht, die Assange vermutlich nicht in sein “Gefängnis” mit hineingenommen hat und erst recht nicht jedem Ami zeigt, wenn er doch Quellen nicht an die Öffentlichkeit geben will. Assange konnte oder wollte die Geschichte damals nicht kommentieren.
Entscheidend am INTERCEPT-Bericht ist jedoch, dass nicht Rohrabacher von investigativen Medien etc. entlarvt und vor sich hergetrieben wurde, sondern ganz offensichtlich er selber es war, der den Medien bewusst und freiwillig seine Enttäuschung klagen wollte, nicht bis Trump vorgedrungen zu sein.
Dass er dabei unbewusst und unfreiwillig selber auch seine Naivität zur Schau stellte, war also jedenfalls keine (irgendeiner Not geschuldete) Verstellung.
Im verlinkten Twitter-Interviewfilm berichtet Wikileaks-Mann Krstinn Hrafnsson nicht von eigenem Wissen, sondern davon, dass Assanges Anwältin etwas anderes sagt als Rohrabacher und er ihr mehr glaubt. “Wahr oder nicht, Rohrabacher hat jedenfalls etwas in der Presse erklärt.”
Rohrabacher selber hat nie bestritten, sich als Vermittler zwischen Assange und Trump angeboten zu haben. Dass Assange ihn abblitzen ließ, ist nur in der Teilfrage der Quellen-Nennung eindeutig. Denn Rohrabacher glaubte, eine Botschaft zum Weißen Haus bringen zu können und Assange hat seine eigene evtl. Begnadigung bestimmt nicht klar und kategorisch ausgeschlossen – wer wollte ihm verübeln, wenn er eine gewisse Hoffnung in Rohrabacher gesetzt hätte?
(Eine Hoffnung, die sich eindeutig zerschlagen hat und an die man sich daher nicht mehr gerne erinnern lässt?)
Wenn Rohrabacher seinerseits Assange zur Kooperation ermuntern und dessen Hoffnungen auf Begnadigung durch Trump anheizen wollte, hat er vielleicht seine Einflussmöglichkeiten bei Trump etwas zu groß aufgeblasen? Und was Assange da rausgehört und hineingedeutet haben mag, ist nochmals eine weitere Frage.
Man kann der Anwältin nicht verübeln, dass sie jedes nur irgendwie mögliche Argument für ihren Schützling in die Waage wirft – das ist ihr Job. Bewiesen hat sie es damit aber noch nicht und nur weil Trump in den Augen Hrafnssons ein notorischer Lügner ist, muss lange noch nicht alle wahr sein, was andere über ihn behaupten und er dementiert.
Trump konnte einfach keinen Vorteil daraus ziehen, wenn der als Putin-Knecht verleumdete Assange Putin entlastet hätte. Sein “Russigate” hätte sich dadurch noch nicht im geringsten erledigt – die ihm angedichtete Putin-Beziehung hatte nämlich mehr mit Moskauer Hotelnächten zu tun als mit gehackten US-Mails.