Barbarossa 2.0

Vor 75 Jahren, am 22. Juni 1941, begann mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion der brutalste Vernichtungskrieg der Weltgeschichte. 27 Millionen sowjetische Männer, Frauen und Kinder fielen ihm innerhalb von vier Jahren zum Opfer, die wenigsten davon im Kampf, die meisten vom ihnen willkürlich ermordet oder dem Hunger, -und Kältetod preisgegeben. “Es kann keinen Zweifel geben, dass Leningrad verhungern muss” lautete ein Dekret der deutschen Generalität im November 1941 für die belagerte Stadt, was die Wehrmacht in den folgenden Wintern planmäßig erfüllte: 470.000 Menschen starben an Hunger.

Es ist deshalb mehr als ein symbolischer Akt, wenn Bundespräsident Gauck am Donnerstag nach St. Petersburg reist, um dieser Hungertoten auf dem Friedhof zu gedenken, die deutsche Schuld zu bekennen und den Nachkommen dieser Generation mit einem “Nie wieder!” die Hand zu reichen. Auch Angela Merkel zeigt Souveränität, indem sie sich vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dessen älterer Bruder den “Hungerwinter” in Leningrad nicht überlebte, verneigt und sich für die Verbrechen Deutschlands beim russischen Volk entschuldigt.  Wie ernst es mit dieser Versöhungsgeste gemeint ist, zeigen die Historikerzunft und die Museen des Landes, die mit zahlreichen Ausstellungen und Konferenzen den Vernichtungskrieg gegen die “slawischen Untermenschen”  thematisieren.  So wie die christlichen Kirchen der im Namen des Herrn und des Führers  abgeschlachteten Russen gedenken und auch die jüdischen Gemeinden den Mitopfern dieses rassistischen Massenmords, dessen blanke Zahlen den Schrecken des Holocaust fast verblassen lassen.

Wie ? Von all dem geschieht nichts ? Also rein gar nichts, außer irgendeinem halb-offiziösen Kranzabwurf ? Aber was haben sich denn unsere Offiziellen, unsere Politik,- und Kulturschaffenden, stattdessen gedacht ? Wenn sich Geschichte nach dem berühmten Marx-Wort zuerst als Tragödie und dann als Farce ereignet, dann haben wir zum Gedenken an den 75. Jahrestag des Überfalls auf Russland und des Masenmords an 27 Millionen einmal mehr ein Paradebeispiel:

31’000 Soldaten, 3000 Fahrzeuge und Panzer, 105 Flugzeuge und Helikopter, zwölf Kriegsschiffe simulieren im größten Nato-Manöver seit Ende des Kalten Kriegs ….den Überfall auf Russland.

Bzw. von Russland, denn wie weiland Hitler schießt man natürlich nur zurück. Nicht in Nazi-Uniformen und mit  guten alten Stuka-Bombern wie beim Unternehmen Barbarossa, das Ganze ist kein “Re-Enactment” bei dem historische Schlachten nachgespielt werden – die säbelrasselnden Nato-Hanseln und ihre Chefs im Pentagon meinen es ernst, und die Bundeswehr schickt 400 Pioniere. Im Rahmen der “Bündistreue”. Nur eine symbolische Marionetten-Truppe für dieses Theater, in dem der Iwan den Watschenmann geben  muß.Russophobie ist die  unverzichtbare Cashkuh der Nato. Dass Deutschland in diesem Barbarossa 2.0 Zirkus an diesem Jahrestag mitspielt ist geschmacklos und geschichtsvergessen. Dass um dieser absurden Farce Ausdruck zu geben, die Bundeswehr-Pioniere bei ihrem Einsatz am 22. Juni Trauerflor tragen, wurde vom Verteidigungsministerium indes noch nicht bestätigt…

8 Comments

  1. Bundeswehr im Manöver mit Trauerflor für die Wehrmachtsverbrechen – köstlicher Sarkasmus. Aber etwas anderes bleibt einem ja kaum bei dieser widerwärtigen, verlogenen Politik gegenüber Russland. Man mag von Herrn Putin halten was man will – angesichts dieses schrecklichen Jahrestags hätte es schon der Anstand geboten, dass die deutsche Staatsführung sich beim russischen Volk entschuldigt. Von einem Erdogan verlangen wir zum 100. Jahrestag die Anerkenntnis des Massenmords an den Armeniern – und zum 75. unseres eigenen üben wir mit der Bundeswehr die Fortsetzung. Das ist an Zynismus eigentlich kaum zu überbieten. Coming soon: zum Jubiläum der Massendeportationen nach Auschwitz “Zivilschutz”-Übung zur Abschiebung von Flüchtlingen in Güterzügen! Nichts anderes sind diese Militärmanöver an der russischen Grenze.

  2. @Tom: Völlig richtig. Wobei Herr Putin bei aller Dämonisierung noch zu den “moderaten” russischen Politikern gehört. Er sieht sich ständig Angriffen ausgesetzt von Seiten radikalerer Kräfte unter den russischen Politikern, die z.B. am liebsten längst schon in den Donbass einmarschiert wären, am besten bis nach Kiew. Man höre sich z.B. nur mal an, was ein Herr Shirinowski so zu verkünden hat. Hoffen wir mal, daß der “Oberbösewicht Putin” auch weiterhin so gut die Nerven behält…

  3. Was heißt geschichtsvergessen? Die deutschen Eliten spielen das antirussische Spiel mit, gerade weil sie meinen, die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen zu haben.

    Wie hat es George Friedman von Stratfor letztes Jahr gesagt: “Das maßgebliche Interesse der Vereinigten Staaten im letzten Jahrhundert – also im Ersten, Zweiten und im Kalten Krieg – waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Vereinigt sind diese beiden die einzige Macht, die uns ernsthaft bedrohen könnte. Unser Hauptziel war es demnach, sicherzustellen, dass es nicht zu einem Deutsch-Russischen Bündnis kommt.”

    Vom Hauptziel des Weltfriedens oder der Verhinderung von Faschismus steht da nichts. Die Erkenntnis für die derzeitigen deutschen Eliten lautet demnach: Kriege schüren und führen oder Nazis unterstützen ist schon o.k. – Hauptsache, es geschieht im Interesse der “westlichen Wertegemeinschaft” und dient den Zielen Washingtons.

  4. “Uns ist es doch egal…ob Deutschland von Hitler…einem 15-Jährigen oder von einem Jesuiten-Pater regiert wird…Hauptsache es wird zerstört ”

    Zitat Winston Churchill

    Abgesehen von der Psycho-Pathologie Hitlers
    war die andere Seite auch nicht viel besser

    Leider evident:
    Macht-Rochaden auf dem Planeten sind kein Ponyhof
    und menschliches Leben zählt nicht

    Für die Weiterbildung :

    http://www.swg-hamburg.de/Bucher/Wer_Hitler_maechtig_machte.pdf

    http://www.youtube.com/watch?v=eY1TMnKTvlQ

  5. Deutshland sollte endlich in eigenem Interesse handeln und nicht ständig nach der amerikanischen Pfeife tanzen. Eine Bündelung deutscher Technologie mit Russland und seien Natuschätzen würde eine gewaltige wirtschaftliche Stärkung beider Länder sowie Europa insgesamt mit ich bringen.

  6. @Stefan am 21.06.2016 um 14:40 Uhr
    …” derzeitige deutschen Eliten ” ?
    Wer soll das denn sein ?
    Sonderschülerin Nahles…Sozen-Hüpfburg Siggi…Panzer-Uschi…die Mutti ???

  7. @roc
    Die “deutschen Eliten” sind für mich diejenigen, die den US-Neocons in den Allerwertesten kriechen, damit sie das auch bleiben dürfen. Ich räume ein, dass die Einschränkung als “derzeitig” etwas optimistisch ist, da bedingungsloser US-Gehorsam vermutlich untrennbar mit der Zugehörigkeit zum bundesdeutschen Establishment verknüpft ist – jedenfalls seit Egon Bahr und Willy Brandt tot sind.
    Aber wie man kürzlich lesen konnte, war selbst Letzterer einschlägig gesponsert: http://www.n-tv.de/politik/Bericht-Brandt-erhielt-doch-CIA-Gelder-article17906741.html

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