Materialermüdung

Es ist mal wieder Buchmesse, doch der Trend zum Zweitbuch, so die über Umsatzrückgänge klagenden Verlage, scheint zu stocken. Umso wichtiger, alle Lesefähigen auf lesenswerten Stoff aufmerksam zu machen. Hier deshalb mein Hinweis auf den besten Roman der Saison.

Als junger Student hatte ich mir 1974 aus der Scheune eines Bauern für 300 Mark einen Mercedes 180 D gekauft und mit Hilfe von Freunden fahrbereit gemacht. Der Wagen war  20 Jahre alt, hatte 160.000 Kilometer auf dem Buckel und noch ein paar Monate TÜV. Aber mit dem Stoffschiebedach und den vier Lautsprechern, die wir eingebaut hatten –  Casettenrecorder im Handschuhfach –  ein Traumauto. Bevor ich damit dann das erste Mal auf große Fahrt nach Berlin inklusive Transit durch die DDR ging und es keine erfreuliche Aussicht war, bei einer Panne im Osten von einem anderen Transitreisenden zwangsabgeschleppt zu werden, redete ich dem Auto bei der Abfahrt gut zu und tätschelte das Armaturenbrett. Ich weiß nicht mehr, ob ich ihm dann auch einen Liter frisches Öl oder eine andere Belohnung für brave Dienste versprochen habe, aber mit dem Auto zu reden wie zu einem treuen Hund wurde zu einer Gewohnheit.
Nicht nur auf den über 50.000 Kilometern, die ich mit dem 180er noch absolvierte, sondern auch bei seinem Nachfolger mit „Heckflosse“ – und auch noch bei einigen anderen Geräten. Zum Beispiel dem ersten Nadeldrucker, der Mitte der 80er ins Haus kam, brav ratterte wie ein Diesel und ganze Bücher ausdruckte – aber nur, wenn ich daneben sitzen blieb. Schnell mal in die Küche einen Kaffee trinken, um dem Sägewerk-Sound zu entkommen, war eine Garantie für „Error“ und Papierstau. Die Anwesenheit im Zimmer aber genügte, ohne weiteres Zutun spulte der Drucker Seite um Seite ab.
Als ich dann einige Jahre später über diese Kontakte und „Gespräche“ mit sprachlosen Dingen, Geräten oder Zimmerpflanzen einen Artikel im „Zeit“-Magazin schrieb, kam ein ganzer Berg von Leserbriefen, die von ähnlichen Erfahrungen berichteten und überzeugt waren, dass bei aller Unerklärlichkeit irgendetwas dran sein muss an diesen mentalen Kontakten mit (scheinbar) unbelebter Materie. Und auch ich bilde mir immer noch ein, dass mein emphatischer Zuspruch die unvermeidlichen Materialermüdung des betagten 180ers zwar nicht verhinderte, aber doch hinauszögerte.
Diese Geschichten fielen mir jetzt wieder ein, als ich den Roman „Materialermüdung“ von Dietrich Brüggemann las, in dem es aber nicht um derartigen Neo-Animismus geht, sondern um Materialermüdung in einem sehr viel umfassenderen Sinne. Dergestalt dass sich am Ende sogar die ganze Materie auflöst und der Berliner Fernsehturm zusammenstürzt.
Vorher aber geschieht so Einiges: „Als Jacob und Maya von Jacobs Vater aus seinem Garten herausgeworfen werden, ahnen sie noch nicht, dass dies der Anfang vom Ende ist – vom Ende ihrer Beziehung, aber auch vom Ende der Welt. Gemeinsam mit ihrem Freund Moses navigieren sie einen Herbst lang durch die Untiefen eines Lebens zwischen Kulturszene, Social Media, künstlicher Intelligenz und postmoderner Ellbogengesellschaft. Doch spätestens, als Moses sich auf Twitter anmeldet, um dort seine verschollene Schwester zu suchen, wird deutlich, dass das Leben der drei Freunde sich mehr verändern wird, als sie es ahnen. Denn die geplante Obsoleszenz, aufgrund derer heute jedes Gerät nach vier Jahren den Geist aufgibt, hat schleichend die ganze Welt befallen, und eine große Materialermüdung breitet sich aus.“

Soweit der Klappentext, der mich neugierig machte. In den Leserbriefen damals hatten auch einige von der Erfahrung berichtet, dass Geräte in ihrem Haushalt oft in Serie kaputt gehen, als ob sie sich untereinander „absprechen“. Aber auch darum geht es hier nicht, obwohl gegen Ende hin so einiges kaputt geht, weil der unsympathische Vater, der einen verschwörungstheoretischen „Sokrates“- Report herausgibt, letztlich Recht behält: ein Experiment im Teilchenbeschleuniger CERN sorgt dafür, dass die Materie zerfällt. Langsam aber sicher, genauso wie das Material und der Zusammenhalt des Theaterkollektivs und seinem Projekt zum Thema Obsolenz oder die Fake-Identität von Moses. Der verdankt seine Existenz einem One-Night-Stand der Mutter mit einem Türken, seinen Vornamen ihrem philosemitischen Holocaust-Tick und den Nachnamen Goldberg seinem biodeutschen Vater aus Gießen, der schwer krebskrank und nicht mehr sicher ist, ob die Töchter Rachel und Hannah wirklich von ihm stammen. Nicht nur die Materie, auch der Stoff, der Beziehungen, Familien, Liebe und Träume zusammenhält, ermüdet und zerfällt in diesem Roman, der trotz all dem was da in die Binsen geht, so gar nicht depressiv und apokalyptisch stimmt. Auch wenn mehr Katastrophe als in „Materialermüdung“ kaum geht. Selten wurde der Weltuntergang so leichtfüßig und witzig erzählt, wie in diesem Road-Movie aus der hippen Berliner Kulturszene, deren „woke“ und „diverse“ Bubble sich als genauso beknackt und zunehmend dysfunktional erweist wie die sie umgebenden Geräte.
Ich gratulierte dem Autor per email zu seinem tollen Roman, nachdem ich auf den ersten 100 Seiten schon mehrfach laut lachen musste und unbedingt weiterlesen wollte – was mir bei zeitgenössischer Prosa, die ich als Literatur-Redakteur über viele Jahre regelmäßig las, äußerst selten passierte. Das meiste, was in Wettbewerben und Verlagsprogrammen an Debüts auftauchte, wanderte in die Ablage „kalter Kafka“ und nachdem ich es mir mit Günter Grass verscherzt hatte, weil ich seinen Roman „Die Rättin“ als „gescheiterten Tierversuch“ kritisiert hatte, gab ich das Rezensionshandwerk auf. Wenn nicht mal gestandene Nobelpreisträger Kritik aushalten, darf man Jungliteraten und Debütantinnen doch kein Leid antun und ihre Texte in die Tonne treten, sondern kann nur schweigen – oder loben.
Als ich weitere 100 Seiten gelesen hatte war klar, dass hier der seltene Fall eines Debutromans vorliegt, der nicht beschwiegen werden, sondern nur und in hohen Tönen gelobt werden muss. Nicht nur weil ich immer wieder lachen musste und Dietrich Brüggemann einfach gut schreiben kann, sondern weil dem Autor – von Hause aus Filmmacher und Musiker – hier eine sehr vielschichtige Kombination und Komposition gelungen ist: ein Katastrophenfilm, in einer Liebes und Beziehungsgeschichte, in einer Satire auf todernste Wokeness-Lappalien , in einer Kritik der Frankenstein-Gefahren unkontrollierter Wissenschaft und der Ununterscheidbarkeit  von Faktencheckern und Verschwörungstheoretikern,  in einem  „Sittenbild“ (hätte man ganz früher gesagt)  der Berliner Generation Y  in der Post-Postmoderne. Mit einem „Wow!“ und dem Ziehen meines nicht vorhandene Hutes klappte ich das Buch nach 490 Seiten zu.
Aber ich hatte etwas vergessen, die „Süddeutsche“ (26.9.22) klärte auf:
Zu alldem muss man dann wissen, dass der Autor Brüggemann 2021 maßgeblich hinter der Aktion #allesdichtmachen stand. Schauspieler, Regisseure und andere Künstler kritisierten damals in kleinen Videos die Corona-Schutzmaßnahmen, indem sie ironisch noch härtere Einschränkungen forderten.“
Muss man zur „Blechtrommel“ wissen, dass Grass für die SPD getrommelt hat, oder zum „Prozess“, dass Kafka Versicherungsangestellter war?
Der Autor ist natürlich nicht mit seinen Figuren zu verwechseln, aber wegen dieser Vorgeschichte schwebt über dem Roman nun trotzdem der ständige Verdacht, dass hier im Plauderton eines hippen Berliner Gesellschaftskritikromans (…) Schwurbeltheorien verbreitet werden sollen.“

Auf den Verdacht, dass im  „Prozess“ Versicherungspolicen verbreitet werden sollen und in der „Blechtrommel“  Sozialismus, bin ich nie gekommen, aber bei der „Vorgeschichte“ der Autoren und auch wenn man sie nicht mit ihren Figuren verwechseln sollte, ist ein „Verdacht“ natürlich nicht auszuschließen.
Was „Schwurbeltheorien“ betrifft finden sich in diesem Roman allerdings schon deshalb keine, weil er vor der Pandemie spielt, in der dieser Begriff zwecks Säuberung des Meinungskorridors erst erfunden wurde. Auch der fiktive „Sokrates“-Report und die fatalen Materieexperimente im CERN Teilchenbeschleuniger, die zentral für den Plot sind, spielen nur im Hintergrund eine Rolle. Was den Rezensenten stört, ist nicht, was die Figuren sagen oder tun, sondern die Haltung des Autors, weshalb er in die Geschichte eine „Ideologieebene“ hinein liest und in der Überschrift bekundet: „Nehmt euch in acht vor der Wissenschaft!“ 
Nun gut – so kann man auch „Faust“ oder „Frankenstein“ als ideologisch fragwürdig verdächtigen und Goethe oder Mary Shelley in die „Querdenker“-Schublade verbannen. Hat vor 200 Jahren kein Rezensent getan, aber es wäre an der Zeit, hier mal genauer zu schauen. Ob Skepsis, Zweifel, Kritik an „der Wissenschaft“ noch erlaubt sein können,   wo diese doch gerade die Wahrheit – und nichts als die Wahrheit –  über die Killereigenschaften des Virus und die Effizienz der Impfung herausgefunden hat?  Sind die Experimente eines Dr. Faust oder Dr. Frankenstein einer sensitiven, post-pandemischen Lektüre noch zumutbar? Und wenn ja, kommt es auf diese Figuren und ihre Geschichten an, oder auf die Haltung des Autors, der sie erzählt ? Ich denke, wir sollten uns besser vor einer solchen Literaturkritik in Acht nehmen, als vor „der Wissenschaft“.  Und was das „Schwurbeln“ und die Theorien betrifft, dass die letzten Geheimnisse des Universums und der Materie tatsächlich in den Teilchenbeschleunigern des CERN gelüftet werden: Gerade wird von dort gemeldet, dass die Fortsetzung der Experimente gefährdet ist. Nicht wegen der vielfältigen Zweifel an ihrem Sinn, und auch nicht wegen drohender Materialermüdung, sondern wegen der Energiekosten. Nehmt euch in acht vor der Sanktionspolitik!

Dietrich Brüggemann: Materialermüdung, Edition W, , Frankfurt  2022, 490 Seiten, 25 Euro

11 Comments

    1. Endlich wieder Zeit zum lesen. Das ganze Kriegsgelaber hat auch schon ziemlich genervt.

      Was mal gut, dass man hier den heldenhaft Ausgang der glorreicher Spenzialoperation schon genau vorhergesagt hat.

      Aber zum Glück kann man das Thema jetzt endlich ruhen lassen.

      Ob der Werthofwesten sich nochmal traut irgendwo eine Furzrevolution zu starten, nachdem ihnen klar ist, dass sie gegen die Russen und ihren Hypersalz Raketen keine Chancen haben?

  1. Eine appetitmachende Buchbesprechung. In einem früheren Leben in der Zukunft begeisterte mich Gerhard Branstner mit seiner “(Die) Reise zum Stern der Beschwingten” wohl ähnlich. Ein Zitat von ihm: ” Schadenfreude ist weniger die Freude am Schaden des And’ren als die am eigenen Davongekommensein”

  2. Eine super Buchbesprechung mit Tacheles zum Ende! Ich war sehr angetan von der Rezension und überrascht von dem Nachschlag, werter Herr Bröckers.
    Nicht dem von ihnen, nein dem von unseren Relotiusmedien. Stigmatisieren ist immer dann angesagt, wenn da etwas auf dem Markt ankommt, was Erfolg haben könnte, aber von oben nicht erwünscht ist. Der Leser solcher Werke könnte Zusammenhänge und Ähnlichkeiten mit der Realität erkennen, welche ihm wiederum auf Gedanken kommen lässt, welche nicht mit dem “von oben” geforderten Narrativ übereinstimmen. Also schnell mal den Autor stigmatisieren. Damit der noch unentschlossene Leser bereits im Klappentext die Information bekommt, mit was für einem “Schmuddelkind” er es hier zu tun hat. Reaktion eins: Man legt das Buch angewidert weg. Reaktion zwei: Der Leser – wenn aufgeklärt und noch nicht indoktriniert – sagt sich jetzt erst Recht.
    Wie schön ist es dagegen, wenn man zufällig den Fernseher zu früh anschaltet und die wundersame Berichterstattung über den aktuellen Preisträger “Deutscher Buchpreis” Kim del’Horizon für sein “Blutbuch” dabei zusehen darf, wie er in Frauenkleidung gewandet etwas mehr jaulend als singend, sich mit einer “Maschine” die Haare vom Kopf rasiert. Das wird als große Kunst verkauft, da sich der Autor gegen die Unterdrückung der Rechte von Frauen im Irak wendet. Anschließend kam dann noch ein kurzer Hinweis auf eine Extremkletterin aus dem Irak, welche beim Klettern kein Kopftuch trug. Das war die pure Revolution im Ersten! Immerhin ging es gegen einen missliebigen Staat.
    Nur wenn man über die in Deutschland täglich stattfindenden Proteste Bericht erstattet (Wenn man denn berichtet!), wird man etwas schmallippiger. Aber dafür gibt es dann wieder die passenden O-Töne verschiedener Politiker, welche sofort wissen: Das diese Montagsdemos nichts mit den Demos von 89′ zu tun hätten. “Damals ging es gegen ein System der Unterdrückung und um Freiheit. Heute dagegen sind diese Bürger rechts geleitet oder von Putin persönlich auf die Straße beordert worden. Denn wir leben ja in einem “Freien Demokratischen Rechtsstaat” und da hat man keinen Anlass, auf die Straße zu gehen.” Es ist doch immer wieder erfrischend, wie einfach das Weltbild von Teilen unserer Volksvertreter gestrickt ist. Wisse, wer dein Feind ist, dann hat der Tag Struktur! Oder um es genauer mit Pispers zusagen: Sie müssen das (Was abläuft!), nicht verstehen, sie müssen es glauben!
    In diesem Sinne, falle ich dann mal vom Glauben ab!

  3. “…Muss man zur „Blechtrommel“ wissen, dass Grass für die SPD getrommelt hat, oder zum „Prozess“, dass Kafka Versicherungsangestellter war?
    „Der Autor ist natürlich nicht mit seinen Figuren zu verwechseln, aber wegen dieser Vorgeschichte schwebt über dem Roman nun trotzdem der ständige Verdacht, dass hier im Plauderton eines hippen Berliner Gesellschaftskritikromans (…) Schwurbeltheorien verbreitet werden sollen.“..”

    Bei einer Buchbesprechung oder Kritik wird es heute recht auffällig: Es ist heute besonders bei politischen Themen völlig unwichtig WAS einer sagt, sondern WER es sagt! Wenn selbst bei einer Roman-Rezension, wie dem von “Materialermüdung” dann (unterstellte!) politische Haltung wichtiger werden, als der eigentlich gute Roman, dann sind wir eindeutig wieder ideologisch in der NS-Zeit (Bücherverbrennungen).
    Die fingen auch nicht gleich nach der Machtübernahme an!

    Das Prinzip der Kontaktschuld (wer mal einen aus der AfD gekannt hat, MUSS natürlich auch deren Ansichten haben!) ist ein altes Propaganda-Instrument, dessen sich vor allem die Nazis sehr gerne bedienten – heute wieder! Im Buch von Albrecht Müller “Glaube wenig, hinterfrage alles, denke selbst” als einer der gängigsten Methoden erwähnt.

  4. Zu oben “dass bei aller Unerklärlichkeit irgendetwas dran sein muss an diesen mentalen Kontakten mit (scheinbar) unbelebter Materie“:
    Diese “Unerklärlichkeit” kann man durchaus aufklären – man muß nur einmal gründlich nachdenken. Dan kann man feststellen, daß es schon logisch keine “Materie” geben kann. Denn die Welt ist allein ‘im Kopf’.
    Nehmen wir mal den Traum. Man glaubt sich von Personen (Materie) und Dingen (Materie) umgeben. Wenn man nach dem Aufwachen noch einmal nachdenken würde, würde man konstatieren, daß es keine Materie gab. Denn mit soviel Materie im Kopf (Personen, Autos, Häuser usw.) wäre man auf der Stelle tot gewesen. Auch würde man konstatieren, daß alles immer nur eine Seite hatte. Eine erträumte Person (oder ein “Ding”) hatte nur die einem zugewandte Seite. Drehte sich die Person um, hatte sie jetzt nur eben diese Seite.
    Im wirklichen Leben ist dies nicht anders. Deshalb kann man sich auch im Kino einen Film genießen – und man beschwert sich nachher auch nicht an der Kasse, daß es überhaupt gar keine ‘Personen’ und ‘Dinge’ gab und “alles nur eine Seite hatte”. Denn man macht die “Dinge”, die “Materie” ja (fälschlich) aus der völlig flachen Licht-Szene (Leinwand) selbst.
    Unser Geist erst macht aus des erlebten Szenik das, was der Buddha “nama” (= Name) und “rupa” (= Form) nennt. Hier ein Textbeispiel:
    Samyutta Nikaya – S.1.20. Samiddhi – 10. Samiddhi Sutta
    18. Da nun redete der Erhabene die Devatā mit der Strophe an:
    “Was benannt werden muß, [43] das stellen die Wesen sich vor;
    auf dem, was benannt werden muß, fußen sie;
    Das, was benannt werden muß, nicht verstehend,
    geraten sie in des Todes Bereich.”

    Tatsächlich ist die Welt allein ‘im Kopf’ und allein szenisch.
    Übrigens: Auch der berühmte Philosoph David Hume fragte sich, ob sein Schreibtisch eigentlich noch da sei, wenn er sich abwende!

    Daß die Kausalität von “Dingen” oft eine merkwürdige “Unerklärlich(keiten)” zeigt (Herrn Bröckers Erfahrungen und die vielen Leserbriefe) liegt daran, daß die erlebte Welt in zwei Seiten gespalten ist und es zwei Arten von Kausalitäten gibt:
    Die ‘primäre Weltseite’ ist die des Bewußtseins mit seiner Kausalität, dem “Karma”. Diese Welt ist dominant. Die ‘sekundäre Welt’seite, die vermeintlich materielle Welt, ist eine ‘Echo-Welt’. Auch in Träumen findet man ja Reflexionen (“Echo”) von zuvor erlebten. dort herrscht die ‘normale’ Kausalität.

    Diese sekundäre Weltseite, die ‘Echo-Welt’, nenne ich “Retro-Welt”. Dies einmal,. weil sie retro-aktiv (“Echo”)” ist. Aber auch weil die Kausalität dort oftmals rückwärts läuft. Denn das dominante Karma ist ergebnisorientiert, die “Ausbeutung” muß zurückgeholt werden. Denn Welt ist ein “Nullsummenspiel” (dazu gleich). Deshalb wird die Freude an der Ausbeutung der Echo-Welt gleichsam “bestraft” (nicht nur, aber häufig im nächsten Leben). Denn bei einem ‘Nullsummenspiel’ holt sich die ‘Null’ notwendig alles zurück.
    Und die Kausalität des Karma durchbricht die scheinbar zwingende Kausalität der Retro(Echo)-Welt mühelos, da die Welt eben nur szenisch ist – und nicht “materiell”.

    Dieses ‘rückwärts ablaufende’ und ‘Ergebnis-orientierte’ des Karma vergleicht sich mit folgendem: Gesetzt ich hätte ein kleines Patenkind, das mir einmal von den Grimmschen Märchen vorgeschwärmt hätte. Und angenommen ich will ihm zum Geburtstag nun nicht nur ein normales Geschenk machen, sondern auch ein kleines Märchen schreiben. Dann würde ich doch wie folgt vorgehen: Erst einmal wäre da der Sohn der armen Schneider Familie, die ihren Sohn bittet in die Welt hinaus zu gehen, weil sie ihn nicht mehr ernähren können. Und dann soll dieser arme Kerl natürlich einigen Tages die süße und zugleich klug-gewitzte Prinzessin heiraten.
    Gut, jetzt habe ich den Schneider-Sohn und die Prinzessin. Aber eine Prinzessin kommt ja aus einem Königshaus. Das heißt sie hat einen König und eine Königin als Eltern. Und schon hier merkt man, daß ich zeitlich “retro” vorgehen muß. Denn bei mir treten die Eltern (zeitliche) erst nach(!) der Prinzessin auf. Bei der ‘normalen’ Kausalität sind aber – das dürfte unstreitig sein – erst die Eltern da und erst dann das Kind. Und dann gibt es natürlich ein Königreich, das schon seit Hunderten von Jahren existiert. Und ein böses Nachbarreich, das auch schon seit Hunderten von Jahren existiert. Das heißt in der zeitlichen Folge, in der ich mein Märchen konstruiere, ist die Gegenwart älter und kommt zeitlich vor(!) einer viel-hundertjährigen Geschichte der Reiche.

    Man lebt also in einer “Matrix” – aber anders als im gleichnamigen Film, haben einen nicht Bösewichter dort hineingesteckt, sondern diese “Matrix” ist selbstgestrickt.

    Die einzige logische Erklärung für die Existenz der Welt ist, daß sie “gespreiztes Nicht-Sein” ist, ein “Nullsummenspiel” eben.
    Woher hätte ein Schöpfergott am (logischen – nicht zeitlichen; denn die Zeit ist nach Buddha “anfangslos”) Anfang der Welt auch kommen sollen?
    Die Existenz der Welt (aus dem anfänglichen “Nichts”) kann logisch nur erklärt werden, wenn man sie mit einer Nullgleichung vergleicht, die wir noch aus der Schule kennen. Links vom Gleichheitszeichen ist eine riesige Zahl von Plus- und Minus-Zahlen; rechts vom Gleichheitszeichen steht eine “0” (Null).
    Links vom Gleichheitszeichen ist die riesige Zahl der Phänomene der erlebten Welt (“Samsara”). Rechts davon (Null) ist genau dasselbe nur in anderer Form (“Nirvana”).

  5. Ich liebäugele schon seit einigen Tagen mit dem Buch, deine Rezension hat mich nun überzeugt, dass ich es unbedingt brauche. Vielen Dank dafür.

  6. Habe hier einen interessanten Blick (Dem man nichts hinzufügen braucht!), auf den von mir erwähnten Auftritt von Kim del’Horizon bei der Buchmesse gefunden.
    Buchmesse der Selbstinszenierung: Ein Nonbinärer schneidet sich ich eine Glatze, und das Publikum tobt. Was wird da los sein, wenn Selenskyj sich per Videobotschaft zuschaltet? —–> https://weltwoche.ch/daily/die-moralische-klasse-feiert-sich-selbst-der-nonbinaere-kim-de-lhorizon-gewinnt-den-buchpreis-und-schneidet-sich-eine-glatze-das-werden-die-frauen-im-iran-zu-schaetzen-wissen/

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