Ob eine Überdosis des berüchtigten kolumbianischen Marschierpulvers die Ursache war, wissen wir nicht. Doch eine gefährliche Überdosis Größenwahn muss auf jeden Fall diagnostiziert werden, wenn der in Kiew regierende Ex-Komiker Zelensky jetzt “präventiv” einen atomaren NATO-Angriff auf Russland fordert – um einen russischen Atomschlag auf die Ukraine unmöglich zu machen. Warum die NATO jetzt noch Russland bombardieren und eine globale atomare Vernichtung provozieren soll, wo ihre Proxy-Armee im Nordosten und Süden der Ukraine doch gerade derart erfolgreich ist, dass “Putins Niederlage” – wenn man CNN, ARD, Spiegel etc. folgt – quasi schon fest steht, erschließt sich nicht. Jedenfalls nicht logisch, weshalb wir andere Hilfsmittel vermuten, die zu derart wahnsinnigen, aberwitzigen Forderungen führen. Andererseits ist klar, dass die allseits verbreiteten Sieges,-und Triumphmeldungen der Zelensky-Truppe nicht viel mehr als heiße Luft sind und ihre Tage gezählt, wenn nach der russischen Teilmobilisierung die Kräfte der “Special Military Operation” demnächst verdreifacht werden. Mit kaum mehr als 150.000 Mann haben die Russen bisher über 20% des Landes unter Kontrolle gebracht – gegen eine doppelt so starke und mit Milliarden vom Westen aufgerüstete ukrainische Armee. Anders als in Syrien 2017, wo 5.000 russisch Helfer, 25 SU-Fighterjets und die S-400-Luftabwehr reichten, um die “moderaten Terroristen” bzw. ihre US-NATO-Chefs an den Verhandlungstisch zu bringen, reichte eine so “schlanke” Operation aber in der Ukraine nicht. Der als “Friedenspräsident” gewählte Ex-Komiker durfte nicht verhandeln, sondern wurde aus London und Washington weiter in den Krieg getrieben. Einen Krieg, in dem Moskau nicht mehr Kiew gegenübersteht, sondern der NATO, die die Ukraine nur als Schlachtfeld und ihre Soldaten als Kanonenfutter benutzt. Es geht nicht und ging seit 2014 nie um eine friedliche Wiedervereinigung des Landes, es geht darum “Russland zu schwächen.”
Und was halluziniert der “Stürmer”-Spiegel: “Der Kremlchef steht mit dem Rücken zur Wand: Seine Armee verliert auf breiter Front und er muss um seine Macht fürchten. Vielleicht ist seine Drohung mit einem Nuklearangriff nur ein Bluff?” – Sie ist kein Bluff, weil Putin noch nie mit einem Nuklearschlag gedroht hat – vielmehr waren das schon im Februar der französische Außenminister – mit seinem Hinweis, man verfüge schließlich über Nuklearwaffen – und die neue britische Premieuse Liz Truss, die bekundete, dass sie (Steve Bell hat es für den Guardian festgehalten) selbstverständlich auch den “roten Knopf” drücken wird. Putin hingegen ist in seiner Rede zur Teilmobilisierung am 21.9. genau darauf eingegangen:
“Sie haben sogar zur nuklearen Erpressung gegriffen. Ich beziehe mich nicht nur auf den vom Westen geförderten Beschuss des Kernkraftwerks Saporoshje, der die Gefahr einer nuklearen Katastrophe birgt, sondern auch auf die Äußerungen einiger hochrangiger Vertreter der führenden NATO-Länder über die Möglichkeit und Zulässigkeit des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen – Kernwaffen – gegen Russland.
Ich möchte diejenigen, die solche Äußerungen in Bezug auf Russland machen, daran erinnern, dass auch unser Land über verschiedene Arten von Waffen verfügt, und einige von ihnen sind moderner als die Waffen der NATO-Länder. Im Falle einer Bedrohung der territorialen Integrität unseres Landes und zur Verteidigung Russlands und unseres Volkes werden wir mit Sicherheit von allen uns zur Verfügung stehenden Waffensystemen Gebrauch machen. Dies ist kein Bluff. Die Bürger Russlands können sicher sein, dass die territoriale Integrität unseres Vaterlandes, unsere Unabhängigkeit und unsere Freiheit – ich wiederhole – mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigt werden. Und diejenigen, die versuchen, uns mit Atomwaffen zu erpressen, sollten wissen, dass sich die Wetterfahne drehen und auf sie zeigen kann.”
Das ist keine Drohung mit einem Nuklearangriff, sondern eine Warnung, dass Russland sich verteidigen kann und wird. Mit dem Hinweis auf die “modernernen”, d.h. die hypersonischen Waffen, die konventionell bestückt jederzeit das Weisse Haus, Downing Street 10 oder das Kanzleramt in Schutt und Asche legen können, weil sie selbst mit einer Stunde Vorwarnzeit – die Putin dem Zivilpersonal fairerweise einräumen dürfte – nicht zu verteidigen sind. Wenn die Quartiere des T-Shirt-Kriegsherrn in Kiew und seiner NATOstan-Berater alsbald ohne Vorwarnung eliminiert werden, sollte sich aber niemand wundern. Ein nukleares “Armageddon” wie es die Wandermumie In Chief Joe Biden befürchtet, ist von russischer Seite aus überhaupt nicht nötig. Was soll also die Panik vor einer nicht vorhandenen und nie abgegebenen Drohung. “Könnte es sich um die Vorbereitung eines Zwischenfalls unter falscher Flagge handeln, bei dem eine US-amerikanische oder britische Atombombe in der Ukraine eingesetzt wird, um dann Russland die Schuld dafür zu geben, als Vorwand für ein umfassendes militärisches Engagement in der Ukraine?” fragt Bernhard bei MoonOfAlabama.
Ich glaube nicht, dass die “Angelsachsen” soweit gehen. Zumindest ihre Militärs wissen, dass sie in einem großen Krieg mit Russland sehr schlechte Karten haben und pfeifen ihre Oberfalken regelmäßig zurück. Sie wissen auch, dass die Gewinne von einigen Kilometern Steppe und ein paar leeren Dörfern keine Niederlage “auf breiter Front” bedeuten, wie ihre Propaganda-Schreiber halluzinieren, und Putin, mit einer Zustimmungsrate Ende September von 82 %, zu Hause keineswegs “mit dem Rücken zur Wand” steht. Und im Pentagon weiß man auch, dass Putins Ansage im Juli – “dass wir – im Großen und Ganzen – noch gar nicht richtig angefangen haben” – kein hohler Spruch war, sondern dass die russischen Streitkräfte noch weitaus mehr auffahren können als in den ersten Monaten der “Militäroperation”. Und dass die unter großen Verlusten errungenen taktischen Geländegewinne der “Gegenoffensive” nur für PR-Triumphe im Informationskrieg taugen, strategisch aber am Ausgang der Schlacht nichts ändern, sondern eher – wie Ex-Oberst Doug McGregor im Interview mit Aaron Maté sagt – “den Russen in die Hände spielen”. McGregor hat im Irak-Krieg Panzer-Divisionen kommandiert und kann die Lage “on the ground” realistisch beurteilen – wie wohl auch seine derzeit amtierenden Kollegen im Pentagon. Denen seit gestern dämmert, dass die Russen jetzt langsam “richtig anfangen”: die ukrainischen Truppen meldeten den Ausfall ihrer satelliten-gestützten “Starlink”-Kommunikation. Dass Elon Musk neuerdings auf Waffenstillstand und Verhandlungen drängt ist insofern nicht uneigennützig – wenn Russland ernst macht mit dem Satelliten-Jammer Tirada 2 ist Schluss mit GPS und Funkverkehr und wenn die Laserwaffe Peresvet zum Einsatz kommt, wäre Musks Satelliten-Flotte auf einen Schlag blind und zerstört. Wo mit den Attacken auf zivile Infrastruktur wie Nordstream oder wie jetzt auf die Kerch-Brücke zur Krim die Kriegsführung zunehmend “toxisch” wird, sind auch die Daten-und Kommunikations-“Pipelines” im Weltraum ein potentielles Ziel. Wobei – dumm gelaufen für NATOstan – die Russen nicht nur bei den hyperschnellen Raketen, sondern auch im “electronic warfare” ziemlich vorne liegen. Auch das wissen die verantwortlichen Militärs in den USA und wollen deshalb mehr als einen permanenten Kleinkrieg in der Ukraine nicht zulassen – notfalls bis zum letzten Krad-Melder, der auf freier Steppe dran glauben muss…
Und doch, bei aller Atomkriegsgefahr und Kuba-Krise reloaded, wie hier schon im Januar in der Hoffnung auf einen existierenden “Back-Channel” thematisiert, wächst mit Hölderlin zu sprechen “das Rettende auch”. Und das ist vielleicht beste Nachricht seit Monaten: “There is a new START !”. Die USA und Russland stehen davor, das START-Abkommen zur Inspektion und Begrenzung von Nuklearwaffen wieder aufzunehmen. Dass hinter den Kulissen der medialen Panikmache vernünftig geredet wird und dabei sicher nicht nur Sprengköpfe und Inspektionen ein Thema sind, sondern auch der aktuelle Konflikt und mögliche Lösungen, stimmt bei aller Unsicherheit dann doch einigermaßen beruhigend…
(wird fortgesetzt)
Alle bisher erschienen “Notizen” hier
Das Buch über die Geschichte und Hintergründe des Ukraine-Kriegs:
Mathias Bröckers/Paul Schreyer: Wir sind IMMER die Guten – Ansichten eines Putinverstehers oder wie der kalte Krieg neu entfacht wird, Westend Verlag (2019)










