Günter Grass und Lord Voldemort (3)

“There’s No Business Like Shoa Business” – das Wortspiel hörte ich zum ersten Mal von dem israelischen Dramatiker Jehoschua Sobol, den ich 1984 traf, als sein Stück “Ghetto” in Berlin inszeniert wurde. Wir redeten über sein Stück, in dem es um die Konfrontation zwischen linken und rechten Juden im Ghetto Vilnius (bzw. im aktuellen Israel) ging, und nach dem Interview sprach ich ihn noch auf einige weitere Bücher und Werke zum Thema des Holocaust, der Shoa,  an. Und Sobol sagte so etwas wie “Oh, that is not my thing, you know,  that’s Shoa-Business”. Ich runzelte zuerst die Stirn, weil ich Show-Business verstanden hatte, aber dann fiel der Groschen. Wir lachten und sprachen dann noch über die künstlerischen Möglichkeiten, die ideologische Instrumentalisierung des Holocaust als Propaganda zu überwinden – und den rechten, militaristischen Zionismus zugunsten eines demokratischen, zivilen Israel.

Ich weiß nicht wie Jehoschua Sobol auf das Gedicht von Günter Grass reagiert hat, aber ich vermute stark, dass er die Sache ähnlich sieht, wie der Kommentator der Haaretz, Gideon Levi, der meint “Israelis can be angry with Gunter Grass, but they must listen to him” – und sich in seiner Haltung wohltuend von dem delirierenden  Amoklauf mit der Auschwitz-Keule unterscheidet, den der hiesige Medienmainstream veranstaltet. Dieser rasende Philosemitismus, der auf Knopfdruck “Antisemitismus” schreit, ist “Shoa Business” live und in Reinkultur,  Instrumentalisierung des Holocaust für politische, militärisch/industrielle Zwecke –  in diesem Fall für einen von Israel seit Jahren propagierten “Präventiv”-Krieg gegen Iran, über dessen konkreten Beginn in den westlichen Medien seit Wochen spekuliert wird. Weil der Iran angeblich bis an die Zähne (und demnächst mit Atombomben) bewaffnet schon an seinen Grenzen steht, bereit Israel und die gesamte Judenheit zu vernichten.

Diese groteske Realitätsverzerrung (siehe Karte) ist – wie schon bei den nicht vorhandenen WMD des Irak – ein publizistischer Grundpfeiler der Kriegsstrategie und sie funktioniert durch flächendeckende Medienpenetration. Nur was wieder und wieder repetiert wird, bleibt hängen – und so wurde in den letzten Jahren mit ein paar falsch übersetzten Verbalinqurien die Aggresivität der iranischen Außenpolitik wieder und wieder beschworen. Und wie schon beim Irak sind nicht vorhandene Massenvernichtungswaffen und die dadurch drohende die “Gefahr eines neuen Holocaust” permanent in den Nachrichten. Diese Propagandaoperation hat  Grass nachhaltig gestört und ihr den Zauberstab der Definitionsmacht und Meinungshoheit entrissen – der alte Blechtrommler hat für einen Moment die Kriegstrommeln zum Schweigen gebracht und der Welt einen Durchblick auf die wahren Größenverhältnisse im Konflikt Israel/Iran gebracht: 500 zu 0. Zählt man die rund um den Iran herum stationierten USA mit ihren 5500 Nuklearbomben dazu  liegt das Verhältnis von Angreifer und Verteidiger, Täter und Opfer bei 6000 : 0. Zugunsten des “Opfers”, was somit garantiert keines ist und nach allen Gesetzen der Logik und des Menschenverstands auch keines werden kann.

Weil aber diese Gesetze im Reich von Lord Voldemort auf den Kopf gestellt sind wie unter  Orwells Big Brother – War is peace. Freedom is slavery. Ignorance is strength. –  werden diejenigen, die diese groteske Realitätsverschiebung beim Namen nennen mit der “magischen Verfolgungsmarke” belegt. Das ist nun  im Falle Grass mit einer derart überzogenen Hysterie geschehen, dass das bis dato wie geschmiert laufenden “Shoa-Business leidet  – denn wie das so ist, wenn ein Verkäufer  mit seiner Werbung maßlos überzieht: die Kunden werden mißtrauisch, fragen nach, vergleichen. Was ihr gutes Recht ist und ihnen niemand verwehren kann, der weiter im Geschäft bleiben und seine Reputation behalten will. Und da noch die schärfsten Gegner des Gedichts jetzt unisono betonen, dass Kritik an Israel “natürlich” erlaubt und auch seine Massenvernichtungswaffen “kein Tabu” sind – dann könnte  ja die öffentliche Diskussion darüber jetzt endlich beginnen. Auch die deutschen Waffenlieferungen könnten zum Thema werden, wenn nicht mehr bei jedem Einwand reflexhaft das “Existenzrecht” in die Waagschale geworfen wird, sondern über das “Expanisonsrecht” Israels  diskutiert werden kann. Ebenso wie über die Apartheidspolitik, die man bis dato nicht in den Mund nehmen durfte, ohne vom  Holocaust-Hammer der  Inquisition getroffen zu werden.

Noch ist von einem derart offenen Diskurs aber wenig zu merken, zwar rudern die Grass-Verleumder ein bißchen zurück – Israels Einreiseverbot und Forderungen des Nobelpreisentzugs sind dann doch wohl zu nordkoreanisch für die angeblich “einzige Demokratie im Nahen Osten” – doch im Grundtenor regiert weiterhin das große “Aber”. Denn natürlich sei “Kritik an Israel” jederzeit erlaubt  – doch dann folgen das große “Aber” und spaltenlange Ergüsse über das Seelenleben und die Befindlichkeiten des Autors, seiner Vergangenheit, seines Alters, seiner verheimlichten Nazi-Jugendsünden. Was nichts anderes ist als das Niedermachen des Botschafters zwecks Verleugung der Botschaft. Oder hat man in den Leitmedien jetzt schon eine Recherche über die israelische Nuklearprogramm gelesen, oder darüber, wie einst Adenauer erpresst wurde, hinter dem Rücken der USA  das erste Uran dafür zu liefern, oder eine Debatte darüber, inwieweit der Weltfrieden aktuell eher von der Politik der  USA und Israels bedroht ist als von der des Irans ? Und ob der Doppelstandard der westlichen Politik, den man zugespitzt auf die Formel bringen könnte “Israel darf alles” tatsächlich so alternativlos ist, dass er auch weiterhin ein Tabu bleiben muß ? Wie kann die Sicherheit des Landes garantiert werden, wenn es abrüstet und sich in seine völkerrechtlich anerkannten Grenzen zurückzieht ? Diese großen und wichtigen Fragen müssen auf den Tisch und inflationäres Geschrei von Hitler, Holocaust und Antisemitismus ist keine Antwort. Wenn Grassens letzte Tinte dazu den Anstoß geben könnte wäre es ein Segen –  für Israel, für Deutschland, für den Weltfrieden.

Günter Grass und Lord Voldemort (2)

Hätte Günter Grass die nicht vorhandenen Atomwaffen des Irans gegeisselt, und sei es in einem noch so holprigen Leitartikel-Gedicht, das Feuilleton und die Medien hätten den 84-jährigen zu Ostern als “Gewissen der Nation” wieder auferstehen lassen, als notwendigen “Mahner” und weisen “Ratgeber”, der das große Schweigen, die Absenz der Intelektuellen in diesem Land endlich durchbricht und noch mit seiner letzten Tinte für den Weltfrieden kämpft und gegen den “neuen Hitler in Teheran”. Vor allem diese Formulierung des Nobelpreisträgers hätte es den Chefredakteuren und Kommentatoren angetan – endlich einer der “Klartext” redet und gegen das “linke Meinungskartell”, gegen  die ” fundamentalistisch Friedensbewegten” und  alle “Islamversteher” die Stimme hebt. Und die drohende Gefahr eines “neuen Holocaust” deutlich benennt. Keine Frage, der alte Blechtrommler und Zwiebelhäuter wäre gefeiert worden – und dass er so lange verheimlichte, sich 1944/45 der SS angeschlossen zu haben ? Mein Gott, er war 17 und ahnungslos, eine Jugendsünde,  er hat doch nur  ein bißchen gezogen, aber nie inhaliert – daraus nach fast 70 Jahren einen Vorwurf zu konstruieren ist absurd. Zumal bei einem Autor, der mit seinem Leben und Werk wie kaum ein anderer für aufrechten Antifaschismus im Nachkriegsdeutschland steht. Und dafür, dass man gerade als Beteiligter am Völkermord der Nazis  jeden “neuen Holocaust” mit allen Mitteln zu verhindern usw. usf….

Wäre es Grass nur um Publicity gegangen, wie sein Altfeind  Reich-Ranicki  dem “ekelhaften” Gedicht  heute in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” diffamierend unterstellt – mit dem Schlagen der Kriegstrommel gegen Iran wäre der PR-Effekt viel höher gewesen. Statt eines rufmörderischen Tsunamis wäre ein Schwall von Lob und Hudel auf den Poeten niedergegangen. Die “Bild” hätte neben der Serie “Der neue Hitler aus Teheran” sofort die GG-Wochen gestartet und jeden Tag ein Grass-Gedicht gedruckt, um den “größten lebenden Dichter der Deutschen” zu ehren, Broder hätte ihn umgehend im Netzwerk der islamophoben Laptopbomber willkommen geheißen und die Bundesregierung gegen die Kritik aus der Linken verlautbart, dass die Meinungsfreiheit “das höchste Gut der Demokratie” und jeder in Deutschland “gut beraten sei”, die Worte eines “international anerkannten Schriftstellers und Nobelpreisträgers zur Kenntnis und ernst zu nehmen.”

So oder so ähnlich wäre es gelaufen, jede Wette. Und in New York hätte man dem “grand old poet”  noch irgendeinen “Samuel Goldberg-Preis” für Völkerverständigung samt  1 Mio. $ verliehen.  So aber – weil er  auf die Gefahren der vorhandenen Atomwaffen Israels aufmerksam machte, statt auf die imaginierten des Iran – muß sich das antifaschistische, sozialdemokratische Urgestein Günter Grass  auf seine alten Tage weltweit als Antisemit und Holocaust-Verharmloser beschimpfen lassen. Die Reflexhaftigkeit und mediale Flächendeckung des Diffamierungs-Bombardements zeigt, dass das “Meinungskartell” keineswegs ein “linkes” oder “liberales” ist, sondern ein “militaristisch-zionistisches”. Zu verbrecherischen Angriffskriegen “Nein” zu sagen ist in Deutschland und im gesamten Westen mittlerweile verboten, wenn diese Kriege im Interesse Israels sind. Die schief übersetzten Äußerungen eines iranischen Präsidenten zum Popanz eines geplanten Vernichtungskriegs aufzublasen und die konkreten Kriegsdrohungen des israelischen Präsidenten zu ignorieren, die  Bringschuld und Transparenz  der zivilen Atomnutzung  Irans permanent zu fordern und die atomaren Massenvernichtungswaffen Israels dabei keinesfalls erwähnen, diktatorische Apartheid und Rassismus überall und notfalls mit Gewalt zu bekämpfen, aber in Israel darüber hinwegzusehen – all das ist erwünscht und hierzulande Staatsräson.  Wer dagegen verstößt, hat in dieser Republik nichts mehr zu melden und wird mit der Höchststrafe am öffentlichen Pranger bestraft: Judenhasser, Holocaustleugner, Nazi…

Was an einer Koryphäe wie Grass gerade durchexzerziert wird sollte jedes kleinere Licht in der publizistischen Öffentlichkeit zu äußerster Vorsicht mahnen, wer den “dessen Name nicht genannt werden darf” beim Namen nennt, wird umgehend geschlachtet und abserviert. Und das multimediale Netzwerk von Lord Voldemorts Truppen ist weit gestreut und mächtig. In Nullkommanix hatte man zum Beispiel der Moderator Ken Jebsen mit der Auschwitz-Keule aus dem RBB gemobt, weil er es gewagt hatte, die Lehrsätze über den Dämon Osama und die Teppichmesser des Schreckens anzuzweifeln. Noch aber reichen Voldemorts Krakenarme nicht überall hin und so konnte Ken Jebsen im Internet weitersenden – und hat jetzt eine Sendung darüber gemacht, worum es im Kern auch im Fall Grass geht, um den zionistischen Rassismus. Eigentlich ein Büchner-Preis würdiger Text, zu dem die Altmeister Grass und Walser die Laudatio halten müßten, wären sie nicht von der “magischen Verfolgungsmarke”  der neuen Inquisition zu Unpersonen deklariert…

Günter Grass und Lord Voldemort

Günter Grass hat in einem Leitartikel-Gedicht die israelischen Atomwaffen als Gefahr für den Weltfrieden angeprangert, und da schrillen umgehend sämtliche Alarmsirenen. Mit den israelischen Atomsprengköpfen verhält  es sich nämlich so wie bei  Harry Potter mit dem,  “dessen Namen nicht genannt werden darf”.  Wie in Hogwart das Aussprechen des Namens “Lord Voldemort”  mit einer “magischen Verfolgungsmarke” belegt ist, die sofort meldet, wenn dieser Name irgendwo fällt, wird im politischen Diskurs sofort Antisemitismus-Alarm ausgelöst sobald die Massenvernichtungswaffen Israels benannt werden – so umgehend und flächendeckend, dass es fast schon magisch anmutet. Der Automatismus des Entrüstungssturms deutet an, dass hier ein Tabu verletzt wurde – und in der Tat, noch die Invektiven, die die Entrüsteten dem “Täter” entgegenschleudern, vermeiden es durch die Bank, das dunkle Geheimnis auch nur beim Namen zu nennen. Als ob Lord Voldemort sie stehenden Fusses mit dem Blitz erschlüge, wenn sie das A-Wort im Zusammenhang mit Israel in den Mund nehmen. Stattdessen beeilen sich alle den Gegenzauber anzuwenden und  sagen – wie auswendig gelernt in der Zauberschule Hogwart – ihren Spruch auf: dass die eigentliche Gefahr für den Weltfrieden  von  den nicht vorhandenen  Atomwaffen des Iran ausgeht.

Wo eine dunkles Geheimnis, dessen Name nicht genannt werden darf, verdrängt und auf ein eingebildetes Konstrukt übertragen wird, spricht der Psychiater von Projektion, einem Abwehrmechanismus, der die inneren Konflikte nach außen, auf andere überträgt. In seiner pathologischen Form wird dieser Projektionswahn Paranoia genannt. In Bezug auf sein Land Israel nennt Gilad Atzmon diesen Befund “Pre-Traumatic-Stress-Disorder” – und nur einem solchen prä-traumatischen Syndrom kann es geschuldet sein, wenn aus der obenstehenden Karte herausgelesen wird, dass das  aggressive und waffenstarrende Mullahregime des Iran (* stehen für potentielle Nuklearstützpunkte) der “Freiheit des Westens” immer hartnäckiger auf die Pelle rückt. Und ohne Frage den Holocaust wiederholt, wenn man ihm nicht sofort Einhalt gebietet.

Eben dies ist aber exakt das Mem, das Mantra, das gebetsmühlenartig durch sämtliche Medien hallt. Dass dieses Mantra mit der Realität wenig zu tun hat, zeigt ein einziger unbefangener Blick auf die Karte – es ist ein Konstrukt, eine Projektion, ein Schattentheater, in dem die Rollen von Angreifer und Verteidiger, Täter und Opfer vertauscht sind. Diesen faulen Zauber entlarvt und die Rollen des von Feinden umzingelten Opfers und des nuklearen Aggressors klargestellt zu haben, ist Grass’ Verdienst – und weil die “magischen Verfolgungsmarken” (“Antisemit”, “Mullah-Verharmloser”, “Holocaust-Leugner”) einem 85-jährigen Großmagier nichts mehr wirklich anhaben können, jaulen  die Schrei,- und Schreibkräfte in Lord Voldemorts Illusionstheater umso heftiger. Sie tappen dabei weiter um den heißen atomaren Brei, “dessen Name nicht genannt werden darf” und werfen dem Nobelpreisträger  “Selbstüberschätzung”, “Eitelkeit”, “Ressentiment” usw. vor  und dass er mit “Klischees” und “Stereotypen” operiere.  Das mag auf das literarische Werk des Autors durchaus zutreffen – und ähnliche Vokabeln habe ich  glaube ich auch selbst verwandt, als ich einst den Roman “Die Rättin” in der taz als “gescheiterten Tierversuch” sezierte  – doch gerade dieses Gedicht hat damit nichts zu tun. Denn es benennt ein Klischee “dessen Name nicht genannt werden darf”, das aber als unausgesprochener Standard der westlichen Doktrin gilt: dass Internationales Recht und Atomwaffensperrverträge für alle Nationen gelten, außer für Israel.

Gibt es eigentlich noch “echte” Terroristen?

Jetzt hat sich herausgestellt, dass auch der Attentäter von Toulouse “möglicherweise” ein Informant des Geheimdienstes   war und noch aus dem belagerten Haus versucht hatte, seinen Kontaktmann anzurufen. Hmmmh. Langsam müßte man ja mal einen Preis für “authentischen Terror” aussetzen, oder, weil man grausame Verbrechen nicht belohnen kann, zumindest ein Gremium einsetzen, das einen aktiven Terroristen ausfindig macht, der NICHT an der Leine irgendeines Dienstes geführt wird – oder einen Terroranschlag, dessen Spuren NICHT auf staatliche Hintermänner und Helfershelfer schließen lassen. Gibt es so etwas überhaupt noch ?  Sind autonome, auf freier Wildbahn agierende Terroristen eine aussterbende Art ? Kommen sie  nur noch als paranoide Psychopathen wie der Broder-Fan Breivik vor ? Oder steckt, wie seit 9/11 hinter jeder brennenden Mülltonne, eigentlich nur und immer wieder “Al Qaida”  dahinter ? Und wenn ja, wie schafft dieses magische Netzwerk diese unglaubliche Ubiquität und Allgegenwart ? Und “radikale Islamisten”, die mit Religion gar nichts am Hut haben ? Ist das noch echter Terrorimsus – ein Bug im zivilgesellschaftlichen System ? Oder schon ein Feature – eingebauter Automatismus, um die Schäfchen in der Church of Fear zu halten ?

Aus machiavellistischer Perspektive macht es  ja durchaus Sinn, den Terror selbst zu veranstalten und dann  durch seine Bekämpfung und Beseitigung die eigene Macht,- und Kontrollposition weiter auszubauen – alles nach der Methode: “Bereite die Lösung vor und schaffe dann das Problem”, die  schon seit Marcus Crassus (70 v.Chr.) erfolgreich praktiziert wird. Und einen gewaltbereiten, an der Leine geführten inoffiziellen Mitarbeiter pünktlich zum Wahlkampf von der Kette zu lassen, um dann die erfolgreiche “Jagd” auf ihn  zu einer 30-stündigen weltweiten TV-Ereignis zu machen, paßt da ins Muster. Dazu noch ein paar “Al Qaida”-Gerüchte ständig wiederholen – und schon  ist die Bevölkerung wieder auf die Frontlinie im War on Terror und Clash of Civilisations eingeschworen. Der Taliban ist eben überall, auch wenn er ein frustrierter Fremdenlegionär ist.

Die Taliban in Afghanistan allerdings sind keine Terroristen, sondern Freiheitskämpfer, die ihr Land gegen eine Besatzungsmacht verteidigen.   Als Freiheitskampf  findet “echter” Terrorismus nur da statt, wo gegen Besatzungsmächte und Unterdrückungsregime gekämpft  und  Terror für militärisch unterlegene Partisanen das letzte und einzige Mittel ist – die Autobombe  als  “Airforce des kleinen Mannes.” Hinter dem indessen, was im Westen und zuletzt in Toulouse als Terrorismus (und Terrorismusbekämpfung) inszeniert wird, stecken statt des “kleinen Manns” so gut wie immer  der Große Bruder und seine Schlapphüte…

9/11-Pseudo-Wissenschaft

Gibt es eine “Generation 9/11 ?” möchte die Uni Duisburg erforschen und hat dazu ein Online-Forum eingerichtet. „Mithilfe der Gruppendiskussion wollen wir untersuchen, wie die Erlebnisse vom 11. September gemeinsam erzählt, gegenseitig ergänzt und beurteilt werden“, so der Projektleiter Prof. Carsten Ullrich. Ein durchaus interessantes und lobenswertes Unterfangen, den Befindlichkeiten in Sachen 9/11 mithilfe der empirischen Sozialforschung wissenschaftlich näher zu kommen, sollte man denken – doch was sich  in dem seit Mitte März geöffneten Forum  “Nach 911”   abspielt, hat mit Wissenschaft wenig zu tun, denn sämtliche Beiträge, die Zweifel an der offiziellen Legende äußern, werden umgehend gelöscht. Wie hier und hier  ausführlich dokumentiert. Bei dieser   Studie geht es somit offensichtlich nicht darum, dem weiterverbreiteten Unglauben an die 9/11- Legende auf die Spur zu kommen. Wenn  89,5 Prozent der deutschen Bevölkerung glauben, dass die US-Regierung zu 9/11 “nicht die ganze Wahrhheit gesagt hat” und 38% der unter 39-jährigen, nach einer repräsentativen Umfrage der ZDF Forschungsgruppe Wahlen im Februar 2012 , überzeugt sind, dass die US-Regierung selbst in die Anschläge involviert war – und diese weiterverbreiteten und massiven Zweifel in einer soziologischen Untersuchung über die “Erlebnisse” nach 9/11 schlicht  ausgeblendet bleiben, ist der wissenschaftliche Wert dieser Forschung gleich Null.  Man kann zwar auch zB den Atheismus empirisch untersuchen und dabei alle “Ungläubigen” ausblenden – man erhält dann aber  nicht das Bild einer “Generation”, sondern nur eines darüber, was Gläubige vom Atheismus halten, denn Ungläubige wurden ja  gar nicht befragt. Insofern könnte die Duisburger Studie dann doch noch einen, wenn auch zweifelhaften Wert haben, nämlich zu eruieren, wie sich  die “Gläubigen” – also Menschen, die das Narrativ von Osama und den 19 Teppichmessern als Alleintätern des 11.9.  für die Wahrheit und Realität halten – mit dieser Legende fühlen.

Wie die Bevökerung die Informationen der Medien über das Verbrechen und die Reaktionen der Politik darauf berurteilen, ob und wie die Menschen empfinden, dass 9/11 politisch ausgeschlachtet wird, ob und wie konkret sich die Deutschen  vom “Al Qaida Netzwerk”, vom “Islamismus” bedroht fühlen oder von der Politik der USA usw….. all das sind interessante und wichtige Fragen, die mit den Mitteln der empirischen Soziologie zumindest näherungweise beantwortet werden könnten  – wenn sie wissenschaftlich und vorurteilsfrei an den Forschungsgegenstand heranginge. So aber kann auch  die Duisburger Untersuchung als ein weiteres Produkt der 9/11-Pseudo-Wissenschaft gelten, jenes Expertentums, das mit Nebelkerzen und propagandistischem Geschwalle über das V-Wort nichts anderes im Sinn hat, als dem nackten Kaiser neue Kleider anzudichten.

Der “S-Bahn Peter” von der CIA

UPDATE 23.03.: Günter Langer, umherschweifender Haschrebbel von einst und Zeitzeuge, hat über den  VS-Agenten Peter Urbach ein detailliertes Dossier  zusammengestellt.

“Peter Urbach soll in Kalifornien gestorben sein. Der V-Mann und Agent provocateur besorgte der ersten Generation der RAF Waffen und Equipment. Aus historischer Perspektive müsste der Berliner Verfassungsschutz als Pate der Roten-Armee-Fraktion gelten.” berichtete vor einigen Tagen  die Süddeutsche Zeitung – und die Perspektive ist durchaus richtig. Ebenso wie unsere Überschrift, die den V-Mann des Berliner Verfassungschutzes, der das Umfeld der  eher auf Spaßguerilla  ausgerichteten “Kommune 1” zum Terror anstiftete, der CIA zuordnet. Denn Verfassungsschutz und Polizei waren in den Frontstadt des Kalten Kriegs weisungsgebunden. Und dass die CIA die  direkt neben ihrem Hauptquartier in der Clayallee auf dem Campus der Freien Universität entstehenden “Studentenunruhen”  nicht nur im Auge hatte, sondern auch  Gegenmaßnahmen ergriff, davon kann mit Sicherheit ausgegangen werden.

1966 hatten die Studenten die erste Anti-Vietnamkriegs-Demonstration organsiert- die erste große gegen die USA gerichtete Demo in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Federführend bei der Organisation der Proteste waren dabei neben dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und seinem Chef Rudi Dutschke vor allem der ASta der FU, dem zu dieser Zeit Wolfgang Lefèvre vorstand. Auf Rudi Dutschke schoß im April 1968 der  “verwirrte Einzeltäter” Joseph Bachmann, der zuvor  in einem braunen Terrorcamp ausgebildet worden war – und dass die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg im Juni 1967 kein Zufall, sondern eine gezielte Hinrichtung war,  steht nach denn erst unlängst entdeckten Fotos über die Ereignisse  ebenfalls fest. Nachdem der “Spiegel” über diese Fotos berichtet hatte, sprach ich mit einem Freund darüber, der damals an der FU studierte. Aus den Fotos geht hervor, dass der Todesschütze Karl-Heinz Kurras mit dem Einsatzleiter des Verfassungsschutzes Helmut Starke und weiteren Beamten zusammenstand, dann unbedrängt auf Ohnesorg zuging und ihm in den Kopf schoß. Aber warum dieser eher unpolitische Germanistikstudent, der die Demo vor der Deutschen Oper schon verlassen hatte und 200 Meter weiter in einem Hof stand ? “Ich glaube, er wurde mit Wolfgang Lefèvre verwechselt,” sagte mein Freund. “Der war groß, schlaksig und sein Markenzeichen war, dass er immer ein rotes Hemd trug.” Ein rotes Hemd, so wie der große, schlanke Benno Ohnesorg an diesem verhängnisvollen 2. Juni 1967.  Das schien mir die erste plausible Antwort auf die Frage – und mit den jetzt aufgetauchten Fotos, in denen der Schütze vor dem Mord mit den Geheimdienstlern zusammensteht, macht das Szenario Sinn. Denn natürlich hatte die Einsatzleitung Bilder der “Rädelsführer” (Dutschke, Lefèvre etc.) dabei – und da, im dunklen Hof, schien doch einer von ihnen zu stehen, dem man dann “in Notwehr” eine Sonderbehandlung angedeihen ließ.

Politische Morde gehören ebenso wie der Agent Provocateur seit je zum Standardrepertoire der Dienste, um legale Protesbewegungen zu radikalisieren und der Staatsgewalt Gründe zum gewaltsamen Einschreiten zu liefern. Benutzt werden dazu waffengeile Spezialisten wie der Polizeibeamte Kurras oder an der langen Leine geführte “Einzeltäter” wie Lee Harvey Oswald oder Joseph Bachmann – und Agenten wie Peter Urbach, die dafür sorgen, dass es bei der Empörung über diese Morde nicht bei den Puddingattentaten bleibt, wie in der “Kommune 1”, sondern aus Stinkbomben echter Terror wird. CIA und NATO haben diese Methode im Rahmen der Operation Gladio  und der  “Strategie der Spannung”  jahrzehntelang so erfolgreich durchexerziert, dass man sie mit Fug und Recht als Großpaten des Terrors bezeichnen kann. Und zwar als immer noch aktive, denn ihre Handschrift ist bis heute nachweisbar, von “Al Qaida” bis “NSU”.  Weil diese Patenschaften im Namen des Staates stattfinden wird  Letzteres aktuell noch als “Verschwörungstheorie” diffamiert – so wie damals in Bezug auf Benno Ohnesorg die Behauptung “Politischer Mord”.  Doch wie die Geschichte zeigt wird die Verschwörungstheorie von gestern oft zur historischen Wahrheit von morgen – fatal ist nur, dass dazwischen meistens mehrerer Jahrzehnte liegen…

Happy Birthday: Juri ist gelandet

Gestern früh um 5.41 ist mit Juri mein drittes Enkelkind, der zweite Enkelsohn und der nächste “Stammhalter” sicher und wohlbehalten auf der Erde gelandet. Früher, als die Frauen noch das Heft in der Hand hatten und die Männer noch echte “Husbands”  waren – die ans Haus gebundenen, die nur Kinder zeugen und arbeiten durften – spielte das keine große Rolle, aber seit ca. 4.000 Jahren haben die Männer (zumindest pro forma) die Regie übernommen und die meisten Kinder tragen den Namen ihres Vaters.  Das war bei  meinem Sohn so und ist auch jetzt so – die Fortsetzung der “Dynastie” ist also zumindest für die nächste  Generation sichergestellt. Auch wenn jedes Kind ein Glück und ein großer Gewinn ist,freut das denn Großvater  noch ein mal ganz besonders. Nach dem anstrengenden Anflug hat der kleine Juri  sich an seinen ersten Tag auf dem Raumschiff Erde erstmal ausgeruht und meistens geschlafen.  Aber auch so hat er sicher gespürt, dass er seinen Eltern und der ganzen Familie herzlichst willkommen ist. Happy Birthday!!!

Vorsicht Verschwörung!

Am 28.2 lief im ZDF die Sendung “Vorsicht Verschwörung” und die Ankündigung machte schon klar, dass dies wieder eine der  Sendungen zu 9/11  ist, die ich mir nicht mehr ansehen kann. Weil der Effekt absehbar ist: nach dem ersten Kopfschütteln, und dem zweiten,  machen sich unweigerlich Empörung und Zorn über den verlogenen Dreck breit, gefolgt von Niedergeschlagenheit, Trauer und anhaltender schlechter Laune.  Zu oft, zumal um den Jahrestag im letzten September herum, hatte ich Ausnahmen gemacht und Beiträge solchen Kalibers angeschaut, in der Hoffnung  auf einen Funken neuer Erkenntnis – oder ein wenigstens ein brauchbares Argument, meine bisherigen Erkenntnisse zu überprüfen oder gar zu revidieren. Aber da kam nichts und wieder nichts,  stattdessen immer dasselbe niveaulose Geschwätz über das V-Wort.  Das will ich mir  mir einfach nicht mehr antun.

Aber zum Glück gibt es depressionsfeste, tapfere Indianer wie Sitting Bull, die sich diesen pseudo-journalistischen Müll  nicht nur gelassen ansehen können, sondern den ekelerregenden Auswurf der Pre$$titutes hernach auch noch auf den Obduktionstisch packen und die Desinformationen haarklein sezieren. Auf dass auch noch der Letzte unter dem medienkritischen Mikroskop erkennen kann, um was es sich  handelt: Propaganda, Desinformation, Lügen. Gäbe es eine Ethikkommission für Journalismus würden die Verantwortlichen  solcher Beiträge –  und  ca. 95 % der gesamten 9/11-Berichterstattung – natürlich  umgehend disqualifiziert. Aber eine solche Aufarbeitung wird wohl erst in 40-50 Jahren geschehen, wenn alle Beteiligten und die meisten Betroffenen schon im Grab liegen und die Historiker der Zukunft anhand sich öffender Archive die Details dieser grandiosen Gehirnwäscheoperation offenlegen. Was schief gelaufen ist kann man freilich jetzt schon feststellen: die Mainstream-Medien haben die Verpflichtung zur Recherche ignoriert und sich zu Stenographen und Lautsprechern der Regierungen degradieren lassen. Und als zumindest einige hellere Köpfe in den Redaktionen merkten, was da läuft, gab es schon kein Zurück mehr –  und so halten sie, wenn sie anständig sind, wenigstens den Mund, oder aber erzählen das Märchen von Osama und den 19 Räubern völlig ungeniert  immer weiter. Weil es sich bei diesem Märchen eindeutig um eine Verschwörungstheorie handelt, für die valide, gerichtsfeste Beweise  nicht vorhanden sind, werden uns Propagandastücke wie “Vorsicht Verschwörung” noch lange erhalten bleiben. Wo ein Märchen als Realität verkauft wird,  muß jede Kritik daran als  irreale Phantasie abgetan werden; und Kritiker als Märchenonkels mit UFO,- Lady-Di oder Bielefeld-Mumpitz in einen Topf gerührt. Anders ist das große Lügengebäude einfach nicht zuhaltern. Uns bleibt da nur die Rolle des kleinen Kindes aus dem Märchen “Des Kaisers neue Kleider”  und die Feststellung, dass das Osama-Märchen so bar jedes Realitätsgehalts ist wie der Kaiser bei Andersen nackt.

Selbsthilfe oder Staatshilfe ?

Zum von der UN 2012 ausgerufenen internationalen Jahr der Genossenschaften und zum 20. Geburtstag der taz-Genossenschaft im kommenden April ist soeben das Buch “Gewinn für alle – Genossenschaften als Wirtschaftsmodell der Zukunft” erschienen. Neben dem aktuellen Boom an neuen Genossenschaften beleuchtet der von Konny Gellenbeck herausgegebene Band auch die Geschichte der solidarischen Ökonomie und die Zukunft des genossenschaftlichen Gedankens im Internet (Social Web) und für die Verwaltung von Gemeingütern (Commons).  Eine Sonderausgabe des Buchs ist ab sofort  im taz-Shop erhätlich. Ich habe als Redakteur und Autor  daran  mitgearbeitet und hier unlängst schon einen der frühen Pioniere des Genossenschaftsgedankens, Pjotr Kropotkin, vorgestellt – und gestern die Genossenschaftsgründer Raiffeissen und Schulze-Delitzsch. Heute ein weiterer kleiner Auszug – über  Ferdinand Lassalle.

Am kommenden Samstag stellen wir das Buch auf der Leipziger Buchmesse vor, im taz.studio Halle 5,  Stand E 410 a,  15 Uhr (UPDATE: Eine Aufzeichnung der einstündigen Livesendung von SR-2-Kulturradio kann hier (als mp3)  angehört oder heruntergeladen werden )

Produktionsgenossenschaften in Arbeiterhand, finanziert durch Staatskredite: Das war neben der Forderung nach demokratischem Wahlrecht das Programm, mit dem sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein, der Vorläufer der SPD, 1863 formierte und zur Wahl antreten wollte. Doch was die Frage der Genossenschaften betraf, hatte ihr Chef, Ferdinand Lassalle, in einem Abgeordneten der liberalen Deutschen Fortschrittspartei, Hermann Schulze-Delitzsch, einen gefährlichen Gegenspieler, der in den Arbeiterbildungsvereinen und in der Öffentlichkeit erfolgreich für die neuen Kredit- und Konsumgenossenschaften warb. Statt mit Krediten »von oben« sollten die Arbeiter für Selbsthilfe und Solidarhaftung das nötige Kapital selbst ansparen und sich unabhängig von staatlicher Wohltätigkeit machen.

Für Lassalle war das »haarsträubender Blödsinn«, und seine ätzenden Polemiken gegen die »kleinbürgerliche Seele« des »Sparapostels« Schulze-Delitzsch, der den Arbeitern Mittelstandsillusionen vorgaukele, ließ er sogar dem politischen Hauptgegner Otto von Bismarck zukommen. Denn auch der witterte in den neuartigen Selbsthilfeprojekten große Gefahr, allerdings von anderer Seite. Bismarck sah in den von Schulze gegründeten Kreditvereinen die »Kriegskassen der Demokratie, die unter Regierungsgewalt gestellt werden müssen«.

Dass die Lösung der sozialen Frage nur einem starken Staat obliegen könne, darin waren sich der preußische Kanzler und der erste Führer der Sozialdemokraten durchaus einig. Während Bismarck in den Genossenschaften Tarnorganisationen der gescheiterten Revolution von 1848 und die Gefahr demokratischer Unterwanderung fürchtete, kratzten sie für Lassalle nur an der Oberfläche der sozialen Frage. Mit Sparvereinen, Gemeinschaftsläden und Kooperation von Kleinbetrieben ließen sich die Fragen der Produktion und der Lohnabhängigkeit nicht lösen, ebenso wenig wie mit Selbsthilfe und Selbstverantwortung der Arbeiterschaft. In »Produktivassoziationen« mit staatlicher Unterstützung sah Lassalle die einzige Möglichkeit zur Aufhebung des »ehernen Lohngesetzes«.

Die Debatte um Selbsthilfe oder Staatshilfe dauerte auch nach Lassalles frühem Tod bei einem privaten Duell 1864 weiter an. Das von Schulze-Delitzsch im preußischen Landtag im- mer wieder eingebrachte Genossenschaftsgesetz scheiterte bis 1867 mehrfach an Bismarcks Veto, der die Gründung von Genossenschaften nur unter staatlicher Konzession und Kontrolle zulassen wollte. Und die Nachfolger Lassalles in der sozialdemokratischen Partei wie auch der radikaleren kommunistischen Parteien standen den Kredit- und Konsumgenossenschaften noch jahrzehntelang eher skeptisch gegenüber. Erst um 1900 setzte ein Boom »roter« Konsum-, Spar- und Wohnungsbaugenossenschaften ein. Kurz zuvor hatte der Berliner Arzt und Sozialökonom Franz Oppenheimer, der spätere Doktorvater Ludwig Erhards, sein genossenschaftliches Transformationsgesetz formuliert, nach dem Produktionsgenossenschaften in marktwirtschaftlicher Konkurrenz nur bestehen können, wenn sie sich auch ihren Absatz über Konsumgenossenschaften sichern. Dass aber auch diese Kombination nicht unbedingt ausreicht und staatliche Kontrolle und »Planwirtschaft« keinen genossenschaftlichen Erfolg garantieren, haben die Misserfolge der sozialistischen Zwangskollektivierungen in den folgenden Jahrzehnten gezeigt. Die Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstorganisation, so zeigt die Geschichte, können nicht durch »Fürsorge« von oben ersetzt werden.

Konny Gellenbeck (Hrsg.) “Gewinn für alle – Genossenschaften als Wirtschaftsmodell der Zukunft” – mit Beiträgen von Mathias Bröckers, Imma Harms, Silke Helfrich, Helmut Höge, Aline Lüllmann, Arndt Neumann, Jacques Paysan, Michael Sontheimer und Andreas Wieg. 250 Seiten, Sonderausgabe zum Sonderpreis von 8,50 Euro (statt 12,99 Euro) exklusiv im taz-Shop