Otto find ich gut

In Berlin sind derzeit zwei Top-Positionen vakant: im Schloß Bellevue und auf dem Trainerstuhl von Hertha. Anders als Mutti Merkel, die noch im hektischen Casting steckt, ist die alte Dame Hertha schon fündig geworden und hat – getreu dem Fan-Motto “Das Leben ist hart aber wir sind Hertha” – ein ganz altes Schlachtoß eingestellt: Otto Rehagel. Sicher keine Dauerlösung – der Mann ist 73 –  aber als Feuerwehrmaßnahme überraschend gut, die erste Trainerbestellung seit dem iditotischen Rausschmiß von Lucien Favre von der man den Eindruck hat, dass es passen könnte. Den modernen Zauberfußball, den Favre jetzt in Gladbach etabliert hat, wird König Otto in Berlin sicher nicht einführen, auch wenn er auf dem Stand der Dinge ist und  als griechischer Volksheld “Rehakles” zuletzt bei der EM 2004 eine Meisterschaft geholt hat. Zudem hat er vor 40 Jahren selbst für die Hertha gekickt – mit dem Stallgeruch und dem Kontakt zur Stadt könnte es also hinhauen diesmal.

Fraglos schwieriger die Besetzung des Präsidentenpostens. Mein Favorit Georg Schramm hat im Falle einer Nominierung ja nur Rederecht und wird mit Sicherheit nicht gewählt. Dabei könnten wir als Grüßaugust und Frühstücksdirektor der Republik, der gleichzeitig ein kleines politisches Wörtchen mitzureden hat, eine  kritischen, überparteilichen  Intelektuellen durchaus brauchen. Der ist aber nicht in Sicht und bis dahin  könnte Mutti als Kanzlerinpräsidentin den Posten eigentlich auch in Personalunion übernehmen.

Georg Schramm for President!

Jetzt ist es soweit, Wulff ist zurückgetreten – und wir wiederholen unser Plädoyer für die Nachfolge vom 9. Januar:

“Das Schöne an dieser ganzen Farce, die Wulff das Amt kosten könnte, ist, dass es seit dem Wochenende einen äußerst passablen Nachfolgekandidaten gibt. Kein Oberpaffe wie der grauenhafte Gauck, keine Supermutter der Nation wie Zensursula von der Leyen und auch kein halbwegs skandalfreier Hinterbänkler aus irgendwelchen Parteisümpfen, sondern ein Mann des Volkes, einer, der sich als Einzelkämpfer bei der Bundeswehr ebenso bewährt hat wie als Repräsentant auf großer Bühne und als Vertreter  der fast in Vergessenheit geratenenen  Traditionen der Aufklärung und Humanität wie geschaffen ist, diesen guten deutschen Geist endlich wieder zu repräsentieren – und sei es nur bei seiner Kandidatenrede vor der Bundesversammlung. Die “Piraten” wollen ihn nominieren, ob er annimmt steht dahin – doch die Herzen und Hirne der Republik werden ihm zufliegen: Georg Schramm For President!

UPDATE: In der Umfrage von Telepolis liegt Schramm bei 55 %; bei Fefe entdeckt: ein sehr gutes Interview mit Georg Schramm. (Besonders schön seine kurze Antwort auf die Frage nach 9/11.) Hätten wir eine Direktwahl des Bundespräsidenten wäre der Mann absoluter Favorit,  im vom Parteienproporz korrumpierten  System reicht es dann nur für eine Kandidatenrede. Hoffentlich.

Medien, Lügen, Afghanistan

Im Auftrag seines Arbeitgebers, der US-Armee, war Oberstleutnant Daniel L. Davies im letzten Jahr  in Afghanistan auf Inspektionsreise unterwegs, um mit den  dort stationierten US-Truppen zu sprechen.  Nach seiner Rückkehr wurde er zu einem Whistleblower, denn den “Fortschritt”, den Generäle und Medien hier seit Jahren behaupten, konnte er nirgendwo entdecken, dafür aber allenthalben das Gegenteil:
“Entering this deployment, I was sincerely hoping to learn that the claims were true: that conditions in Afghanistan were improving, that the local government and military were progressing toward self-sufficiency. I did not need to witness dramatic improvements to be reassured, but merely hoped to see evidence of positive trends, to see companies or battalions produce even minimal but sustainable progress.Instead, I witnessed the absence of success on virtually every level”, heißt es in einem Artikel, den er daraufhin für die Fachzeitschrift “Armed Forces Journal” schrieb.Continue reading →

Licht, Leben, Liebe

Heute ist der 203. Geburtstag Charles Darwins, ein Tag, den seine Verehrer gerne zum offiziellen  Feiertag erheben möchten, um dem Kreationismus – der Behauptung einer von einem Schöpfergott hergestellten Natur – etwas entgegenzusetzen. Diese vor allem in den USA geführte Debatte zwischen Evolutionisten und Kreationisten ist zu weiten Teilen ein fundamentalistischer Schlagabtausch, über das die dafür ins Feld geführten Protagonisten – Charles Darwin und der liebe Gott – nur den Kopf schütteln könnten. Über die Hardcore-Neodarwinisten, die ihrem  angeblichen Materialismus  durch die Hintertür mit intelligenten “egoistischen” Genen und “Memen” dann doch wieder engelartigen Wundergeist einhauchen müssen, ebenso wie über die Fundi-Christen, die das genaue Datum des Schöpfungsakts logisch aus der Bibel ableiten können und Darwin für eine Ausgeburt des Satans halten.Continue reading →

AMERICAN DRUG WAR

Auf der gerade gestarteten Berlinale, dem größten deutschen Filmfestival, läuft nach meinem zugegeben flüchtigen Programmüberblick nur eher belangloses Zeug… es ist also nix oder wenig  dort mit “In Cino Veritas”, von daher muß man wo anders kucken. Etwa bei Kevin Booth und seiner Dokumentation “American Drug War – The Last White Hope”, die in zwei Stunden filmisch dokumentiert, illustriert und präsentiert, was ich in meinen Buch “Die Drogenlüge” auf 220 Seiten versucht habe darzustellen: dass der Krieg gegen Drogen keine ehrliche Gesundheitspolitik ist, sondern eine verlogene Geschäftspolitik, mit der Geheimdienste und Staaten illegale Bürgerkriege, Warlords und Terroristen sowie einen gigantischen Repressionsapparat finanzieren – und  dieser verlogene Krieg mehr Schaden und Opfer produziert als die Drogen selbst.

“Three and a half years in the making, the film follows gang members, former DEA agents, CIA officers, narcotics officers, judges, politicians, prisoners and celebrities. Most notably the film befriends Freeway Ricky Ross; the man many accuse for starting the Crack epidemic, who after being arrested discovered that his cocaine source had been working for the CIA.
AMERICAN DRUG WAR shows how money, power and greed have corrupted not just drug pushers and dope fiends, but an entire government. More importantly, it shows what can be done about it. This is not some ‘pro-drug’ stoner film, but a collection of expert testimonials from the ground troops on the front lines of the drug war, the ones who are fighting it and the ones who are living it.”

 

ACTA ? – Nein danke!

Soeben wird gemeldet, dass Deutschland – zumindest vorläufig – das internationale Urheberabkommen ACTA nicht unterzeichnet. Dennoch sollte niemand versäumen, zu den Demonstrationen zu gehen, die  morgen weltweit  und in über 50 deutschen Städten stattfinden – weitere Infos und Links hier.

Wer noch nichts von ACTA gehört hat : hier sind einige FAQs dazu  und hier eine Erklärung (pdf ), warum dieses von  USA und Japan hinter verschlossenen Türen ausgekungelte Gesetz

  • Demokratisch nicht legitimiert ist
  • eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und den Zugang zu Kultur bedeutet
  • eine Gefahr für Datenschutz und Privatssphäre darstellt
  • Innovationen behindert
  • und Rechtsunsicherheit fördert

Stellen Sie sich vor, ihre Telefongesellschaft wird wegen Beihilfe verklagt, weil Kriminelle über ihre Leitungen einen  Bankraub verabredet haben.  Ja aber was kann die Telefongesellschaft dafür, wenn  das über ihre Leitungen läuft ? Eben.  Aber genau das verlangt ACTA von den Internetprovidern, wenn über ihre Leitungen gegen das Urheberrecht verstossen wird. Deshalb: ACTA? – Nein danke!

Gegenseitige Hilfe: Pjtor Kropotkin

Für das Buch “Gewinn für alle – Genossenschaften als Wirtschaftsmodell der Zukunft”, das zur Leipziger Buchmesse im kommenden Monat erscheint, habe ich einige kurze Porträts wichtiger Vordenker des Genossenschaftsgedankens geschrieben. Nachdem Genossenschaften lange  nur noch  als frühsozialistische Utopie bzw.  aktuelles Beispiel für zwangskollektivierte kommunistische Mißwirtschaft galten, sind sie jetzt wieder  ein Zukuftsmodell – in den letzten drei  Jahren wurden in Deutschland mehr als 700 neue Genossenschaften gegründet. Die egalitäre Grundregel “one (wo)man one vote”, nach der jedes Mitglied unabhängig von seiner Kapitaleinlage eine Stimme hat, schützt diese Unternehmensform nicht nur vor Heuschrecken, sondern hat zum Beispiel auch dafür gesorgt, dass Genossenschaftsbanken und Credit Unions (wie sie in den USA heißen) von der Bankenkrise kaum betroffen wurden. Weil das Interesse ihrer Mitglieder nicht auf maximale Profitsteigerung durch Casinowetten gerichtet ist, sondern auf  günstige Kredit,-und Bankdienstleistungen, mußten sich die Genossenschaftsbanken beim Zocken zwangsläufig zurückhalten.  Die vor mehr als 150 Jahren entwickelten Grundsätze des Genossenschaftswesens scheinen insofern  heute wieder zeitgemäß und marktkonform. Deshalb lohnt es auch, den Pionieren wieder Aufmerksamkeit zu schenken: dem kirchenfrommen Beamten Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dem Liberalen Hermann Schulze-Delitzsch,  dem Sozialdemokraten Ferdinand Lasalle oder dem “Utopisten” Charles Fourier. Den Anfang machen wir jedoch mit einem meiner persönlichen Hausheiligen, dem Anarchisten Fürst Pjotr Kropotkin.Continue reading →

I can hear music

Ich war 11  oder 12  als ich das erste Mal “Barbara Ann” hörte und sofort “Beach Boys” Fan wurde. Zum Geburtstag schenkte man sich unter Freunden damals gern eine Single und ich hatte bald neben den Odeon-grünen (Beatles) und den Decca-roten (Stones) auch einige der Capitol-violetten: “I can hear music”, “I Get Around”  und natürlich den Jahrhundert-Song “Good Vibrations”  Jetzt feiern die Beach Boys feiern ihr 50-jähriges Band- Jubiläum – und die alten Männer singen immer noch wunderschön. Der “Rolling Stone” hat eine (wg. der hiesigen  GEMA-Schutzgeld-Eintreibung nur teilweise anzuschauende) Videosammlung aus 50 Jahren zusammengestellt.Continue reading →

Eine neue Geldordnung

Ende der 80er Jahre schrieb ich als “Mc CashFlow” eine Börsenkolumne für die taz und besuchte häufiger Pressekonferenzen zu  Finanz,- und Wirtschaftsthemen. Einmal referierten dabei zwei der sogenannten “Wirtschaftsweisen” – die Namen haben ich, wohl zu Recht, lange vergessen – über Inflation, Konjunktur und Staatsverschuldung. Als die Fragerunde eröffnet war und die Kollegen nur ein, zwei langweilige Nachfragen hatten, stellte ich die “Systemfrage”: ob denn nicht die Wurzel der erörterten Problem in dem Systemfehler der Geldschöpfung und des Zinseszins liege. Der Professor warf mir einen mißmutigen Blick vor und sagte dann nur, mit einer abwertenden Handbewegung: “Ach, Sie haben wohl Silvio Gesell gelesen, das ist doch alles längst überholt und widerlegt.” Mit meinem “Ja, aber..” kam ich dann nicht mehr zum Zuge, weil der “Weise”  sofort  zu einem ganz anderen Punkt sprang. Am Ende der Konferenz kam dann ein sehr alter Herr auf mich zu: “Sie haben da eine wirklich interessante Frage gestellt, aber damit kommen Sie hier nicht durch. Ich hab das schon 1946 versucht.” Er lächelte, und gab mir auf meinen erstaunten Blick seine Karte. Seine Name war Hans R. L. Cohrssen. Wir tranken einen Kaffee zusammen und er erzählte, dass er in den 20ern in die USA ausgewandert sei, in den 30ern bei Irving Fisher Volkswirtschaft   (pdf) studierte und mit ihm 1933 das Buch Stamp Scrip herausgab, über ein an Gesell orientiertes kommunales Geld, dessen Konzept sich im Zuge der Finanzkrise von 1929 schon in vielen Kommunen durchgesetzt hatte – bis Finanzministerium und Federal Reserve ihm einen Riegel vorschoben. 1945 kam er als Offizier der US-Armee nach Deutschland und versuchte die verschiedenen Finanzauschüsse der Besatzungsmächte von diesem stabilen Geldsystem zu überzeugen – und blieb damit ebenso erfolglos wie später als Aufsichtsrat einer Großbank und als Professor. Wir korrespondierten nach diesem Treffen noch und er sandte mir einige seiner neueren Artikel zu, doch das Buch, das ich über das Geldsystem schreiben wollte, kam nie zustande. Umso größer die Freude jetzt zu sehen, dass die alten und top-aktuellen Ideen von Gesell und Fisher wieder aufgegriffen werden, wie jetzt von Joseph Huber in seinem Buch “Monetäre Modernisierung”, das eine “Vollgeldreform” vorschlägt.