80 Jahre Robert Anton Wilson

“You should see the world as a conspiracy run by  very closely-knit group of nearly omnipotent people – and you should think of these people as yourself and your friends.”  –  ist nicht von ungefähr das Motto von Robert Anton Wilsons Website. Es ist eine wichtige Regel, die deutlich macht, dass es sich bei RAW nicht um einen “Verschwörungstheoretiker” – im Sinne des Unworts des Jahrzehnts zur Beseitigung mißliebiger Meinungen – handelt, sondern wenn überhaupt dann um einen Verschwörungstheoretiker zweiten Grades, der  sich stets darum bemüht, die Landkarte, die er zeichnet, nicht mit der Realität zu verwechseln. Und sich darüber bewußt ist, dass alles, was wir als Realität empfinden,  stets ein Konstrukt des Bewußtseins, des eigenen “Realitätstunnels” ist.

Um dieser Maxime gerecht zu werden, hatte ich meinem Buch “Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.”  (2002) über die Realität des Vertuschens, Verschweigens und Nichtaufklärens eine Art Landkarte des allgemeinen Verschwörungswesens beigelegt, die eigentlich niemand mit der Realität verwechseln konnte, denn sie war einfach nur komisch und von vorn bis hinten mit meinem Freund Seyfried, der sie gezeichnet hatte, ausgedacht – hier und hier .  Es geschah allerdings doch, wie wir anhand einiger mails erfuhren, denn in diese Konstruktion waren natürlich zahlreiche Realitätspartikel eingebaut – darunter auch SS-Symbole und ein 2 Millimeter großes Hakenkreuz, das der Künstler in einer Israelflagge platziert hatte. Weil Hardcore-Israelisten  auch gern mit der Lupe suchen um zB die weltweite Antisemiten-Verschwörung aufzudecken, führte das sogar zu einer Anzeige und Beschlagnahme durch einen übereifrigen Staatsanwalt. 9/11 indessen interessierte die Staatsanwälte nicht, obwohl das Buch 100 offene Fragen dokumentierte, die in jeder normalen staatsanwaltlichen Untersuchung eines Verbrechens selbstverständlich ermittelt werden müßten. Diese ziemlich harten Fakten der Realität wurden von der Staatsgewalt ignoriert, die schrägen Fiktionen der Kunst dagegen führten zum unmittelbaren Einschreiten.

Für Guerilla-Ontologen der RAW-Schule stellt das allerdings keine große Überraschung dar, denn außer der unbewußten Verwechslung von subjektiver Landkarte und objektiver Realtiät ist die bewußte, gezielte Verschwechslung, Täuschung, Desinformation im politischen Geschäft natürlich an der Tagesordnung: “A monopoly on the means of communication may define a ruling elite more precisely than the celebrated Marxian formula of monopoly in the means of production.”  In der Tat. Und das ist der Grund, warum Bob so große Hoffnungen auf das Web und seine Dezentralität setzte, die jedes Monopol – und damit jede unverrückbare Wahrheit, jedes eherne Dogma, jede “offizielle” Aussage – unterlaufen kann. Solche unverrückbaren Dogmen zu zerschlagen, auch und gerade wenn sie  mit Inbrunst von Kanzeln und Kathedern verkündet werden – das war, wenn man ein Werk von 35 Büchern überhaupt auf einen Nenner bringen kann, die Arbeit und das Vergnügen des Robert Anton Wilson. Nicht ohne freilich als Menschenfreund  aus dieser Dekonstruktion auch eine positive Vision zu bauen – einer Welt, die Wunder und Paranormales zuläßt, und nicht mit dem “irrationalen Rationalismus” einer neuen Inquisition verfolgt; einer Welt die gemäß den Entdeckungen der Quantenphysik mehr Möglichkeiten als nur die beobachtergeschaffenen Wirklichkeiten enthält; einer Welt in der wir wieder mehr “vielleicht” sagen… (Und die  nicht verbietet 100-prozentige Arschlöcher auch so zu nennen, selbst wenn sie nur 90-prozentige sind…)

Vielleicht sollten wir eine solche Welt, zum heutigen 80. Geburtstag von Robert Anton Wilson, ab sofort einfach immer hochleben lassen….

 

“SM-I²-LE”

“LSD seems to suspend the imprinted and conditioned brain circuits that normally control perception/emotion/thought, allowing a flood – an ocean – of new information to break through” – meinte Robert Anton Wilson, und das ist eine etwas zurückhaltendere Erläuterung  der LSD-Erfahrung als Timothy Learys vollmundige Aussage:  “Zweifellos ist LSD das mächtigste Aphrodisiakum, das der Mensch je entdeckt hat.” Das ist, wie das meiste was Leary sagte, vielleicht richtig, aber es als Harvard Professor zu sagen, und dann auch noch  in einem Playboy-Interview, hatte Folgen. Der Stoff wurde verboten, und Leary – wegen eines Joints, der bei seiner Tochter gefunden wurde – zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. RAW besuchte ihn dort und war erstaunt über die andauernde Fröhlichkeit mit der sein Freund den Knast ertrug. In dieser Zeit schrieben sie zusammen das Buch “Neuropolitics – The Sociobiology Of Human Metamorphosis”, ein Buch voller optimistischer Vorstellungen und Visionen über eine sich dank technischer Entwicklung und Erweiterung des Bewußtseins entwickelnde Menschheit, inkl. der Gründung von Kolonien im Weltraum und Lebensverlängerung auf der Erde. Tim Leary nannte es das  “SM-I²-LE”-Prinzip(Space Migration, Intelligence Increase, Life Extension), was andeutet, dass es so ganz ernst nicht gemeint war – aber im Großen und Ganzen eben doch. RAWs Tochter Christina erzählt in dem  Interview, das BoingBoing zur Robert Anton Wilson Week mit ihr geführt hat, dass sie sich in ihrer Familie Anfang der 70er durchaus darauf einstellten, die Auswanderung ins All und die Lebensverlängerung noch zu erleben.

Dieser Optimismus, das Zuvertrauen in technische Machbarkeit und die Hoffnung, die (von LSD offenbarten) Potentiale des menschlichen Gehirns ausschöpfen und nutzen zu können, durchzieht das Werk RAWs und Learys, ist in seiner Mischung aus Spiritualität und High Tech auf eine typische Weise kalifornisch und erschien unseren,  mit teutonischer Denkschwere belasteten Köpfen, manchmal ein bißchen naiv. Als ich Tim Leary Mitte der 80er fragte, wieso er jetzt weniger von Bewußtseinserweiterung, sondern nur noch von Netzwerken  und Computern redete, wo doch  “Computer nicht  intelligenter sind als Kartoffeln” antwortete er: “Oh, ich mag Kartoffeln.”  Um von ihnen dann flugs bei den acht Schaltkreisen unserer Gehirne, der “human biocomputers”, zu landen, deren Modell er zusammen mit RAW beschrieben hatte und die deutlich machten, dass wir auch als “höhere” geistige Wesen die Kartoffelhaftigkeit der unteren Amöben,- Säugetier, -Primatenschaltkreise nicht so einfach abschalten können. Dennoch sei es wichtig, das Recht auf einen persönlichen Computer in die Charta der Menschenrechte aufzunehmen. Das war 1984, und wenn wir mehr als ein Vierteljahrhundert später den ausgezeichneten Vortrag des Boing-Boing-Bloggers Cory Doctorow auf der letzten CCC-Konferenz  hören – The Coming War on General Computation – wird deutlich, dass diesen Denken keinesfalls “naiv”war, sondern nur seiner Zeit ziemlich voraus…

Vielleicht sollten wir öfter vielleicht sagen.

“Ohne Opium, kein Empire” lautete die bündige Schlußfolgerung  einer Finanzanalyse des britischen Weltreichs im 18. und 19. Jahrhundert von Professor Carl A. Trocki , die für die Imperialmächte des  20. und 21. Jahrhunderts nach wie vor Geltung hat. Soeben wird gemeldet, dass die Opiumernte in Afghanistan 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 61% gestiegen ist, was nicht nur den Sold  für die Warlords und “Freiheitskämpfer” sicherstellt, denen USA und NATO dieses Geschäft gestatten.

“Der Handel mit diesen Drogen”, so Prof. Trocki in “Opium, Empire and the Global Political Economy” (1999), “führt üblicherweise zu einer Form von Monopol, das nicht nur den Drogenverkehr zentralisiert, sondern auch die Strukturen der damit verbundenen sozialen und ökonomischen Bereiche verändert. Die zwei wichtigsten Wirkungen sind die Schaffung eines Massenmarktes und der Zufluß enormer, wirklich beispielloser Geldmengen. Die Existenz eines solchen Monopols führt zur Anhäufung riesiger Reichtümer. Eine solche Anhäufung von Reichtümern durch den fortgesetzten historischen Drogenhandel zählte zu den ersten Grundpfeilern des globalen Kapitalismus….”

…und stellt bis heute einen solchen Grundfeiler dar. Zwar gibt es keine “British East India Company” mehr, die diesen Handel offiziell betreibt,  das Monopol liegt jetzt bei den Geheimdiensten und Militärs, denn nur sie haben die Strukturen um den massenhaften Export zu organisieren. Und nur hier,  an der Schnittstelle Export/Import, werden die “beispiellosen Geldmengen” geschöpft. Und eben deshalb hört der “war on drugs” nicht auf, weil nur das Verbot diese normen Profitmargen erzeugt. In meinem Buch “Die Drogenlüge”  wird u.a. gezeigt, wie so aus Agrarprodukten im Wert von 500 $ an der Börse 2 Millionen $ werden – und die Forderung aufgestellt, Heroin und Kokain  wieder zurück in die Apotheken zu bringen, denn nur so läßt sich der Wahnsinn beenden. Vielleicht.

“Vielleicht” deshalb, weil wir die Robert Anton Wilson Woche feiern, und die vielleicht wichtigste Weisheit des Meisters lautet:

“Maybe if we all said ‘maybe’ more often, the world might be a nicer place.” 

…und weil diese Anweisung auch  für eigentlich völlig klare, rationale Analysen und Forderungen gilt,  selbst für die Logik an sich. “Maybe Logic” heißt deshalb auch die DVD-Dokumentation, die Leben und Werk des Guerilla-Ontologen RAW beispielhaft präsentiert.

Die Robert Anton Wilson Woche: Lass die Lasagne fliegen!

“Keep the lasagna flying !” – das war eine Schlußformel, die Robert Anton Wilson in seinen mails gern gebrauchte,  auch als wir 1998/99 wegen  “Everything Under Control” viel korrespondierten, für dessen deutsche Ausgabe (“Das Lexikon der Verschwörungstheorien” ) mein Freund Gerhard Seyfried als Übersetzer und ich als  Herausgeber fungierten. Bob war in  dieser Zeit gerade hart getroffen worden: seine Frau Arlen war nach langer Krankheit gestorben, und bei ihm war das Post-Polio-Syndrom ausgebrochen. Als  wir uns im Herbst 1999 trafen war er schon immer häufiger auf den Rollstuhl angewiesen. Sein abgründiger Humor, seine anarchische Intelligenz und sein diskordischer Optimismus aber waren ungebrochen – auch in den Jahren bis zu seinem Tod 2007.

Zum fünften Jahrestag der Transformation des RAW-Geistse in eine andere Dimension, hat der Boing Boing Blog eine Robert Anton Wilson Woche ausgerufen, mit einigen sehr schönen Beiträgen zu seinem Werk und der Bedeutung, die es für viele hatte. Ich kann mich diesen Verbeugungen vor einem großen Werk und einem wunderbaren Autor und Menschen nur anschließen. Seit den späten 70ern habe ich jedes seiner Bücher gelesen und es gibt wenige Autoren, denen mein Denken und Schreiben so viel schuldet wie RAW. Was ist Realität? Was ist Bewußtsein ? Was ist “Ich”?  Wie gehen wir mit Fakten um, die nicht in unseren “Realitätstunnel” passen ? “Ist Gott eine Droge oder haben wir sie nur falsch verstanden?” … das ist das Kaliber der heftigen Fragen, die Wilson ventiliert bzw. im Leser anregt. Und einen immer wieder an den selben Punkt bringt: dass es unsinnig, irrational, naiv ist, Dogmen, Doktrinen, Wahrheiten zu behaupten. Weil wir dabei die Landkarte, die wir uns mit Worten, Begriffen, Symbolen herstellen,  stets mit dem Gelände, der Realität, verwechseln – und deshalb Dinge für wahr halten, die gar nicht existieren, oder sie in Abrede stellen obwohl sie offensichtlich sind.

Aber nicht nur erkenntnistheoretisch sorgten RAWs Werke stets für frische Luft, sie lieferten auch Inspirationen und über den Tellerrand weisende Einsichten, deren visionäre Präzision einem erst im Nachhinein klar wird:

»Beim derzeitigen Stand werden die Illuminaten das amerikanische Volk innerhalb der nächsten paar Jahre unter eine strengere Aufsicht stellen, als es Hitler mit den Deutschen machte. Und das Schönste daran ist noch, dass die Mehrzahl der Amerikaner durch die von Illuminaten gedeckten Terroranschläge so weit in Angst versetzt sein werden, dass sie darum betteln werden, kontrolliert zu werden, wie der Masochist nach der Peitsche wimmert.«

Die Zustände in der Post-9/11 “Patriot Act”-Ära sind in seinem berühmtesten Roman, der Trilogie  “Illuminatus”  , schon ein Vierteljahrhundert vorab genau beschrieben. Wer also mehr über die Gegenwart und Zukunft erfahren will, als in der Zeitung steht, muß nur die alten RAW-Bücher lesen. Zum Einstieg Der neue Prometheus, Die neue Inquisition und dann mit  Cosmic Trigger und  Schrödingers Katze ins Universum nebenan. Sowie die Interviews, Essays und Perlen, mit denen uns die Robert Anton Wilson Week in den nächsten Tagen hoffentlich noch beglückt. Stay tuned und laßt die Lasagne fliegen…

Viel Rauch – und nichts!

Marihuana schadet der Lunge nicht nur weniger als Tabakrauch, es verbessert sogar ihre Funktionen – so das Ergebnis einer jetzt im US-amerikanischen Ärzteblatt JAMA veröffentlichten Langzeitustudie. Bei dieser “Coronary Artery Risk Development in Young Adults” (CARDIA) – Untersuchung wurden  bei 5115 Männern und Frauen seit 1985 regelmäßig die Lungen und das Atemvolumen untersucht. Ein Drittel der Probanden rauchte gelegentlich oder regelmäßig Marihuana und zeigte – anders als die TabakkonsumentInnen – auch nach 20 Jahren keine Einschränkungen der Lungenfunktionen und Atemkapazität. Zum Erstaunen der Forscher  wurde in der Marihuana-Gruppe sogar ein Anstieg des Lungenvolumens und der Kapazität festgestellt. Eine  Erklärung für dieses Phänomen haben die Wissenschaftler nicht gefunden – außer dem eher fragwürdigen Hinweis, dass  beim Marihuanakonsum fester am Joint gezogen wird als beim Tabakrauchen an der Zigarette und die Lunge sich deshalb auf Dauer ausdehnt.
Diese Ergebnisse, kommentiert das Deutsche Ärtzteblatt die Studie, “bedeuten nun nicht etwa, dass Marihuana unschädlich ist.” Auch wenn es aus lungenärztlicher Sicht keine Bedenken mehr gegen den medizinischen Einsatz  von Cannabis zur Behandlung von Schmerzen Appetitmangel oder Stimmunstsörungen gäbe, müßte berücksichtigt werden, dass  der “langfristige Konsum vor allem bei jungen Menschen mit der Entwicklung von mentalen und psychotischen Störungen in Verbindung gebracht wird.”
In der Tat ist Cannabis bei etwa 1 % der Bevölkerung, die an einer latenter Psychose leiden, kontrainduziert, was sowohl für Patienten als auch für Genußkonsumentinnen gilt. Doch die im  Zuge der Dämonsierungswelle immer wieder aufgetischte Warnung, dass Hanfrauch noch viel schädlicher sei als Tabakrauch und schon deshalb verboten gehört,  sollte mit dieser Studie endgültig vom Tisch sein.  Die Bedeutung von “einen durchziehen”  (wenn es nicht wie in europäischer Unsitte mit einer Tabakmischung geschieht)  könnte statt mit üblem Gequalme eher mit einer Wohltat für die Atemwege assoziiert werden – zumal wenn beim Cannabiskonsum, wie im medizinischen Bereich und gesundheitsbewußten Privathaushalten schon weit verbreitet, gar kein Rauch mehr entsteht, weil das Marihuana oder Haschisch in einem Verdampfer (Vaporizer) nur noch auf 185 Grad erhitzt wird. Inhaliert werden nur noch die verdampften aromatischen Öle und der darin enthaltene Wirkstoff  Tetra-Hydro-Cannabinol (THC).

Dass der Wirkstoff THC  krampflösende Wirkung ist seit Jahrtausenden bekannt  und der Grund für die weltweite Verwendung von Cannabis als Medikament. Dass dieser lösende, öffnende, entspannnede Effekt auch auf die Bronchien wirkt, weiß man ebenfalls schon lange. “The better the cough, the better the gras” pflegte der amerikanische “Hanfpapst” Jack Herer deshalb zu sagen, wenn sich jemand nach dem Zug an seinem Joint vor Husten auschüttelte: “Je besser der Husten, desto besser das Gras”.  Anders als Tabak, der die Bronchien verschließt,  befördert der Hanfhusten den Dreck nach außen. Insofern  sind die Ergebnisse dieser Studie  dann auch gar nicht mehr überraschend , sie entdecken nur einmal mehr ein Wissen, dass in der Geschichte und im Untergrund schon lange vorhanden war.

Umso gebotener scheint, dass dieses nunmehr wieder allgemein anerkannte Wissen in Politik und Gesetzgebung Berücksichtigung findet. In der allgemeinen Drogenpolitik, die ihre Hauptbeschäftigung immer noch in der Jagd auf Cannabis hat, und noch dringender im Umgang mit Patientien, denen der medizinische Gebrauch von Cannabisblüten nach wie vor gesetzlich verboten wird. Doch schwer kranke Menschen zu zwingen,  synthetisch hergestelltes THC für 150 Euro zu kaufen – ein Schmerzpatient kommt so auf Kosten von bis zu 500 Euro im Monat – obwohl sie ihr Medikament für einen Bruchteil des Geldes auf dem Balkon oder im Garten wachsen lassen könnten, –  solche Schikanen werden nach dieser neuen Studie noch ein Stück schwieriger zu begründen sein.

 

Der neue 9/11-Schuldige: Iran

Kurz vor Weihnachten hat ein Gaga-Richter eines Bezirksgerichts in Manhattan ein Urteil gefällt, das Iran 100 Milliarden Dollar Schadensersatz aufbrummt – wegen Mittäterschaft/Mitwisserschaft der 9/11-Verbrechen. Handfeste Beweise für diese steile Theorie gab es zwar nicht, aber ein paar dubiose Zeugen und “Experten” reichten dem Richter, um sein Urteil zu sprechen. Und den Medien, um die Kriegstrommel  ein bißchen lauter zu schlagen. Für einen unerklärten Krieg, der, wie der höchstwahrscheinlich  vom Mossad ermordete iranischen Atomphysiker zeigt, auch schon mit Bomben geführt wird.
Gleichzeitig wird gemeldet, dass die US-Armee in Georgien im Eiltempo Militärhospitale bauen läßt, was darauf hindeutet, dass noch mehr folgen wird als nur Mordanschläge. Obwohl der US-Verteidigungsminister gestern in der “New York Times” mit seiner Antwort auf die Frage, ob der Iran an Atomwaffen arbeitet, zitiert wird .- sie lautete “No”! -; und obwohl auch schon zwei Sicherheitsberichte  aus den Jahren 2007 und 2010 zu demselben Ergebnis kommen. Aber Fakten – seit den WMD des Irak offensichtlich – tun bekanntlich nichts zur Sache.  Denn die Pre$$titues machen alles mit, was der militärisch-industrielle Komplex vorgibt.  Die gigantischen Umsatzuwächse seit 9/11  können nicht gehalten werden, der Koloss giert weiter nach Futter, also muß in der Church of Fear jetzt von allen Kanzeln gepredigt werden: wer der Feind ist und dass man ihn nur mit Krieg los wird. Und wenn er keine Atomwaffen hat, und auch in zehn Jahren keine haben wird, dann hängen wir ihm medial einfach 9/11 an. Hat bei Saddam  doch auch schon 1a geklappt…

Der mit dem Wulff tanzt


Wie “Bild” und die Pressemeute den Bundespräsidenten am Nasenring durch die Manege ziehen, wie Diekmann mit dem Wulff tanzt und dieser sich vollkommen blöde selbst immer weiter in den Schlammassel reitet – mit dieser Gossenkomödie ist die Krise der Repräsentation auf einem Tiefpunkt angelangt. Auch wenn die Glaubwürdigkeit der Politik und der Medien seit Jahren nur einen Trend kennt – nach unten – derart unter Niveau ging es selten zu: das Blut,-und Sperma-Blatt “Bild” als Hort des sauberen Journalismus und Hüter der Verfassung, der oberste Repräsentant des Staats als Depp der Nation und das Ganze seit Wochen in den Top-Nachrichten. Ich wollte diesen Zirkus eigentlich ignorieren, denn es ist bei den heftigen weltweiten Währungskrisen und Skandalen ja nun wahrlich ein Nebenkriegsschauplatz. Aber die Medien haben Blut geleckt und legen nach. Jetzt wird gemeldet, dass sich Wulff auch beim Verlagschef Döpfner telefonisch beschwert haben soll. Ja so was aber auch – als ob nicht jeder, der nur  mal ein Praktikum bei einer Lokalzeitung  gemacht hat, wüßte, dass Bürgermeister, Unternehmer und Honorationen sich über Artikel beschweren, sie verhindern wollen, Korrekturen fordern und mit Konsequenzen drohen. Dem Chefredakteur, dem Verleger und den Reportern selbst.  Derlei Konflikte sind normaler, selbstverständlicher Alltag im Journalistengeschäft  – von der kleinen Provinzzeitung bis zum großen Boulevard-Blatt, vom Vorsitzenden  des Karnickelzüchtervereins bis zum Bundespräsidenten. Und ebenso normal ist es auch, dass sich die Querulanten und Beschwerdeführer dabei im Ton vergreifen. Das sollte einem BuPrä weniger passieren als einem lokalen Vereinschef, aber hey, wir leben doch schon länger in einer Kumpeldemokratie, wo der Christian beim Carsten Urlaub macht, sich von Gert Kohle leiht und dann dem Kai  eben auch mal – alea iacta est  – die Leviten liest. Das alles auf dem AB und damit for the record zu hinterlassen ist dumm und sollte einem BuPrä nicht passieren, aber wegen Dummheit ist bekanntlich noch nie ein Politiker zurückgetreten.  Dass er wegen dieses Fauxpas nun aus dem Amt gemobbt wird, weil er mal drei Sätze gegen das Finanzcasino und für die Integration des Islam losgelassen hat, können nur Diplom-Paranoiker vermuten – wenn sie die Frage ausblenden wie er zuvor  überhaupt ins Schloß Bellevue gekommen ist.

Wer von diesem Fall nun die  “Pressefreiheit” bedroht sieht,  hat das Geschäftsmodell der Presse nicht verstanden, die den Platz zwischen den Anzeigen verkaufen und dafür möglichst jeden Tag eine neue und möglichst fette Sau durchs Dorf treiben muß – was mit Sex, Crime und Sensationen weit leichter machbar ist als mit umfassender, wahrheitsgemäßer, aufklärender Berichterstattung.  Etwa über die allfällige Korruption in Politik und Medien.  So aber wird jetzt einen Korruptions-Mücke zum Elefanten im Porzellanladen der Ehrbarkeit und Amtswürde. Die bei der durchgeknallten ZDF-Redakteurin Schausten schon so weit gehen, dass sie für das Übernachten bei Freunden 150 EURO für angemessen hält – aber den Presserabatt beim Handytarif, Autokauf, Flug etc. etc.  nehmen wir natürlich weiter gerne mit.

Das Schöne an dieser ganzen Farce, die Wulff das Amt kosten könnte, ist, dass es seit dem Wochenende einen äußerst passablen Nachfolgekandidaten gibt. Kein Oberpaffe wie der grauenhafte Gauck, keine Supermutter der Nation wie Zensursula von der Leyen und auch kein halbwegs skandalfreier Hinterbänkler aus irgendwelchen Parteisümpfen, sondern ein Mann des Volkes, einer, der sich als Einzelkämpfer bei der Bundeswehr ebenso bewährt hat wie als Repräsentant auf großer Bühne und als Vertreter  der fast in Vergessenheit geratenenen  Traditionen der Aufklärung und Humanität wie geschaffen ist, diesen guten deutschen Geist endlich wieder zu repräsentieren – und sei es nur bei seiner Kandidatenrede vor der Bundesversammlung. Die “Piraten” wollen ihn nominieren, ob er annimmt steht dahin – doch die Herzen und Hirne der Republik werden ihm zufliegen: Georg Schramm For President!

Dran bleiben!

Die Berichterstattung über LSD entspricht in der Regel derjenigen eines Außerirdischen, der seine Recherchen über den Straßenverkehr der Erdlinge nur auf Unfallstationen durchführt und selbst nie in ein Auto gestiegen ist. Insofern wundert es dann nicht, wenn viele Millionen wunderbarer, unfallfreier Reisen in diesen Berichten einfach nicht vorkommen, sondern nur ein Horrotrip nach dem anderen samt seinen  gar schröcklichen Folgen. Dass Alkohol an einem einzigen Wochenende weltweit mehr Unfälle und Horror verursacht als LSD seit seiner Entdeckung 1943 bleibt in den Berichten über die “Wahnsinnsdroge” LSD ebenfalls regelmäßig ausgespart.
Bei seiner Arbeit mit dem Mutterkorn, einem auf Roggen wachsenden Pilz, entdeckte Albert Hofmann 1938 den Wirkstoff, dem es seinen Namen verdankt und der als “Methergin” in allen Kreisssälen der Welt zum Standardmediakment der Geburtshilfe wurde. Fünf Jahre später entschloß er sich – einer merkwürdigen Ahnung folgend – eine dieser Lysergsäure-Verbindungen noch einmal herzustellen und entdeckte “zufällig”  die stärkste bewußtseinserweiterende Substanz überhaupt: einen geistigen Geburtshelfer.
Als wir uns am 11. Januar 2008 an Albert Hofmanns 102. Geburtstag nach meinem Besuch zum Geburtstagskaffee verabschiedeten, hatte er mich umarmt und gesagt “Du mußt auf jeden Fall weiter schreiben!” – und als wir das Haus verliessen kamen mir die Tränen, weil ich wußte, dass das mein letzter Besuch bei ihm war. Und dass ich nie mehr das Glück haben würde, dass ein so weiser Gelehrter und wunderbarer Freund meine kleinen Bücher liest und mit mir darüber spricht.
Dass der “Tagesanzeiger”  heute (ein Merci nach Züri für den Scan an Tom) den berühmten Schweizer Wissenschaftler und die verbotenste aller Drogen zu einer  witzigen Eigenanzeige zusammenrührt, hätte ihn wahrscheinlich ebenso amüsiert wie alle James Hendrix Fans . Die Frage des “Tagi” ist indes einfach zu beantworten: Millionen wären nie drauf gekommen! Wir bleiben dran.

PS: Neu erschienen – und demnächst noch ausführlich zu würdigen – ist jetzt eine Biograhphie “Albert Hofmann und sein LSD” von Dieter Hagenbach und Lucius Werthmüller. Wer sich fundiert und sachlich über das Thema informieren will, ist mit diesem Werk allerbestens beraten.

Jenseits des Rubikon

Noch ziert sich die “Bild”-Zeitung, den Wortlaut des Bundespräsidenten auf dem AB des Chefredakteurs zu veröffentlichen – weil Christan Wulff eine diesbezügliche Anfrage abgelehnt hat.
Aber so geht’s ja nicht. Schließlich ist der BuPrä eine öffentliche Person und was die dem Bild-Chef zu sagen hat eine öffentliche Angelegenheit. Deshalb leaken wir hier den O-Ton vom AB Kai Diekmanns exklusiv