Für habilitierte Verschwörungstheoretiker ist es ja durchaus erfreulich, wenn ihr vormals exotisches Fachgebiet auf derart wachsendes Interesse stößt, dass sie nahezu täglich auf sämtlichen Nachrichtenkanälen vorkommen: konspirologische Analysen, unbewiesene Indizienketten verschwörungstheoretische Hypothesen – vor wenigen Jahrzehnten noch lichtscheue Raritäten nach denen die Forschung akribisch Ausschau halten mussten – sind in Massen auf freier Wildbahn unterwegs. Gleichzeitig ist der Begriff “Verschwörungstheorie” zu einer Diskurskeule geworden, die zwecks Desinfektion des Meinungskorridors und Beseitigung unpassender Nachrichten mittlerweile so inflationär zum Einsatz kommt, dass zur Vermeidung von Penetranz auch Varianten wie “-legende” /-“erzählung”/”- mythos”/ “ideologie” in Umlauf gebracht wurden. Dass Vertreter unseres Fachs im Zuge der allgemeinen Genderisierungverordnung mittlerweile korrekterweise “Verschwörungstheoretisierende” genannt werden müssen, ist mir zwar noch nicht präsent, wird aber sicher kommen, da außer Männern und Frauen schließlich alle 26 (?) Geschlechter dazwischen und darüber hinaus dem konspirativen Denken anheim fallen können.
Wie auch immer, als neue Normalität haben wir die paradoxe Situation, dass Verschwörungstheorien einerseits zu einer führenden Diffamierungsvokabel avanciert sind, andererseits aber als “Nachrichten” in den selbsternannten “Qualitätsmedien” permanent verbreitet werden. Das Verschwörungsmärchen “Russiagate” zum Beispiel, dass Putin die US-Wahl manipuliert und Trump ins Weise Haus gebracht hat, war über fünf Jahre und allen Ernstes Top-News der “seriösen” Medien. So wie während der Pandemie die Behauptung, dass Lockdowns notwendig, Masken wirksam und Impfstoffe sicher sind – und nur staatsfeindliche “Verschwörungstheoretiker” Zweifel an den “Maßnahmen” haben. Oder das Laptop des missratenen Präsidentensohns Hunter, von dem Dutzende FBI,-CIA,-Regierungsbeamte einfach behaupten, es sei “russische Desinformation”, anstatt den schriftlichen Beweisen für die kriminelle Korruption der Biden-Familie nachzugehen. Oder, oder, oder… die Liste würde zu lang, aber wir merken uns: Verschwörungstheorien/legenden/erzählungen können völlig fiktiv und haltlos sein, wenn sie ins offizielle Narrativ passen und nur oft genug wiederholt werden, gehen sie als real und wahr durch. Willkommen in Brainwashington D.C.
Dort hatten angesichts der Meuterei von Prigoschin schon die Sektkorken geknallt, verfrüht, wie sich nach zwei Tagen herausstellte, aber willkommener Anlass, mit einer Kanonade von Headlines und Breaking News die faktenfreien Legenden von “Russlands Schwäche” und “Putins Niedergang” aufgefrischt zu wiederholen. Jenseits des neuen Eisernen Vorhangs schossen ebenso wilde Theorien von Prigo als Agent von MI6/CIA ins Kraut, den Putin auf keinen Fall laufen lassen darf, während hierzulande russophobe Kriegshetzer wie der Olivgrüne Fücks schon zum Regime Chance in Moskau blasen. Verschwörungen und Verschwörungstheorien wo man hinschaut, nur die Fakten, die Realität und eine halbwegs objektive Darstellung derselben in den Medien…bleiben außen vor.
Dabei braucht es gar keine großen Spekulationen für eine Erklärung der Prigoschin-Show, sie war kein Putsch, kein Coup, keine Revolte und schon gar kein Aufstand gegen Putin, sondern – wie Jacques Baud schlüssig erläutert – ein Arbeitskampf. Der Vertrag zwischen Prigoschins Sicherheitsfirma “Wagner” und dem Verteidigungsministerium für den Einsatz in Bachmut war Ende April ausgelaufen, im Mai begannen seine Video-Tiraden gegen Minister Shoigu und die Armee und dann sein “Marsch auf Moskau” der nie einer war, sondern eher eine wilde Streikdemonstration, bei der statt Bergleuten mit Schaufeln Soldaten mit Waffen demonstrierten. Mit dieser Nummer ist “Putins Koch” bei seinen Verhandlungen um Anschlussverträge dann aber zu weit gegangen. Er wurde als CEO von “Wagner” abserviert und seine Kämpfer in die reguläre Armee aufgenommen. Das war´s. Nur hoffnungslose Propagandaopfer konnten da an den Start einer hollywoodreifen “Farbenrevolution” glauben, die unter Führung des Ex-Juwelenräubers Prigo mit ein paar hundert Mann den Ultrabösen aus dem Kreml vertreibt. Falls MI6 und/oder CIA tatsächlich hinter der Meuterei steckten, wären sie ihrer infantilen Ignoranz und eigenen Desinformation zum Opfer gefallen. Wenn Schlitzohr Prigoschin ihnen aber schon einen stattlichen Vorschuss auf die kommende “Revolution” abgeluchst hätte, um sie dann umgehend wieder abzublasen – das wäre dann doch einen kinoreife Doppelagenten-Kommödie…
Auf die Lage an der Front, an der NATOstan weiter bis zum letzten Ukrainer kämpfen lässt – auch wenn sie gegen die stärkste Landtsreitmacht der Welt keinerlei Chance habe – hat der ganze Zirkus keinen Einfluss. Der ukrainische Armeechef Zaluzhny, der im Dezember 600 Kampffahrzeuge, 500 Haubitzen und 300 Panzer anforderte (und bekam), drängt jetzt auf Nachschub. Denn, so Bernhard auf MoonOfAlabama, “insgesamt hat die Ukraine in einem Monat mehr verloren, als Zaluzhny im Dezember gefordert hatte, und mehr, als sie in der Zwischenzeit erhalten hat”. Er schreibt weiter (übersetzt mit deepl.com) :
“Zaluzhny will F-16 und mehr Munition, aber auch mehr von “jeder Waffe”. Hier liegen die Probleme:
Wenn Zaluzhny seine F-16 bekommt, wird er sofort feststellen, dass die russische SU-35 ihnen bei weitem überlegen ist. Ihr Radar kann weiter sehen als das der F-16, und ihre Langstreckenraketen über dem Horizont können die F-16 killen, bevor sie überhaupt eine Chance haben, ihre eigenen abzufeuern.
Der “Westen” ist derzeit nicht in der Lage, so viel Munition zu produzieren, wie die Ukraine abfeuern will. Und während die USA noch einige Bradleys und Abrams-Kampfpanzer in ihren Reserven haben, sind die Depots für “jede Waffe” in anderen NATO-Ländern bereits leer. Es gibt keine Panzer, gepanzerten Fahrzeuge oder Haubitzen mehr, die sie verschenken könnten. Insgesamt gibt es einfach nicht genug, um die Verluste zu ersetzen, die die Ukraine täglich hat. Währenddessen produziert Russland bereits mehr von jeder Waffe, als das Militär für seine täglichen Operationen benötigt.Die Ukraine hat keine Chance, diesen Kampf zu gewinnen oder auch nur ihre derzeitigen Positionen zu halten. Das war leicht vorauszusehen und vorherzusagen. Diejenigen, die die Ukraine dazu gedrängt haben, sollten für das mörderische Gemetzel, das sie verursacht haben, verurteilt werden.
Die Ukraine muss mit Russland Frieden schließen. Ja, das wird mit Bedingungen verbunden sein, die nicht leicht zu schlucken sind. Dennoch gibt es keinen anderen Ausweg. Den Kampf fortzusetzen, mit immer größeren Verlusten an Menschen und Land, ist keine nachhaltige Alternative.”
Dem kann ich mich nur anschließen. Das mörderische Gemetzel muss aufhören. Die Ukraine war schon im April letzten Jahres verhandlungsbereit, NATOstan, Joe Biden und Boris Johnson – wie sein Vorgänger “Phony Tony” Blair ein Kriegsverbrecher – haben den Ukrainern einen schnellen Sieg mit westlichen Wunderwaffen versprochen und sie gnadenlos in den aussichtslosen Kampf getrieben. Dabei geht es nicht um die Rettung der “Demokratie” – von der in der Ukraine seit dem Putsch 2014 ohnehin keine Rede mehr sein kann – sondern darum, Russland zu ruinieren, China zu unterwerfen und die US-Kontrolle über die globale Ökonomie zu zementieren.
Und die Vasallen in Europa an die Kandare zu nehmen, sie von billiger Energie abzuschneiden, ihre Arsenale zu leeren und zum Kauf von neuen und mehr Waffen zu treiben. Wenn die Europäer nicht checken, dass neben den geschlachteten Ukrainern sie die Dummen sind in diesem Great Game, sind sie einfach nicht zu retten…
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Zuletzt erschienen:
Mathias Bröckers : Vom Ende der unipolaren Welt, Fifty-Fifty (Oktober 2022), 288 Seiten, 20 Euro
Der internationale Bestseller über die Geschichte und Hintergründe des Ukraine-Kriegs:












