JFK und die Glaubensgemeinschaft der “magischen Kugel”.

Broeckers_JFK_web-1Gestern hat die “Washington Post” nochmals ein langes AP-Feature veröffentlicht, das schon im Mai 2013 publiziert wurde und das ich in meinem JFK-Buch als phänotypisches Beispiel für die “faktenfreien Verlautbarungen der Glaubensgemeinschaft der magischen Kugel” kommentiert habe. Dass eines der  angeblich seriösen”Leitmedien” des Landes diesem pseudo-journalistischen Junk ein weiteres Mal seine Seiten öffnet zeugt einmal mehr vom Niedergang der Medien und der zu reinen Propagandamaschinen verkommenen Pre$$titutes. Hier dazu ein  Auszug aus “JFK – Staatsstreich in Amerika”, S. 248 ff.:

Ein Beispiel, was da auf allen Kanälen auf uns zukommen wird, lieferte Anfang Mai 2013 ein langes Feature der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), das in der New York Times, der Washington Post und zahlreichen weiteren Zeitungen gedruckt wurde. Dessen These:
Es sei allein die »Verschwörungstheorie-Industrie«, die die Zweifel am Einzeltäter Oswald hochhalte und damit seit 50 Jahren »Kasse macht«. Ganz im Sinne der CIA-Anweisung von 1967 wird hier schon in der Überschrift (»Five decades after JFK’s assassination, the lucrative conspiracy theory industry hums along«) die Pejorativvokabel »Verschwörungstheorie« mit dem niederem Motiv der Geldmacherei zusammengebracht – um dann aber mit ganzen zwei Beispielen für die angeblich brummende Industrie aufzuwarten: Mark Lanes Bestseller Rush to Judgment von 1965 und Oliver Stones Film JFK von 1992. Diese Jahrzehnte alten Werke sind zwar durchaus nach wie vor empfehlenswert, aber man tut ihnen zu viel Ehre an, wenn man den Unglauben der Bevölkerung an den Einzeltäter Oswald auf sie zurückführt. Andere Beispiele lukrativer Verschwörungsbestseller hat der AP-Autor Allen Breed offenbar nicht auftun können, und eine kurze Recherche über die Entwicklung des Glaubens bzw. Unglaubens an die offizielle Legende hätte die Behauptung seiner Überschrift denn auch sofort ad absurdum geführt.
Nach einer Umfrage, die Ende November 1963 wenige Tage nach dem Mord von Demographen der Uni Chicago durchgeführt wurde – als noch keines dieser Produkte der »Verschwörungstheorie-Industrie« auf dem Markt war, die geniale Polizei in Dallas und das FBI den Fall aber schon »aufgeklärt« hatten –, glaubten 62 Prozent der über 1000 befragten US-Bürger, dass mehr als ein Täter für den Mord verantwortlich ist, nur 24 Prozent hielten Oswald für den Alleinschuldigen.Es waren (und sind) also nicht perfide Einflüsterer einer lukrativen Industrie, die Zweifel an der Einzeltätertheorie säen, es waren (und sind) die Umstände dieses Mords und seiner Nicht-Aufklärung selber, die den gesunden Menschenverstand an Oswald und seiner magischen Kugel zweifeln lassen. Die Zahlen haben sich denn auch, wie eine aktuelle AP-Umfrage im April 2013 zeigt, nicht groß verändert: Nach wie vor glauben über 60 Prozent der Amerikaner an eine Verschwörung, und nur ein Viertel hält Oswald für den Einzeltäter. Und dies, obwohl der Warren-Report seit fünf Jahrzehnten von allen Kanzeln und Kanälen als heilige Schrift und historische Wahrheit gepredigt wird – und trotz der vom Mainstream hochgejubelten und tatsächlich lukrativen Megaseller wie Killing Kennedy, dase Buch des ultrarechten Moderators Bill O’Reilly, von dem in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 in den USA ein Million Exemplare verkauft worden sind.
An dieser Diskrepanz zwischen dem mit massenmedialer Autorität verbreiteten Dogma und einer nach wie vor ungläubigen, skeptischen Bevölkerung hätte echter Journalismus anzusetzen – informierend, analysierend, erklärend. Dieses AP-Stück aber, das die sogenannte Qualitätspresse des Landes ungeniert verbreitet, tut das Gegenteil: Es erfindet Fakten wie eine »brummende Verschwörungstheorie-Industrie«, es verdreht die Realität, in der sich Antiverschwörungsbücher wie O’Reillys Machwerk millionenfach verkaufen, und es ignoriert die Tatsache, dass Regierung, CIA und FBI seit 50 Jahren keine überzeugende Erklärung für den Mord an JFK liefern können. Es deklariert damit die rational und skeptisch denkende Mehrheit der Bevölkerung zu Idioten und erklärt den irrationalen Glauben an verrückte Einzeltäter und magische Kugeln zur allein seligmachenden Wahrheit.
Da zu befürchten steht, dass wir zum Jahrestag des Kennedy-Mords mit derlei pseudojournalistischen Ergüssen regelrecht bombardiert werden, gilt es, sich gegen diesen Propagandafeldzug zu immunisieren. Ein erster Schritt kann darin bestehen, dass man der Inflation des diffamierenden Dummworts »Verschwörungstheorie« Rechnung trägt, es als Währung in der Debatte schlicht nicht mehr akzeptiert und überall dort, wo es im Zusammenhang mit den Morden an JFK, MLK und RFK auftaucht, »Staatsverbrechen gegen die Demokratie« einsetzt. Was nicht nur den Vorteil hat, dass aller spekulativer Hokuspokus von Elvis bis zu den Marsmännchen außen vor bleibt, sondern dass die Erörterung dieser ungeklärten Verbrechen auch in dem notwendigen politischen Kontext stattfindet und sich nicht in verwirrenden Mikroanalysen verliert. Denn entscheidend sind ja nicht einzelne Details – etwa die Frage, ob JFKs maßgeschneidertes Jackett beim Winken während des Autokorsos um acht Zentimeter hochgerutscht ist oder ob die Eintrittswunde im Obduktionsbericht nach oben manipuliert wurde, um auch die fünf Verletzungen Conallys mit dieser Kugel zu erklären. Entscheidend ist die schiere Masse dieser Ungereimtheiten, die als Zufall nicht mehr erklärbar sind, sowie der Kontext, in dem sie stehen.
Es gibt keinen Zweifel, dass die Vereinigten Staaten und die Welt heute anders – gerechter, demokratischer, friedlicher – aus- sähen, wären die drei Reformer nicht gewaltsam daran gehindert worden, ihre Ziele umzusetzen. So aber wurde mit diesen drei Morden innerhalb von fünf Jahren ein neues, ganz anderes Paradigma für die amerikanische Politik gesetzt: Wer der Agenda des militärisch-industriellen Big Business in die Quere kommt, wird gnadenlos eliminiert.

Ströbele meets Snowden

US-(t)-A-United-Stasi-of-America-T-ShirtsDie Grünen sind, seit sie Olivgrün wurden, nicht mehr meine Partei, aber Christian Ströbele hat auch bei der letzten Wahl meine Erststimme bekommen – und das war gut so. Als erster Politiker überhaupt hat er sich heute in Moskau mit Edward Snowden getroffen – und wird dessen Brief an die  Bundesregierung, den Bundestag und den Generalbundesanwalt morgen auf einer Pressekonferenz bekannt machen. Laut Stroebele soll Snowden grundsätzlich bereit sein, als Zeuge bei der Untersuchung der illegalen Ausspähungen zur Verfügung zu stehen. Da die USA, nachdem sie von dem Treffen erfuhren, vorsorglich einen Auslieferungsantrag gestellt haben, wäre Snowden sicher gut beraten, nicht nach Deutschland zu kommen. Als Vasallenstaat der USA kann die BRD nicht für seine Sicherheit garantieren, denn weil CIA, NSA & Co. hierzulande treiben können was sie wollen würden sie wohl auch nicht davor zurückschrecken, sich ihres aktuellen Staatsfeinds Nr. 1  mit Gewalt zu entledigen oder ihn in eines ihrer Foltergefängnisse zu entführen. Was auch immer aus dem Kontakt des Abgeordneten Ströbele mit dem Whistleblower folgen wird  – als Zeichen der Anerkennung für die Courage Edward Snowdens, der als investigative Ein-Mann-Armee mehr geleistet hat als der gesamte Berufsstand derer, die sich “Journalisten” nennen,  war ein solches Treffen mehr als überfällig.

Reclaiming Parkland

Broeckers_JFK_web-1Der umfangreichste, aber trotz 1600 Seiten in keiner Weise überzeugende Versuch, den Einzeltäter Lee Harvey Oswald als Mörder John F. Kennedys zu überführen und  das Ergebnis des Warren-Reports von 1964 zu rechtfertigen, stammt von Vincent Bugliosi und erschien 2007: “Reclaiming History”. Weil Bugliosi ein berühmter Ex-Staatsanwalt und Strafverteidiger ist, erzielte sein gescheiterter Versuch, die Geschichte zurückzugewinnen, große Aufmerksamkeit und Tom Hanks erwarb die Rechte an einer Verfilmung des Buchs. Das Ergebnis, der Film “Parkland”, lief Anfang Oktober in den USA an, und hat sich trotz des bekannten Produzenten und einer Starbesetzung  an der Kinokasse als fundamentaler Flop erwiesen. Das will an sich noch nichts sagen, viele gute Filme waren und sind anfangs kein großer Erfolg und ihre Qualität stellt sich erst später heraus. Doch das wird  dieser Hollywood-Großproduktion, die zum Jahrestag des Mords auf Pro 7 laufen wird, nicht widerfahren, wie schon in meinem letzten Posting zum Thema aufgezeigt. Denn dass  mehr als ein Dutzend Zeugen auf der Notfallstation des Parkland-Hospitals das große Loch in JFKs hinterem Schädel gesehen haben und die Ärzte dies als Austrittswunde identifizierten, kommt in diesem Film nicht vor, genausowenig wie die Aussage des damaligen Autopsie-Fotografen, der dem  vom Kongreß 1994 eingesetzten “Assasination Records Review Board” (ARRB)  bestätigte, dass die im National Archiv lagerenden Fotos vom Schädel des toten Präsidenten NICHT die sind, die er damals gemacht hat. Schon allein diese vom ARRB aufgedeckte Manipulation, die auch Bugliosi in seinem Mammut-Schinken nicht erwähnt, machen Buch und Film zu einem Fall für die Mülltonne. Doch Jim di Eugenio, der mit “Destiny Betrayed: JFK, Cuba, and the Garrison Case” (über die Obstruktion des Garrison-Prozesses durch die Geheimdienste)  und “The Assassinations: Probe Magazine on JFK, MLK, RFK and Malcolm X”  (einer umfangreichen Sammlung von Analysen und Artikeln über diese Morde) schon zwei sehr brauchbare Bücher zum Thema vorgelegt hat, hat in seinem jüngsten Werk “Reclaiming Parkland: Tom Hanks, Vincent Bugliosi, and the JFK Assassination in the New Hollywood” noch viele weitere Punkte aufgeführt, warum die Werke  von Bugliosi/Hanks defintiv gescheiterte Versuche sind. Im folgenden Video steht diEugenio dazu ausführlich Rede und Antwort:

Sweet Lou – RIP!

Schon wieder ist ein großer Meister von uns gegangen- Lou Reed. Hier in memoriam seine beste Platte – oder zumindest die, die ich neben  der wunderbaren und soften “Coney Island Baby” am meisten gehört habe. Vor allem das Eröffnungsstück “Sweet Jane”  mit dem grandiosen Intro seines Gitarristen Steve Hunter, das sich langsam und genial an das zentrale Motiv heranschleicht, es umspielt, andeutet, phrasiert…und dann kickt der Rif ein, ein beethovenartiger Hammer, Rock’n Roll at it’s best.

Die JFK-Desinformation “Parkland”

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Der 50. Jahrestag des Kennedy-Mords rückt näher und die Mainstream-Medien bereiten sich auf den großen Doppelschlag vor: die Apologie des Märchens vom Einzelschützen Lee Harvey Oswald auf der einen und die Diskriminierung jeder Widerlegung dieser Legende als Verschwörungstheorie bzw. das Wiederkäuen der besonders abstrusen Hypothesen über die Tat und den Täter, um damit pars pro toto jede Kritik an der offiziellen Geschichte ins Lächerliche zu ziehen. Bezeichnend für diese Doppelstrategie ist das Programm, das der TV-Sender Pro 7 für den 22. November ankündigt: zuerst wird der von Tom Hanks produzierte Film “Parkland” gezeigt, der die Rettungsversuche auf der Notfallstation des Parkland-Hospitals in Dallas dramatisiert und den Zuschauern unter der Hand den Einzelschützen Oswald verkauft – und dann wird mit der Dokumentation “JFK: The Smoking Gun” die ebenso alte wie abstruse Story aufgewärmt, nach der ein Bodyguard aus dem Wagen hinter der Präsidentenlimousine JFK den tödlichen Schuss abgegeben haben soll. Aus Versehen…
Neben den Massen von derlei aufwändig gequirltem Schwachsinn, mit denen die Hirne von Zuschauern und Lesern zum Jahrestag kontaminiert werden, gibt es  aber auch einige sinnvolle und erkenntnisfördernde Publikationen und Veranstaltungen, wie etwa die dreitägige Konferenz in Pittsburgh Mitte Oktober, die kein  irreführendes Re-Enactment wie der “Parkland”-Film präsentierten, sondern Robert McClelland zu Wort kommen lassen, der als erster Arzt den tödlich verletzten Präsidenten im Parkland-Hospital in Empfang nahm und das klaffende Loch im linken hinteren Schädel Kennedys eindeutig als Austrittswunde identifizierte – und nicht, wie der am Tag danach im Militärhospital in Washington erstellte Obduktionsbericht als Einschußloch. Dass es sich bei diesem Bericht, ebenso wie bei den im Nationalarchiv lagernden Fotos und Röntgenbildern um manipulierte Fälschungen handelt, wie die Kommission des “Asassinnation Records Review Board” Ende der 90er Jahre herausfand, wäre ein höchst brisanter Stoff für etliche TV-Dokus und Hollywoodstreifen – doch der kommt bei Pro7 und anderswo selbstverständlich nicht vor. Ebenso wenig wie die klaren und eindeutigen Aussagen der hinter der Limousine fahrenden Motorradpolizisten Hargis und Martin: ihre Windschutzscheiben und Brillen waren nach den Schüssen von Blut und Gehirnteilen verschmiert.  Was von der Warren-Kommission notgedrungen ignoriert wurden, gleichwohl aber in der 26-bändigen Dokumentation der Zeugenaussagen nachlesbar ist – und logischerweise nur den Schluss zuläßt, dass der tödliche Schuss nicht von hinten gekommen sein kann – wo Oswald aus dem  Schulbuchlager gefeuert haben soll  – sondern von vorne rechts, vom “grassy knoll”. Mehr als diese Beweise von zwei Tatzeugen braucht es eigentlich nicht, um die Story von “lone gunman” Oswald  als Märchen zu entlarven – weil dies seit 50 Jahren nicht geschieht habe ich mein Buch über den Kennedy-Mord geschrieben, das als wirksames Gegengift zu der anstehenden Desinformations-Orgie hiermit nochmals empfohlen sei…

Immer radikal, niemals konsequent – Jörg Schröder zum 75.

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Werber, Vertriebsmann, Verleger, Gestalter, Hersteller, Herausgeber, Aktionskünstler, Autor, Erzähler, Blogger… Dies sind  nur einige der Tätigkeitsfelder, die sich als Berufe oder Berufungen dieses Mannes aufzählen lassen, und für viele, ja für die meisten Menschen, reicht ein Leben für die Bewältigung dieser multiplen Tasks vermutlich nicht aus –  Jörg Schröder aber, der am 24. Oktober  seinen 75. Geburtstag feiert, hat sie nicht nur schon alle mit Bravour (und der hohen Kunst des erfolgreichen Scheiterns) gemeistert, er ist auch nach wie vor munter dabei. Gerade ist mit “Kriemhilds Lache” sein neuestes Buch erschienen, mit Auszügen aus dem kulturhistorischen Mammutwerk “Schröder erzählt”,  an dem er mit seiner Kooperateurin und Lebenspartnerin Barbara Kalender seit 1990 arbeitet.

1311_LViermal im Jahr erreichen die im Desktop-Publishing liebevoll hergestellten Folgen  etwa 350 Subskribenten der Serie, die mittlerweile auf  über 3.000 Seiten angewachsen ist. Dass sie im Buchhandel nicht erhältlich ist, hat einen guten Grund, denn Schröder erzählt nichts Fiktionales, sondern Realgeschichte, er deutet nicht an, sondern nennt Ross und Reiter beim Namen – und das brachte ihm, nachdem er Ernst Herhaus 1972 in “Siegfried” erzählt hatte, wie es unter der Gürtellinie des hochmögenden Literatur- und Kulturbetriebs zugeht, eine Masse an Unterlassungsklagen und Zensurforderungen ein, deren Akten ganze Regalmeter füllten. Sachlich und zurückhaltend zu bleiben, wo es doch auch direkt und persönlich geht, war Schröders Sache nicht – und so erfand er für “Schröder erzählt” den literarischen Direktvertrieb und ist seitdem von Gerichtsklagen verschont geblieben. Die ersten Geschichten unter diesem Titel erschienen schon ab November 1982 gelegentlich  in der taz, die von Schröder damals vor einer Klage bewahrt wurde, die sein Ko-Autor Uwe Nettelbeck angedroht hatte. Der Grund: wir hatten eine Schröder-Geschichte über amerikanische Atomwaffen in Vogelsberger Wasserwerken nachgedruckt, die in Uwe Nettelbecks Zeitschrift “Republik” erschienen war – und dies nicht nur ungefragt, sondern auch mit so zahlreichen Sazzfehlern gespickt, dass der penible Republik-Herausgeber schier ausrastete und mit dem Kadi drohte. Der ebenfalls im Vogelsberg lebende taz-Autor Helmut Höge schaltete Schröder als Vermittler ein, der uns das Copyright nachträglich gewährte. So kamen wir nicht nur mit einem fehlerfreien Zweitdruck davon, sondern fuhren in der Folge  auch öfter nach Fuchstal-Leeder, um uns Schröders Geschichten direkt für die taz erzählen zu lassen. Jörg-Schröder.jpg

Kurz zuvor hatte er den von ihm am 18. März 1969 gegründeten legendären “März”-Verlag, den Karl-Heinz Bohrer 1972 als “den kulkturrevolutionären Verlag der BRD”  beschrieben hatte, und der dennoch (oder deswegen?) schon zweimal in die Insolvenz gegangen war, zum dritten Mal wieder gegründet – und hätten Schröders Hyper-Aktivismus und der bukowskische Lebensstil seiner frühen Jahre 1987 nicht ihren Tribut in Form von zwei Herzinfarkten gefordert, gäbe es den Verlag wohl noch heute. Denn seine Nase und sein Händchen für avantgardistische Literatur, Pop  und Politik hat Jörg Schröder ebensowenig verloren wie seinen wachen Geist,  sein Mundwerk und seinen Humor, mit denen er in seiner seriellen Biographie dem Zeitgeist und der Realität aufs Maul schaut.  So war es selbstverständlich, dass ich, als  zum Blogwart mutierter ehemaliger taz-Kulturredakteur den ehemaligen Verleger (das Foto oben zeigt uns beide auf der Buchmesse 1983) sofort zum Blogger machen wollte, als die taz 2006 ihre Blogs einrichtete, und es war klar, dass ein alter Medienfuchs wie Schröder die Möglichkeiten dieses neuen Mediums sofort erkennen würde. Seitdem schreibt er mit  Barbara Kalender einen der meist gelesenen Blogs auf taz.de. Schon deshalb sind wir dem Jubilar zu Dank verpflichtet, darüber und weit über die taz hinaus haben aber auch Literatur und Kultur in Deutschland dem Lebenswerk Jörg Schröders viel zu verdanken – und so verbeugen wir uns vor dem Geburtstagskind, wünschen Gesundheit, Glück und Segen  und singen im Chor: Ad multos annos!

(Fotos: Barbara Kalender)

Journalismus ? War da mal was…?

Glenn Greenwald, der mit Edward Snowden die wichtigsten Nachrichten der letzten Jahre publiziert hat – neben Bradley Manning und Julian Assange, die dafür im Gefängnis sitzen bzw. damit bedroht sind – wird seinen Job beim “Guardian” aufgeben, und in eine neues, noch nicht näher bekanntes publizistisches Online-Projekt einsteigen, das der millionenschweren ebay-Gründer Pierre Omidyar finanzieren will. Das klingt gut, auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein könnte, denn auch mit vielen Millionen wird gegen den milliardenschweren Mainstream des Bullshit-Infotainments nur schwer anzukommen sein. Wie arg das, was sich mal unabhängiger Journalismus nannte, auf den Hund gekommen ist, hat Greenwald gerade am Beispiel einer Kolumne eines Redakteurs des britischen “Independent” beschrieben, der meint, dass er Ed Snowdens Informationen über die NSA nicht veröffentlicht hätte, weil die Sicherheitsbehörden meinten, dies sei nicht im öffentlichen Interesse.  Ein perfekteres Armutszeugnis kann man sich als “Journalist” eigentlich nicht ausstellen – und es auch noch ungeniert in die Zeitung zu schreiben zeigt, wie hemmungslos  die “unabhängige”, “freie” Presse zur reinen Pre$$titution – zu Stenographen der Staatsmacht, zu Lohnschreibern und Lautsprechern von Konzerninteressen, zum lügenden Gewerbe –  mutiert ist. So verständlich das einerseits ist – der Redakteur muß schließlich seine Miete oder die Raten für’s Häuschen bezahlen, die Ausblidung der Kinder, den Urlaub, das Auto usw. usf.  – so traurig und bitter ist es gleichzeitig. Denn was dafür auf der Strecke bleibt –   die Suche nach Wahrheit, der Einsatz für Gerechtigkeit, die Kontrolle der Macht – das war und ist ( zumindest auf dem Papier ) der Kern dessen, was sich Journalismus nennt. Und der ist nur dann ein Zuckerschlecken, wenn man ihn nicht ernst nimmt. Tut man das, landet man, wie die oben Genannten,  im Gefängnis oder im Exil oder führt, im besten Falle, eine Existenz als Außenseiter und Freak, denn die Meute der Pre$$titutes hat es nun mal nicht gern, wenn ihnen jemand den Spiegel vorhält und die heißen Eisen anpackt, deren Bearbeitung eigentlich ihnen obläge, wären sie noch echte Journalisten. Das solche in dem neuen Projekt von Omidyar und Greenwald zum Zuge kommen kann man nur wünschen und hoffen…

P.S.: Über eines der heißen Eisen, das Politiker und Journalisten in der Regel erst dann anfassen, wenn sie mit ihrer Karriere abgeschlossen und nichts mehr zu verlieren haben  – die brutale Kontraproduktivität und Permanenz des “war on drugs” – werde ich am Wochenende auf dem “cultiva”-Kongress in Wien sprechen, unter dem Titel meines letzten Buchs zum Thema: Die Drogenlüge – warum Drogenverbote den Terrorismus fördern und der Gesundheit schaden.

Holy Shit (2)

16.10.13 09:16-BildschirmkopieNach der Buchmesse in Frankfurt besuchte ich am Wochenende meine alte Heimatstadt Limburg und pilgerte natürlich auch auf den Domberg, um die weltweit Aufsehen erregende Residenz des “Protz-Bischofs” Tebartz-van Elst anzuschauen. Protzig wirkt diese allerdings gar nicht, sondern von außen betrachtet – mehr ist einem Normalsterblichen derzeit ja nicht möglich – durchaus gelungen. Dass es dennoch absehbar ist, dass TvE, der derzeit in Rom weilt, nicht mehr lange im Amt sein wird, liegt insofern nicht an den Baumaßnahmen und auch nicht an den investierten Millionen, auch ein Erster-Klasse-Flug nach Indien ist für einen kirchlichen Würdenträger im Range eines Staatssekretärs nicht wirklich ein Skandal – dass  Tebartz weltweit als “Skandal-Bischof” zum Thema geworden ist, liegt einzig und allein daran, wie er mit dem Bau und seinem Flug umgegangen ist, nämlich tarnend, tricksend und täuschend. Das – und nicht die Luxusbadewanne – macht ihn als Oberhirten untragbar. Mein kleiner Bericht über den Besuch auf dem Domberg, auf dem ich einen Teil meiner Kindheit verbrachte,  ist heute in der taz erschienen – und weist, wie der letzte Blogbeirtag hier, darauf hin, dass man sich zur Aufklärung dieser Provinzposse nicht weiter auf den offensichtlich an einer narzistischen Persönlichkeitsstörung leidenden TvE konzentrieren muß, sondern auf seinen Verwaltungschef und Generalvikar Kapsar, der nicht nur die Bonusmeilen für den Flug nach Indien spendierte, sondern als Geschäftsführer des “bischöflichen Stuhls” auch für die wunderbare Geldvermehrung beim Bau der Residenz zuständig war.

Holy Shit

08.10.13 20:16-Bildschirmkopie

Mindestens 31 Millionen Euro hat der Bischof von Limburg – Dr. Franz-Peter Tebartz van Elst – verbraten, um sich einen Wohnsitz herrichten zulassen. Zuvor war seine Eminenz schon unangenehm aufgefallen, weil er mit seinem Generalvikar Dr. Franz Kaspar in der First Class nach Indien geflogen war, um armen Slumkindern zu helfen, was er gegenüber einem “Spiegel”-Reporter aber abgestritten hatte – und der Zeitschrift hernach verbieten wollte, dies zu behaupten und eine eidesstaatliche Versicherung abgab, so etwas nie geagt zu haben. Weil aber ein Mitschnitt seiner Aussage existierte wird gegen den Bischof nun in Hamburg wegen eidlicher Falschaussage ermittelt. Denn Tebartz war tatsächlich First Class geflogen, auch wenn er nur ein Bussines-Class-Ticket bezahlte – sein Generalvikar hatte das Upgrade über “private” Bonusmeilen spendiert. Wie der Geschäftsführer einens kleinen Bistums privat zu derartigen Mengen Bonusmeilen kommt, die er sich auf häufigen Flügen nach Bombay und Bangkok erworben hat, ist im Zuge der Affäre bis dato kaum gefragt worden – und wird es wohl auch nicht mehr, den unlängst wurde der Generalvikar mit Dank für sein “segensreiches” Wirken verabschiedet. Wie er freilich die wunderbare Geldvermehrung des auf 5 Millionen veranschlagten Bischofssitzes zustande gebracht und an Kontrollgremien vorbei mindestens 31 Millionen locker machte, um neben der Renovierung von zwei Fachwerkhäusern auch noch eine Privatkapelle samt unterirdischen Gängen und Reliquienschrein auf den Limburger Domberg zu zaubern, dieser Verantwortung  wird sich der Vielflieger Kaspar vermutlich noch stellen müssen. Oder auch nicht – denn dieser Herr ist ein Meister des Tricksens und Vertuschens und hat dies als jahrzehntelanger Leiter des katholischen Kinderheims “Vincenzstift” in Aulhausen bei Rüdesheim häufig unter Beweis gestellt. Seinen dortigen Vorgänger Rudolf Müller wollte er noch 2006 mit einem “Rudolf Müller Haus” auf dem Gelände für sein “segensreiches” Wirken ehren – dieser hatte sich das Leben genommen, nachdem seine jahrelangen Kinderschändungen an die Öffentlichkeit gekommen waren. Dass sein Nachfolger Kaspar mit der berüchtigten “schwarzen Pädagogik” in Aulhausen aufgeräumt hätte – wie das Bistum Limburg behauptet –  ist insofern nichts als fromme PR. Als das Buch des ehemaligen Inssassen Alexander Homes  (“Prügel vom lieben Gott”) 1981 erschien, ging Kaspar mit rechtlichen Mitteln dagegen vor; Eltern, die sich über die Mißhandlung ihrer behinderten Kinder beschwerten, zog er ebenfalls vor Gericht. Tarnen, Täuschen und Abstreiten im Namen Gottes ist die Profession dieses sauberen Ex-Generalvikars und insofern darf man auf die weitere Entwicklung des Falls gespannt sein – denn weniger der durchgeknallte Bischof, den sie wegen seines irren Blicks in Limburg “Bambi” nennen, sondern eher sein Geschäftsführer und Verwaltunsgratsvorsitzender Franz Kaspar ist für die Millionensünde auf dem Domberg verantwortlich. (Und nur ein Schelm denkt Böses dabei, dass der große Beender der schwarzen Pädagogik in Aulhausen bei Kindern in Thailand und Indien permanent Bonusmeilen sammelt.)

Warum mich diese Provinzposse interessiert ? Ich bin in Limburg groß geworden, mein Großvater, der für die Musik im Dom zuständig war und die große Orgel spielte,  wohnte in dem weißen Haus links auf dem Bild ( Foto:  Bistum Limburg), das in den 50ern genauso heruntergekommen war wie das jetzt prachtvoll restaurierte Fachwerkhaus daneben, in dem der Küster wohnte und das größtenteils leer stand. Den schwarzen Klotz dahinter hat sich Tebartz als Privatkapelle errichten lassen, sowie noch weitere Gebäude und einen mit edlen Teichen und Wandelpfaden designeten Privatgarten. Dort hatte mein späterer Religionslehrer, der Pfarrer Vali Löhr, einst seinen Gemüsegarten mit Unmengen Erdbeeren, Möhren, Kohlrabi; Salat usw , die ich zur Erntezeit öfter abholen ging. So kam der auf Kirchenland gewachsene Segen den Schäfchen zu Gute. Jetzt kann der “Luxusbischof” dort noch ein wenig um sein Seelenheil beten, bevor er abtritt – um dann vielleicht in der Bahnhofsmission von “Stuttgart 21” oder auf dem Flughafen BER tätig zu werden. Mit Bausünden kennt er sich ja Bestens aus…