Gestern hat die “Washington Post” nochmals ein langes AP-Feature veröffentlicht, das schon im Mai 2013 publiziert wurde und das ich in meinem JFK-Buch als phänotypisches Beispiel für die “faktenfreien Verlautbarungen der Glaubensgemeinschaft der magischen Kugel” kommentiert habe. Dass eines der angeblich seriösen”Leitmedien” des Landes diesem pseudo-journalistischen Junk ein weiteres Mal seine Seiten öffnet zeugt einmal mehr vom Niedergang der Medien und der zu reinen Propagandamaschinen verkommenen Pre$$titutes. Hier dazu ein Auszug aus “JFK – Staatsstreich in Amerika”, S. 248 ff.:
Ein Beispiel, was da auf allen Kanälen auf uns zukommen wird, lieferte Anfang Mai 2013 ein langes Feature der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), das in der New York Times, der Washington Post und zahlreichen weiteren Zeitungen gedruckt wurde. Dessen These:
Es sei allein die »Verschwörungstheorie-Industrie«, die die Zweifel am Einzeltäter Oswald hochhalte und damit seit 50 Jahren »Kasse macht«. Ganz im Sinne der CIA-Anweisung von 1967 wird hier schon in der Überschrift (»Five decades after JFK’s assassination, the lucrative conspiracy theory industry hums along«) die Pejorativvokabel »Verschwörungstheorie« mit dem niederem Motiv der Geldmacherei zusammengebracht – um dann aber mit ganzen zwei Beispielen für die angeblich brummende Industrie aufzuwarten: Mark Lanes Bestseller Rush to Judgment von 1965 und Oliver Stones Film JFK von 1992. Diese Jahrzehnte alten Werke sind zwar durchaus nach wie vor empfehlenswert, aber man tut ihnen zu viel Ehre an, wenn man den Unglauben der Bevölkerung an den Einzeltäter Oswald auf sie zurückführt. Andere Beispiele lukrativer Verschwörungsbestseller hat der AP-Autor Allen Breed offenbar nicht auftun können, und eine kurze Recherche über die Entwicklung des Glaubens bzw. Unglaubens an die offizielle Legende hätte die Behauptung seiner Überschrift denn auch sofort ad absurdum geführt.
Nach einer Umfrage, die Ende November 1963 wenige Tage nach dem Mord von Demographen der Uni Chicago durchgeführt wurde – als noch keines dieser Produkte der »Verschwörungstheorie-Industrie« auf dem Markt war, die geniale Polizei in Dallas und das FBI den Fall aber schon »aufgeklärt« hatten –, glaubten 62 Prozent der über 1000 befragten US-Bürger, dass mehr als ein Täter für den Mord verantwortlich ist, nur 24 Prozent hielten Oswald für den Alleinschuldigen.Es waren (und sind) also nicht perfide Einflüsterer einer lukrativen Industrie, die Zweifel an der Einzeltätertheorie säen, es waren (und sind) die Umstände dieses Mords und seiner Nicht-Aufklärung selber, die den gesunden Menschenverstand an Oswald und seiner magischen Kugel zweifeln lassen. Die Zahlen haben sich denn auch, wie eine aktuelle AP-Umfrage im April 2013 zeigt, nicht groß verändert: Nach wie vor glauben über 60 Prozent der Amerikaner an eine Verschwörung, und nur ein Viertel hält Oswald für den Einzeltäter. Und dies, obwohl der Warren-Report seit fünf Jahrzehnten von allen Kanzeln und Kanälen als heilige Schrift und historische Wahrheit gepredigt wird – und trotz der vom Mainstream hochgejubelten und tatsächlich lukrativen Megaseller wie Killing Kennedy, dase Buch des ultrarechten Moderators Bill O’Reilly, von dem in den ersten fünf Monaten des Jahres 2013 in den USA ein Million Exemplare verkauft worden sind.
An dieser Diskrepanz zwischen dem mit massenmedialer Autorität verbreiteten Dogma und einer nach wie vor ungläubigen, skeptischen Bevölkerung hätte echter Journalismus anzusetzen – informierend, analysierend, erklärend. Dieses AP-Stück aber, das die sogenannte Qualitätspresse des Landes ungeniert verbreitet, tut das Gegenteil: Es erfindet Fakten wie eine »brummende Verschwörungstheorie-Industrie«, es verdreht die Realität, in der sich Antiverschwörungsbücher wie O’Reillys Machwerk millionenfach verkaufen, und es ignoriert die Tatsache, dass Regierung, CIA und FBI seit 50 Jahren keine überzeugende Erklärung für den Mord an JFK liefern können. Es deklariert damit die rational und skeptisch denkende Mehrheit der Bevölkerung zu Idioten und erklärt den irrationalen Glauben an verrückte Einzeltäter und magische Kugeln zur allein seligmachenden Wahrheit.
Da zu befürchten steht, dass wir zum Jahrestag des Kennedy-Mords mit derlei pseudojournalistischen Ergüssen regelrecht bombardiert werden, gilt es, sich gegen diesen Propagandafeldzug zu immunisieren. Ein erster Schritt kann darin bestehen, dass man der Inflation des diffamierenden Dummworts »Verschwörungstheorie« Rechnung trägt, es als Währung in der Debatte schlicht nicht mehr akzeptiert und überall dort, wo es im Zusammenhang mit den Morden an JFK, MLK und RFK auftaucht, »Staatsverbrechen gegen die Demokratie« einsetzt. Was nicht nur den Vorteil hat, dass aller spekulativer Hokuspokus von Elvis bis zu den Marsmännchen außen vor bleibt, sondern dass die Erörterung dieser ungeklärten Verbrechen auch in dem notwendigen politischen Kontext stattfindet und sich nicht in verwirrenden Mikroanalysen verliert. Denn entscheidend sind ja nicht einzelne Details – etwa die Frage, ob JFKs maßgeschneidertes Jackett beim Winken während des Autokorsos um acht Zentimeter hochgerutscht ist oder ob die Eintrittswunde im Obduktionsbericht nach oben manipuliert wurde, um auch die fünf Verletzungen Conallys mit dieser Kugel zu erklären. Entscheidend ist die schiere Masse dieser Ungereimtheiten, die als Zufall nicht mehr erklärbar sind, sowie der Kontext, in dem sie stehen.
Es gibt keinen Zweifel, dass die Vereinigten Staaten und die Welt heute anders – gerechter, demokratischer, friedlicher – aus- sähen, wären die drei Reformer nicht gewaltsam daran gehindert worden, ihre Ziele umzusetzen. So aber wurde mit diesen drei Morden innerhalb von fünf Jahren ein neues, ganz anderes Paradigma für die amerikanische Politik gesetzt: Wer der Agenda des militärisch-industriellen Big Business in die Quere kommt, wird gnadenlos eliminiert.