Bevor ich morgen wie alle Jahre zur Buchmesse nach Frankfurt fahre hatte ich am Wochenende meine eigene, weitaus anstrengendere “Buchmesse”. Denn wegen eines Umbaus der Wohnung mußten zehn laufende Meter randvolle Buchregale in ein anderes Zimmer geschafft werden. Das Ergebnis nach zwei Tagen Schufterei paßt nicht einmal ganz auf das Foto und während ich die Stapel ausräumte und einräumte kam mir mehr als einmal der Gedanke, ob ich diese ganzen Bücher eigentlich noch brauche. In den letzten Jahrzehnten hatte ich schon mehrfach radikal ausgemistet und nur behalten, was durch die strenge Qualitätskontrolle kam – aber auch das stand ja jetzt schon wieder viele Jahre unberührt und staubte nur noch vor sich hin und das wäre doch wirklich ein Grund….brauche ich die 137 Bände Goethe tatsächlich noch ? Ääh… – jein. Aber schon wegen des kleinen “Fragments über die Natur”, meinem absoluten Lieblingstext, bleiben sie komplett da – auch wenn man ihn online lesen kann (und Goethe ihn nur redigiert aber nicht geschrieben hat.) Weil es mir bei fast allen anderen Autoren so ähnlich ging hörte ich bald auf mit der Selbstbefragung und wuchtete die Brechts und Borges und Benjamins und Nietzsches und Schopenhauers ungefragt von A nach B. Und dauch den dicken Schinken mit Bob Dylans Lyrics, die ja nun wirklich mal den Literaturnobelpreis verdient haben, obwohl der Meister – “It ain’t me, babe!” – ihn wahrscheinlich gar nicht will. Aber verdient hätte er ihn allemal eher als all die Schnarchsäcke und Tränendrüsen, für die die Stockholmer Pappnasen bei ihrer Auswahl irgendwie ein Händchen haben.
Traditionell bringe ich mir von der Messe nur ein oder zwei Neuerscheinungen mit, eine davon wird dieses Mal Michel Serres’ “Erfindet euch neu!” sein. Serres’ “Der Parasit” hatte mich Anfang der 80er schwer begeistert, danach war mir vieles von ihm zu langweilig/enzyklopädisch, aber mit diesem neuen Bändchen scheint er Lust auf Neues zu machen und verteidigt, anders als die meisten älteren Großdenker, die digitale Welt, anstatt sie mit dümmlicher Häme zu übergiessen. Da bin ich gespannt – denn auch wenn ich mich von meinen Büchern nicht trennen kann ist mir schon klar, dass meine Enkelkinder sie nur noch als etwas Museales aus Großvaters Zeiten wahrnehmen werden. Entsprechend werde ich von Mittwoch bis Freitag am Stand der taz dem Publikum die Zeitung von Morgen- als e-Paper und App – erklären, und einen Stock tiefer beim Westend-Verlag nicht müde werden, mein gedrucktes Werk über JFK als wichtige, spannende und unverzichtbare Neuerscheinung anzupreisen. Irgendwie muss ja das Geld für neue Bücher wieder reinkommen…