Marihuana schadet der Lunge nicht nur weniger als Tabakrauch, es verbessert sogar ihre Funktionen – so das Ergebnis einer jetzt im US-amerikanischen Ärzteblatt JAMA veröffentlichten Langzeitustudie. Bei dieser “Coronary Artery Risk Development in Young Adults” (CARDIA) – Untersuchung wurden bei 5115 Männern und Frauen seit 1985 regelmäßig die Lungen und das Atemvolumen untersucht. Ein Drittel der Probanden rauchte gelegentlich oder regelmäßig Marihuana und zeigte – anders als die TabakkonsumentInnen – auch nach 20 Jahren keine Einschränkungen der Lungenfunktionen und Atemkapazität. Zum Erstaunen der Forscher wurde in der Marihuana-Gruppe sogar ein Anstieg des Lungenvolumens und der Kapazität festgestellt. Eine Erklärung für dieses Phänomen haben die Wissenschaftler nicht gefunden – außer dem eher fragwürdigen Hinweis, dass beim Marihuanakonsum fester am Joint gezogen wird als beim Tabakrauchen an der Zigarette und die Lunge sich deshalb auf Dauer ausdehnt.
Diese Ergebnisse, kommentiert das Deutsche Ärtzteblatt die Studie, “bedeuten nun nicht etwa, dass Marihuana unschädlich ist.” Auch wenn es aus lungenärztlicher Sicht keine Bedenken mehr gegen den medizinischen Einsatz von Cannabis zur Behandlung von Schmerzen Appetitmangel oder Stimmunstsörungen gäbe, müßte berücksichtigt werden, dass der “langfristige Konsum vor allem bei jungen Menschen mit der Entwicklung von mentalen und psychotischen Störungen in Verbindung gebracht wird.”
In der Tat ist Cannabis bei etwa 1 % der Bevölkerung, die an einer latenter Psychose leiden, kontrainduziert, was sowohl für Patienten als auch für Genußkonsumentinnen gilt. Doch die im Zuge der Dämonsierungswelle immer wieder aufgetischte Warnung, dass Hanfrauch noch viel schädlicher sei als Tabakrauch und schon deshalb verboten gehört, sollte mit dieser Studie endgültig vom Tisch sein. Die Bedeutung von “einen durchziehen” (wenn es nicht wie in europäischer Unsitte mit einer Tabakmischung geschieht) könnte statt mit üblem Gequalme eher mit einer Wohltat für die Atemwege assoziiert werden – zumal wenn beim Cannabiskonsum, wie im medizinischen Bereich und gesundheitsbewußten Privathaushalten schon weit verbreitet, gar kein Rauch mehr entsteht, weil das Marihuana oder Haschisch in einem Verdampfer (Vaporizer) nur noch auf 185 Grad erhitzt wird. Inhaliert werden nur noch die verdampften aromatischen Öle und der darin enthaltene Wirkstoff Tetra-Hydro-Cannabinol (THC).
Dass der Wirkstoff THC krampflösende Wirkung ist seit Jahrtausenden bekannt und der Grund für die weltweite Verwendung von Cannabis als Medikament. Dass dieser lösende, öffnende, entspannnede Effekt auch auf die Bronchien wirkt, weiß man ebenfalls schon lange. “The better the cough, the better the gras” pflegte der amerikanische “Hanfpapst” Jack Herer deshalb zu sagen, wenn sich jemand nach dem Zug an seinem Joint vor Husten auschüttelte: “Je besser der Husten, desto besser das Gras”. Anders als Tabak, der die Bronchien verschließt, befördert der Hanfhusten den Dreck nach außen. Insofern sind die Ergebnisse dieser Studie dann auch gar nicht mehr überraschend , sie entdecken nur einmal mehr ein Wissen, dass in der Geschichte und im Untergrund schon lange vorhanden war.
Umso gebotener scheint, dass dieses nunmehr wieder allgemein anerkannte Wissen in Politik und Gesetzgebung Berücksichtigung findet. In der allgemeinen Drogenpolitik, die ihre Hauptbeschäftigung immer noch in der Jagd auf Cannabis hat, und noch dringender im Umgang mit Patientien, denen der medizinische Gebrauch von Cannabisblüten nach wie vor gesetzlich verboten wird. Doch schwer kranke Menschen zu zwingen, synthetisch hergestelltes THC für 150 Euro zu kaufen – ein Schmerzpatient kommt so auf Kosten von bis zu 500 Euro im Monat – obwohl sie ihr Medikament für einen Bruchteil des Geldes auf dem Balkon oder im Garten wachsen lassen könnten, – solche Schikanen werden nach dieser neuen Studie noch ein Stück schwieriger zu begründen sein.