“In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt,” fasste unlängst Egon Bahr (91), einer der Architekten von Willy Brandts Ostverträgen, seine jahrzehntelangen Erfahrungen als Außenpolitiker vor einer Schulklasse zusammen. Doch ob die Schüler sich das angesichts der Lage in der Ukraine wirklich merken können, oder ob ihnen dank des Menschenrechts-und Demokratie-Gedröhnes der korporierten Medien nicht doch komplett das Gehirn gewaschen wird, ist fraglich. Es ist doch so schön und simpel, mit Putin als Mann fürs Böse und den USA und ihren Vasallen als den stets Guten – die natürlich NIE eine Eskalation der Ukraine-Krise wollten (und doch Milliarden dafür investierten), die den Völkerrechtsbruch der Krim-Annexion geißeln und so etwas NIE tun würden (obwohl sie vor genau vor 15 Jahren Bomben auf Jugoslawien regnen liessen), die natürlich Neo-Nazis, Alt-Faschisten und Antisemiten NIEMALS akzeptieren werden (und sie doch mit der Putsch-Regierung in Kiew an die Macht brachten und dort halten). Doch solche Zwischentöne bekommen weder diese Schüler noch sonst ein Konsument der Mainstreammedien wirklich zu hören, was sich durchzieht ist die dumpfe Schwarz-Weiß-Dichotomie der Propaganda: das machtbesessesne, gefräßige, autoritäre Russland als Feind, dem es Einhalt zu gebieten gilt – und der friedfertige, bescheideneWesten als Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten. Kriegstreiber ist allein der “Kreml-Herrscher” Putin, während es sich bei den schwer bewaffneten Putschisten die im Parlament von Kiew einen gewählten Präsidenten stürzten, natürlich um “Bürgerrechtler” handelt. Und bei der Oligarchin und Chefin der Regierunspartei Timoschenko um eine lupenreine Demokratin, der die CSU allen Ernstes den Friedensnobelpreis verleihen möchte. Dass sie alle Russen am liebsten mit Atombomben vernichten würde dürfte einer Nominierung jetzt freilich im Wege stehen. Nichts aber scheint der durchkorreographierten Propagandamühle im Wege zu stehen, die Schritt für Schritt und Sanktiönchen für Sanktiönchen die Interventionsgeilheit und damit den Krieg anheizt. Da mögen noch soviele weise alte Fahrensleute zu Vernunft und Zurückhaltung mahnen – wie etwa Peter Scholl-Latour oder Alt-Kanzler Helmut Schmidt (95) oder der langjährige Außenpolitiker und Staatssekretär Willy Wimmer (CDU) in einem äußerst hörenswertes Gespräch – gegen die Meute von Pre$$titutes und Politikern, die den Konflikt medial schüren, haben sie keine Chance. Wer die Liste der Journalisten liest, die der CIA-affinen “Atlantikbrücke” nahe stehen, bekommt eine Ahnung, welche Blätter oder Sender sich hier besonders hervortun. Darunter auch viele “Kollegen” von öffentlich-rechtlichen Anstalten, die – qua Gesetz vom Gebührenzahler finanziert – eigentlich zu einer objektiven Information verpflichtet sind, doch statt ausgewogener Berichterstattung lieber us-amerikanische Außenpolitik und Propaganda betreiben. Und so kommt es, dass das ZDF schon den lieben Kleinen in seinen Kindernachrichten Volksverhetzung vom Feinsten bietet – und kriegstreibende Poster wie das letzte Cover des “Economist” in den “heute”-Nachrichten zeigt, wo Claus Kleber derart penetrant den Chefpropagandisten gibt, dass der Siemens-Boss, den er zu seiner Russlandreise befragt, nur noch grinsen kann.
Eine ganz große Koalition aus CDU, SPD und Grünen – deren Vorstandspfeife Özdemir sich eilfertig wieder ein paar transatlantische Bonusmeilen verdiente und Schmidt für sein “Putin-Verständnis” kritisierte – marschiert einig wie nie und Seit an Seit mit dem großen Bruder USA, der NATO und der EU. Guantanamo, Drohenkrieg, NSA…das war gestern, jetzt müssen “Menschenrechte” und “Demokratie” im Osten durchgesetzt werden. Das Doping mit der superbösen Putin-Droge hat zusammengeschweisst, was nicht zusammen gehört: die Interessen Deutschlands und Europas und die der USA, denen es um nichts anderes als um globale Dominanz geht. Die also kein essentielles Interesse an einer guten Nachbarschaft von Europa und Russland haben, sondern an einem schwachen, zerstrittenen Europa und vor allem an einer Schwächung der Großmacht Russland. Dass sie dazu auch bereit sind, den Krieg nach Europa zu tragen, hat der US-geführte Balkankrieg gezeigt, bei dem u.a. die heutige Mafia-Hochburg Kosovo geschaffen und statt eines einigen und starken Jugoslawien ein halbes Dutzend streitender und unselbstständiger Kleinstaaten entstand. Dasselbe blüht jetzt – allen Lippenbekenntnissen zum Trotz – natürlich auch der Ukraine und nachdem der IWF heute die Katze aus dem Sack gelassen hat wird der Unfriede im Land weiter steigen: Voraussetzung für den Zufluss westlicher Milliarden, die das vor dem Staatsbankrott stehende Land dringend benötigt, ist die Verpflichtung, die Gaspreise für die Bevölkerung um 50 % zu erhöhen. Das hatten sich die friedlich gegen die korrupte Janukowitsch-Regierung auf dem Maidan Protestierenden sicher anders vorgestellt, doch den bezahlten Provokateure und bewaffneten Faschisten, die diese Proteste für einen Putsch nutzten, waren die dahinter stehenden Absichten durchaus klar. Und diese Sturmtruppen werden jetzt auch dafür sorgen, dass die zu erwartenden Proteste gegen die weitere Strangulierung einer ohnehin verarmten Bevölkerung schnell blutig und zu einem Bürgerkrieg werden – und damit den erwünschten Grund zu einer militärischen Intervention liefern. Zuerst für Russland, das angesichts einer Gangsterbraut mit Ausrottungsphantasien als Präsdidentschaftskandidatin dann tatsächlich Grund haben könnte, seine 8 Millionen Landesleute zu schützen – und dann für die US-geführte NATO um weitere “Expansionen” des “neuen Hitlers” zu verhindern. Ich vermute mal, dass Putin nicht in diese Falle tappen wird, weil er sie durchschaut – und statt offen und militärisch ebenso verdeckt und subversiv vorgehen wird wie der Westen, notfalls mit einer eigenen Guerilla-Truppe, die dem “Rechten Sektor” paramilitärisch Paroli bietet. Das wird nicht schön für die Ukraine – und für den Rest der Welt. Zumal Russland natürlich nicht “isoliert” und eine unbedeutende “Regionalmacht” ist, wie Obama auf dem US-EU-Gipfel tönte, denn wie das “wandernde Auge” des Korrespondenten Pepe Escobar richtig feststellt:
“Was das Weiße Haus “die internationale Gemeinschaft” nennt – in etwa die “Haager Erklärung”-G7 plus ein paar europäische Lakaien –, könnte das unmöglich zugeben. Asien, auf der anderen Seite, identifiziert dies eindeutig. Für Beginner: China, Japan und Südkorea identifizieren Russland mit einer steten Versorgung mit Öl und Gas und weiteren Geschäften. Selbst wenn man berücksichtigt, dass Japan und Südkorea im Wesentlichen US-Protektorate sind, könnte nichts in ihren Berechnungen anachronistischer sein als ein westlich provozierter Neuer Kalter Krieg . Asien wird Russland nicht “isolieren” – und Asiaten und Russen wissen das, sosehr, wie das Weiße Haus es leugnet. Pekings Enthaltung beim “Verurteilen” Moskaus ist klassischer Deng Xiaoping-Stil à la “Übe dich in Zurückhaltung“, da China Russlands strategischer Partner ist und beide damit beschäftigt sind, an der Entstehung einer multipolaren Welt zu arbeiten. Von Pekings größter Ablehnung gegenüber US-Farbenstil-”Revolutionen” und Regimewechsel-Operationen sowie den einkreisenden “Schwenk nach Asien“-Operationen ganz zu schweigen.”